[146] Antworts-Schreiben

Es quälte sich mein Geist mit eyfrigen Verlangen,
Eh mir, beliebter Freund, dein angenehmer Brief,
Den ich, ich schwör es dir, mit rechter Lust empfangen,
Nach langen Hoffen doch noch in die Hände lieff.
Du müßtest, meynt ich, schon im Reich der Toden stecken,
Drum schickt ich den Mercur an Charon würcklich ab,
Um deinen Auffenthalt mir schleunig zu entdecken,
Der aber mir von dir gar keine Nachricht gab.
Denn, dacht ich, wäre noch der liebe Freund am Leben,
So lieffe wohl ein Blatt von seinen Händen ein,
Und wolt er selber mir davon nicht Nachricht geben,
So würd ein andrer doch an seiner Stelle seyn.
Jedoch ich bin nun froh, von deinen Wohl zu hören,
Drum such ich wiederum erfreut die Leyer vor.
Ich lasse mich nicht mehr Verdruß und Sorgen stöhren,
Und mein Muse hebt ihr mattes Haupt empor.
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Das lieblichste Concert ist mir zu Händen kommen,
Es ist, ich läugne nicht, nach meinen Gout gemacht,
Was Wunder wenn ich es mit Freuden auffgenommen,
Es klingt als hätt H-- diß Kind zur Welt gebracht.
Der Componiste sey von Süden, West, und Norden,
So rühm ich doch die Kunst, die niemand tadlen kan;
Ich sehe, daß er nicht an dir zum Lügner worden,
Und gibt er dir noch mehr, so nimm es willig an.
Der Geitz muß, denckst du wohl, sie gantz besessen haben,
Weil sie, dem Fodern nach, gantz unersätlich heist.
Du weist, daß mich nichts mehr als die Music kan laben,
Denn dieses Element ernehret Seel und Geist.
Es kan mir in der That kein größrer Dienst geschehen,
Als wenn ich, wie du selbst davon kanst Zeuge seyn,
Vom lieben Noten-Volck mich soll umringet sehen,
Ich räumte, gieng es an, ihm alle Zimmer ein.
Indessen geb ich dir mein Beyleid zu verstehen,
Weil du, wie mir dein Kiel die sichre Nachricht giebt,
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Wilst in der Einsamkeit, wie Eremiten, gehen,
Da du doch ehemahls den Umgang sehr geliebt.
Ich kan durch Nachsinn nicht, ich schwör es dir, erreichen,
Warum dein muntrer Geist Gesellschafft fliehen will.
O dürfft ich dich einmal nur heimlich überschleichen,
So fänd ich also dann vielleicht das Widerspiel.
Wird dir die Zeit zu lang, du kanst sie dir verkürtzen,
Ruff deine Muse nur, sie wird, Geliebter Freund,
Die Stunden alle dir mit Zucker überwürtzen,
Die deiner Meynung nach recht herb und bitter seyn,
Und mir wird auch zugleich ein schöner Vortheil bleiben,
Denn läst die Clio sich bey dir geschäfftigt sehn,
So wirst du künfftig hin an mich noch eher schreiben,
Als es die Zeit daher zu meinen Schmertz, geschehn
Dein virtuoser Kiel kan mir viel Stärcke schencken,
Du weist, wie schwach und lahm mein Pegasus noch heist,
Ich weiß noch leider! nicht den Ziegel recht zu lencken,
Den Phoebus offt vor Zorn mir aus den Händen reist.
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Drum will ich fernerhin von dir viel schönes hoffen,
Laß deiner Flöthen Thon mir eine Vorschrifft seyn,
Und ist, geschickter Freund, mein Wünschen eingetroffen,
So will ich dir viel Danck vor deine Dienste weyhn.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Vermischte Gedichte. Antworts-Schreiben. Antworts-Schreiben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B0EB-5