Ernst von Wildenbruch
Die Quitzows
Schauspiel in vier Akten

Personen

[149] Personen.

    • Friedrich I. von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg, Markgraf von Brandenburg.

    • Kasimir,
    • Otto, Herzöge von Pommern-Stettin.

    • Barbara von Bug, natürliche Tochter König Jagellos von Polen.

    • Dietrich von Quitzow,
    • Konrad von Quitzow, sein Bruder,
    • Lippold von Bredow,
    • Hans zu Puttlitz,
    • Wichart von Rochow, märkische Edelleute.

    • Peter Grechewitz, Notar der märkischen Stände.

    • Wend von Ileburg, Lausitzer Edelmann.

    • Ein kaiserlicher Herold.

    • Johann von Briesen,
    • Detlev von Schwerin, pommersche Edelleute.

    • Propst Ortwin von Berlin.

    • Henning Perwenitz, erster Bürgermeister von Berlin.

    • Grethe, seine Tochter.

    • Hans Dannewitz, zweiter Bürgermeister von Berlin.

    • Käthe, seine Tochter.

    • Henning Stroband, Schmiedemeister und Ratmanne von Berlin.

    • Rieke, seine Tochter.

    • Veit Sechelweg,
    • Albert von Rathenow,
    • Klaus Schultze,
    • Paul Blankenfeld, Ratmannen von Berlin.

    • Thomas Wins, Bürgermeister von Straußberg.

    • Gertrud, seine Frau.

    • Agnes, seine Tochter.

    • Kaspar Rieneke,
    • Heinse Lang, Ratmannen von Oderberg.

    • Martin von Linum, Ratskellermeister zu Berlin.

    • Köhne Finke, Schmiedegeselle.

    • Dietrich Schwalbe, Bannerträger und Knappe der Quitzows.

    • Hans Sturz, Wachtmeister,
    • Fritz Belkow, Stadtsoldaten,
    • Peter Stummel, Stadtsoldaten, von Berlin.

    • Krodenow, ein pommerscher Knecht.

    • Ratmannen anderer märkischer Städte. Bürger und Bürgerinnen von Berlin und Straußberg. Stadtsoldaten von Berlin. Quitzowsche Knechte. Musikanten.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Fritze Belkow steht auf dem Rundgange des einen Turmes, nach außen blickend. Peter Stummel sitzt auf dem Zinnengange über dem Tor, mit dem Rücken an die Zinnenmauer gelehnt, halb schlafend.

FRITZE BELKOW
ruft.
Du – Peter Stummel! Na du – Peter Stummel, du schläfst wohl?
PETER STUMMEL
fährt auf.
Ne doch, Fritze Belkow – was soll's denn?
BELKOW.
Haben denn die Berliner heute ihr Vieh 'rausgeschickt nach'n Wedding?
STUMMEL.
Ja weeßte, Fritze Belkow, das weeß ich dir nich zu sagen.
BELKOW.
Na denn frag' doch mal 'n Wachmeester.
STUMMEL.
Na denn wer ick mal 'n Wachmeester fragen. Ruft. Wachmeester – he – Wachmeester!
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Hans Sturz gewaffnet, aber ohne Kopfbedeckung, kommt aus dem Torturm rechts.

HANS STURZ.
Was schreist de? Was is los?
STUMMEL.
Es is man von wegen das Vieh, daß ich fragen wollte.
[151]
HANS STURZ.
Was for ein Vieh?
STUMMEL.
Na das von die Berliner; ob die Berliner heut ausgetrieben haben nach'n Wedding?
HANS STURZ.

Denn müßten ja die Berliner grade solche Ochsen sein, wie du eener bist, wenn sie jetzt ihre Ochsen 'rausschickten. Weeßt du denn nich, daß die Pommern im Land 'rumrabuschern?

STUMMEL.
Es is man bloß von Fritze Belkow wegen, daß ich gefragt gehabt habe.
HANS STURZ.
Na Fritze Belkow – was is denn los?
BELKOW.
Bei'n Wedding, Wachmeester, is was los.
HANS STURZ.
Bei'n Wedding?
BELKOW.
Ja, oder so in der Jegend.
HANS STURZ.
Na was denn zum Schwerenot?
BELKOW.
Ein schauderhafter Staub.
HANS STURZ.
Ein Staub?
BELKOW.
Und so ein Staub, der kommt doch nich so von alleene; da muß doch was drinstecken in dem Staub.
HANS STURZ.
Da muß was drinstecken, das is wahr. Kannste denn nich sehen was es is?
[152]
BELKOW.
Ne, es is schmählich weit ab.
HANS STURZ.
Ob's denn Kriegsvolk is? He?
BELKOW.

Ne, wenn ich sagen soll, ich glaub's nicht; man sieht keene Fahnen, keene Pferde, keen Geblinkere von Hauben und Schwertern und nischt nich.

HANS STURZ.
Na was glaubst du denn, daß es is?
BELKOW.

Wenn ich sagen soll, es sieht aus, wie wenn sie so in der Jegend hier herum wo ein Dorf ausgepocht hätten, und nu kommen die Dorfleute und möchten in Berlin unterkriechen.

HANS STURZ.
Wo meinst du denn, daß sie herkommen?
BELKOW.
Es kann sein, es kann ooch nich sein, von Bötzow her.
HANS STURZ
ruft zum Thurm hinein.

Na denn bringt mir mal meine Eisentute her, denn werde ich mal gleich zu Herrn Bürgermeister Perwenitz gehn, der wird schon wissen, was da darbei zu tun is. Ab in den Torturm.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Henning Perwenitz, Hans Dannewitz, Paul Blankenfeld, Albert Rathenow, Klaus Schultze, Veit Sechelweg, Henning Stroband, Kaspar Rieneke, Heinse Lang kommen aus dem Innern des Rathauses rechts vorn, bleiben teilweise unter der Laube stehen, treten teilweise auf die Straße.

PERWENITZ.

Alles Ding hat seine Zeit, spricht König Salomo, Rat halten und Kopfzerbrechen, Banketten und Kannen stechen – Rat haben wir gehalten; tut mir leid, Ihr Oderberger Herrn, daß nicht mehr für Euch 'rausgekommen ist dabei – laßt's Euch nicht verdrießen, einen Trunk mit uns zu tun, ist so alte Berliner Art.

[153]
RIENEKE.
Was für 'ne Stadt? Herr Heinse Lang, was für 'ne Stadt ist das Berlin! Was sagt Ihr?
HEINSE LANG.
Ich sage, Herr Kaspar Rieneke, es geht noch über Oderberg.
RIENEKE
seufzend.
Ja ja ja, Oderberg, Herr Heinse Lang?
LANG
seufzend.
Ja ja ja, Oderberg, Herr Kaspar Rieneke.
PERWENITZ.

Na vergeßt jetzt Euren Gram, Ihr Herr'n; unser Sankt Martin von Berlin soll Euch einen Trunk vorsetzen, daß Ihr meinen sollt, Dietrich der Quitzow sei ein Pfefferkuchenmann und Jobst, unser Markgraf, ein ehrlicher Kerl.

RIENEKE.
Das kriegt er nicht fertig! Jobst ein ehrlicher Kerl, was sagt Ihr, Herr Heinse Lang?
LANG.
Was soll man dazu sagen, Herr Kaspar Rieneke? Aber wer ist denn der Sankt Martin von Berlin?
PERWENITZ.
Werdet ihn gleich kennen lernen – da guckt er schon aus dem Loch.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Martin mit vorgebundenem Lederschurz, kommt aus dem Ratskeller, dessen Eingang sich zur Seite der Laube am Rathause befindet, zu den vorigen.

MARTIN
lüftet die Kappe.
Gott zum Gruß die gestrengen Herr'n; gilt die Ehre mir?
PERWENITZ
zu Rieneke.

Seht, Ihr Herr'n, das ist Meister Martin, unsres Rates Küfer und Kellermeister. Hat einen Keller, seht Ihr, liegt dicht an der Spree und kommt Euch doch kein Tropfen Wasser hinein.

[154]
MARTIN.
Hängt Euer Insiegel an das Wort, Herr Burgemeister, Ihr habt kein wahreres noch gesprochen.
PERWENITZ.

Von seinem Keller könnt ich Euch Dinge erzählen – es hat Leute gegeben, die zu Ostern hinuntergestiegen sind und als sie herauskamen, läutete man zu Pfingsten. Meister Martin, nun sollst du zeigen, was du kannst: hier sind zwei Herren aus dem Morgenland, von Oderberg, verstehst du? Wo die Fässer entlang geschwommen kommen mit dem süßen Wein aus Ungarland.

MARTIN.

Könnt Ihr haben bei mir. Kaiser Siegmund auf der Burg zu Ofen trinkt keinen besseren. Aber du meine Güte, da stehen die gestrengen Herren sich die Beine in den Leib! Klatscht in die Hände, nach dem Keller gewandt. He! He! He! Stühle herbei! Bänke und Tische! Sitzen die Gestrengen hier draußen?

PERWENITZ.
Hier draußen, das versteht sich.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Knechte kommen aus dem Keller, bringen Stühle und Tische, stellen sie auf.

MARTIN.
Und nun laßt uns sehn, was wir anbieten können – hm – da haben wir einen Meißner? Klar wie Gold?
PERWENITZ.
Gib mir das Gold und behalte den Wein für dich.
MARTIN.
Roter Lausitzer?
PERWENITZ.
Ist schlecht geraten des Jahr.
MARTIN.
Ein Gubener vom vorigen Jahr? Oder ein Krossener?
[155]
PERWENITZ.
Pfui Deibel, willst du damit Staat machen? Etwas anderes, Meister Martin, etwas Feines!
MARTIN
zu Perwenitz, leise.

Aber das is nur für Euch, Herr Perwenitz, janz im Vertrauen: da hinten in der Ecke, wißt Ihr wohl, da hab' ich noch etwas, aber etwas Feines sag' ich Euch.

PERWENITZ.
Na was is es denn?
MARTIN
verdreht die Augen.
Ein Malvasier! Aber daß man die andren nichts davon hören; der Wein gehört schon jemandem.
PERWENITZ.
Wem denn?
MARTIN
flüsternd.
Unserm Markjrafen.
PERWENITZ.
Dem Jobst?
MARTIN
wie vorhin.

Ja doch – wie er's letztemal hier war in Berlin, hat er ihn gekauft, und sobald wieder Friede im Land is, soll ich ihn ihm nachschicken nach Prag.

PERWENITZ
schlägt sich auf das Bein.

Das is 'ne Sache! Hört mal her, Ihr Herren: im Keller unten liegt ein Faß Malvasier für den Jobst! Wir trinken ihm seinen Wein aus! Wer tut mit?

DANNEWITZ.
Ich bin dabei!
ALLE.
Ich auch! Ich auch!
MARTIN
hält sich beide Ohren zu.
Gestrenge Herr'n! Was soll ich dem Herrn Markgrafen sagen, wenn er seinen Wein haben will?
[156]
PERWENITZ.
Sag' ihm, die Berliner hätten ihm seinen Wein auf Abschlag ausgetrunken.
MARTIN.
Auf Abschlag?
PERWENITZ.

Womit hat er sich denn seinen Malvasier gekauft? Mit unsrem Geld. Wie lange ist's her? Morgen wird's ein Jahr, als er uns zusammen kommen ließ auf'm hohen Haus in der Klosterstraße, uns von Berlin und die von Kölln und Brandenburg und Frankfurt – wie ein Kalander-Bruder stand er da: »gebt mir Geld, gute Städte, gebt mir Geld« – und wir waren auch so dumm.

SECHELWEG.
Fünftausend Schock böhmische Groschen.
PERWENITZ.

Fünftausend Schock – Ihr müßt es wissen, Sechelweg, Ihr führt den Beutel der Stadt – und dadrauf versprach er uns was? Daß er die Schlösser mit dem Geld einlösen wollte, die er verpfändet hatte, Köpenick und Saarmund und Bötzow und Trebbin. Und wie er das Geld weg hatte, tat er was? Eingesteckt hat er unser Geld in seine hirschlederne Tasche, und nach Prag ist er damit gegangen und hat sich Malvasier gekauft, und die Schlösser – sind sie eingelöst? Ja Kuchen! Der Quitzow sitzt in Köpenick und Saarmund, wo er saß, und der Rochow in Trebbin, der Holzendorf in Bötzow, und zwicken uns unsere Leute weg – und dadrum sag' ich her mit dem Jobst seinem Wein!

DANNEWITZ.
Es ist unser Wein!
ALLE.
Her damit!
MARTIN.

Na wenn Ihr's auf Eure Kappe nehmen wollt, mir soll's recht sein, mir soll's recht sein. Ab nach dem Keller.

RIENEKE.
Das sind Männer, die Berliner, Herr Heinse Lang? Das sind Männer?
[157]
LANG.
Die lassen sich die Butter nich vom Brot nehmen, Herr Kaspar Rieneke.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Hans Sturz ist inzwischen vom Tore herangekommen und in einiger Entfernung stehen geblieben. Er hat jetzt die Eisenhaube auf dem Kopf.

DANNEWITZ.
Du, Perwenitz, da is einer, der was von dir will.
PERWENITZ
wendet sich.
Das is ja Hans Sturz vom Spandauer Tor? Na?
STURZ.
Mit Verlaub, Herr Burgemeester, da draußen bei'n Wedding is es nich janz richtig.
PERWENITZ.
Was is denn los?
STURZ.

Es läßt sich ein jroßer Staub bemerkbar machen, und wenn ich meine Meinung anvertrauen darf, denn soll mir der Deibel holen, wenn mir nich die Pommern dichte auf die Nähte haben.

PERWENITZ.
Nanu?
STURZ.

Es sieht so aus, als hätten sie Bötzow ausgepocht und nu möchten die Bötzower unterkriechen in Berlin.

PERWENITZ.
Denn gehst du jetzt mal gleich nach dem Neuen Markt, da findest du die Stadtreiter.
STURZ.
Is jut, Herr Burgemeester.
PERWENITZ.

Von denen nimmst du dir drei Mann, und dann sitzt Ihr auf und reitet zu Sankt Jürgens Tor hinaus und seht zu, was los is.

[158]
STURZ.
Is jut, Herr Burgemeester. Ab nach rechts.
PERWENITZ.

Nu sagt mir, Ihr Herren, was soll man dazu sagen? Da bilden wir uns ein, die Pommern liegen vor Angermünde in der Uckermark, und unterdessen scharmützeln sie uns schon vor den Toren von Berlin herum!

DANNEWITZ.

Is nur ein Glück, daß unser Markgraf wenigstens in Sicherheit is, nach Prag werden die Pommern sobald nich kommen.

SECHELWEG.
Den würden sie sowieso nicht gestohlen haben, da könnt Ihr sicher sein.
PERWENITZ.

Sagt das nich; wenn der Quitzow ihn zwischen die Finger gekriegt hätte, er hätt's mit ihm gemacht, wie mit seinem Landhauptmann, dem Schwarzburger.

RIENEKE.
Was hat er denn mit dem gemacht?
PERWENITZ.

Wißt Ihr das nicht? Wie der Graf von Schwarzburg, den der Jobst zum Landhauptmann der Mark gemacht hat, nach Tangermünde gezogen ist, was tut mein Quitzow? Legt sich bei Tischbeck in den Hinterhalt, dicht an der Elbe, und wie mein Schwarzburger angezogen kommt, so ganz ruhig und gottvergnügt, hurr – mein Quitz über ihn her und nimmt ihm all sein Gepäck und Geld und alles und etwas darüber –

DANNEWITZ.
So ein verfluchter Kerl! So ein –
PERWENITZ.
Eine Teufelskröte, das is er, der Quitz, das is wahr; aber Schneid hat er im Leibe!
DANNEWITZ.
Das sage ich auch.
[159]
SECHELWEG.
Schneid hat er, das is wahr.
ALLE.
Das is wahr.
PERWENITZ.

Und nu kommt das Beste: dadrauf also geht er zum Jobst und mit dem Jeld, das er seinem eigenen Landhauptmann abgeknöpft hat, kauft er von ihm Schloß Friesack.

DANNEWITZ.
So ein Satansknochen! Hahaha!
RIENEKE.
Und der Jobst?
PERWENITZ.

Der Jobst? Na Ihr wißt doch, wie dem sein Wahlspruch is: »Trink was klar is, iß was gar is, nimm was bar is.«

ALLE.
»Nimm was bar is« – hahaha!
DANNEWITZ.
So ein Erzlump, wie der Jobst!
SECHELWEG.
So ein böhmischer Schelm!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Martin und Knechte kommen mit Krügen aus dem Keller.

PERWENITZ.

Da kommt der Malvasier! Nu mal ran, allesamt, Alle treten an den Tisch ergreifen Krüge. wir sind bei Markgraf Jobsten zu Gast, wir wollen ihm Bescheid tun! Ich fange an:


Ein Schnarchen tut man hören
Rings in der Christenwelt,
Das ist der Jobst von Mähren,
Der schläft auf brandenburg'schem Geld!
[160]
ALLE.
Is jut! Is jut!
DANNEWITZ
erhebt den Krug.

Ich kann nich in Reimen sprechen; also – wie mir der Schnabel gewachsen is: Herr Jobst von Mähren, hol' dich der Deibel neunundneunzigtausendmal!

ALLE.
Is jut! Is jut!
PERWENITZ.
Und immer noch einmal darüber!
ALLE.
Noch einmal darüber! Alle setzen sich.
PERWENITZ.
Aber der Wein is jut, Martin.
ALLE.
Der Wein is jut.
PERWENITZ.
Wein trinken versteht er, der Jobst, aber ein Land regieren versteht er nicht.
RIENEKE.
Das versteht er nicht; was sagt Ihr, Herr Heinse Lang?
LANG.
Was soll man dazu sagen, Herr Kaspar Rieneke?
SECHELWEG.
Was hat er den Oderbergern denn eigentlich angetan? Ich hab's vorhin nicht gehört.
RIENEKE.

O du mein – Herr Sechelweg – verpfändet hat er unsre gute Stadt, verpfändet für sechstausend Schock böhmische Groschen!

SECHELWEG.
Verpfändet? Ohne Euch zu fragen?
[161]
RIENEKE.
Ohne uns zu fragen.
SECHELWEG.
An wen denn?
RIENEKE.
An Hinko Birken Slawatz von der Duba.
PERWENITZ.

Hinko Birken Slawatz von der Duba – da muß man ja Vorspann nehmen, wenn man ans Ende von dem Namen kommen will.

DANNEWITZ.
Von vorne klingt's wie ein Wende, und von hinten wie ein Böhm'.
RIENEKE.
Ist auch so etwas, ein halber Landsmann von dem Jobst, kommt von da unten aus der Lausitz her.
PERWENITZ.
Ein Polacke, der eine wie der andere!
RIENEKE.

Und Oderberg ist eine gute Stadt, eine deutsche Stadt, eine märkische Stadt, und soll jetzt so einem gehören!

PERWENITZ.

Das kommt davon, wenn der Kaiser so einem verfluchten Slawen die Herrschaft gibt über deutsches Land! Hol' ihn der Teufel, den böhmischen Judas! Stößt den Krug auf.

ALLE.
Hol' ihn der Teufel!
PERWENITZ.
Aber der Wein is jut.
ALLE.
Ja, ja, der Wein!
[162]
PERWENITZ.

