[198] 8. Brief

An eine Adeliche Dame.


Hochwohlgebohrne Frau, ich bitte dich, vergieb.
Daß ich nicht alsobald auf dein Geehrtes schrieb.
Ich konnte wahrlich nicht die schwache Feder führen.
Ich weis, mein Schmerz kann dir zugleich das Herze rühren.
Hättst du die Hand gesehn, der Schwulst war gar zu groß;
Mir fiel bey dem Geschick ein allzuhäßlich Los.
Erhalt ich sonst ein Blat von deinen liebsten Händen,
So eil ich ungesäumt, die Antwort drauf zu senden.
Denn jedes druckt so gleich mit neuverstärkter Lust,
Dein Bild, Geehrteste, in die ergebne Brust.
Wie glücklich kann ich mich bey deiner Freundschaft schätzen!
Ich darf mich ganz vertraut an deine Seite setzen:
Ich rede unverstellt, in ungestörter Ruh;
Dein aufmerksames Ohr hört mir gelassen zu.
Ich kann dir Wohl und Weh und alles anvertrauen;
Ich kann auf deine Huld die stärksten Schlösser bauen.
Dies alles treibet mich zu einer Ehrfurcht an,
Mit der man in der Welt gar nichts vergleichen kann.
Mich reizt kein schöner Baum, kein Garten, keine Früchte,
Sie bleiben gegen dich ein blosses Schaugerichte.
Wenn mich was laben soll, so ists ein werthes Blat
Das deine Hand gesetzt, des werd ich niemals satt.
Da laß ich Obst und Wein, und alle Speisen stehen;
Mein Geist weis nicht vor Lust, wie ihm dabey geschehen.
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Pflicht und Erkenntlichkeit erfordert dies von mir.
Mein Herz, Geehrteste, ist immerfort bey dir;
Das suchst du Tag vor Tag von neuem zu ergötzen;
Mit deiner Freundschaft ist nichts in Vergleich zusetzen.
Du hast mich, Wertheste, vor andern Freunden lieb,
Und worauf gründet sich der ungemeine Trieb?
Und was bewegt dich denn mich vielen vorzuziehen?
Du kennst mein Redlich seyn, mein Sorgen, mein Bemühen
Vor das was dich vergnügt, und was dir wohlgefällt;
Mein Wille bleibet stets dem deinen heimgestellt;
Ja der Gehorsam daurt in unverrückter Treue.
Du glaubst nicht, wie ich mich schon auf die Messe freue.
Ich zehle Stund und Tag bis ich dich sprechen kann
Bey deiner Gegenwart treff ich mein alles an.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 8. Brief. 8. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B203-0