5

Ich sah sie lachen, sah sie lächeln,
Ich sah sie ganz zugrunde gehn;
Ich hört ihr Weinen und ihr Röcheln,
Und habe ruhig zugesehn.
Leidtragend folgt ich ihren Särgen,
Und bis zum Kirchhof ging ich mit;
Hernach, ich will es nicht verbergen,
Speist ich zu Mittag mit App'tit.
Doch jetzt auf einmal mit Betrübnis
Denk ich der längstverstorbnen Schar;
[211]
Wie lodernd plötzliche Verliebnis
Stürmt's auf im Herzen wunderbar!
Besonders sind es Julchens Tränen,
Die im Gedächtnis rinnen mir;
Die Wehmut wird zu wildem Sehnen,
Und Tag und Nacht ruf ich nach ihr! – –
Oft kommt zu mir die tote Blume
Im Fiebertraum; alsdann zumut'
Ist mir, als böte sie postume
Gewährung meiner Liebesglut.
O zärtliches Phantom, umschließe
Mich fest und fester, deinen Mund,
Drück ihn auf meinen Mund – versüße
Die Bitternis der letzten Stund'!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Heine, Heinrich. Gedichte. Gedichte 1853 und 1854. 8. Zum Lazarus. 5. Ich sah sie lachen, sah sie lächeln. 5. Ich sah sie lachen, sah sie lächeln. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-46D7-A