Daß Gott einen deutschen Mann herschicken möge, der Mark Brandenburg in die Hände nimmt, dadrauf da wollen wir mal anstoßen!

ALLE.
Einen deutschen Mann! Sie stoßen an.
PERWENITZ
schlägt mit der Faust auf den Tisch.

Daß der Donner und die Schwerenot! Es steht Matthäi am letzten mit der Mark! Was soll man sagen? Die Pommern, seht Ihr, sagen der Mark ab; brechen ins Land, machen alles kurz und klein. Wir märkischen Städte stellen ein Heer auf die Beine – kostet uns Berlinern allein –

SECHELWEG.
Tag für Tag zweihundert Schock böhmische Groschen.
PERWENITZ.

Sechelweg muß es wissen – dadrauf sagen wir dem Jobst: wenn du selbst nicht aufsitzen willst, so gib uns wenigstens einen Feldhauptmann; dadrauf gibt er uns wen? Den Johann von Lebus.

DANNEWITZ.
Den Bischof.
PERWENITZ.

Den Bischof, der kaum weiß, ob man rechts oder links aufs Pferd steigt, und der steht nun mit unsern Jungens bei Müncheberg, und unterdes lassen die Pommern ihn bei Müncheberg stehen und ziehen auf Zehdenick und Liebenwalde, und wenn's Glück gut ist, haben wir sie morgen vor Berlin! Herr Gott im Himmel, hab' ein Einsehen und gib uns einen deutschen Mann!

ALLE.
Einen deutschen Mann!
PERWENITZ.
Einen, der Haare auf den Zähnen und Eisen in der Faust und ein Herz für uns im Leibe hat!
ALLE.
Ja, ja!
[163]
PERWENITZ.
Der uns die Pommern vom Halse schafft!
SECHELWEG.
Und die Schloßgesessenen!
ALLE.
Ja, ja!
SECHELWEG.
Vor allen den Quitz!
ALLE.
Ja, ja!
PERWENITZ.
Alles wahr, was Ihr sagt, aber der Quitz hat Schneid.
SECHELWEG.
Was nutzt mir das, wenn er ihn nur braucht, um uns zu schinden und zu placken?
PERWENITZ.
Er is ein heller Junge.
SECHELWEG.
Was nutzt uns das?
PERWENITZ.
Er könnte uns schon nutzen, wenn er nur wollte.
SECHELWEG.
Wenn er wollte? Was?
PERWENITZ.
Wenn er mit uns tun wollte, statt gegen uns.
SECHELWEG.
Wir sollen uns verbinden mit dem Quitzow?
PERWENITZ.
Warum denn nich?
ALLE.
Nanu? Nanu?
[164]
DANNEWITZ.
Du hast immer was übrig gehabt für den Quitzow, Henning Perwenitz, das weiß ich wohl.
PERWENITZ.
Hab' ich auch.
STROBAND
schlägt auf den Tisch.
Aber zusammensitzen mit so einem Stegreifritter? Da sag' ich ne!
PERWENITZ.
Das is nich wahr, das is der Quitzow nich!
STROBAND.
Is er doch!
PERWENITZ.
Is er nich! Er hat noch immer ehrlich Frieden abgesagt, ehe daß er anfing.
STROBAND.
Und damals hat er keine Fehde mit uns gehabt.
PERWENITZ.
Damals?
STROBAND.

Na, als er uns das Vieh weggetrieben hat in der Jungfernheide, und Ihr mit ihm zusammengerannt seid an der Tegeler Mühle.

PERWENITZ.
Das is nich wahr, er hatte uns abgesagt damals.
STROBAND.
Hatte er nich!
PERWENITZ.
Hatte er doch!
DANNEWITZ.
Ja ja, Henning Stroband, streitet nicht, Perwenitz hat recht.
DIE ÜBRIGEN.
Ja ja.
[165]
PERWENITZ.

Balthasar von Schlieben war dazumals mit uns und Lippold von Bredow, und die machten sich zusammen dem Quitzow an den Leib – aber wie der Deibelskerl mit den beiden fertig wurde – Dunnerwetter, ich sage Euch – und seine Knechte, wie das alles drauf und dran ging, bloß weil sie wußten, der Quitzow geht vorneweg. Seht Ihr, da sind die Bredows und die Stechows und die Holzendorfs und die Arnims und die Treskows und wie sie alle heißen, und wenn Ihr die alle in einen Sack steckt und auf eine Wage legt und auf die andere den Quitzow janz alleine, ich sage Euch, er wiegt schwerer, wie die andern alle zusammen.

STROBAND.
Ja das glaube ich wohl, von dem, was er sich zusammengeraubt und gestohlen hat!
DANNEWITZ.
Ne ne, Henning Stroband, das müßt Ihr nich sagen.
ALLE.
Ne ne.
STROBAND.

Das muß ich nich sagen? Und wo steckt er denn jetzt wieder, Euer Quitzow? Bei unsern Feinden drüben, denen er die Mark klein machen hilft, bei den Pommern!

PERWENITZ.

Es is schlimm genug, es is wahr; aber da könnt Ihr eben sehn, was für ein Kerl es is: so lange der Quitzow ihnen nich geholfen hat, sind die Pommern nich einen Schritt vorwärts gekommen, und wie er Hand mit angelegt hat, haste nich gesehn, sind sie vorwärts gerückt.

STROBAND.
Und ich sage, wenn man ihn fängt, sollte man ihn hängen!
PERWENITZ.

Und ich sage, wir sollten alles dransetzen, daß wir ihn auf unsere Seite kriegten, und ich sage, der Quitzow sollte Feldhauptmann sein von der Mark!


Alle sehen sich stumm erstaunt an.
[166]
PERWENITZ.

Wer sind denn unsere Landhauptleute gewesen bis heutigentags? Der Markgraf von Meißen, Nummer eins, dann der Mecklenburger, dadrauf Lippold von Bredow, der Schwarzburger und jetzt Johann von Lebus, und was haben sie der Mark genutzt? Nischt und wieder nischt!

SECHELWEG.
Weil sie sich vor den Schloßgesessenen gefürchtet haben, alle miteinander.
PERWENITZ.
Is richtig; darum brauchen wir 'nen Mann, der sich vor ihnen nich fürchtet, und das ist der Quitz.
STROBAND.
Der Quitzow is selber ein Schloßgesessener, und die Schloßgesessenen sind Deibels!
PERWENITZ.

Denn muß man sie austreiben mit dem Obersten der Deibels, mit dem Beelzebub, und das ist der Quitzow.

STROBAND.

Die Dörfer pochen sie aus, die Häuser stecken sie in Brand, die Menschen treiben sie aus die Ernten zertrampeln sie mit ihren Pferden – Herr Gott im Himmel, was soll werden aus uns? Die Mark verhungert!

PERWENITZ.
Die Mark hungert nach einem Mann!
STROBAND.
Das is leicht gesagt.
PERWENITZ.
Ich habe Euch meinen genannt.
SECHELWEG.

Aber der Mann, den wir brauchen, müßte an die allgemeine Sache denken. Glaubt Ihr denn im Ernst, Perwenitz, daß der Quitzow ein Herz haben wird für das Land?

[167]
PERWENITZ.

Sechelweg, ich habe den Quitzow nich gemacht, ich kann nich wissen, wie es bei ihm drinnen aussieht. Aber was mir Augen und Ohren über ihn gesagt haben, is das: er is ein Held in der Schlacht; alle seine Leute lassen sich in Stücke hauen für ihn; er hat Gedanken im Kopf, die nicht an der Erde kriechen, und was er spricht, hat Hand und Fuß. Und kurz und gut, der große Apotheker da oben im Himmel hat ihn zusammengebraut aus Latwergen, aus denen die Männer gemacht werden, die ganzen Männer; und wo ein ganzer Mann is, da kann Alles draus werden, alles Schlimme, das is wahr, aber auch alles Gute, und das is auch wahr, und das is meine Meinung.

DANNEWITZ.
Da is viel Wahres dran; es läßt sich überlegen.
ALLE.
Es läßt sich überlegen.

Pause.
FRITZE BELKOW
auf dem Torturm, laut rufend.
Herr Burgemeester! Herr Burgemeester!
PERWENITZ.
Was soll's denn?
BELKOW.
Da drüben übern Graben – steht ein Kerl –
PERWENITZ.
Was will er denn?
STUMMEL.
'rin nach Berlin will er, Herr Burgemeester.
PERWENITZ.
Na, dann laßt ihn doch 'rein.
STUMMEL.

Ja aber mit Verlaub, Herr Burgemeester, Herr Wachmeester hat doch verboten, daß wir niemand nich 'rinlassen sollen.

[168]
PERWENITZ.
Schafskopp, wenn's der Burgemeister erlaubt, wird der Wachtmeister wohl nischt dawider haben.
STUMMEL.
Ja Herr Burgemeester, denn wird et wohl so sind – wat meenst du, Fritze Belkow?
BELKOW.
Mach' doch man, daß du 'runter kommst und aufschließt.
STUMMEL.

Na denn werde ick man machen und ufschließen. Verschwindet oben in der Turmpforte, kommt gleich darauf mit einem großen Schlüsselbunde unten aus dem Turm, geht ans Tor, schließt auf.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Köhne Finke in Handwerksburschentracht, aber etwas phantastisch aufgeputzt, eine kleine Fiedel umgehängt, erscheint im Tor.

KÖHNE FINKE
ist eingetreten, bleibt stehen, sieht sich um, lüftet das Barett.
Juten Morgen, Berlin!Kommt langsam nach vorn. Herrjott, du hast dir aber nich ein bißken verändert?
PERWENITZ
zu den übrigen.
Wer is denn der verdrehte Kerl?
STROBAND.
Schlag mich – is das nich Köhne Finke? Mein Gesell von vorm Jahr?
FINKE.

Is mich eine große Ehre, Herr Henning Stroband, daß Ihr mich wiederkennen tut – derselbigte bin ich –

PERWENITZ.
Ein Schmiedegeselle?
FINKE.
Er führt ein Hämmerken auf seiner Hand, sie heißen ihn Köhne Finken.
DANNEWITZ.
Köhne Finken, der verdrehte Kerl?
[169]
FINKE.
Aufzuwarten, Herr Hans Dannewitz, mit drei Schubladen voll Hochachtung.
STROBAND.
Dein loses Maul hast du dir nich abgewöhnt das Jahr über, wie mir scheint.
FINKE.

Herr Henning Stroband, da müßt Ihr Euch bei unserm Herrjott beschweren – er hat den Finken nu einmal den Schnabel gegeben, damit daß sie pfeifen.

PERWENITZ
schlägt ihn auf die Schulter.
So einen möchte ich im Vogelbauer haben; du bist von der Art, scheint mir, die's ganze Jahr singt.
FINKE.
Aufzuwarten, Herr Burgemeester, wenn's Bier geraten is, sing' ich och im Winter.
PERWENITZ.
Und was willst du nu in Berlin?
FINKE.
Jut Biereken mag er wohl trinken.
PERWENITZ.
Einen Krug Bier? Weiter nichts?
FINKE.
Wenn's Euch zu wenig scheint, Herr Burgemeester, och deren zwei.
PERWENITZ.
Meister Martin, ein neuer Gast für dich.
MARTIN
kratzt sich hinterm Ohr.
Zwei Krug Bier für so einen –? Wenn ich man wüßte, ob er mir einen bezahlt?
FINKE
kratzt sich ebenso.
Zwei Krug Bier von so einem? Wenn ick man wüßte, ob mir eener davon jut genung is.
[170]
MARTIN.
Du Bummelratze, machst du mir mein Bier schlecht?
FINKE.
Du Kellergemüse –
PERWENITZ.

Na, laßt das Geschimpfe – der ist draußen gewesen, der kann uns was erzählen. Meister Martin, einen Krug Bier für ihn. Köhne Finke, kannst dich zu uns setzen mit deinem Bier.

FINKE
setzt sich.
Is mich eine jroße Ehre, Herr Burgemeester.
STROBAND.
Ja, ein ausgetragener Junge, das bist du.
FINKE.

Herr Hennig Stroband, wenn ick das nich wäre, denn fiele ick ja heute noch meiner Mutter zur Last – und ick falle niemandem jerne zur Last – ick denke, Ihr wißt das aus Erfahrung.

PERWENITZ.
Was meint er denn damit, Stroband?
STROBAND.
I nu, bis vor 'nem Jahr war er Geselle bei mir.
PERWENITZ.
Und wo bist du dann hingegangen?
FINKE.
Nach Bötzow, Herr Burgemeester, zu Meister Balzern.
PERWENITZ.
Warum denn?
FINKE.
Weil der keene Tochter hat.
STROBAND.
Halt's Maul!
[171]
FINKE.
Wenn ich was zu trinken hätte, wollt' ich mein Maul zu was Bess'res brauchen, als zum Reden.
MARTIN
setzt einen Krug vor ihn.
Da – sauf!
STROBAND.
Und was haste denn bei Meister Balzern gemacht? Gearbeitet doch nich?
FINKE.

Was werd' ich gemacht haben? Ich habe zugehorcht, was die Spatzen singen und die Füchse sich erzählen.

PERWENITZ.
Was singen denn die Spatzen?
FINKE.
Die singen so:

Herr Jobst, Herr Jobst,
Gib unsern Kindern Obst;
Hast Brandenburg aufgefressen,
Nich Stumpf noch Stiel vergessen
Laß Äppel und Birnen hangen,
Sonst müssen wir betteln gangen.
ALLE.
Das is jut! Das is jut!
PERWENITZ.
Und was erzählen sich die Füchse?
FINKE.
Die jeben sich Rätsel auf zum Raten:

Schlau wie ein Fuchs –
Jierig wie ein Luchs –
Dickhäutig gleich 'nem Bären –
Wer ist das?
ALLE
jubelnd.
Jobst von Mähren!
[172]
PERWENITZ.
Junge, du hast Schneid; und wie steht's denn nu mit Bötzow?
FINKE.
Da steht überhaupt nischt mehr, Bötzow is alle.
PERWENITZ.
Also ausgepocht? Is es wahr?
FINKE.

Ausgepocht, ausgeräuchert – die Bötzower haben das nackte Leben unter die Arme genommen und sind ausgerückt – jetzt liegen sie draußen bei'n Wedding.

PERWENITZ.
Also es stimmt.
DANNEWITZ.
Wo sind die Pommern jetzt?
FINKE.
Die Pommern liegen mit Dietrichen Quitzow vor Straußberg.
PERWENITZ.
Vor Straußberg?
FINKE.
Ja, aber heute liegen sie vielleicht schon drin.
SECHELWEG.
Woher weißt du denn das alles?
FINKE.

Herr Sechelweg, wie's mit Bötzow Essig gewesen is, hab' ick mir uf Schusters Rappen gesetzt und bin ausgerückt. Hab' ick so bei mir in meine dumme Gedanken gedacht, wirst mal nach'n Barnim gehen, mußt doch mal zusehn, wo die pommerschen Spickgänse eingefallen sind. Komme ick also durch die Wandelitzer Forst über Bernau an den Strauß-See, und wie ick mir so Straußberg aus die Ferne ansehen tue, haste nich gesehn, sind zwei solche pommersche Schwuchtlümmel über mir her und legen mir ein Halsband an und laden mich mit Rippenstößen ein, in ihr Lager zu kommen. Da stehen nu die beiden [173] Stettiner Herzöge in die Türe vor ihrem Zelt und fragen: »Was is los mit dem Kerl?« Drauf schreien alle: »Es is ein Spion! und er muß baumeln!« Und damit so führen sie mir auch jleich an einen Baum und wollen mir ufknöppen. So sag' ick: »Aber Männekens,« sag' ick, »wat soll ich denn an dem Baum? Ich bin doch keene Laterne nich?« Und nu, seht Ihr, steht bei den Stettiner Herzögen noch einer, ein Kerl wie dem Riesen Goliath sein Mastbaum; und wie der das hört, so lacht er und sagt: »Das muß ein Berliner sein, so'ne Schnauze hat nur ein Berliner.« Und: »Bringt ihn mir mal her,« sagt er. Drauf so schreien die Pommern alle: »Ne! ne!« und wollen mir eben ufschwenken. Und damit in den Augenblick is der Betreffende her und quatsch, quatsch, haut er den beiden Pommern, die mich am Schlafittich haben, ein paar Backpfeifen, daß es man so summt und sagt: »Ich will Euch lehren gehorchen,« sagt er, »wenn der Quitzow was befiehlt.«

PERWENITZ.
Das war der Quitzow?
ALLE.
Der Quitzow?
FINKE.

Dieser selbigte; und was die grünen Herzöge sind, die wurden nun vor Wut janz jrasgrün und fahren auf den Quitzow los und schreien: »Das sind unsere Leute!« und so guckt der Quitzow sie an so von oben runter, versteht Ihr, drei Stock hoch und dadermit legt er mir die Hand auf die Schulter und sagt: »Und der hier gehört mir!« Und damit so dreht er mir uf'n Absatz 'rum wie einen Kreisel und sagt: »Hier kommste lang,« und führt mir zu seinem Zelt.

PERWENITZ.
Die grünen Herzöge? Wer is denn das?
FINKE.
Na die Stettiner, der Otto und der Kasimir, und weil's doch ein Paar janz grüne Jungen sind.
PERWENITZ.

Dann scheint's aber mit der Freundschaft zwischen den Pommern und dem Quitzow nicht weit her zu sein?

[174]
FINKE.

Herr Burgemeester, wenn die Freundschaft 'ne Brücke is, denn jehe ick nich darüber. Man sagt, es steckt eine Frau dahinter.

ALLE.
Wieso? Wieso?
FINKE.
Da is nämlich ein Weibsbild mit den Stettinern, eine Polnische.
DANNEWITZ.
Eine Polnische?
FINKE.

Ja, die einen sagen, eine Tochter, die andern, eine Bruderstochter von König Jagello'n von Polen, und die soll mit dem einen von den Stettinern versprochen sein, ick weeß nich, ob mit dem Otto oder dem Kasimir, und nu is das ein janz merkwürdiges Besteck, wie sie sagen, die zu Pferde reitet und uf die Jagd geht, und wie der Krieg losgegangen hat, is sie mit ausgerückt, sagen sie, um zu sehen, ob ihr Zukünftiger och ein janzer Kerl is.

PERWENITZ.
Nu hör' so was an.
FINKE.

Und bei die Gelegenheit hat sie nu den Quitzow kennen gelernt, und der hat ihr schmählich in die Augen gestochen, sagen sie, weil's doch eine janz andere Nummer is, als die beiden Stettiner zusammengenommen, und das hat ihr Zukünftiger gerochen, und nu meine ick so in meine dumme Gedanken nu hält die Geschichte noch zusammen bis daß sie Straußberg haben, und denn aber is es mit die Freundschafts-Knüpperei Essig.

PERWENITZ.
Seht Ihr wohl! Seht Ihr wohl! Nu aber mal weiter; was hat er denn von dir gewollt in seinem Zelt?
FINKE.

