2300. Am grossen Sabbath

den 1. April 1747.


Mel. Wenn ich ihn essen kan etc.


1.

Mit was für einem schrek ich von dem platz getreten, wo Gott mein unglük weg, mein glük herzu gebeten, mein Gott in Manns-person, das zeigt der schluß vom lied, wo der gebrochne ton die ecstasin verrieth.

2.

Nun sind zwey jahr vorbey, wir gehn im leidens-pfade, so viel und mancherley eröffnet uns die gnade, die Pleur ist unser haus, die Marter unsre lehr, die Creuz-luft machts gesaus in unsrer atmosphær.

3.

Noch dennoch sind wir aus mit unserm psalmen singen, man kan den letzten [2197] strauß in keine worte bringen: die worte möchten seyn mit allem sinnen-spiel, könnt man nur dollmetsch seyn von unsers Manns gefühl.

4.

Daß des geschöpfes seel nach seinem bild erwache, war dem Immanuel gar eine leichte sache. Mein Schöpfer! kanst du was? wek deine jünger auf; sprich! er spricht: wie so laß? sie schlafen immer drauf.

5.

Das fleisch das ist zu schwach, Formirer aller härlein! das ist ja deine sach, fahr du ihm in die quer nein, und deine Gotts-gewalt richt' auf die müden bein: doch, ach! mein Gott wird bald die schwachheit selber seyn.

6.

Da kommt ein hauffen fleisch, und mit fleischlichen waffen; dein schwächlichstes geräusch vermag sie wegzuraffen: wen sucht ihr? einen mann, den Jesum. Der Ich bin! ein donner-wort, ein bann, der wirft sie alle hin.

7.

Das ist ein ander ding: solls so continuiren? laß sehen, wer ihn zwing', Er wird nicht scharmuziren: es gilt der seele sühn, das kost't den Bräutigam. Auf! Judas, küsse ihn, so wird der Leu zum Lamm.

8.

Ich seh das unglüks-kind die lippen schon berühren, die feuer-kohlen sind, und bannend absolviren. Wer kans denn von euch zweyn am besten? Liebes-pfeil! mund oder äugelein? macht doch sein finger heil!

9.

Fürst Judä wirds den hals zum ewgen leben brechen 1, und damit allenfalls des kusses falschheit rächen. Fürst Simon aber wird zuerst zum pabst gemacht, und dann wird er gegürt't, und auch noch abgeschlacht't.

10.

Doch daß ihrs eben wißt, zuschauer aller arten, mit eurer macht und list würd't ihr noch lange warten: die himmlische armee steht unter dem gewehr, und eh ihm was geschäh', so frässe sie euch eh'r.

11.

Indem sie aber paßt, ob einem flügel-manne von ihnen wird belast zu hauen in die pfanne; so winkt Immanuel, und stillet sie geschwind: so daß sie auf befehl paßive zeugen sind.

12.

Wir folgen ihnen nach zu sehen und zu hören die in

[2198] dem marter-fach verborgne tieffe lehren, ein jedes läiter-wort, selbst die verlegenheit des Felsen-Mannes dort, wohin sie ihn verleit't.

13.

Und was das Lämmlein sprach, und sein hochweises schweigen, die unschuld seiner sach, der subornirten zeugen avtocatacrisis, des in der Römschen Dam' erwachten hündleins biß, des richters eigne schaam,

14.

Das alles saust uns die genugsam in die ohren: die worte aber, die des Simons ohr durchbohren, wie Jesus auge fragt, was Simons aug auf das für eine antwort sagt, das macht erst's auge naß.

15.

Ihr herzel, hört ihrs auch, was Jesu augen reden, wie sie nach ihrem brauch befriedigen die blöden, die eigenliebe quäln, das eigenlob beschäm'n, und mit gebrech und fehln es so genau nicht nehm'n.

16.

Ihr herzel wißt wol mehr, als man euch kan erzehlen, was ihm sein blik für ehr gebracht bey euren seelen: ihr habt wol eh gesagt, daß euchs im herzen nagt, daß sichs Lamm nicht beklagt, wie ihrs zuweilen plagt.

Da läutets ins gebet bey unsers Mannes grabe, es wird mir doch zu spät, wenn ich noch viel mehr habe. Ich wiederhol euch dis, was ihr bereits vernomm'n, sein jammer ist gewiß zum selgen ende komm'n.

Wenns euch Maria klagt, daß ihn wer weggenommen, und eins ums andre fragt, wo er doch hingekommen? so wißt ihr eben wo er den weg hin genomm'n; Wird in silentio und Pleure wiederkomm'n.

Fußnoten

1 Das ist kein glaubens-artikel; die idée gründet sich auf des Apostels moderaten ausspruch Apostelgesch. 2.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Zugaben 1-4 zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 3. Zugabe. 2300. Am grossen Sabbath. 2300. Am grossen Sabbath. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B8C0-7