4. Ode

Auf das bey vorgemeldetem Sturme, aus der alleräussersten Gefahr entkommene Schiff, worauf sich die Königl. Deutsche Canzley befunden hatte.


Ihr Eltern sagt, wie schlug das Herz
Bey eurer Kinder letzten Reise!
Nichts hemmte Thränen, Angst, und Schmerz,
Sie mengten sich in Trank und Speise.
Ihr rieft mit grossem Vorbedacht:
Nehmt euch, ihr Söhne, wohl in acht.
Der Zuruf kam aus zarten Trieben
Von der die sie getragen hat;
Denn die wird niemahls müd und satt,
Das Kind so als sich selbst zu lieben.
[14]
Der Wagen rauscht, das Posthorn schallt:
Das waren rechte Schreckensthöne.
Des Vaters Blut in Adern wallt
Bey dem Verreisen seiner Söhne.
Der Kinder Herz stimmt überein;
Die Blicke müssen Redner seyn:
Der Abschied wird durch sie genommen:
Ein jeder eilet schnelle fort;
Die Eltern bleiben an dem Ort,
Bis sie aus ihren Augen kommen.
Sie freuen sich schon im voraus
Auf ihrer Kinder Wohlergehen.
Und kehren ganz getrost nach Haus
Wenn sie dieselben auch nicht sehen.
Sie hoffen dennoch auf ein Blat,
Das die vergnügte Wirkung hat,
Des Kummers Macht zu unterdrücken.
Der Kinder Glück ist ihre Lust,
Dis labet die beklemmte Brust,
Und kann den matten Geist erquicken.
Kaum ist die erste Angst vorbey,
So sehen sie die Wolken thürmen.
Da wird die Sorge doppelt neu,
Wenn die erboosten Winde stürmen.
Die Furcht betäubet Sinn und Ohr;
Sie stellen sich im Geiste vor
Des Meeres Wuth, der Wellen Rasen.
Unmöglich kann das Schiff bestehn;
Es muß zu Grund und Trümmern gehn.
Hört Aeol nicht bald auf zu blasen.
[15]
Der Ruf nimmt Stadt und Mauren ein:
Das Schiff sey durch den Sturm verschlagen.
Dies Wort durchdringet Mark und Bein,
Und dennoch hört man sie nicht klagen.
Sie waren wie vom Schlag gerührt
Kein Odem wurde mehr verspührt
Sie wollten auch zugleich verderben.
Jedoch in einem Augenblick
Kam der entflohne Geist zurück:
Ihr Jammer ward ein täglich Sterben.
Doch endlich trat der Mann ins Spiel
Dem Wind und Meer Gehorsam leisten.
Der stellte gleich ein ander Ziel
Daß sie beglückt zurücke reisten.
Kaum grüßen sie das sichre Land,
So machen sie so gleich bekannt
Sie wären der Gefahr entrissen,
Das Herz bekommt itzt wieder Luft;
Nachdem sie statt der feuchten Gruft
Sich nun im sichern Hafen wissen.
Hier rang nun Hoffnung, Furcht, und Lust,
In der gebeugten Eltern Herzen.
Ihr ach! blieb dennoch in der Brust;
Sie nährten noch die herben Schmerzen.
Ja, hieß es, unsre Traurigkeit
Stammt von Erwartung jener Zeit.
Ihr seyd dem Tod noch nicht entronnen,
Wer weis, was für ein Sturm entsteht,
Wenn ihr von dar nach England geht?
Ihr habt noch nicht das Land gewonnen.
[16]
Beherzt! fleht nur die Vorsicht an;
Laßt Geist und Muth nicht untersinken.
Ihr seht ja was sie schon gethan,
Sie läßt kein Kind von euch ertrinken.
Eur Seufzen klärt den Himmel auf,
Und sie vollbringen Farth und Lauf.
Die Elemente müssen schweigen.
Weil der den König überführt
Der unsre ganze Welt regiert,
Wird sich sein Arm auch mächtig zeigen.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 4. Ode. 4. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B1FB-E