2345. Zum Aeltesten-Fest 1748. ad modum des vorherstehenden, in Zeyst
1.
Hörst du's, Ältster! du incomparabler! hats dein treues herz gefaßt? siehst du, auge! noch gar viel affabler, als von ineffablem glast? fühlest du der blut-gemeinen sehnen, [2243] wangen-paar von millionen thränen, der verliebten kirche naß? Eya, Deus caritas!
2.
Sollen wir dir, Christe Tavmsturge! unsern lebens-lauff erzehln? nun so höre, heilger Erz-Liturge! die geschichte deiner seel'n: sie sind eines sinnes in Europa, Crux, Barbies, Stra-David, Cars, 1 Quittopa, 2 nur an unterschiednen stell'n, und in differenten fälln.
3.
Wisse also, du getreuer Schöpfer, du erfinder unsers geists, seel der seele, und des leibes töpfer, ohne zweifel, Herr, du weißts, daß dein leichlein, und dein todes-leiden das object ist aller kirchen-freuden; zwanzigfache sprache preißts, eine grosse schaar geneußts.
4.
Deine freunde, welche vor dir wohnen, auserwählter Josua! und die manche kirch-divisionen, sich oft fern, dir alle nah; die repræsentir'n sich deine schwären, als ob sie erst aufgebrochen wären, singen dir, als stünd'st du da, Ave! und Hallelujah!
5.
Macht man einem armen exulanten, aus der grund-verdorbnen welt, 3 mit zwey worten hoffnung, anzukannten, sagt ihm, daß es an nichts fehlt; als daß er noch todte zu begraben, oder abschied möcht zu nehmen haben: siehst du, wie sein auge schwellt! siehst du's, wie er niederfällt!
6.
Wenn darnach so eins noch manche stunden an der thüre warten muß, ehe es sein recht sieht an den wunden, und an ihrem heils-genuß, und es sieht sich endlich ohne mühe mit dem kirchelein auf einem knie, 4 da kriegt dein durchgrabner fuß manchen Magdalenen-kuß.
7.
Wird die Christin, die dich Eh-wirth nennet, bey dem sacrament der eh' testaments-gemäß von dir erkennet, und solch herz ist in der näh: ihm ists, wie den jüngern seyn mocht' weyland im moment der auffahrt von dem Heiland, es verlöhr sich muth und säh gern mit deiner letzten zäh'.
8.
Eine andre stunde läßst du schlagen für das creatürelein, da läßt du ihm ohne worte sagen, 5 du willst ihm Elisa seyn; kaum daß die vom blut noch warme lippe auf des [2244] candidaten wange tippe, so entglitscht ihrs wängelein und versengt sich an dem dein'n.
9.
Ach Herr Jesu! soll ich weiter singen, dir ist das ja täglich brod? muß ich dirs erst ins gedächtniß bringen, wie uns wird beym mystschen tod? ob mans denn auch wirklich sagen könnte, wie so einem wird 6 beym sacramente über alle Sephiroth? lindre mirs, ich leide noth!
10.
Hilf Gott, laß es meiner kehl gelingen! wenn sie dieses meister-stük deiner Ehe-Liebe soll besingen, daß es nicht die hütt erstikk'. Es geht nicht: mit worten zu erreichen 's ineinander sterben beyder leichen. Der verliebten letzter Nik ist ein glükke ohne blik.
11.
Wär man im beschreiben noch so fertig dein und deiner selgen Sie; wer ist gleichwol sich selbst gegenwärtig, unter der Braut-Agonie? 7 Also, Lämmlein! bleibe ich dirs schuldig zu beschreiben, wie ein herz dir huldig', wenns zum erstenmal, weiß wie, stirbt an der Athanasie. 8
12.
Aber wenn der grabes-duft die kitte beyder leichlein wieder löst, und die Sie, die jetzt herunter glitte, sich zur ruh setzt 9 und verbläst; da sitzt solch ein glied der gnaden-wahle für sich hin entzükt im hoch zeit-saale. Wie ein vöglein schläfts im nest, bis die wek-posaune 10 bläst.
13.
Rührt das schwächlich athemde Geschweygen Gotts des Vaters, dieser hall; so erwacht es mit verliebtem keichen, ey wie rauschts vom wasser-fall, der sich aus dem leibes-tempel dränget, wo das kirchlein eben dran gehänget, wenn sein offner herz-canal blut spritzt in den bunds-pocal! 11
14.
Mit was himmlischer music und stimmen weicht'sEfflavit animum! dem: »im meer der Seite baden, schwimmen,« himmlisches Concert verstumm'! bis sie fertig sind, die leichnams bienen, ihren rosen-garten zu bedienen mit blutdurftigem gesumm': Ave, latus faucium!
15.
Singen, ja sich aus [2245] der hütte singen, ist die inclination derer, die sich mit braut-kammer-dingen so tieff eingelassen schon. In dem neste wollen sie ersterben, ein'gen glükts, 12 ein anders läßt sich werben, 13 und verspricht dir folg' und frohn für die jetzige æon'.
16.
Ey was machen denn die stillen seelen, die zu hause blieben seyn? was mag sie bewahren, heil'gen, stählen vor der sünde phantasey'n, die sich zufindt, wo sie immer kan 'rein? Dafür muß dein theures bunds-glied mann seyn, kein bann kan ein tröpfelein opfer-blur vorbey, herein.
17.
Aber wie gehts deinem reis'gen zeuge, der bald klimmt, bald sinkt im sand, kaum vom nord- und west-sturm wieder träuge, schon von ost und süd verbrannt? da hilft weder blössen noch verpakken, sondern deine haut voll pflüger-zakken über leib und seel gespannt; und so durch die welt gerannt.
18.
Und was machen vollends solche herzen, 14 denen andrer last und pein ursach wird zu tausend mutter-schmerzen, die nicht zu vermeiden seyn? weißt du, wie die ihre seele schweigen, daß sie dich dem matten herzen zeigen, wie du mit der last tritst ein aller welt und der Gemein?
19.
Eh' ein streiter, der in seinem panzer ehrsam grau geworden ist, 15 der erfahrung nach auch immer ganzer tieff ins seitlein nein genist't, endlich auch, daß er das amt gewohne, theilhaft wird der Lammes-priester-krone; 16 hat er erst vom dornen-stich, seinen patriarchen-strich.
20.
Aber, Lamm! was will das alles sagen gegen dem, was übrig 17 ist? sag ichs, oder laß ich dich drum fragen, weil du doch der thäter bist? wie die stunden in den wunden pikken, bis zum letzten puls ins Seitlein schikken; eh man sichs versieht, so ist der und die uns weggeküßt.
Fußnoten
1 Persien.
2 Pensylvanien.
3 beym sprechen.
4 bey der aufnahme.
5 bey der confirmation.
6 beym empfang des brods.
7 bey der Communion.
8 beym genuß des heiligen Leichnams.
9 zur Liturgie des heiligen Leichnams.
10 Da man hatt' zur vesper-zeit etc.
11 beym Kelch füllen.
12 orts-gemein geschwistern.
13 zum pilger.
14 arbeiter.
15 Ältester.
16 als öconomus, amts-mann oder subsenior.
17 der heimgang.