[171] Als er sich vernehmen ließ / daß er gerne stürbe
Kan dich der grasse Tod, Leander, nicht erschrecken,
Der doch das schrecklichste von allen Dingen heist,
Darhinter muß gewiß ein groß Geheimniß stecken,
Daß dir dein Wunsch so früh die Sterbens-Bahne weist.
Ein schlechter Wurm wind sich sein Leben zu erretten,
Wenn er von ohngefähr in diß Geschick verfällt;
Ein Sclave freuet sich bey Wasser, Brod und Ketten,
Wann selbger nur dabey sein Leben noch erhält,
Heist ihm sein Schicksal gleich dabey das Elend bauen,
So wird doch Frohn und Last ihm recht zu lauter Lust,
Und kan er Sarg und Grufft von sich entfernt nur schauen,
Nährt doch ein Lebens-Trieb noch die beschwerte Brust.
Leander, du bist frey, dein eigen, nicht gefangen,
Und bist, ich wundre mich, doch deines Lebens satt.
Du klagst, wie vielmahl bin ich schon dem Todt entgangen?
O sage was dein Mund zu klagen nöthig hat?
[172]Soll denn ein kalter Stein dein liebstes Wohnhauß heissen,
Ein finstres Toden Hauß, dein schönstes Paradieß,
Wilst du dich mit Gewalt und Macht nach etwas reissen,
Das schon der ersten Welt mehr als zu furchtbar hieß.
Wir waren anfangs zwar zum Sterben nicht erkohren,
Doch Evens Apffel-Biß und Adams blinder Wahn,
Hat uns so Sarg als Grufft zur Strafe zugeschworen,
Die ieder gerne flieht, so lang er immer kan.
Wie kanst du, sage mir, so nach dem Tode ringen?
Da doch ein iedermann um Aufschub bitten will;
Es wäre viel zu früh ein Grab-Lied dir zu singen,
Dein Wunsch ist ungerecht, erwarte doch dein Ziel.
Dein Seufftzen, dein Gebet, dein ängstlich Händeringen,
Bezeugen, daß dein Hertz Verdruß und Unruh hegt.
Du kanst das Schicksal doch dadurch nicht eher zwingen,
Als biß dir selbiges den Gräntz-Stein selber legt.
Vielleicht hat dir das Glück, und diß in wenig Jahren,
Ein angenehmes Kind zur Trösterin ersehn,
[173]Da wirst du Zucker-Lust, Leander, einst erfahren,
Ich sehe schon voraus im Geist, als wärs geschehn.
Da wirst du, hoff ich, wohl nicht mehr an Tod gedencken,
Der, artger Mensch, dir ietzt stets auf der Zunge sitzt;
Die Liebe wird so dann mit Lebens-Safft dich träncken,
Den sie statt Todes-Göscht auf deine Lippen spritzt.
Dein Sarg heist eine Brust, worein man dich versencket,
Und ein charmantes Kind bringt dich in Sterbens-Noth,
Daß dir das Feyer-Kleid statt Sterbe-Küttels schencket,
Es geht mit dir behertzt und willig in den Todt.
Diß ist ohnstreitg wohl, was dich, wie man kan schliessen,
Zu diesen artgen Wunsch so früh verleiten mag.
Dergleichen Art kan uns die Todes-Angst versüßen,
Es wünscht sich alle Welt dergleichen Sterbens-Tag.
Inzwischen laß die Furcht und allen Kummer schwinden,
Verbanne was dich quält, verjage Schmertz und Pein,
[174]Und hoffe, daß du wirst einst dein Vergnügen finden,
Das dir ohnfelbar muß schon auffgehoben seyn.
Erwart es mit Gedult, das Glück läst sich nicht zwingen,
Es wär betaurenswerth, wann dich der Harm und Schmertz
Zum Grabe solte schon so früh und zeitig bringen.
Leander, lebe wohl, ich schliesse Brieff und Schertz.