2293. Auf Quasimodogeniti
Mel. Der sabbath ist ums etc.
1.
So lang das kind im mutter-leib, so fühlts noch nicht den dampf vom zimmer, wo das kinder-weib die windel wärmt. Der krampf, ders kindlein aus der mutter drengt, der macht zugleich, daß es empfängt den warmen wochen-zimmer-duft, das ist noch nicht die luft.
2.
Wenns kindlein nun gebadet ist, gewikkelt und getränkt, und an der mutter, wie ihr wißt, ein viertel jahr gehängt, so kommt ein Frühlings-tag so schön, da die gesunden lüftlein wehn, da kommt das kind vom zimmer-duft in eine freye luft.
3.
So gehts in der familie der Kirche ganz und gar: ein kind, das Abba zeugete, der heilge Geist gebar, so balds die Kirche Jesu Christ mit blutig warmem mäulgen küßt, so fühlts zum erstenmal den duft der innern seiten-luft.
4.
Das küßgen wittert lange zeit, das das Gemeinlein gab, das kindlein spüret nah und weit den duft von Christi grab, dabey ist ihm so inniglich, so Seitenhohl-verkriecherlich, die wehende creuz-lüftelein, die wärmt der Seitenschrein.
5.
Allein so bald das vöglein flik, so sitzt es nicht mehr vest, die Mutter holts zum leichnams-blik heraus aus seinem nest, da zitterts in des Geistes hand dem Leichnam zu (ans holz gespannt,) und wird zum erstenmale warm in seines Mannes arm.
6.
Nach zeitiger gradation zur geistes-mannbarkeit, da nimmt die Mutter Jesu lohn und herzlein auf die seit, gewöhnt es von dem seiten-duft an eine freye creuzes-luft, die ist, was frisch, doch nicht zu rauh, hübsch lau von wunden-thau.
7.
So viel nun aufgenommen seyn, (und aufgenomm'n das ist, merkts wohl, ihr creuz-luft-vögelein, wens Kirchen-mündlein küßt,) die seele Christi heilge euch, sein Geist machs siegel hart und weich, sein leib, der für euch blut geduft, spar euch zur freyen luft.
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