Ja, wie wir nu in seinem Zelt gekommen sind, da is er erst eine janze Weile so uf- und abgegangen und hat nischt nich geredt. Dadrauf so bleibt er plötzlich vor mir stehen und guckt [175] mir an, daß ich denke, nu frißt er dir uf! Denn ein Paar Augen hat der in' Kopp – Hurredidu! Und denn fragt er: »Een Berliner bist du?« So sag' ick: »Aufzuwarten, am Möllendamm in Sankt Niklas jeboren.« Dadrauf jrunzt er so was vor sich hin und denn sagt er: »Eigentlich,« sagt er, »bin ich schlecht zu sprechen auf die Berliner, es is eine jroßschnäuzige Gesellschaft.«

STROBAND.
Seht Ihr wohl? Was hab' ich gesagt?
FINKE.
»Aber,« sagt er, »sie haben Schneid« –
PERWENITZ.
Seht Ihr wohl?
FINKE.
»Und von allen, die hinter Stadtmauern sitzen,« sagt er, »sind die Berliner mir noch die liebsten.«
PERWENITZ.
Aha! Aha!
FINKE.

»Und da drin in Berlin,« sagt er, »hab' ich eenen Bruder von mir, und weil ich doch nu in der Fehde bin mit den Berlinern, wär's mir verdeibelt nich lieb, wenn dem was geschähe von den Berlinern.«

STROBAND.
Kiekste da 'raus?
DANNEWITZ.
Ein Bruder von dem Quitzow bei uns?
PERWENITZ.

So is es, allerdings. Dietrichen sein junger Bruder, Konrad Quitzow. Bei Probst Ortwin is er in der Domschule.

STROBAND
springt auf.
In den Turm damit! Dann haben wir eine Geißel in Händen!
PERWENITZ.
Wartet ab, Henning Stroband.
[176]
ALLE.
Abwarten!
STROBAND
setzt sich.
Abwarten und immer abwarten.
PERWENITZ.
Weiter, Köhne Finke.
FINKE.

»Denn wenn ihm was zuleide geschehe,« sagt er, »hol' mir der Deibel, ich zünde Berlin an allen vier Ecken an!«

STROBAND.
In die Spree mit den Quitzows!
PERWENITZ.
Abwarten.
ALLE.
Abwarten.
FINKE.
»Umgekehrt im entjegengesetzten Fall,« sagt er –
PERWENITZ.
Was, im entgegengesetzten Fall? Was?
FINKE.

Ja, wie er das gesagt hat, is er wieder stehen geblieben und hat mir angeguckt und gefragt: »Bist du ein Schlaukopp?« sagt er, »oder ein Hammel?« »Na,« sag' ick, »soviel mir bekannt is, bin ick zweibeinig auf die Welt gekommen.« Dadrauf so lacht er und sagt: »Die pommerschen Jungen sind mir zu jrün,« sagt er, »und wenn die Berliner vernünftig sein wollten, dann ließe sich am Ende was zusammenfingern, daß die Pommern mit'n gekerbten Rücken nach Haus kämen.«

PERWENITZ.
Das hat er gesagt?
DANNEWITZ.
Das hat er gesagt?
[177]
FINKE.

Dieses selbigte hat er gesagt, und dann hat er einen Brief aus die Tasche geholt und gesagt: »Getraust du dir, den hier an Propst Ortwin in Berlin zu besorgen?«

STROBAND.
Was ist das? Propst Ortwin steht mit den Quitzows im Bund?
PERWENITZ.
Na was soll's? Das weiß doch jedes Kind, daß sie Freunde sind von alters her.
STROBAND.
So ein verfluchter Pfaffe!
PERWENITZ.
Das will ich nich hören! Propst Ortwin ist ein ehrlicher Mann.
DANNEWITZ.
Ein ganzer tüchtiger Mann!
STROBAND
steht auf.

Na, wenn es so steht, denn bin ich hier wohl nich weiter nötig. Zu Köhne Finke. Und was dich betrifft, sieh mal an, Köhne Finke, du machst ja Fortschritte; vorm Jahr hast du bloß Mädchen den Kopf verdreht, jetzt schwatz'st du Bürgermeister und Ratmannen um den Verstand –

FINKE.

Herr Henning Stroband, mit alle schuldige Hochachtung, aber was Ihr da sagt, is nich an dem. Ick habe meinen Schnabel jebraucht, wie Jott ihn mir gegeben hat, for mir selbst, aber nie nich, um einen Menschen zu beschwatzen; und wenn sich mal in Mädchenkopf nach mir umgedreht hat, denn hab' ick freilich nich gesagt: guck' weg, das is wahr, denn jigtig bin ich nich und ein Mädchen kriegt nich gleich die Miselsucht, wenn sie mir ansieht.

STROBAND.

Sei du man stille, du kannst's noch zu was bringen, weiter sage ich nichts; nu will ick man wünschen, daß du's einmal zum Meister bringst in deinem Leben.

[178]
FINKE.

Daß ick nur ein Schmiedegeselle bin und keen Meister, das weeß ick; und daß ick en armer Deibel bin, das weeß ick och – aber, Herr Henning Stroband, ein armer Kerl is darum noch kein schlechter Kerl.

ALLE.
Das is wahr.
STROBAND.
Es ist jut, sage ich, es is jut. Ab nach rechts.
PERWENITZ.
Und nu genug mit dem Geträtsch. Köhne Finke, haste den Brief bei dir für Propst Ortwin?
FINKE
zieht einen Brief aus der Brusttasche.
Ja – aber ick weeß nich –
PERWENITZ
nimmt ihm den Brief ab.
Jib her, sag' ich, er soll besorgt werden, Propst Ortwin zu Händen, ich selber übernehme es.
FINKE.

Is jut, Herr Burgemeester, aber ich hab's dem Quitzow versprechen müssen auf Treu' und Glauben, daß ich ihm Bescheid bringen soll.

PERWENITZ.

Du sollst den Bescheid bekommen, kannst solange hier warten und dich mit Meister Martin sein Bier unterhalten.

FINKE.
Is jut, Herr Burgemeester.
PERWENITZ.
Und nu, Ratmannen, wer kommt mit zu Propst Ortwin? Tiefe Stille. Na? Keiner?
SECHELWEG.
Zu Propst Ortwin? Das heißt zu dem Quitzow.
PERWENITZ.
Na denn ja, zu dem Quitzow und gegen die Pommern?
[179]
DANNEWITZ.
Henning Perwenitz, hol' mich der Deibel, ich gehe mit!
SECHELWEG.
Wenn Ihr so meint, Hans Dannewitz –
ALLE.
Wir gehen mit, wir gehen mit!
PERWENITZ.

Das is ein Wort, gebt mir die Hände!Sie schütteln sich die Hände. Unser Kaiser läßt uns im Stich, unser Markgraf desgleichen, wir haben bald nischt mehr als die Glieder an unsrem Leibe; hilft uns niemand, woll'n wir uns selber helfen und die Karre in die eigene Hand nehmen; und wenn die Mark bis über die Ohren 'ringefahren is, schlag mich der Donner, wir holen sie wieder 'raus; das sage ich, Henning Perwenitz, Burgemeister von Berlin, und Berlin allemal vornevoran, wenn's gilt!

DANNEWITZ.
Berlin vornevoran!
ALLE.
Vornevoran!

Alle außer Martin und Köhne Finke ab ins Rathaus rechts.
FINKE
schlägt auf den Tisch.
Und nu noch einen Krug »alten Klaus« für Köhne Finken!
MARTIN.

Na weißte du, wenn du dir nu noch lange hier mausig machst, dann sollste bald was andres zu besehen bekommen, als Bier.

FINKE.
Herr Burgemeester hat mir befohlen, hier zu warten.
MARTIN.
Daß du dir nur nich mal verrechnest.
FINKE.
Ne, ohne Sorge, will schon Obacht jeben.

Martin ab in den Keller.
9. Auftritt
[180] Neunter Auftritt
Käthe Dannewitz kommt von rechts, bleibt an der Straßenecke stehen, zu Köhne Finke hinüberspähend, dann winkt sie nach rechts und ruft halblaut.

KÄTHE.
Du, Grethe, Grethe, komm doch bloß mal her, sieh doch, wer da gekommen is!
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Grethe Perwenitz von rechts zu den vorigen.

GRETHE
flüsternd.
Ja – is das nicht Köhne Finke?
FINKE
für sich.
Nu wird's jut, da kommen die Mädchen an.
11. Auftritt
Elfter Auftritt
Ein Knecht kommt aus den Keller, setzt einen Krug vor Köhne Finke. Andere Mädchen kommen zu den vorigen und bleiben mit ihnen stehen.

KNECHT.
Den schickt Meester Martin. Ab.
FINKE.

Und den trinkt Köhne Finke. Hebt den Krug, schielt über denselben zu den Mädchen hinüber. Sie is ja nich damang – was jehen mich denn die dummen Liesen an. Dreht sich von ihnen ab.

GRETHE
halblaut.
Wenn ich man bloß wüßte, ob er's wirklich is?
KÄTHE
ebenso.
Wer soll's denn sonst sein? Den Bart hat er sich ein bißchen wachsen lassen.

Die Mädchen fassen sich Arm in Arm und gehen im Hintergrunde der Bühne auf und ab, Köhne Finke beobachtend.
KÄTHE
wie oben.

Ich werde ihn mal 'rauslocken, gib acht. Laut. Von Köhne Finke sprecht Ihr? Ach, der is ja in die weite Welt gegangen, der kommt nich wieder.

[181]
GRETHE
laut.

Was soll denn der auch in Berlin? Meister wird er ja doch nie, kann also auch kein ordentliches Mädchen nich heimführen.

FINKE
für sich.
I – du Kröte du!
KÄTHE
laut.
Der is ein Vagabund geworden, der wird im Leben kein ordentlicher Mann.
FINKE
singt laut, ohne die Mädchen dabei anzusehen.
Meine Mutter hat die Gänse abgerupft,
Gänse abgerupft,
Nackicht sind sie in der Stube 'rumgehupft,
Stube 'rumgehupft,
Hupp – Hupp!

Die Mädchen stoßen sich kichernd an.
KÄTHE
laut.
Früher, wie er noch in Berlin war, da konnte er singen, das war noch das einzige Gute an ihm.
GRETHE
laut.
Das soll er nu aber auch ganz verlernt haben, habe ich mir sagen lassen.
KÄTHE
blickt nach rechts.
Da kommt Rieke Stroband.
FINKE
fährt auf; für sich.

Donner – nu muß ich fort! Aber ich soll ja den Burgemeester hier abwarten – hol's der Deibel! Sinkt auf den Stuhl zurück, wendet sich ganz von den Mädchen ab.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Rieke Stroband kommt von rechts; die Mädchen gehen ihr entgegen.

KÄTHE.
Du, Rieke, wir sprechen eben von Köhne Finken.
RIEKE
bleibt betroffen stehen.
Von – Köhne Finken?
[182]
GRETHE
stößt sie an, zeigt auf Köhne Kinke, leise.
Guck' doch mal den an.
RIEKE.
Ach, du mein Herr und Heiland! Kinder, laßt mich fort! Will gehen.
KÄTHE
hält sie fest, leise.
Bleib' doch man, er will's ja nich Wort haben, daß er's is. Sie unterhalten sich flüsternd.
FINKE
für sich.

Um bucklig zu werden is das! Da soll man hier sitzen und keen Wort zu dem Mädchen reden dürfen und das Mädchen nich mal ansehen dürfen, und dabei möchte man jleich anbeißen und das janze Ding auffressen mit Haut und Haar!

RIEKE
laut.
Was Ihr Euch denkt. Gar nichts frage ich dem nach, gar nichts.
FINKE
für sich.
Kommst du mir so? Na warte!

Nimmt die Fiedel, singt laut.

»Unterm Machandelbaum
Da ist ein Platz –
Susala – Dusala –
Da sitzt mein Schatz.
Sitzt auf dem grünen Gras,
Sitzt auf dem grünen Klee,
Hast ja die Augen naß?
Bist ja wie Milch und Schnee?
Susala – Dusala –
Wo tut's denn weh?
Kommst du so spät zurück?
Nun ist's zu spät fürs Glück.
Kenne dich gar nicht mehr.
Mir ist das Herz verquer,
Susala – Dusala –
Wollt', tot ich wär'!
Schwarz ist das Grabeloch,
Leb' doch ein Weilchen noch;
Wart' noch bis Sankt Kathrein,
Da will ich um dich frei'n.
[183] Wart' noch bis Sankt Martein,
Da soll die Hochzeit sein –
Susala – Dusala –
Gib dich darein.«
KÄTHE
jauchzend.
Da soll die Hochzeit sein, Rieke!
GRETHE.
Gib dich darein, Rieke!
KÄTHE.
Bis Sankt Martein mußt du noch warten, Rieke!
GRETHE.
Is ja nich mehr lange hin!
ALLE MÄDCHEN
jubelnd sie umdrängend.
Zu Sankt Martein is Hochzeit!
RIEKE
reißt sich von ihnen los.

Laßt mich gehen, sag' ich. Tritt zu Finke heran. Und so einer bist du also jetzt, daß du ein ehrliches Mädchen in Schimpf und Schande bringst?

FINKE
springt auf.
Herr du meine Jüte – Jungfer Rieke, seid Ihr das?
RIEKE.

So? Nu tust du noch, als hättest du mich vorhin nich gesehn? Und dabei singst du schändliche Lieder auf mich? So? Sie bricht in Tränen aus.

KÄTHE.
Aber Rieke, so sei doch nich so.
RIEKE
setzt sich schluchzend an den Tisch.
Das – is schändlich – und Ihr sollt mich gehn lassen, sag' ich. Legt den Kopf auf den Tisch.
GRETHE
zu den übrigen.
Kommt doch man fort, mit der is ja nichts anzufangen jetzt.
[184]
KÄTHE.
Ne, wenn die einmal ihren Kopf aufsetzt –
ALLE.
Kommt man, kommt man.

Die Mädchen Arm in Arm, sich kichernd umblickend, links ab.
FINKE
steht am Tisch, auf Rieke blickend.
Aber Jungfer Rieke –
RIEKE.
Kein Wort redest du mehr zu mir! Mit uns is es aus!
FINKE.
Das habt Ihr mir ja schon vorhin zu verstehen gegeben.
RIEKE
hebt das Haupt.
Ich dir? Was so einer sich einbildet! Gar nich acht hab' ich auf dich gegeben.
FINKE.
Na eben drum. »Dem frage ich gar nich nach« – Hm?
RIEKE.
Und dann so ein schändliches Lied auf mich zu singen!
FINKE.
Wenn's Euch nich gefällt, tut mir's leid; was so schändlich dran sein soll, verstehe ick nich.
RIEKE.
Mich vor allen denen seinen Schatz zu nennen!
FINKE.
Kommt denn Euer Name in dem Lied vor? Wer sagt Euch denn, daß es auf Euch geht?
RIEKE.
Als ob das nich alle gleich gesagt hätten!
FINKE.
Wer wird denn hinhören, wenn die Gänse schnattern?
[185]
RIEKE
steht auf.

Damit daß du's aber nur weißt; wenn dich jemand fragt: ich bin's nicht, die bis Sankt Martein wartet.

FINKE.
Ne, Jungfer, das habt Ihr mir ja schon gesagt.
RIEKE.

Und ich sitze nich unterm Baum und für mich is es gar nich zu spät mit dem Glück, denn wenn ich will, kriege ich Männer, soviel ich will.

FINKE.
Das globe ich Euch, Jungfer.
RIEKE.
Ordentliche Männer, Bürgerssöhne, Sohne von Meistern, und keinen – keinen Landstreicher.
FINKE.
Iratuliere im voraus, Jungfer Stroband.
RIEKE.
Und nun dächt' ich, du gingst deine Wege.
FINKE.
Wollte schon, muß aber den Herrn Burgemeester hier abwarten.
RIEKE.
Dann werde ich gehen, denn wenn man mich mit – so einem sähe – das wäre mir ja eine Schande.
FINKE.
So?! Na dann jeht man, in Jottes Namen!

Dreht ihr den Rücken zu.
RIEKE.
Das will ich auch.

Geht langsam bis an die Straßenecke links, bleibt dort stehen.

Na – nu – gehe ich.
FINKE
ohne sich umzusehen.
Immerzu.

Pause.
[186]
RIEKE.
Aber – man sagt doch 'nem Menschen adjes?
FINKE
wie oben.
Ihr werdet Euch ja wohl nich verlaufen in Berlin.
RIEKE
zögernd.
Wo bist du denn eigentlich das ganze Jahr lang gewesen?

Pause. Sie kommt zwei Schritte zurück.

Du – hörst wohl gar nich mehr?
FINKE
ohne sich umzusehen.
Ick denke, Ihr seid längst fort?
RIEKE dreht kurz um So'n Grobian!
FINKE
ohne sich umzusehen.
Wo ich gewesen bin? Da, wo ich wieder hingehe: in die weite Welt.
RIEKE.
Da gehst du wieder hin?
FINKE.
Ja.
RIEKE.
Warum denn?
FINKE.
Weil ich mir in Berlin nich mehr zurechtfinde.
RIEKE.
Is dir Berlin denn so zuwider geworden?
FINKE.
Ja
RIEKE.
Und – da is nichts in Berlin – und niemand –?
FINKE.
Ne!
RIEKE.
So ein schlechter Mensch bist du geworden?
[187]
FINKE.

Nu wird's mir aber zu arg! Wendet sich. Weil ich ein ehrlicher Kerl bin! Dadrum is es, daß ich gehe, damit daß Ihr es wißt, Jungfer!

RIEKE
leise.
Wie denn so?
FINKE.

Weil ich mir nich von gewissen stolzen Herren will sagen lassen, daß ich den Mädchen den Kopf verdrehe! Weil ich weiß, daß for 'nen armen Schmiedegesellen die Schmiedemeisterstöchter nich gewachsen sind, und weil ich weiß, daß wenn ein armer Deibel nach einem reichen Mädel ein Herz faßt, alle Welt schreit: »Des is ein Dieb!« und weil ich kein Dieb nich bin, Jungfer Rieke, sondern ein ehrlicher Kerl – und kein Landstreicher nich – sondern – na, un nu habt Ihr's gehört und nu wißt Ihr's und nu jeht – jeht.


Pause.
RIEKE.
Du – Köhne Finke? Warum nennst du mich denn nich mehr du?
FINKE.

Weil ich's Meister Stroband seine Tochter nich zumuten will, daß sie sich mit einem Landstreicher duzt.

RIEKE.
Dann darf ich dich doch auch nich mehr du nennen?
FINKE.

Wäre auch schon das Beste; denn wo zwei Wege sich scheiden, da steht ein Wegweiser, der sagt »auseinander«.

RIEKE.
Muß denn das so sein?
FINKE.
Ich denke, Ihr wißt es noch besser als ich.
RIEKE
bricht in Tränen aus.
Köhne – is denn das alles dein Ernst?
[188]
FINKE.
Rieke – Jott steh mir bei – Rieke!

Breitet die Arme aus, sie sinkt an seine Brust.
RIEKE.
Hast du denn keine Ahnung, wie ich nach dir geangt und gebangt habe das ganze Jahr?
FINKE.
Das hast du getan?
RIEKE.
Bist du mir denn nich ein bißchen mehr gut?
FINKE.

Riekchen, wenn ich dir nich jut wäre, würde mir das Herz denn so in Stücke gehn, jetzt wo ich dich lassen soll? Wischt sich die Augen. Siehste, die Menschen denken, weil ich so'n bisken vorneweg bin mit's Mundwerk, bei mir im Herzkasten drin wär' alles immer fidel – glaub's nich – es is so duster da drin, daß du nich die Hand vor Augen sehen würdest. Jestern, siehste, haben mich die Pommern an einen Baum ufhängen wollen –

RIEKE
umschlingt ihn.
Hängen haben sie dich wollen?
FINKE.

