10. Gedichte

Der Eifersüchtige Endimion, mit seiner treuen Chloris in reimlosen Versen.


Wie munter sahst du dich nach Thirsis Heerden um?
Dein Auge war entbrannt; wie schlug dir nicht das Herz!
Das Feuer in der Brust brach auf durch Stirn und Wangen;
Kurz, Liebe Furcht und Pein verdoppelten die Flammen.
Ich sah dir zwar mit Lust, doch auch mit Schmerzen zu,
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Und dachte bey mir selbst: wo bleibt da Schwur und Treu?
Du wurdest blaß und roth, das muste dich verrahten,
Als dich Endimion um deine Heerden fragte.
Was sollt ich Armer thun? ich eilte von dem Platz,
Da ich sonst so vergnügt an deiner Seite saß;
Und stehe noch betäubt, von dem was ich gehöret.
So sprach Endimion voll Unmuth und Gedanken,
Doch Chloris kam dazu und bot ihm einen Gruß;
Sie neigte ihren Stab, und sprach: Endimion,
Wie konnst du zornig seyn, da ich doch nichts verbrochen?
Was Thirsis mir gesagt, daß kann ich auch erzehlen:
Er fragte nach dem Lamm, das gestern sich verirrt,
Er fragte selbst nach dir, nach deiner Heerd und Trift;
Er fragte, ob ich dich auch öfters hier gesehen?
Er fragte wo die Fluhr der Doris anzutreffen.
Mich dünkt; dies alles kann dir nicht zuwider seyn.
Gesetzt, ich hätte mich dabey auch oft entfärbt;
Ich sah das erste mal den Thirsis auf der Heyde,
Du kennst mein schüchternes, mein allzublödes Wesen,
Das überzeuget dich, von meiner Redlichkeit.
Ja Chloris, sagt er drauf: dein Schäfer der vergiebt
Dir alles was geschehn, nur bleibe mir ergeben.
Mich schläfert; setze dich, und hüte nur die Schaafe.
Kaum als er dies gesagt, so schlief er ruhig ein.
Sie gieng und suchte sich den allerschönsten Ast,
Und schnitt ein nettes Rohr, den Schäfer zu beschenken.
Ihr Vater, welcher sich an diesen Baum gelehnet,
Der sprach: mein liebstes Kind, komm schele mir den Stamm,
Und reiche mir den Bast, und knüpf mir Schu und Strumpf.
O hätt ich einen Trunk von diesen klaren Bächen!
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Ich bin so alt und krank, kann mich an nichts erholen.
Mich abgelebten Mann trägt nicht mein Hirtenstab,
Geh, hohle mir den Stock, der an dem Zaune steht.
Indem sie noch bemüht den alten Vater pflegte,
Wie? rief Endimion, voll Zorn und Eifersucht;
Ist das die Redlichkeit, die mir dein Mund versprach?
Wenn dich ein Schäfer lockt, so stehest du schon da;
Vergist Endimion, der dich nicht kann vergessen.
Du hast von meiner Gunst so viel und reiche Gaben:
So bald mein Schaaf gebiehrt, kriegst du das erste Lamm,
Kaum daß der Bienenheer Gefach und Korb verläßt,
Nehm ich den Honig aus. Du must ihn mit geniessen.
Mein Graß, mein Futter wächst auch mit vor deine Heerden,
Wenn dich die Sonne sticht, beschützet dich mein Laub,
So gar dein Schäferschurz kommt auch von meiner Hand.
Von Myrrthen hab ich dir oft einen Kranz gewunden.
Ich theile Käse, Milch, Rohm, Butter, Brodt, und Eyer,
Und schläfst du dann und wann bey deinen Heerden ein,
So pflück ich Blumen ab, bedecke deinen Leib,
Daß dich kein Unfall trift von Schlangen und Geschmeisse.
Mein Hector muß dich auch mit mir zugleich bewachen;
Ich webe dir dabey den schönsten Schäferhuth.
Doch alles ist umsonst, was ich vor dich gethan.
Sie wust indessen nichts von Vorwurf und von Klagen;
Sie nahm den Vater mit, und sprach mit vollem Lachen:
Nimm hin, Endimion, dies schmal und schlanke Rohr,
Das ich mit eigner Hand, mein Schäfer ausgeschnitzt,
Mein Vater kam dazu, und brachte mir die Tauben;
Die sollen Zeuge seyn, daß ich die Deine bleibe.
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Da ward Endimion ganz ausser sich gebracht.
Verfluchte Eifersucht, du Henker meiner Ruh,
Die sich in meiner Brust zu Chloris Schmach entsponnen,
Gedacht er bey sich selbst; ich mag dich nicht mehr kennen.
Er nahm sie bey der Hand, er nahm sie auf den Schooß,
Und küßte ganz entbrannt ihr Stirne, Mund und Brust.
Kurz; der Zufriedenheit, war weiter nichts zu gleichen.
Ein tränenreicher Bach ergoß sich auf den Wangen,
Und mischte sich zugleich mit in den kühlen Thau.
Die holde Schäferinn entriß sich seinem Arm;
Und eilte nach dem Vieh, ließ ihn halb träumend sitzen,
Laß grüne Reiser auf, und schelte Schäferstöcke.
Wie nette flocht sie nicht den Korb nach Schäfer Art!
Dies sah Endimion mit starren Augen an.
Sie hieng denselbigen um ihre schlanken Lenden,
Und sprach: Endimion, schau, was ich unternommen,
Das ist vor dich allein aus Zärtlichkeit geschehn.
Dafern ein fremder Hirt auf diese Felder tritt,
Und sucht ein einig Wort mir nur ins Ohr zu sagen
Das dir zuwider ist, und meine Liebe kränket,
So reich ich ihm den Korb; mit meinem Hirtenstock
Jag ich den Näscher fort, ich schlage weil ich kann,
Auf den Verwegenen, der unsre Ruhe störet,
Denn Herz und Freyheit ist an dich allein verschenket.
Nimm, was mir zugehört, zu deinem Eigenthum.
Dein Eifer sey verbannt, der dich bisher gequält,
Ergreif dein Haberrohr, ich spiele schon Leyer.
Sie suchten alsobald die schattenreichste Fichte.
Er pfiff, sie sang darein, dies war der frohe Tag,
An dem Endimion und Chloris sich versprach.
Drauf eilten auch herbey der andern Schäfer Chore,
Und man beschloß die Lust, mit Tanzen Scherz und Singen.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. 10. Gedichte. 10. Gedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B258-1