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Ich sah sie lachen, sah sie lächeln,
Ich sah sie ganz zugrunde gehn;
Ich hört ihr Weinen und ihr Röcheln,
Und habe ruhig zugesehn.
Leidtragend folgt ich ihren Särgen,
Und bis zum Kirchhof ging ich mit;
Hernach, ich will es nicht verbergen,
Speist ich zu Mittag mit App'tit.
Doch jetzt auf einmal mit Betrübnis
Denk ich der längstverstorbnen Schar;
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Wie lodernd plötzliche Verliebnis
Stürmt's auf im Herzen wunderbar!
Besonders sind es Julchens Tränen,
Die im Gedächtnis rinnen mir;
Die Wehmut wird zu wildem Sehnen,
Und Tag und Nacht ruf ich nach ihr! – –
Oft kommt zu mir die tote Blume
Im Fiebertraum; alsdann zumut'
Ist mir, als böte sie postume
Gewährung meiner Liebesglut.
O zärtliches Phantom, umschließe
Mich fest und fester, deinen Mund,
Drück ihn auf meinen Mund – versüße
Die Bitternis der letzten Stund'!

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TextGrid Repository (2012). Heine, Heinrich. Gedichte. Gedichte 1853 und 1854. 8. Zum Lazarus. 5. Ich sah sie lachen, sah sie lächeln. 5. Ich sah sie lachen, sah sie lächeln. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-46D7-A