In die Jegend von Straußberg war's – und wie ick nu schon die Strippe um'n Hals hatte, was doch gar nich sehr angenehm zu sein pflegt, siehste, da hab' ich so bei mir gedacht: Rieke Stroband kriegste ja doch nich, also wozu soll das dumme Zeug von Leben noch, und janz zufrieden bin ick gewesen.

RIEKE
an seinem Halse.
Köhne, mein armer guter Köhne!
FINKE.
Mein Putthüneken –
RIEKE.
Und soll es keine Möglichkeit sein, daß wir uns kriegen?
[189]
FINKE.

Rieke, ick habe die Hoffnung festgehalten, solange noch ein Zipfel zu sehen war – nu is es damit aus! Wie dein Vater mir den Stuhl vor die Türe gesetzt hat, bin ick nach Bötzow gegangen und habe gearbeitet bei Meister Balzern auf Mord und Tod – wirst dir was ersparen, hab' ick mir gesagt, daß du vielleicht in ein paar Jahren soviel hast, daß du Meister werden kannst – Riekchen wird solange wohl aushalten –

RIEKE.
Und wenn ich alt und grau werden sollte, keinen andren als dich will ich haben!
FINKE.

Und wie nu's Jahr um is – da kommt das Kriegsgeschrei – und nu is Bötzow kaput und Meister Balzer kaput – nu kann ick von vorn anfangen; und übers Jahr, wenn ick wieder ein paar Groschen hinter mir habe, denn wird's wieder so kommen, und denn übers Jahr wieder und immer wieder Krieg und Raub und Sengen und Brennen – o du blutiger Heiland im Himmelreich, ick weiß nich, wie es sonst in der Welt aussieht, aber uns armen Leuten in der Mark geht es zu schlecht!


Sinkt an den Tisch, legt verzweifelnd das Haupt auf die Arme.
RIEKE
legt die Hand auf seine Schulter.
Köhne, ob es denn nicht einmal besser werden wird?
FINKE
steht auf.

Rieke, der da oben im Himmel is ja klüger als wir hier unten auf der Erde, der weiß vielleicht noch einen Ausweg – meine Weisheit is zu Ende.


Sie halten sich schweigend umschlungen. Von links hört man Gelächter und fröhliches Gekreisch.
RIEKE
reißt sich von Finke los.
Wer kommt denn da?
FINKE
geht an die Straßenecke und blickt nach links.

Es sind die adligen Junker von Propst Ortwin seine Domschule; die spielen Fangen und Zeck mit die Mädchen.

[190]
RIEKE.
Ach dann komm fort!
FINKE
kommt nach vorn.
Da sind sie schon.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Käthe, Grethe, die übrigen Mädchen kommen von links gelaufen.

KÄTHE.
Ne! Das gilt nich!
GRETHE.
Ne! Wir spielen nich mit!
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Konrad von Quitzow, Wichart von Rochow, andere junge Edelleute alle in kurzen Mänteln, Barett auf dem Haupt, Dolche im Gürtel, kommen hinter den Mädchen von links gelaufen.

KONRAD VON QUITZOW
eilt an die Straßenecke rechts, breitet die Arme aus.

Hier an der Straße steht ein Schlagbaum, und der heißt Quitzow! Nun, schöne Jungfern, seid Ihr gefangen!


Die jungen Edelleute haben die Bühne rechts und links umstellt, so das sich die Mädchen in der Mitte befinden.
KÄTHE.
Aber wir spielen nich mit!
ALLE MÄDCHEN.
Ne! ne! ne!
WICHART VON ROCHOW.
Ach dummes Zeug, da wird gar nich lange gefragt.

Geht auf Käthe zu und faßt sie an der Hand.
KÄTHE
sich sträubend.
Ihr sollt mich nich anfassen!
ROCHOW.
Ziert Euch nicht!
[191]
KONRAD
tritt hinzu.

Wichart, ängstige die Mädchen nicht. Wichart tritt zurück. Warum wollt Ihr nicht mit uns tanzen, Jungfer Käthe?

KÄTHE
mit einem Blick auf Wichart.
Ach, der da is immer gleich tolpatschig – mit Euch – is das was andres.
KONRAD.
Gut also, es ist noch lange hin bis zur letzten Glocke – was wollen wir tanzen?
GRETHE.
Den Zwölfmonatstanz.
KONRAD.
Dazu sind wir nicht genug.
WICHART.
Den Kapriolentanz.
KÄTHE.
Ne, da tanz' ich nich mit, das ist ein unanständiger Tanz.
ALLE.
Der is unanständig.
KONRAD.
Also wollen wir's mit dem polnischen Tanz versuchen, kennt Ihr den?
ALLE.
Ne, wie is denn der?
KONRAD.

Paßt auf. Seht Ihr, Tritt auf Käthe zu. zuerst die Reverenz Verbeugt sich. und Ihr habt nun die Neige zu machen.

KÄTHE
verneigt sich, knicksend.
So?
KONRAD.

So, ja. Nun kommt das Knippen und Knappen – ich gebe Euch die rechte Hand, – da wollt Ihr nicht – dann die [192] linke – da wollt Ihr wieder nicht – dann aber beide – und da greift Ihr zu; und nun drehen wir uns. Sie machen die angegebenen Bewegungen durch.

KÄTHE
lachend.
Is das ein komischer Tanz!
ALLE.
Aber hübsch!
KONRAD.
Nun jeder Mann eine Jungfer! Sie reihen sich zum Tanz.
WICHART.
Ein Mädchen fehlt!
KÄTHE
zeigt auf Rieke.
Da is ja Rieke Stroband noch.
ALLE.
Rieke muß mittanzen!

Die Mädchen kommen in den Vordergrund gelaufen.
RIEKE.
Ich will nich, laßt mich gehn.
KÄTHE.
Köhne Finke, so rede ihr doch zu.
FINKE.
Wenn sie nich will, denn wird sie wohl wissen, warum daß sie nich will.
KONRAD.
Bist du solch ein Duckmäuser?
FINKE.

Ne, Herr von Quitzow, der bin ich noch nie nich gewesen – aber alles hat seine Zeit, und jetzt is schlechte Zeit zum Tanzen.

KONRAD.
Warum denn?
FINKE.

Warum? Da müßt' ich Euch eine Geschichte erzählen, die [193] beinah so lang wäre, wie meine Lebensgeschichte. Aber seid einmal still – hört Ihr das?


Dumpfes Geräusch von Stimmen und Schritten von rechts; die auf der Bühne befindlichen Personen sind an die Straßenecke geeilt, blicken rechts hinaus.
KONRAD.

Von Sankt Jürgens Tor kommt das her? Ein Haufen Menschen, Männer, Weiber und Kinder – alle in Fetzen und Lumpen.

FINKE.
Ja, alles in Fetzen und Lumpen.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Hans Sturz kommt von rechts.

STURZ.
Herr Burgemeester! Herr Burgemeester!
KONRAD.
Was ist geschehen? Was ist los?
STURZ.

Die Pommern haben Straußberg gebrochen, und die Straußberger sind nach Berlin geflüchtet gekommen. Wo is der Burgemeester?

FINKE.

Ich will Euch zu ihm führen, kommt mit.Wendet sich im Abgehn. Und nu, Herr von Quitzow, gebt acht! Es könnte sein, wenn das Elend da zum Himmel schreit, daß Ihr einen Namen dabei nennen hörtet, den Ihr kennt.

KONRAD.
Was habe ich mit den Straußbergern zu schaffen? Was meinst du? Was willst du?
FINKE.

Was ick will? Bloß dem Burgemeester sagen will ick, daß in Berlin ein paar hundert hungrige Mäuler mehr sind.


Ab mit Sturz nach rechts ins Rathaus.
KONRAD
blickt ihm gedankenvoll nach.
[194]
WICHART.
Laß den Faselhans schwatzen; komm mit, Konrad, wir wollen unsern polnischen Tanz zu Ende tanzen.
KONRAD.
Ich mag nicht mehr, laß mich.
KÄTHE.
Kommt doch, Herr Junker, was gehen Euch und uns die Straußberger an?
GRETHE.
Wir können ihnen doch nicht helfen.
KONRAD.
Geht und tanzt, mir ist die Lust vergällt, ich will nicht, sag' ich Euch! Ich will nicht mehr!
KÄTHE.
Ach kommt, der is langweilig geworden.
ALLE.
Ja, es ist schade.

Die Mädchen mit den übrigen jungen Edelleuten links ab; Konrad tritt unter die Laube des Rathauses rechts. Rieke ist bei Finkes Abgang in ein Haus zur Linken abgegangen.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Thomas Wins, Henning Stroband von rechts, Wins in zerbrochener Rüstung mit verbundenem Kopf, auf Stroband gestützt; das Geschrei kommt, sich verstärkend, von rechts näher.

STROBAND
ruft nach rechts.
Sagt doch denen, daß sie aufhören sollen zu schreien, sie sind ja nu sicher!
WINS.
Nicht schreien? Was? Sie sollen heulen, heulen!
Jammer, der nicht mehr schreien darf, macht toll!
Es muß auf Erden doch noch Ohren geben,
Die hören, wenn man schreit. Der Kaiser schläft,
Der Markgraf schläft – heult, heult und weckt sie auf!
STROBAND.
Sie haben schon Ohren zum Hören, aber sie halten sich die Ohren zu.
[195]
WINS.
Dann in die Lüfte steige unser Schrei
Wie ein Gewölk, das an den Himmel stößt,
Und mit der Eisenstimme der Verzweiflung
Brech' er das taube Firmament entzwei,
Bis der uns hört, der oben sitzt im Himmel!
17. Auftritt
Siebzehnter Auftritt
Männer, Frauen, Kinder mit Bündeln bepackt, kommen von rechts und lassen sich gruppenweise auf den Straßenpflaster nieder. Berliner Bürger kommen mit ihnen von rechts.

STROBAND
zu Wins.
Gott? Der fragt schon lange nich mehr nach der Mark.
WINS.
Er muß! Er muß! Er darf uns nicht vergessen.
Er hat die Mark an einem Tag gemacht
Mit aller andern Welt!

Sinkt in die Knie.

Hör' mich, hör mich!
Die Menschen wollen von dem Land nichts wissen,
Das zwischen Elbe liegt und Oder – du
Darfst nicht so denken, denn du bist kein Mensch!
Sie sagen, unser Land ist häßlich, sandig –
Du aber hast das sand' ge Land gemacht!
Und du hast Menschen in die Mark gesetzt;
Und wir sind Fleisch und Bein wie andre Menschen!
Wenn man das Brot uns nimmt, so hungern wir,
Wenn man uns Recht und Haus und Kleider nimmt,
So sind wir nackt und frieren wie die andren;
Und alles das geschieht uns jeden Tag,
Du aber läßt's geschehn und hinderst nicht!
Du bist ein reicher Herr und wir sind arm,
Und deine Kinder sind wir darum doch!
Ein Vater soll für seine Kinder sorgen,
Das hast du selber uns gelehrt – so hilf uns!
Verlaß die Mark nicht! Hilf uns!

Sinkt mit dem Gesicht auf den Boden.
MÄNNER UND FRAUEN
die Hände erhebend.
Hilf uns! Hilf uns!
[196]
STROBAND.

Herr Thomas Wins, wenn's eine Stadt gibt, die Euren Jammer begreift, so ist es Berlin; wenn's einen Menschen in Berlin gibt, der ein Herz hat für alles, was man Euch getan hat, so bin ich es – gebt Euch zur Ruhe.

WINS
steht auf.

Henning Stroband, seht Euch das an und sagt, ich soll mich zur Ruhe geben; Zeigt auf die Gruppen der Flüchtlinge. der Jammer, das Elend, die Verzweiflung! Ihr habt Straußberg gekannt – wenn Ihr jetzt hinkommt, findet Ihr's nicht wieder. Ihr sagt, Straußberg war eine kleine Stadt – unser Jammer ist groß wie die Welt! Alles zerbrochen! Alles in Asche! Alles in Trümmern! Die Hälfte von unsren Bürgern tot! Was noch übrig ist – da liegt's auf Eurem Pflaster. Ihr habt gesehn, wie wir unsre Felder bestellt haben, mit Mühe und Not jeden Tag, jetzt sind sie zertreten, zertrampelt, zerwühlt! Haben wir zu viel verlangt von dem da oben? Nein! Nein! Nein! Wenn wir genug gehabt haben, unsere hungrigen Kinder zu füttern, sind wir zufrieden gewesen und haben Gott gedankt! Und auch das sollen wir nicht haben dürfen? Nicht einmal das?

STROBAND.
Wenn mir doch nur irgend etwas einfiele – ist Eure Frau gerettet?
WINS.
Ja.
STROBAND.
Und Eure Tochter? Die Agnes?
WINS
schlägt sich vor die Stirn.
Mein Kind! Mein Kind!
STROBAND.
Ist sie tot?
WINS.
Ich wollte, sie wär's.
STROBAND.
Thomas Wins, versündigt Euch nicht!
[197]
WINS.

Wer fordert Rechenschaft von mir? An mir ward Sünde getan! Ihr habt mein Kind gekannt; ich bin ein armer Mann, wenn sie mir über die Straße entgegengesprungen kam, war ich reich! Ich bin alt geworden in Sorge um die Stadt, alt und grau in Sorgen um mein Haus – wenn ich ihr Lachen hörte, war ich wieder jung – ich werde ihr Lachen nicht mehr hören – nie mehr –

STROBAND.
Aber wenn sie doch lebt?
WINS.
Henning Stroband – sie kennt ihren Vater nicht mehr! Das Licht ist ausgelöscht in ihrem Kopf!
STROBAND.
O du Heiland der Welt –
WINS
zeigt nach rechts.
Seht dahin, ich kann den Jammer nicht mit ansehen mehr!

Wendet sich ab.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Gertrud Wins, Agnes Wins von rechts. Gertrud führt Agnes, die starren Blickes geistesabwesend geht.

STROBAND
tritt hinzu.
Frau Trude Wins –? Reicht ihr die Hand.
GERTRUD
gibt ihn die Hand.

Ja, Henning Stroband, ich weiß, was Ihr sagen wollt: Der Mensch mag arm sein, wie ein Bettler; zum Verlieren ist er immer noch reich genug.


Es wird ein Stuhl herbeigetragen, Agnes sinkt darauf.
STROBAND.
Agnes – kennst du den Ohm nicht mehr? Den Henning Stroband aus Berlin?
AGNES.
O – das heiße, heiße Feuer und der rote Tod!
[198]
GERTRUD.
Ihr sprecht zu einem Stein; sie sieht nur Feuer und Blut vor ihren Augen.
STROBAND.
Wie ist denn das gekommen?
GERTRUD.
Die Pommern haben Feuerpfeile in die Stadt geworfen!
WINS.
Nicht die Pommern, der Quitzow hat es getan.
GERTRUD.
Ja, man sagt, der Quitzow ist es gewesen.
WINS.
Man sagt? Man sagt?
STROBAND.
Laßt doch Euere Frau erzählen.
GERTRUD.

Unser Haus ist lichterloh in Flammen aufgegangen, und wie wir aus dem Höllenwrasen herausgeflohen sind, hat uns ein gräßliches Geschrei auf der Straße empfangen; die Pommern hatten die Mauer erstiegen und in dem Augenblick kommt auch schon ein Kriegsknecht die Straße dahergerannt und wirft sich auf unsre Agnes und reißt sie von mir weg. Und wie ich ihr nach will, so hebt der Mensch den Fuß und – stößt mich vor den Leib, daß ich zur Erde falle –

STROBAND.
Arme Frau.
GERTRUD.

Und so höre ich, wie unsre Agnes einen fürchterlichen Schrei tut und sehe, wie der Mensch sie an die Mauer von unsrem Hause drängt und wie das Kind schneeweiß wird im Gesicht – und in dem Augenblick kommt von der andren Seite ein Haufe Quitzowscher die Straße herunter und vorneweg der Dietrich von Quitzow, das nackte Schwert in der Hand – und so schreit er den Pommern an und »du Hundsfott,« sagt er, [199] »hab' ich Euch nicht befohlen, daß Ihr die Weiber in Ruh' lassen sollt?« Und damit so nimmt er das Schwert und haut den Pommern übern Kopf, daß er gleich um und um fällt und das rote Blut über unsre Agnes dahingeht – und dadrauf so nimmt er sie beim Arm und wirft sie mir zu – und wie ich sie in meine Arme nehme – und sie anrufe, da kennt sie mich nicht mehr – und da – ist es unsre Agnes nicht mehr – sondern das hier – was Ihr da vor Euch seht. Bricht in Tränen aus.

WINS.
Das Entsetzen hat ihr den Verstand genommen! Mein Kind! Mein Kind!

Kniet vor Agnes nieder, beugt das Haupt in ihren Schoß.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Propst Ortwin, Perwenitz, Dannewitz, Sechelweg kommen aus dem Rathause, bleiben unter der Laube stehen.

PROPST ORTWIN.
Konrad von Quitzow, finde ich dich hier?
Was tust du hier?
KONRAD
starrt ihn wie verstört an.
Ich höre – Unerhörtes
Und sehe Niegesehnes.
ORTWIN.
Lerne, Sohn,
Du wirst in dieser einen einz'gen Stunde
Mehr lernen als in Jahren du gelernt.
SECHELWEG
tritt vor.

Im Namen der Stadt Berlin und im Auftrag der zwei Bürgermeister – hört mich an, Mann, Weib und Kind: Frieden verkünde ich den friedlosen Leuten von Straußberg, gehet hin zum Kalandshofe von Berlin; gehet hin zu Propst Ortwins Haus bei Sankt Niklas' Hof, gehet hin zu den schwarzen Brüdern – Obdach wird man geben den Obdachlosen und –

DIE STRAUSSBERGER
Männer, Weiber und Kinder mit einem einzigen Schrei unterbrechend.
Gebt uns Brot!
[200]
SECHELWEG.
Ihr sollt es haben –
DIE STRAUSSBERGER
kommen stürmend auf das Rathaus zu.
Gebt es gleich! Wir verhungern! Brot!

Wüstes Durcheinander.
KONRAD
drängt sich zu Ortwin.
Hörtet Ihr das? Propst Ortwin?
ORTWIN.
Lerne, Sohn –
PERWENITZ
nach rückwärts gewandt.
Es liegt noch Brot im Rathaus; die Stadtknechte sollen kommen und das Brot verteilen!
DIE STRAUSSBERGER
umdrängen Perwenitz, küssen ihm Hände und Füße.
Seid gesegnet! Seid gesegnet!
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Stadtknechte kommen mit Körben voll Brot aus dem Rathause; sobald sie erscheinen, stürzen sich die Straußberger über die Körbe her, reißen sie an sich.

DIE STRAUSSBERGER.
Mir her! Hierher!

Es entsteht ein wütender Kampf.
PERWENITZ
schreit in den Tumult.
Haltet Ordnung! Das Brot soll verteilt werden!

Der Tumult dauert fort.
KONRAD.
O gräßlich! Unerhört!
ORTWIN.
Konrad von Quitzow,
Dies waren Väter einst, dies waren Mütter,
Das Elend hat zu Tieren sie gemacht,
Und solches Elend schufen ihnen Menschen!
Lerne, mein Sohn!
[201]
KONRAD
zeigt auf Agnes.
Seht Ihr die Frauen dort?
Sie ließen ihnen nicht ein Stückchen Brot.
ORTWIN.
So zeig', daß du ein Christ bist – nimm ein Brot
Und bring' es ihnen.
KONRAD.
Ja, ich will es tun.

Er nimmt aus einem der Körbe ein noch vorhandenes Brot, geht damit zu Gertrud Wins.

Nehmt, arme Frau, für Euch und Eure Tochter.
AGNES
wendet die Augen auf Konrad, ihr Blick wird starr, als erkennte sie ihn und als kehrte ihr Bewußtsein zurück.
Die Flamme loht – in Lüften saust das Schwert –
Das rote Blut geht über mich –

Sie springt auf.

der Quitzow!!

Thomas Wins springt auf, tritt einen Schritt zurück, Konrad anstarrend; die Straußberger drängen heran; eine lautlose Pause.
WINS
faßt Gertruds Hand, murmelt.
Aus Wahnsinn spricht Vernunft – sieh das Gesicht –
KONRAD
will Agnes das Brot reichen.
Nehmt, Jungfrau, warum schreckt Ihr so vor mir?
WINS
entreißt ihm das Brot, wirft es zu Boden.
Die Gabe, die sie nimmt aus deinen Händen,
Verwandle sich in ihrem Mund zu Gift!
KONRAD.
Rasender Alter –?
WINS.
Wie man Teufel bannt,
So bann' ich dich aus meines Kindes Nähe!
Ein Geier bist du! Breite deine Schwingen,
Flieg' auf, hinaus, zur menschenleeren Öde,
Wo auf dem blut'gen Horst dein Bruder haust,
Dietrich von Quitzow!
[202]
DIE STRAUSSBERGER.
Dietrich Quitzows Bruder?
KONRAD.
Sein Bruder! Ja!
WINS
reißt Agnes an sich.
Erschlagt!
DIE STRAUSSBERGER.
Schlagt tot!
AGNES
reißt sich von ihrem Vater los.
Der Pommer!
Er will Gewalt mir tun!
WINS.
Agnes, mein Kind?
Dein Vater – kennst du deinen Vater nicht?
AGNES
schmiegt sich an Konrad.
Errette mich vor ihm! Errette mich!
WINS.
Vor deinem Vater fliehst du zu dem Quitzow? –
Du sollst mein Kind aus deinen Armen lassen,
Du Bruder des Mordbrenners!

Packt Konrad an.
KONRAD.
Ah, Verdammter!
Beschimpfst du mir so schmählich meinen Bruder?

Er stößt Wins zurück, so daß dieser taumelt und fällt.
AGNES.
Hilf Gott! Der alte Mann dort an der Erde –
Ist das mein Vater nicht?
WINS
am Boden liegend.
Agnes, mein Kind,
Mußt' ich bis in den Staub hinuntersteigen,
Damit du deinen Vater wiederkennst?

Agnes beugt sich zu ihm nieder, er umarmt sie.
[203]
KONRAD.
O Bild des Leids – kommt, alter Mann, steht auf,
Ich biet' Euch meine Hand.
WINS.
Ich brauch' sie nicht,
Ich will nicht deine Hand. Denn wie ich hier
Durch deine Hand in Staub geworfen liege,
So liegt das ganze brandenburg'sche Land
Zertreten unter deines Bruders Füßen.
Kommt, helft mir auf –

Er erhebt sich, auf Gertrud gestützt.

freue dich deines Sieges –
ALLE STRAUSSBERGER.
Schlagt den Quitzow tot! Schlagt ihn tot!

Drängen auf Konrad ein.
KONRAD.
Kommt an! Ich steh' Euch allen, fürcht' Euch nicht!
WINS.
Ah hört den mut'gen Junker! So ist's recht!
Das ist der Junker einziges Gesetz:
Nur niemals Furcht! Wenn sich das Recht beklagt,
So macht die Faust und schlagt dem Recht aufs Maul!

Er zieht die Kinder, die umherstehen, zu sich heran.

Ankläger her! Sieh diese Kinder an:
Die Augen hohl – die Lippen bleich – die Wangen
Verhagert und vermagert vor der Zeit –
Und hinter diesen hundert, aberhundert,
Elend wie sie, ein Feld geknickter Halme,
Und Quitzow heißt der Hagel, der sie schlug!
Hörst du, was diese Kinderlieppen wimmern?
Verstehst du's? Ja, du mußt verstehn, du mußt,
Denn deine eigne Muttersprache ist's:
»Gib Vater uns und Mutter wieder!«
KONRAD.
O!!

Beugt sich zu den Kindern nieder.

Ihr Kinder! Ihr unsel'gen armen Kinder!
[204]
WINS.
Du fürchtest dich vor den Lebend'gen nicht?
Geh, sieh dir Straußberg an, die tote Stadt!
Dein Bruder warf den Feuerbrand hinein!
Sieh in das bleiche Angesicht der Toten –
Dein Bruder warf sie in den brand'gen Schutt!
Sieh in ihr rinnend Blut, es hat die Farbe
Des deinen, es ist brandenburgisch Blut,
Und Ihr vergoßt es!
KONRAD.
Nein!!
WINS.
Ihr tatet's!
ALLE.
Ja!
WINS.
Gib unser Glück uns wieder, Hab' und Gut!
Gib unsre Häuser, unsre Felder!
ALLE.
Gib wieder!
WINS.
Gib unsre Toten wieder!
ALLE.
Gib wieder!
KONRAD.
Hier bin ich selbst und dies mein Selbst ist alles,
Was ich Euch geben kann! Nehmt, schlachtet mich!
Ich habe Eurem Drohen widerstanden,
Doch Euer Jammer greift in meine Brust,
Und reißt aus meinem Leib mein eigenes Herz
Zur Bundsgenossenschaft auf Eure Seite.

Schlägt die Hände vor das Gesicht.

O Brandenburg! O Heimat! O mein Land!
PERWENITZ
tritt heran, legt die Hände auf Konrads Schulter.
Die Tränen braucht Ihr nimmer zu verbergen,
Die tun Euch keine Schande. Hört mich an!
[205] Quitzow schlug tiefe Wunden in die Mark,
Die Wahrheit ist's – doch dies ist auch die Wahrheit,
Daß nur ein einziger sie heilen kann,
Und das ist wieder Quitzow – wenn er will!
Ich seh' Euch ins Gesicht, und was ich sehe,
Gefällt mir wohl. Konrad von Quitzow sprecht,
Wollt Ihr aufrichten helfen das Zerstörte?
Den Obdachlosen wieder Häuser bau'n?
KONRAD.
Ob ich es will? Ihr fragt mich, ob ich Taten,
Die nur der gnadenreiche Gott vermag,
Vollbringen will? Sagt mir, wie ich's vollbringe,
Und all mein Leben lang gehör' ich Euch!
PERWENITZ.
Propst Ortwin, les't uns, bitt' ich, Quitzows Brief.
ORTWIN
tritt heran, zieht den Brief hervor.
So schreibt zu meinen Händen Dietrich Quitzow:
Wenn Konrad, seinen vielgeliebten Bruder,
Wir ungekränkt ihm führen in die Hand,
So will er den Stettiner Herzögen
Absagen und mit allen seinen Leuten
Will er sich setzen zur Mark Brandenburg
Und mit der Stadt Berlin ein Bündnis machen –
WINS.
Bündnis mit Dietrich Quitzow?
PERWENITZ.
Thomas Wins,
Ihr habt das Wort gehabt, jetzt spricht Berlin.
ORTWIN.
Und mit der Stadt Berlin ein Bündnis machen,
Nach Straußberg heimzuführen die Vertriebnen,
Gemeinsam anzugreifen die Stettiner
Und sie hinauszujagen aus der Mark.
PERWENITZ.
Hans Dannewitz, Ratmannen von Berlin,
[206] Streckt Eure Hände her!

Er reicht Konrad die Hand, die Ratmannen strecken die rechte Hand aus.

Konrad von Quitzow,
Das Herz von Brandenburg schlägt in Berlin;
Hier unsre Hand – wollt Ihr ein Bündnis machen
Mit Eurem Vaterland?
KONRAD
ergreift Perwenitz' Hand.
Landsleute! Ja!
Landsleute, o die weite warme Welt
In diesem Wort! Ein Schicksal über uns,
Gemeinsam unser Leid und unsere Freude!
Wie mir die Seele aufgeht, wie das Herz
Mir groß und fruchtbar wird zu guter Tat!
Ich, Sohn der Mark, wie Ihr, ich liebe Euch!
PERWENITZ.
Gott lohn's Euch, das war gut!
ALLE.
War gut! War gut!
PERWENITZ.
Und kommt Ihr jetzt zu Eurem Bruder mit?
KONRAD
wirft den Mantel ab.
Ein Schwert an meine Hüfte! Roß herbei;
In Rosses Sattel und hinaus, hinaus!
ORTWIN
dem ein Stadtknecht ein Schwert gereicht hat, übergibt es Konrad.
Konrad, nimm hin –
Ich habe dich gehütet und gehegt;
Heut geb' ich dich zu größrer Lehre frei:
Jüngling sei Mann und Mann geh aus ins Leben.
KONRAD
hebt das in der Scheide ruhende Schwert empor, indem er es in der Mitte faßt.
So schwör' ich hier vor Menschen und vor Gott:
Wird diese Junge, diese stählerne,
Die stumm jetzt ruht, zu reden einst beginnen,
So sei ihr erstes Wort: Für Brandenburg!
[207]
ALLE.
Für Brandenburg!
PERWENITZ.
Auf den Weg!
ALLE.
Auf den Weg!

Brausender Jubel.
Vorhang fällt.

Ende des ersten Aktes.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Detlev von Schwerin, Johann von Briesen, pommersche Edelleute stehen in leiser Unterhaltung.

BRIESEN.
Herr Detlev von Schwerin, wollt Ihr die Herzöge rufen? Ich glaube, wir sind versammelt.
SCHWERIN
sieht um sich.
Dietrich von Quitzow fehlt.
BRIESEN.
Sollen wir warten, bis es ihm beliebt?
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Barbara in phantastisch kriegerischer Tracht, zu den vorigen durch die Mitte.

BARBARA.
Gott zum Gruß, die Herrn. Alle verneigen sich. Was führt Euch zusammen?
[208]
SCHWERIN.
Wir halten Kriegsrat.
BARBARA
setzt sich auf einen Stuhl.
Ich störe Euch nicht, beratet weiter.
SCHWERIN.
Die Herzöge fehlen.
BARBARA
halblaut für sich.
Laßt sie fort, es geht auch ohne sie.
SCHWERIN.
Und Dietrich von Quitzow fehlt.
BARBARA
wie oben.
Dann fehlt Eurem Rate der Kopf.

Die Tür links öffnet sich.
SCHWERIN.
Die gnädigen Herren kommen.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Herzog Kasimir, Herzog Otto kommen von links. Kasimir trägt eine Binde um den Kopf.

KASIMIR
mit der Hand windend.
Ausgeruht Ihr Herren? Guten Morgen allen.
SCHWERIN.
Frohen Morgen Euch, gnädiger Herr.

Alle verneigen sich.
KASIMIR
läßt sich auf dem Ruhebette nieder.

Otto setzt sich auf einen Stuhl neben dem Ruhebett. Gräfin Barbara – unsere Amazone – frisch und munter bereits?

BARBARA
ohne ihre Stellung zu verändern.
Bereits? Die Sonne steht seit zwei Stunden am Himmel.
KASIMIR.
Ihr beschämt uns fast durch Euren Eifer.
[209]
BARBARA
halblaut für sich.
Hülfe es nur zu was.
OTTO
sich zu ihr wendend.
Ihr meintet?
BARBARA.
Daß ich wissen möchte, warum mein Herr Bräutigam den Kopf verbunden trägt?
KASIMIR.
Ich habe zur Nacht meinen alten Kopf- und Augenschmerz bekommen – Ihr wißt –
BARBARA.
Glaubte schon, Ihr wäret verwundet.
KASIMIR.
Nein.
BARBARA
für sich.
Wüßte auch nicht, wie du zur Wunde kämst.
OTTO.
Ihr meintet?
BARBARA
höhnisch lächelnd.
Daß ich Gott preise, daß es nichts weiter ist.
KASIMIR.

Wir haben eine schlechte Nacht gehabt; die Stadt ist noch so voll Rauch und Dunst, daß es auf den Kopf schlägt.

BARBARA
für sich.
Wärst du zu Stettin geblieben in deinem Bett.
OTTO.
Wir können uns bei Herrn von Quitzow dafür bedanken.
BARBARA.
Wieso?
OTTO.
Er war's, der Feuer in die Stadt werfen ließ.
KASIMIR.
Es war nicht unser Wille gewesen, es ist wahr.
[210]
BARBARA.
So würd' ich ihm an Eurer Stelle danken, aß er Euch Straußberg ohne Euren Willen erobert hat.
OTTO.
Er hat es erobert?
KASIMIR.
Ist Herr von Quitzow noch nicht erschienen?
BRIESEN.
Nein, gnädiger Herr.
OTTO.
Das wundert mich.
BARBARA.
Seid gewiß, daß es nicht darum ist, weil er noch schläft.
KASIMIR.
Wir haben ihn zum Kriegsrat bestellen lassen; ist unser Bote noch nicht zurück?
SCHWERIN.
Steht draußen vor der Tür, gnädiger Herr.
KASIMIR.
So laßt ihn kommen.
SCHWERIN
öffnet die Mitteltür.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Krodenow kommt durch die Mitte; bleibt stehen. Die Mitteltür bleibt offen.

KASIMIR.
Warst du bei Herrn von Quitzow?
KRODENOW.
Aufzuwarten, gnädiger Herr.
KASIMIR.
Kommt er?
KRODENOW.
Vielleicht, gnädiger Herr.
[211]
OTTO.
Was soll das heißen? Hast du ihn herbestellt?
KRODENOW.
Aufzuwarten, gnädiger Herr.
OTTO.
Na was sagte er?
KRODENOW.
Ein paar Maulschellen hat er mir gegeben.
OTTO.
Ha!

Bewegung unter den Anwesenden.
KASIMIR.
Ein paar – was?
OTTO.
Geschlagen hat er unsren Boten!
KRODENOW.
Und »er ließe sich von niemand nich bestellen«, hat er gesagt.
OTTO.
Hat er gesagt.
KRODENOW.

Ja »und der Deibel sollte jeden holen, der ihm was befehlen wollte, und wenn's der Kaiser von Afrika wäre«.

BARBARA.
Hahaha!
OTTO
fährt auf.
Wer lacht da?
BARBARA.
Ich war so frei.
OTTO.
Ah so – Ihr?
KASIMIR.
Das finde ich sehr ungehörig von Herrn von Quitzow.
OTTO
geht auf und ab.

Ach was, ungehörig! Frech! frech! frech! Was ist denn dieser Herr von Quitzow? Ein Habenichts aus der Mark!

[212]
BARBARA.
Und der größte Kriegsmann seiner Zeit.
OTTO.
Wir hätten Straußberg auch ohne ihn bekommen!
BARBARA.
Warum habt Ihr nicht?
OTTO
bleibt vor ihr stehen.

Nehmt Ihr Partei wider fürstliches Geblüt? Ihr nennt Euch doch eines Königs Tochter? Aber freilich – man weiß –

BARBARA.
Was weiß man?
OTTO.
Wie Ihr zu Eurem Vater gekommen seid.
BARBARA
fährt auf.
Hütet Euch!
KASIMIR.
Mein Herr Bruder – ich bitte. – Aber was beginnen wir nun?
BRIESEN.
Gnädiger Herr, wir können auch ohne den Quitzow Kriegsrat halten.
SCHWERIN.
Der Meinung bin ich auch.
BARBARA
für sich.
Fragt sich nur, wie weit Ihr kommt.
KASIMIR.
Also fangen wir an. Straußberg haben wir nun.
SCHWERIN.
Straußberg haben wir.
KASIMIR.

Und es ist leichter gegangen, als ich dachte. Diese Brandenburger sind keine gefährlichen Leute, wie mir scheint.

[213]
OTTO.
Elendes Gesindel! Darum schlage ich vor: nach Berlin!
KASIMIR.
Was sagen die Herren?
BRIESEN.
Berlin ist eine starke Stadt.
OTTO.

Ach was! Ich will den Berliner Bären an die Kette legen und auf den pommerschen Jahrmärkten Purzelbäume schlagen lassen.

KASIMIR.
Hahaha – sehr gut.
SCHWERIN.
Gnädiger Herr, ich meine, es kommt zunächst drauf an, daß wir die Ukermark bekommen.
OTTO.
Die Ukermark! Die bleibt uns sowieso.
BARBARA.
Habt Ihr sie denn schon?
OTTO.
Prenzlau haben wir; fehlt bloß noch Angermünde. Das holen wir uns wie die Butter aufs Brot.
BRIESEN.
Es hat Mauern und Türme.
OTTO.

Und wir haben Leitern. Ich bleibe dabei: nach Berlin. Wenn wir Berlin haben, können wir die Mark wie einen alten Käse austeilen.

BARBARA.
Schneidet Euch nur nicht in die Finger dabei.
OTTO.
Hier wird Kriegsrat gehalten, daß Ihr's wißt! Das ist eine ernste Sache!
5. Auftritt
[214] Fünfter Auftritt
Dietrich von Quitzow tritt plötzlich, nachdem er eine Zeitlang in der offenen Mitteltür gestanden, durch die Versammelten hindurch in den Vordergrund.

DIETRICH.
Wenn es so ist, Herzog, warum treibt Ihr dann Possen?
OTTO
fährt zurück.
Possen? Ich – Possen?
DIETRICH.
Es war doch nicht Euer Ernst, was Ihr da spracht?
OTTO.
Was sonst?
DIETRICH.
Prahlhanserei!
OTTO.
Was erlaubt Ihr Euch?!
DIETRICH.

Zunächst mich zu setzen. Zieht einen Stuhl herbei, setzt sich, indem er sich leicht gegen Kasimir verneigt, legt das Schwert aus den Tisch.

OTTO.
Ihr vergeßt, Herr von Quitzow, daß Ihr mit Fürsten sprecht.
DIETRICH.
Nein Herr, Ihr erinnert mich mit jedem Wort daran.
OTTO.
Ich sehe nicht, daß ein anderer von unseren Herren sitzt.
DIETRICH.
Hütet Eure Junge! Eure Herren essen Euer Brot – ich gehöre zu Euren Herren nicht!
OTTO.
Ah seht doch, hört doch, wo liegt denn Euer Fürstentum?
DIETRICH
springt auf, hält ihm die geballte Faust entgegen.
Hier!
[215]
BARBARA
fährt auf.
Ah! Mannesgewalt und Herrlichkeit!

Gemurr unter den Anwesenden.
OTTO.
Sollen wir das ertragen?!
KASIMIR
hält sich den Kopf.

Nicht solchen Lärm – ich bitte – mir zerspringt der Kopf! Herr von Quitzow, Ihr seid hitzig und wenig rücksichtsvoll für Eure Bundesgenossen.

DIETRICH.
Nur so lang, als Ihr vergeßt, daß ich Euer Bundesgenosse bin und nicht Euer Diener.
KASIMIR.
Der Bote, den wir zu Euch gesandt, hat sich beschwert, daß Ihr ihn geschlagen hättet.
DIETRICH.
Und wenn er das nächste Mal in solchem Tone zu mir spricht, so schlage ich ihn tot.
OTTO.

Immer besser! Aber wir sind es ja gewöhnt: bei der Erstürmung von Straußberg habt Ihr mehr als einen von unseren Leuten erschlagen.

DIETRICH.
Woher wißt denn Ihr das? Euch hab' ich nirgends gesehn, als es zum Sturm ging.
KASIMIR.
Es war nicht unser Wille, daß Brandpfeile in die Stadt geworfen wurden.
DIETRICH.
Nein, es war der meine.
OTTO.
Aber auf uns fällt die Verantwortung.
[216]
DIETRICH.
Ich will die Verantwortung auf mich nehmen, wenn Ihr – nun, denkt Euch das Ende.
OTTO.
Wenn wir – was?
DIETRICH.
Wenn Ihr zu feige dazu seid!
OTTO, PRIESEN, SCHWERIN. Ha!!
DIETRICH.

Nichts Feigeres kenne ich, als Krieg zu beginnen und dann vor dem Kriege zu erschrecken! Nichts Verächtlicheres als Halbheit! War's Euer Wille, Herzog Kasimir, Straußberg zu erobern?

KASIMIR.
Ihr wißt es so gut wie ich.
DIETRICH.
Euer Wille, Straußberg bald zu haben?
KASIMIR.
Nun freilich.
DIETRICH.
Was also klagt Ihr? In zwei Tagen habt Ihr's erlangt.
KASIMIR.
Es wäre auch wohl ohne Brand gegangen.
DIETRICH.
Nein! Denn das Heer der märkischen Städte wäre uns über den Hals gekommen.
OTTO.
Die märkischen Städte – hahaha!
DIETRICH.
Warum lacht Ihr?
OTTO.
Wo ist das Heer der märkischen Städte?
[217]
DIETRICH.
Auf Eueren Fersen!
OTTO.
Im Mauseloch!
DIETRICH.

Geht nach Stettin zurück und lernt das ABC der Kriegskunst, wenn Ihr die Ehre haben wollt, mit Dietrich Quitzow zu Felde zu ziehen, prahlerischer Knabe!

OTTO.
Knabe?! Prahlerischer –?!
DIETRICH.

Ja! prahlerischer, unreifer Knabe! Der mit dem Kriege spielt, wie ein Kind mit dem Messer! Der den Feind verachtet, weil zwischen seiner fürstlichen Haut und dem Feinde die Leiber so und soviel treuer Männer stehen, die sich für ihn opfern!

OTTO.
Wagt Ihr mir zu sagen, daß ich – daß ich feige sei?
DIETRICH.
Wo waret Ihr, als der Sturm auf Straußberg begann?
KASIMIR
richtet sich auf.
Herr – Herr von Quitzow – man spricht nicht so zu einem pommerschen Herzog.
DIETRICH.
Wenn Ihr einen Höfling suchtet, mußtet Ihr Euch nicht an mich wenden!
KASIMIR.
Das ist zu stark – in der Tat – das –
OTTO.
Bruder Kasimir, sollen wir noch länger Gemeinschaft halten mit diesem – dreisten Mann? Diesem –
DIETRICH.

Glaubt Ihr, ich sei der Mann, der sich Freundschaft geben und nehmen läßt? Pommern- Stettin – ich sage dir ab!


Bewegung.
[218]
OTTO.

Er sagt uns ab! Hahaha! Er sagt uns ab! Was seid Ihr denn, Herr Habenichts, wenn wir die Hand von Euch ziehen?

DIETRICH.

Ein Mann, vor dem Ihr zittern sollt! Er geht in den Erker, reißt das Fenster auf, ruft hinaus. Dietrich Schwalbe!

STIMME
von draußen.
Gnädiger Herr?
DIETRICH
ruft hinaus.

Aufgesessen die Quitzowschen! Eingerückt in Straußberg! Schmeißt die Pommern hinaus! Brandenburg ist die Losung!

OTTO, BRIESEN, SCHWERIN reißen die Schwerter heraus. Ah! Teufel! Verräter!

BARBARA
ergreift Dietrichs Schwert, das auf dem Tische liegt, springt in den Erker.
Quitzow, waffne dich!!
DIETRICH
wendet sich von Fenster um, reißt das Schwert an sich und aus der Scheide, in denselben Augenblick wollen die Pommern auf ihn eindringen und prallen zurück.
Hier ist der Quitzow! Wen gelüstet's, ihn kennen zu lernen?
KASIMIR
steht zitternd aufrecht.
Barbara! Hierher!
BARBARA.
Nie mehr zu Euch! Nie mehr!
QUITZOW.
Hierher gehört sie, zu dem Leben, das sie gerettet!

Wirft den linken Arm um Barbara, sie schmiegt sich an ihn.
KASIMIR
faßt mit beiden Händen an den Kopf.
Mein Kopf – ich ersticke – Luft!
OTTO UND BRIESEN
springen ihm zu Hilfe.
[219]
OTTO
zu Barbara.
Ah! Dirne! Ehrloses Bastardblut!

Barbara führt auf.
DIETRICH.

Laßt ihn schimpfen, Gräfin, heute abend wird er greinen, wenn ihm die märkischen Ruten den Rücken gegerbt haben!


Trompeten außerhalb in der Ferne.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Krodenow erscheint in der Mitteltür.

KRODENOW.
Sie kommen – die Märker – sie kommen!
KASIMIR.
Die Märker?
KRODENOW.
Von Müncheberg und Buckow, in zwei mächtigen Haufen! Und über Alt-Landsberg zieht ein dritter heran!
OTTO.
Was für einer das?
KRODENOW.
Die Fahnen von Berlin flattern darüber!
OTTO.
Ah Teufel!
KASIMIR.
Führt mich hinweg!
OTTO.
Helft mir, meinen Bruder fortbringen!

Die führen Kasimir nach den Mittelausgang.
DIETRICH.
Eine Sänfte für ihn und Hasenfüße für Euch alle!
KRODENOW.

Und in der Stadt ist ein Tumult; die Quitzowschen haben unsere Leute angefallen und schweißen sie hinaus!

[220]
DIETRICH.
Fegt aus mit klirrendem Besen! Fegt aus!

Trompeten in größerer Nähe.
KASIMIR.
Hinweg!
OTTO
gegen Quitzow drohend.
Wir sehen uns wieder, Herr von Quitzow!
SCHWERIN UND BRIESEN.
Wir sehen uns wieder!

Alle ab durch die Mitte.
DIETRICH.

Und Ihr sollt mich fühlen obendrein. Er tritt aus dem Erker, wirft das Schwert auf den Tisch. Hahaha – wie ich sie verachte! Wie mir das Herz im Leibe lacht, daß ich es ihnen habe ins Gesicht schleudern können, all den Ingrimm und Ekel, der mich vor ihnen erfüllt!


Das also ist das fürstliche Geblüt?
Der ganz besondre Saft? Laßt sie zur Ader
Und seht ihn an, den trägen, dünnen Saft!
Ich will nicht Freundschaft halten mit den Fürsten,
Ich hasse alles das, was Kronen trägt!
Hier steh' ich, meine Freiheit ist mein Reich,
Mein Haupt mein Untertan, und meine Hände!
Und meine Mannheit setzte die Natur
Als Krone mir aufs Haupt – wo ist ein Mensch,
Der sagen darf, er sei mehr Fürst als ich?
BARBARA
die auf einen Stuhl gesunken, ihn mit glühenden Augen betrachtet hat.
Der wandelt nicht auf Erden, der es dürfte,
Du König ohne Krone, mächt'ger Mann!
DIETRICH.
Gräfin – ich hab' Euch kaum gedankt – verzeiht.
Nun – Euer Herzog?
BARBARA.
Sprecht nicht von dem Knaben,
Wo Mann und Weib sich unterreden.

Sie erhebt sich langsam.

[221] Quitzow, –
Ich seh' Euch an, gewährt mir eine Frage:
Seid Ihr ein Deutscher? Wirklich?
DIETRICH.
Nun, ich denke,
Was ich da sprach, war deutsch.
BARBARA.
Verhöhnt mich nicht,
Ich kann's nicht denken; deutsches Blut ist kalt,
Langsam zur Leidenschaft, zur Tat unlustig,
Feindlich verschieden von dem Blut des Polen,
Wie Wasser ist vom Feuer –
DIETRICH
lachend.
Meiner Treu',
Ihr denkt nicht hoch von uns.
BARBARA.
Seid Ihr von ihnen?
Die kalt vernünft'ge grüblerische Art,
Der unterwürf'ge Sinn – wo blieb das alles,
Als Euch Natur gebar? Die Deutschen hass' ich –
Wenn Ihr ein Deutscher seid – wie kommt es dann,
Daß ich Euch – ah du Stolzer – sprich,
Bist du ein Deutscher? Bist du's?
DIETRICH.
Ja und ja!
Ein Sohn der Mark, so echt als jemals einer
Geboren wurde zwischen Luch und Bruch.
BARBARA.
So ändre ich von heute meinen Glauben,
Zu Deutschen mich bekehrend.
DIETRICH
bleibt plötzlich vor ihr stehn.
Barbara –
BARBARA.
Ah – dieser Laut – schenk' ihn mir einmal noch –
[222] Wie Echo im Gebirge tönt mein Name
Von deinen stolzen Lippen.
DIETRICH.
Barbara,
Was frage ich nach Deutschland oder Polen?
Was kümmert's dich? Mein Vaterland bin ich.
Und was ich so in meine Grenzen fasse,

Er umschlingt sie mit den Armen.

Gefangen ist es mir.
BARBARA.
Mein Leib bestätigt's,
Der schauernd sich in deine Arme schmiegt.
DIETRICH.
Und soll ich wieder frei dich geben?
BARBARA.
Nein!
Ein jedes Herrenrecht sei dir gewährt
An deiner Magd, nur dieses eine nicht:
Mich frei zu geben.
DIETRICH.
Schönes stolzes Weib –
Daß nur dein Vater nicht Jagello hieße,
Nicht König wär'.
BARBARA.
Vergib mir die Geburt.
In freier Liebe ward ich ihm geboren. –
DIETRICH.
Das alles weiß ich; aber wenn ich dich
Zum Weib erwählte, müßt' ich dich von ihm
Als Gnade mir erbetteln; und ich kann's nicht;
Ich will nicht mit gebeugtem Höflingsrücken
Vom Boden schlecken eines Fürsten Gunst!
BARBARA.
Nichts denn von Gattin! Nimm, was dir gehört:
Das Weib, das Gott erschuf!
[223]
DIETRICH
reißt sie an sich, küßt sie.
Ha, nun hierher!
An dieses Herz und her an meine Lippen!
Ich liebe dich!
BARBARA
ihn leidenschaftlich küssend.
Mein Held! Mein Herr! Mein Gott!
DIETRICH.
In deiner Seele hab' ich nun gelesen
Und ich erkenne sie am kühnen Zuge
Als mir verwandt. Ja, du gehörst zu mir
Und ich zu dir. Wir sind von dem Geschlecht,
An dem die Ketten menschlichen Gesetzes
Nicht haften; unser Wille unser Recht!
Und jene Luft, die Knechtesseelen tötet,
Freiheit, der Lebensodem, der uns füllt!

Trompeten und Lärm in nächster Nähe.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Dietrich Schwalbe kommt durch die Mitte.

SCHWALBE.
Gnädiger Herr!
DIETRICH.
Dietrich Schwalbe, wie steht's? Seid Ihr fertig mit den Pommern?
SCHWALBE.

'raus sind sie, Herr, und die von Müncheberg und Bukow besorgen das übrige – aber es is noch 'was anderes.

DIETRICH.
Was noch?
SCHWALBE.
Von Alt-Landsberg her kommen die Berliner – und die zwei Sterne sind mitten damang!
DIETRICH.
Das Quitzowsche Banner?
[224]
SCHWALBE.

Ja, Herr, und vorneweg mit den zwei Burgemeestern von Berlin reitet einer, und strafe mir Gott, es is kein andrer als unser junger Herr!

DIETRICH.
Mein Bruder?
SCHWALBE.
Unser Junker Konrad!
DIETRICH.
Wo stehn sie?
SCHWALBE.
Draußen vorm Tor.
DIETRICH.
Tore auf und herein und herauf!
SCHWALBE.
Gehe schon, Herr – Wendet sich zum Abgang, kehrt wieder um. unser Junker Konrad, gnädiger Herr!
DIETRICH.
Mach' fort, sag' ich.
SCHWALBE.
Gehe schon, Herr – so groß war er, als ich ihn 's letztemal sah. Ab durch die Mitte.
DIETRICH
geht erregt auf und ab.
Die Hand ward angenommen, die ich reichte,
Die Botschaft ward verstanden! Barbara,
Mich dünkt, die Erde bebt?
BARBARA.
Ich spüre nichts.
DIETRICH.
In Böhmen bebt sie, unterm Markgraf Jobst!
Jobst, halt dich fest am Stuhl, er wackelt Jobst!
Mir ahnt etwas von einem großen Fallen,
Das jetzt in Fürstenkronen fahren wird!
8. Auftritt
[225] Achter Auftritt
Konrad von Quitzow stürmisch durch die Mitte.

KONRAD
tritt einen Schritt auf Dietrich zu, blickt ihn mit leuchtenden Augen an.
Dietrich – mein Bruder?
DIETRICH
breitet die Arme aus.
Konrad, junges Blut!

Sie umarmen sich.
KONRAD
starrt ihn an.
Ja, so in Träumen hab' ich dich gesehn,
Wenn über Büchern in Propst Ortwins Zelle
Ich lernend saß und Ruhm von deinen Taten
Wie Flügelrauschen an mein Fenster schlug.
DIETRICH.
Du warst ein Kind noch, als du mich verließest,
Wir sahn uns lange nicht.
KONRAD.
Zehn lange Jahre.
Und dieser Mann, der ragend vor mir steht,
Als hätte die Natur dem Heldentum
Ein Denkmal aufgerichtet, ist mein Bruder?
Gewalt'ger Mann – Ehrfurcht und Liebe streiten
Um meine Seele.
DIETRICH
wendet sich lachend ab.
Barbara, so hör',
Dein Nebenbuhler. Wie gefällt er dir?
BARBARA.
Gut, denn er sieht dir ähnlich, wie die Knospe
Der Blüte.
KONRAD
sieht sie erstaunt an.
Wer ist diese Frau?
DIETRICH.
Jagellos Tochter, Barbara von Bug,
Gefährtin deines Bruders.
[226]
KONRAD
verneigt sich.
Seid gegrüßt.
BARBARA.
Sieh, wie er sich verbeugt – streng nach dem Buch.
Du junges Füllen – so –

Nimmt seinen Kopf in beide Hände und küßt ihn auf den Mund.
KONRAD.
Was tut Ihr, Frau?
BARBARA
ihn betrachtend.
Freundschaft mit dir, du junges süßes Blut!
O, er hat Lippen, weich wie einer Jungfrau,
Und Augen mit dem finstren Blick der Keuschheit.
Du Knospe in dem Rosenhag der Quitzows,
Hast du auch Dornen?
KONRAD.
Ich versteh' Euch nicht.
DIETRICH.
Ob du auch hassen kannst, das fragt sie dich?
Du hast bisher von Liebe nur gesprochen.
KONRAD.
Und – muß ich Antwort geben, weil sie fragt?
DIETRICH.
Willst du mein Bruder sein, so muß ich wissen,
Ob du auch Mark zu Feindschaft hast und Haß.
Quitzow hat wenig Freunde auf der Welt.
KONRAD.
Er hat soviel er will. Dietrich, mein Bruder,
Ich bringe Freunde dir.
DIETRICH.
Du bringst mir Freunde?
Wer wäre das?
[227]
KONRAD.
Die Männer von Berlin,
Die ungeduldig draußen deiner warten.
DIETRICH.
Ah die – ja so; Freunde seit heute früh.
KONRAD.
Nein, alt wie die Natur: Landsleute, Dietrich!
DIETRICH.
Landsleute? Barbara, man tut uns Ehre;
Hast du gehört?
BARBARA.
So laß den Knaben schwärmen.
KONRAD.
Nicht Schwärmerei – ich spreche Wirklichkeit. –
Ahnst du denn nicht, wie reich du bist, mein Bruder?
O hättest du gesehen, was ich sah –
DIETRICH.
Was sahst du? Wo?
KONRAD.
Dort drüben in Berlin,
Wie alle Augen brannten, als dein Brief
Verlesen ward! O hättest du gehört
Den Jubelschrei, mit dem von tausend Lippen
Dein Name klang –
DIETRICH.
War's so?
KONRAD.
Als wenn die Sonne
Plötzlich aufging, so war's, und Dietrich Quitzow,
Das war die Sonne des bedrängten Volkes,
Des armen, blutenden – Dietrich – mir war's,
Als trüge ich dein Herz in meinem Leibe,
Und jauchzen fühlte ich dein Herz in mir.
[228]
DIETRICH
sieht ihn staunend an.
Bei Gott, sind das die Lippen eines Quitzow,
Wo solche Worte wachsen?
KONRAD.
O mein Bruder,
Verschmähe nicht die Liebe jener Leute;
Sie bringen dir das Schicksal ihres Landes,
Daß du es lenkst! Zum Retter deines Landes
Und deines Volkes ruft dich ihr Vertrau'n!
Heut bist du Brandenburgs Gewaltigster;
Komm, komm, sie warten deiner; diese Stunde
Macht dich zum Helden deines Volkes! Dietrich –
O komm, tritt unter sie, faß ihre Hände,
Liebe und laß dich lieben –
DIETRICH
wie oben.
Nun beim Himmel –
Das alles klingt, wie aus der andren Welt –?
Konrad, geh hin, ruf mir die Leute her.
KONRAD
umarmt ihn stürmisch.
Dietrich, mein Bruder, ja, es soll geschehn!

Ab durch die Mitte. Dietrich steht ihm in Gedanken nach.
BARBARA.
Wie nun? Was ist?
DIETRICH.
Ich weiß nicht – sonderbar –
Der Junge redet wie mit Feuerzungen.
BARBARA.
Er ist ein Kind.
DIETRICH.
Wohl wahr – man möchte lachen
Und kann's doch nicht – wo hat er all das her?
BARBARA.
Aus seinen Büchern.
[229]
DIETRICH.
Dann sind Bücher Wein;
Sie machen trunken.
BARBARA.
Deutsche Herzen freilich
Sind leicht berauscht. – Noch immer in Gedanken?

Geht zu ihm, legt die Hände auf seine Schultern, sieht ihm ins Gesicht, lacht laut.

Dietrich – wo weilst du?
DIETRICH.
Warum lachst du?
BARBARA.
Dietrich –
Stadthauptmann von Berlin –
DIETRICH.
Was soll das heißen?
BARBARA.
Landsleute? War's nicht so? Dietrich der Quitzow,
Zu stolz für eines Königs Schwiegersohn,
Der Freund von Krämern! Übers Jahr vielleicht
Ein Kettlein schon, wer weiß, für treue Dienste
Als Stadtsoldat?
DIETRICH.
Daß ich sie nicht erwürge
Die Polenkatze! Still!
BARBARA
umschlingt ihn.
Ja, wüte, tobe!
In deine Wildheit hab' ich mich verliebt,
Nicht in den zahmen Quitzow! Ist es möglich?
Das haben die Berliner Angelfischer
Geschickt gemacht.
DIETRICH.
Was machten sie geschickt?
BARBARA.
Als sie den großen Hecht, den Quitzow, sich
Für ihre Küche fingen!
[230]
DIETRICH.
Ha –
BARBARA.
Und er –
O, wie er anbiß!
DIETRICH.
Eine Falle? Meinst du?
BARBARA.
Wie sie ihn lieben heut, den wackren Quitzow,
Der ihre breiten Krämerbuckel
Vor Hieben schützt und ihre Krämersäcke
Vor Feindes Griff –
DIETRICH.
Ja freilich –
BARBARA.
Aber morgen,
Wenn Frieden ist, dann aus dem Haus den Quitzow!
Den lästigen Gesellen!
DIETRICH.
Laß – es ist gut –
Ich bin zurück zu mir! Dies war bei Gott
Die sonderbarste Stunde meines Lebens.
BARBARA
schwiegt sich an ihn.
Die törichtste? Nicht wahr?
DIETRICH.
Ich glaube wirklich,
Ich war für einen Augenblick verrückt?
Behext – durch wen? Durch einen grünen Jungen!
Ah Narr und Schwätzer!
BARBARA
lauscht nach der Mitteltür.
Horch – trapp, trapp, sie kommen;
Ich hör' die plumpen Schritte vor der Tür.
[231]
DIETRICH
reckt die Arme.
So laß sie kommen; ich bin wieder da.

Rauh lachend.

Bündnis mit Quitzow? Krämerseelen, wißt,
Bündnis mach' ich mit Euch – nicht Ihr mit mir!
BARBARA.
Ha, nun gefällst du mir!
DIETRICH.
Geh ohne Sorgen,
Du hast mich aufgeweckt – nun bin ich wach.

Führt Barbara nach rechts; sie geht ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Konrad reißt von außen die Mitteltür auf.

KONRAD.
Herein, Berlin, Dietrich von Quitzow ruft Euch!

Perwenitz, Dannewitz, Rathenow, Blankenfeld, Sechelweg kommen durch die Mitte. Reisige erscheinen hinter ihnen und bleiben in der geöffneten Tür und im Hintergrunde stehen.
PERWENITZ.
Nun, Dietrich Quitzow, wir haben Wort gehalten;
Dort ist Euer Bruder.
DIETRICH.
Und so halt' ich Wort: seid willkommen!

Streckt ihnen die Rechte zu.
ALLE.
Recht so! Recht so!
PERWENITZ
ergreift seine Hand.
Soll's gelten, Dietrich Quitzow?
DIETRICH.
Ja, Henning Perwenitz.
PERWENITZ.
Ihr kennt mich noch?
[232]
DIETRICH.
Ihr schlugt mir an der Tegeler Mühle eine Beule an den Kopf.
PERWENITZ.
Und dafür schmisset Ihr mich aus dem Sattel.
DIETRICH.
Ich grüße Euch, Hans Dannewitz, und Euch, Paul Blankenfeld.
DANNEWITZ.
Was? Woher kennt Ihr uns?
DIETRICH.
Ihr fingt mir einmal zwei Leute weg von der Köpnicker Mark.
BLANKENFELD.
Dafür holtet Ihr Euch viere wieder von meinen aus Weißensee.
DIETRICH.

Freilich, dem reichen Paul Blankenfeld, sagt' ich, tut's keinen Schaden. Berlin ist reich; was meint Ihr, Veit Sechelweg, der Kämmerer?

SECHELWEG.
Teufel und eins, Ihr zählt unsere Namen herunter, als hättet Ihr sie aus dem Buche gelernt.
DIETRICH.

Ratmannen, wißt, ich bin um Berlin herumgegangen all die Jahre lang wie das Kätzlein um den Herd – und Ihr war't der Braten.

DANNEWITZ.
Und da habt Ihr Euch erkundigt, von was für Fleisch der Braten war!
DIETRICH.
Wem ich einmal unter die Sturmhaube geblickt, den vergess' ich nicht wieder.
PERWENITZ
zu den anderen.
Was hab' ich Euch gesagt? Er ist ein Kriegsmann und ein Held!
[233]
DANNEWITZ.

Ja, Ihr müßt wissen, Dietrich Quitzow, Henning Perwenitz ist in Euch verliebt, seit Ihr ihn in den Sand gesetzt.

DIETRICH.
Dafür sollt Ihr mich unter den Tisch trinken, wenn's Euch gelingt, in des Rates Keller zu Berlin!
PERWENITZ.
Das ist ein Wort!
DANNEWITZ.
Ihr seid unser Mann!

Sie drängen sich um ihn, schütteln ihm die Hände.
DIETRICH.
Ich habe Euch vorgearbeitet; die Pommern hab' ich hinausgeworfen aus Straußberg.
PERWENITZ.

Das wissen wir und dafür danken wir Euch, und jetzt mit Euch zusammen wollen wir hinter ihnen drein, bis daß sie in Stettin erzählen können, die Mark ist eine Tenne, und da wird gedroschen!

DANNEWITZ.
Und Ihr, Dietrich Quitzow, sollt uns führen!
ALLE.
Seid unser Führer!
DIETRICH.
Ja denn, so sei's und führen will ich Euch!

Er erhebt die Rechte.

Von dieser Hand erbettelten sich Fürsten
Bündnis und Gunst – ich schüttelte sie von mir,
Denn Fürsten suchen Diener, Freunde nicht.
Männer Berlins, wir lernten uns erkennen,
Wo Männer sich erkennen, in der Feindschaft;
Wir habe beide uns in mancher Schlacht
Ins Blut gesehn.
Euer Blut geht seinen Gang wie meinen meins.
Was wir besitzen, danken wir uns selbst,
Drum sind wir frei. Wollt Ihr für meine Freiheit
Einstehn wie ich für Eure?
[234]
PERWENITZ.
Ja!
ALLE.
Das wollen wir!
DIETRICH
streckt die Hand aus.
Dann Bündnis also?
ALLE
ergreifen seine Hand.
Bündnis!
KONRAD
tritt hinzu.
Hand auch mir!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben?
ALLE.
Ja! Auf Tod und Leben!
DIETRICH.
Kein Säumen denn; zu Roß, den Pommern nach!
Hinaus mit ihnen aus der Mark!
ALLE.
Hinaus!

Ab zur Mitte.
Der Zwischenvorhang fällt.
Verwandlung
1. Auftritt
Erster Auftritt
Hans Sturz sitzt mitten im Vorderraum auf einer Tonne. Köhne Finke geht auf und ab. Martin der Küfer ist mit. Küferknechten beschäftigt, Fässer von rechts her über die Bühne zu rollen und rechts und links unter den Musikantentribünen aufzustellen. Musikanten in bunter Tracht, füllen in plaudernden Gruppen den Vorderraum.

HANS STURZ.

Nu mal 'ran hier; ich werde Euch jetzt Eure Instrukschon geben. Die Musikanten sammeln sich um ihn. Was das nämlich anbetrifft, daß man Euch hergeholt hat aufs hohe Haus in die Klosterstraße und daß Ihr nu hier seid, – so jeht Euch das jar nischt an – denn davon versteht Ihr doch nischt – das is Politik. – Aber so dämlich werdet Ihr doch nich sein, denk' ich, daß Ihr nich einsehn tätet – daß wenn die Stadt Berlin dem Ritter Quitzow ein Fest jibt und Ihr die Musike dazu machen sollt – daß das eine schauderhafte Ehre für Euch is.

DIE MUSIKANTEN.
Ja – ja.
STURZ.
Na also. – Schlägt auf das Faß, auf dem er sitzt; für sich. Wenn ich man wüßte, was da drin is.
FINKE.
Haltet Euch dran, Herr Wachtmeister, sie kommen nächstens an.
STURZ.
Wenn also nu der Ritter Quitzow da 'reingekommen kommt – Zeigt nach links.
FINKE
zeigt nach rechts.
Sie kommen ja da lang.
[236]
STURZ
fährt mit dem Finger in der Luft nach rechts.

Da 'reingekommen kommt, dann werdet Ihr einen Tusch in die Welt setzen – aber ordentlich – nich so lappig.

DIE MUSIKANTEN.
Ne – ne.
STURZ.
Was die Paukenisten sind, die blasen in die Pauken und die Zinkenisten hauen auf die Trompeten.
FINKE.
Das wird aber ene schöne Musike werden.
STURZ.

Wird es ooch; denn wozu bezahlt denn der Rat von Berlin seine Musikanten? Doch nich, damit daß sie sich in die Pauken Biersuppe kochen?

DIE MUSIKANTEN.
Ne – ne.
STURZ.
Na also –
MARTIN
tritt heran.
Nanu, Herr Wachtmeister, sucht Euch mal gefälligst einen anderen Stuhl; wir brauchen das Faß.
STURZ
erhebt sich.
Wenn ich man wüßte, was drin is?
MARTIN.
Muskateller. Rollt das Faß zu den übrigen.
STURZ.
Muskandeller – darum roch es auch so nach Zimt.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Von links kommen Käthe Dannewitz, Grethe Perwenitz, Rieke Stroband, andere Mädchen. Alle festlich geputzt.

FINKE.
Alleweile wird's jut – da kommen die Mädchens!
[237]
STURZ.
Nanu? Nanu? Was wollen denn die?
KÄTHE
tritt vor ihn hin, knickst spöttisch.
Mit dabei sein!
STURZ.
Ne! Davon steht nischt in die Instrukschon.
KÄTHE.
Ach papperlapapp!
FINKE.

Ja Herr Wachtmeister, die schönsten Mädchen von Berlin sollen mit bei das Fest dabei sein, das hat der Magistrat befohlen.

ALLE MÄDCHEN.
Seht Ihr wohl?
FINKE.
Nu fragt es sich bloß, ob Ihr die schönsten seid.
KÄTHE.
Alter Grobian!
FINKE.
Na, nich räsoniert! Er nimmt die Fiedel, geigt und singt.

Von Seide zwei Bändchen,
Von Blumen drei Quentchen,
Die Bänder am Kleide
Die Blumen am Kopf,
Wer das nicht mag leiden,
Der ist ein Tropf.
ALLE MÄDCHEN
klatschen jauchzend in die Hände.
KÄTHE
knickst vor dem Wachtmeister.
Wer das nicht mag leiden,
Der ist ein Tropf!
ALLE MÄDCHEN
umtanzen den Wachtmeister.
Der ist ein Tropf! Der ist ein Tropf!
FINKE
ergreift Rieke an der Hand, zieht sie in den Vordergrund.
Rieke, Putthüneken Will sie küssen.
[238]
RIEKE.
Ach Köhne – vor all den Leuten?
FINKE.
Sieht keiner nach uns hin. Küßt sie. Rieke, mir hat ein Vogel zur Nacht was gesungen.
RIEKE.
Was denn, Köhne?
FINKE.
»Zikut, zikut, 's wird alles noch gut!«
RIEKE.
Ach Köhne.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Peter Stummel kommt eifrig von rechts.

STUMMEL.
Herr Wachmeester –
STURZ.
Nu kommt auch das noch! Was is los?
STUMMEL.

Draußen vor's Spandauer Tor steht einer in einen Reisewagen und der will 'rein, und der sagt, er is ein – ein – No – ta – rius.

STURZ.
Was gehn mir die Notariusse an! Niemand wird mehr 'reingelassen, Magistrat hat's verboten.
STUMMEL.

Aber er macht enen höllischen Rabatz, und käme aus Böhmen, sagt er, und er hieße Peter Grechewitz, sagt er –

FINKE.

Peter Grechewitz? Donner – das is der Notarius von die Märkischen Stände, den laßt man 'rein, Herr Wachmeester; das hat was zu bedeuten.

[239]
KÄTHE
die mit Grethe durch die Tür rechts hinausgegangen war, kommt eilend von da zurück.
Herr Wachmeester! Sie kommen!
STURZ
faßt mit beiden Händen an den Kopf.
Da haben wir's.
KÄTHE.
Ein ganzer langer Zug mit Fackeln!
STURZ
wie oben.
Mit Fackeln!
STUMMEL.
Aber Herr Wachmeester – der – No – tarius?
STURZ
wie oben.
Der Notarius!
FINKE.

Na denn mal vorwärts die Zinkenisten – da 'rauf, auf das Gestell – Zeigt auf die Musikantenbühne links. und die Paukenisten da! Zeigt nach rechts.

MUSIKANTEN.
Is jut, is jut. Ersteigen rechts und links mit ihren Instrummenten die Tribünen.
STUMMEL.
Aber was sollen wir denn nu mit dem No – tarius machen?
STURZ.
Du Kalbsschnauze du! Weeßte das noch nich?
STUMMEL.
Ne, Ihr habt mir ja nischt gesagt.
FINKE.
In die Stadt 'reinlassen sollt Ihr ihn, und herbringen aufs hohe Haus in die Klosterstraße.
STURZ.
Na also.
STUMMEL.
Is jut. Ab nach rechts.
[240]
FINKE.
Und nu mal die Mädchens! Hier lang alle miteinander. Führt die Mädchen an die Tür links.

Die Mädchen drängen sich.
KÄTHE.
Köhne – ich muß vorne stehn.
GRETHE.
Ich auch!
ALLE MÄDCHEN.
Ich auch!
FINKE.

Aber Mädchens! Da hört sich ja alles auf! Die Älteste kommt nach vorn. Alle treten zurück. Na ja – nu will jede die letzte sein! Die Mädchen ordnen sich zu einem dichten Haufen. Und nu mal alle die Schnupptücher 'raus – habt Ihr alle welche?

KÄTHE.
Na wir und keine Schnupptücher?

Sie ziehen die Taschentücher heraus.
FINKE.

Und wenn sie kommen, dann wedelt Ihr in die Luft damit und schreit: »Fifat Dietrich Quitzow!« Werdet Ihr das können? Es ist nämlich Latein.

KÄTHE.
Jott Kinder, hört nur man den an; der tut sich noch 'nen Schaden vor Schlauheit.

Von rechts dringt Fackelschein herein.
STURZ
der hinausgegangen ist, kommt zurückgelaufen.
Los mit den Tusch! Los mit den Tusch!

Tusch von Pauken und Trompeten.
4. Auftritt
[241] Vierter Auftritt
Perwenitz ihm zur Seite. Dietrich von Quitzow, Dannewitz ihm zur Seite. Lippold von Bredow, Blankenfeld ihm zur Seite. Hans zu Puttlitz, Sechelweg ihm zur Seite. Konrad von Quitzow, Rathenow ihm zur Seite. Achim von Bredow, Klaus Schultze ihm zur Seite. Gerke von Arnim, Henning Stroband ihm zur Seite. Werner von Holzendorf, andere Ratmannen und Edelleute kommen festlich geputzt im Zuge von rechts herein. Ratsdiener mit Fackeln gehen zur Seite des Zuges. Sobald der Zug in die Tür rechts eintritt, fliegt der Vorhang, der den Hintergrund abschließt, nach rechts und links auseinander, man sieht die strahlende Kredenztafel. Wiederholter Tusch von Pauken und Trompeten.

DIE MÄDCHEN
schwenken die Tücher.
Fifat Dietrich Quitzow! Fifat!

Nochmaliger Tusch.
DIETRICH
ist in der Mitte der Bühne stehengeblieben, winkt den Mädchen lachend zu.
Heida, die schönen Kinder!
DIE MÄDCHEN
wie oben.
Fifat Dietrich Quitzow! Fifat!
DIETRICH.

Habe noch selten so artigen Fähnlein gegenüber gestanden. Wendet sich zu den Bürgern. Bürgermeister und Ratmannen von Berlin, Ihr habt uns einen herrlichen Empfang bereitet; wir danken Euch.


Händeschütteln zwischen den Rittern und den Bürgern.
PERWENITZ.

Dietrich von Quitzow und schloßgesess'ne Herren vom Havelland, laßt es Euch gefallen, einen Becher Wein anzunehmen von unserer Stadt Berlin.


Der Zug schreitet die Stufen zum Hintergrunde hinauf, oben gruppiert sich derselbe um den Kredenztisch. Alle ergreifen Becher, die auf dem Tisch stehen.
PERWENITZ
mitten hinter dem Tisch, erhebt den Becher.
Heilandsblut erlöste die Welt –
Mannesblut Ehre und Freiheit erhält –
Traubenblut sprengt der Sorgen Joch –
Freudig Blut, schaffend Blut lebe hoch!
ALLE.
Hoch! Hoch!

Sie stoßen mit den Bechern an. Tusch von Pauken und Trompeten.
[242]
DIETRICH.

Mannhaft gedacht und kernig gesprochen! Henning Perwenitz, ich tu Euch Bescheid.Hebt den Becher, trinkt.


Alle stoßen an; Tusch wie oben.
STURZ
kommt von der Tür rechts, geht an die Stufen des Hintergrundes, legt die Hand an den Mund.
Herr Burgemeister –
PERWENITZ.
Was willst du, Hans Sturz?
STURZ.
Ich habe Konfidenzen zu machen. Da is ein Notarius jekommen, und er sagt, er kommt aus Böhmen –
PERWENITZ.
Hört da, Ihr Herren!
DANNEWITZ.
Hört!
STURZ.
Und er sagt, er heißt Peter Grechewitz.
DIETRICH.
Peter Grechewitz!
ALLE.
Grechewitz?
PERWENITZ.
Is er da?
STURZ.

Werde jleich zusehen. Geht nach rechts, laut rufend. Herr Notarius Peter Grechewitz! Herr Notarius Peter Grechewitz!


Geht nach rechts ab.
Die Versammlung tritt erregt im Gespräch zusammen; Dietrich, Perwenitz, Puttlitz, Dannewitz kommen die Stufen herab.
DIETRICH.
Was sagte er? Aus Böhmen?
DANNEWITZ.
Aus Böhmen käme er, ja.
[243]
PERWENITZ.
Vielleicht gar aus Prag? Vom Markgrafen Jobst?
DIETRICH.
Braucht vielleicht wieder einmal Geld.
DANNEWITZ.
Aber er kriegt nichts!
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Hans Sturz erscheint in der Tür rechts.

STURZ.
Herr Burgemeister, da bringe ich ihn gebracht.

Tritt nach rechts zurück.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Peter Grechewitz ganz in Schwarz gekleidet, kommt von rechts; er lüftet den Hut.

GRECHEWITZ.
Euch zum Gruß, Edle, Feste, Gestrenge und Getreue!
DIETRICH.
Willkommen Peter Grechewitz, der Notar!
PERWENITZ.
Willkommen!

Reichen ihm die Hand.
DIETRICH.
Ihr kommt aus Böhmen?
GRECHEWITZ
verneigt sich.
Aus Böhmen.
PERWENITZ.
Aus Prag?
GRECHEWITZ
wie oben.
Aus Prag.
DANNEWITZ.
Vom Markgraf Jobst?
[244]
GRECHEWITZ.

Der Markgraf Jobst! O! O! O! O! Edle der Mark, Feste und Gestrenge von Berlin; Reisestaub deckt meine Füße, Asche mein Haupt, schwarzes Gewand meinen Leib. Die Axt ward gelegt an den Baum, und der Baum ist gefallen zur Tiefe. Seiner Spitze ward beraubt der Berg, seiner Herrlichkeit entblößet das Land. Der durchlauchtige Herr, der großmächtige Herr, der gestrenge Herr, der sanftmütige Herr, Jodokus, Markgraf von Brandenburg und des Lausitzer Landes ist –

DIETRICH.
Jobst ist tot?
GRECHEWITZ.
Weinet, zetert und klagt, Jodokus ist gestorben.

Tiefe Pause. Gemurmel im Saale.
DIETRICH.
Einen Tusch die Pauken! Einen Tusch die Trompeten!
GRECHEWITZ.
Herr Dietrich von Quitzow?!
DIETRICH.
Einen Tusch sag' ich! Warum feiern die Musikanten!

Tusch von Pauken und Trompeten.
DIETRICH.
Da, Peter Grechewitz, da habt Ihr das Grabgeläute für Markgrafen Jobst.
GRECHEWITZ.
Herr von Quitzow! Mich faßt Entsetzen!
DIETRICH.

Verflucht sei Heuchelei, die Mutter aller Feigheit und knechtischen Sinns! Ich habe ihn verachtet, solange er lebte; soll ich ihn achten, nur weil er starb? Was ist mir der Tod? Ich habe ihn zu meinem Knecht gemacht in fünfzig Schlachten! Ja, und hätte er ihn auf der Walstatt ereilt unter flatternder Sturmfahne – aber so – wie heißt die Krankheit, sagt mir doch, die ihn bezwang? Malvasier oder Muskat?

[245]
PERWENITZ.
Ja, sehr wahr.
DANNEWITZ.
Sehr wahr.

Allgemeines und unterdrücktes Gelächter.
GRECHEWITZ.

Herr von Quitzow, Herr von Quitzow, wenn es schon wahr ist, daß der höchstselige Markgraf dem Becher nicht abhold war –

DIETRICH.
Begrabt ihn in einem Stückfaß! Das ist's, was ihm gehört!
PERWENITZ.
Das ist wahr! Das ist gut!
DANNEWITZ.
Das ist wahr!
ALLE.
Ja! Ja! Ja! Lauteres Gelächter.
DIETRICH
steigt die Stufen des Hintergrundes hinauf, ergreift den Becher.

Den Becher zur Hand! Angestoßen mit mir, wer ein Mann ist! Der Malvasier soll leben, der uns den böhmischen Hanswurst vom Leibe gespült hat!

ALLE
stürzen an den Tisch, ergreifen die Becher, stoßen an.
Soll leben! Soll leben!

Wildes Gelächter.
GRECHEWITZ
der unten geblieben ist.
O! O! O! O! Wohin, Ihr Herren, wohin soll das führen?
DIETRICH.
In die Freiheit, Peter Grechewitz! Wir haben keinen Herrn mehr! Jetzt sind wir frei!
PERWENITZ.
Die Freiheit soll leben!
ALLE.
Die Freiheit!

Alles stößt stürmisch mit den Bechern an.
[246]
PERWENITZ
hebt den Becher.

Und der Mann, dessen Hand uns die Pommern vom Halse geschafft hat und dessen Wort uns zur Freude geweckt hat von der dummen Traurigkeit, die keine Traurigkeit war, und der ein Mann ist von Kopf bis zu Fuß und ein Held ist von Leib und Seele – Dietrich Quitzow soll leben hoch!

ALLE
mit donnerndem Schrei.
Hoch! Hoch! Hoch!

Tusch von Pauken und Trompeten.
DIE MÄDCHEN.
Fifat! Fifat! Fifat!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Hans Sturz von rechts, aufgeregt, schreit aus der Mitte des Saales.

STURZ.
Herr Burgemeister! Herr Burgemeister!
PERWENITZ.
Was schreist du schon wieder? Is noch ein Notar gekommen?
STURZ.

Ne, etwas viel Größeres, etwas ganz Großes! Durch Sankt Jürgens Tor reitet ein Ritter ein mit zwanzig Mann dahinter her.

PERWENITZ.

Wer hat ihm das Recht gegeben, einzureiten in Berlin? Wer gab dir Erlaubnis, du Esel, dem Ritter zu öffnen, ehe du mich gefragt?

STURZ.
Weil er doch Einlaß forderte in des Kaisers Namen!
PERWENITZ.
Im Namen des Kaisers?
ALLE.
Des Kaisers?

Bewegung.
[247]
STURZ.
Und ein Herold reitet vor ihm her mit dem Reichsadler auf'm Wams – und da is er schon –
8. Auftritt
Achter Auftritt
Ein kaiserlicher Herold von rechts.

HEROLD.
Im Namen kaiserlicher Majestät,
Ich heische Einlaß für den edlen Herrn,
Herrn Wend von Ileburg, den Herrn von Rhonow,
Von Muskau, Lübbenau und Sonnenwalde.
PERWENITZ
halblaut.
Wir können ihm den Eintritt nicht verweigern, was meint Ihr?
DIETRICH
laut.

Ihm den Eintritt weigern? Ei wer denkt daran? Geh hinaus, du – dein Herr soll willkommen sein, und daß er unterwegs keinen von seinen Titeln verliert!

HEROLD.
Ich bringe ihm Bescheid. Ab rechts.
KONRAD.
Und Dietrich Quitzow, schlage ich vor, soll sprechen für den schloßgesess'nen Adel.
DIE EDELLEUTE.
Ja! Dietrich Quitzow!
PERWENITZ.
Und Dietrich Quitzow, schlage ich vor, soll sprechen für Berlin!
DIE BÜRGER.
Ja, Dietrich Quitzow!
DIETRICH.
Und was ich spreche, soll's Euch binden?
ALLE.
Ja!
9. Auftritt
[248] Neunter Auftritt
Wend von Ileburg gefolgt von einigen Rittern, tritt von rechts auf. Hinter ihn drängen Leute des Volks und Reisige in die Tür. Unter jenen befinden sich. Thomas Wins, unter diesen. Dietrich Schwalbe.

ILEBURG
tritt in die Mitte des Saales, lüftet den Helm.
Gruß Euch zuvor von Kaiser Sigismund.
DIETRICH
verneigt sich.
In schuld'ger Ehrfurcht dankt Mark Brandenburg.
ILEBURG.
Wer spricht hier für den schloßgesess'nen Adel
Des Havellands?
DIETRICH.
Dietrich von Quitzow, ich.
ILEBURG.
Wer für die Stadt Berlin?
DIETRICH.
Ich, Dietrich Quitzow.
ILEBURG.
Alle durch Euren Mund?
DIETRICH.
Ja, wie Ihr hört,
Herr Wend von Ileburg und Herr von Rhonow,
Von Muskau, Lübbenau und Sonnenwalde.
ILEBURG
sieht ihn erstaunt an.
Ihr hörtet, daß Jodok, der Markgraf, starb?
DIETRICH.
Durch Peter Grechewitz erfuhren wir's.
ILEBURG.
Und daß die Mark zurückfiel an den Kaiser,
Ist Euch bekannt?
[249]
DIETRICH.
Bekannt und sehr erwünscht.
ILEBURG.
So wollt Ihr ihn als Eurem rechten Erbherrn
Gewärtig sein? Gehorsam?
DIETRICH.
Vorbehaltlich
All unsrer wohlerworbnen Rechte, ja.
ILEBURG.
Und da der Kaiser selbst nicht kommen kann,
Um nach den Dingen in der Mark zu sehn,
Wollt Ihr Gehorsam zeigen dem Statthalter,
Den er an seiner Stelle sendet?
DIETRICH.
Nein.
ILEBURG.
Ihr – spracht – daß Ihr gehorsam wolltet sein –
DIETRICH.
Dem Kaiser ja, seinem Statthalter nein.
ILEBURG.
Ihr – sprecht – im Namen dieser aller hier?
DIETRICH.
Ja, edler Herr von Ileburg und Rhonow,
Von Muskau, Lübbenau und Sonnenwalde.
ILEBURG.
Herr, was bedeutet's, daß Ihr meine Namen
Mir so herunterzählt?
DIETRICH.
Um Euch zu zeigen,
Daß ich vertraut mit höf'schem Brauch.
ILEBURG.
Ich weiß nicht –
Verhandeln wir im Scherze oder Ernst?
[250]
DIETRICH
tritt an die obere Brüstung.
Seht mir ins Auge – und Ihr fragt nicht mehr.
ILEBURG.
Ihr wollt gehorchen – und Ihr wollt es nicht –?
Zweideutig scheint mir das und unverständlich.
DIETRICH.
Das wundert mich, denn mir erscheint es einfach:
Des Kaisers woll'n wir sein und niemands sonst;
Unmittelbar des Reiches wollen wir sein!
DIE EDELLEUTE.
Das wollen wir! Ja!
DIE BÜRGER.
Ja! Ja! Ja!
ILEBURG.
Warum denn wollt Ihr's?
DIETRICH.
Weil wir mündig sind!
Weil wir die Erde, die wir selber pflügen,
Selber verwalten wollen! Darum, Herr!
Weil wir es satt sind, daß Mark Brandenburg
Jedem geldgier'gen Schuft aus Böhmerland
Verschachert wird, damit er seine Tasche
An uns ersätt'ge! Darum, darum, Herr!
ALLE.
Ja, darum! Ja!
ILEBURG.
Der Herr, den Euch der Kaiser ausersehn,
Ein Deutscher ist's, kein Böhme.
DIETRICH.
Einerlei;
Blutigel ist Blutigel, Schwamm ist Schwamm!

Gelächter.
ILEBURG.
Ihr sprächt nicht so verwegen, wenn Ihr wüßtet,
Wer jener ist, den ich Euch künde.
[251]
DIETRICH.
Nennt ihn
Und wartet ab, wie ich's aufnehme.
ILEBURG.
Friedrich
Von Hohenzollern ist's, Burggraf von Nürnberg.
DIETRICH
schlägt an das Schwert.
Wir haben Spielzeug selbst, sagt das dem Kaiser,
Und brauchen keinen Nürenberger Tand!
PERWENITZ.
Sehr wahr!
DANNEWITZ.
Sehr richtig!

Allgemeines Gelächter.
ILEBURG.
Ihr wißt nicht, was Ihr tut und was Ihr redet!
DIETRICH.
So weiß ich ganz genau doch, was ich will:
Und wenn's Burggrafen regnete vom Himmel,
Sie soll'n uns nicht herein nach Brandenburg!
PUTLITZ.
Trefflich!
PERWENITZ.
Trefflich!

Gelächter.
ILEBURG.
O Ihr betörten Männer, warum lacht Ihr!
Ihr kennt Herrn Friedrich nicht.
DIETRICH.
Kennt er denn uns?
Hat er uns nachgefragt bis heute? Nein!
In seinem Frankenland hat er gesessen,
Die Nase rümpfend, wie sie's alle tun,
Die Herr'n im Süden drunten, wenn er hörte
Von der Sandbüchse zwischen Luch und Bruch.
[252] Uns aber hat das sand'ge Land geboren,
Wir haben es mit unsrem Blut gedüngt,
Darum gehört es uns! Wir sind die Herr'n.
ILEBURG
lächelnd.
Und Dietrich Quitzow Markgraf? Meint Ihr so?
DIETRICH
will die Stufen hinab, auf ihn zuspringen.
Ha!!
KONRAD
hält ihn fest.
Bruder Dietrich!
DIETRICH.
Kämt Ihr – nicht vom Kaiser –
Ihr solltet Euer Lachen – wisset denn –
Ich brauche keine Krone, wie der Burggraf,
Mein Schlachthelm voller Beulen gilt mir mehr!
Wißt und versteht, wenn Euer Hirn es faßt:
Ich will nicht Markgraf sein, weil ich zu stolz bin,
Dietrich der Quitzow will ich sein und frei!
KONRAD.
So redet Brandenburg! So spricht ein Held,
Lausitzer Herr, versteht es wenn Ihr könnt!
ILEBURG.
Ja, ich versteh' Euch ganz; das ist die Sprache
Der Zügellosigkeit und Rebellion!
Nicht der Statthalter ist's, den Ihr verwerft,
Ihr weigert Euren Nacken dem Gesetz.
DIETRICH.
Gesetz – Gesetz – so wißt, daß ich auf Erden
Nichts so verachte wie das Wort Gesetz!
Gesetz ist Bündnis aller feigen Memmen
Wider den starken, mut'gen, freien Mann!
Die Freiheit, aller Kön'ge Königin,
Sie ward zur niedren Magd durch das Gesetz.
So geb' ich Heimat ihr auf märk'scher Heide,
Mit diesem meinem Arm umschling' ich sie
[253] Unlöslich, daß wir sterben gleichen Todes,
Und Dietrich Quitzow sei ihr letztes Wort!

Pause.
ILEBURG
blickt umher.
Und diesem Mann der Willkür und Gewalt
Hat eine Bürgerschaft sich anvertraut,
Die selber sich Gesetze schrieb und Ordnung?
DIETRICH.
Zu mir habt Ihr zu reden, nicht zu jenen!
ILEBURG
wie vorhin.
So laßt Ihr Euch den Mund von ihm verbieten?

Tiefe Stille.
ILEBURG
zu Dietrich.
Ich habe nichts mit Euch mehr zu verhandeln;
Nur diese Frage noch: seid Ihr bereit,
All Euren unerhörten Übermut
Vor Burggraf Friedrich selber zu vertreten?
DIETRICH.
Ihm in den Bart, wenn einen Bart er hat,
Will ich es sagen, daß die Hofschmarotzer,
Die um ihn sind, in Ohnmacht fallen sollen!
ILEBURG.
So lad' ich Euch und diese Edelherren
Und dich, Berlin, von heut in vierzehn Tagen
Nach Brandenburg vor Burggraf Friedrichs Stuhl.
DIETRICH.
Zu welchem Zwecke sind wir eingeladen?
ILEBURG.
Zur Huldigung.
DIETRICH.
Zur Huldigung! Hahaha!
ILEBURG.
Ihr sollt mir Antwort geben, ob Ihr kommt.
[254]
DIETRICH.
Ja denn! Wir kommen!
ILEBURG.
Gut, so bin ich fertig.
DIETRICH.
Ich aber bin nicht fertig noch mit Euch!
Wir werden kommen; ratet ihm in Gutem,
Er soll es nicht erwarten, ratet's ihm!
Wir kommen, aber mit uns kommt der Sturmwind,
Der ihn ausfegen soll aus Brandenburg!
Er hüte sich – kein Kaiser wird ihm helfen,
Wenn ihn der Heidewind am Kragen faßt
Und ihm die Glieder durcheinanderschüttelt!
Das sagt ihm – und nun geht – Ihr seid entlassen.
ILEBURG
fährt auf.
Entlassen –? Nun – 's ist gut.

Rasch ab nach rechts.
DIETRICH.
Ja! Es ist gut,
Ihr, denk' ich, wißt Bescheid! Und nun, Ihr alle
Ihr hört, was dieser Burggraf von uns heischt.

Er zieht das Schwert, in der Scheide, aus dem Wehrgehänge.

Hier auf den Kreuzgriff meines guten Schwertes
Leg' ich die Hand und also schwöre ich:
Ich will ihn nicht als meinen Herrn erkennen:
Ich biet' ihm Trotz! Ich weig're ihm die Huldigung!
Heran, und schwört mir nach!

Zu Konrad.

Quitzow beginnt.
KONRAD
legt die Hand auf Dietrichs Schwertgriff.
Mein Eidschwur hier: ich weig're ihm die Huldigung.
DIETRICH
wendet das Haupt.
Die Herrn von Bredow?
LIPPOLD VON BREDOW.
Wir beraten noch.
[255]
DIETRICH.
Die Stadt Berlin?

Flüsternde Beratung unter den Bürgern.
DIETRICH.
Ihr wißt, wir schlossen Bündnis
Auf Tod und Leben?
PERWENITZ UND DANNEWITZ
treten heran, bereit, die Hand auf Dietrichs Schwert zu legen.
WINS
schreiend.
Schwöre nicht, Berlin!!

Wie Häupter wenden sich nach ihm.
DIETRICH.
Wer sprach da?
WINS
tritt vor.
Ich.
DIETRICH.
Wer bist du?
WINS.
Thomas Wins,
Von Straußberg Burgemeister.
DIETRICH.
Tritt zurück,
Und halt' dich still, du hast hier nicht zu reden.
WINS.
Hier, wo sich's handelt um mein Fleisch und Blut,
Hier hab' ich nicht zu reden?
DIETRICH.
Nein, noch einmal!
Straußberg ist meine Stadt, du bist mein Mann.
WINS
drückt die Hände an die Schläfen.
Äfft mich ein Spuk? Ich steh' in meinen Gliedern,
Mein Atem kehrt aus Gottes weiter Luft
In mich zurück, ich fühle ihn in mir –
[256] Und einer sagt, ich bin nicht mehr mein Eigen,
Nicht frei mehr?

Läßt die Hände sinken, zu Dietrich.

Ha wodurch? Seit wann und wie?
Kraft welchen Rechts?
DIETRICH.
Kraft Ritterfehderechts!
Weil zweimal Straußberg ich für mich erobert!
WINS.
Das also ist es, was du Freiheit nennst?
Du Räuber meines Rechts!
DIETRICH.
Du Hund –
WINS.
Du Wolf!
DIETRICH.
Elender Knecht, du redest dich ums Leben!
WINS.
Du lügst dich um die Seele, wenn du sagst,
Ich sei dein Knecht, denn ich bin frei wie du!
DIETRICH
will sich auf ihn stürzen.
Ha –
KONRAD
hält ihn zurück.
Dietrich!
PERWENITZ.
Herr von Quitzow! Thomas Wins,
Geht, seid vernünftig!
WINS.
Schande der Vernunft,
Die mir mit Gründen mein Gefühl beschwatzt!

Er sinkt in die Knie, hebt die Hände empor.

Gott du im Himmel, hab' ein Einsehn, Gott!
Ich bitte nicht um Reichtum, Gut und Geld,
Nur daß wir Menschen bleiben, Freiheit, Freiheit!
Ich weiß von Friedrich nichts, dem Hohenzollern,
[257] Du aber schaffst die Menschen dir zum Werkzeug,
Mach' ihn zu einem guten Werkzeug, Gott!
DIETRICH.
Schreist du zu Gott für ihn, den ich verwerfe?
Hast du mich nicht gehört?
WINS
auf den Knien.
Weil ich dich hörte,
Bet' ich für ihn! Weil du ihm Huld'gung weigerst,
Huld'ge ich ihm, auf daß er uns erlöse
Von dir, du Geißel und du Unterdrücker!
DIETRICH
springt auf ihn zu, legt die Hand auf die Schulter.
Dir stopfe ich den Mund! Her, Dietrich Schwalbe
Und Quitzows Volk!

Dietrich Schwalbe, gefolgt von Quitzowschen Reisigen, tritt heran.
STROBAND.
Was tut Ihr, Dietrich Quitzow?!
DIETRICH.
Ich lege Hand auf den hier, meinen Mann,
Der schnöde sich an seinem Herrn verging!
Stricke an seinen Leib und nach Burg Friesack
In Turm mit ihm!
WINS.
Berlin! Das ist das Siegel,
Das Quitzow drückt auf seinen Bund mit dir!

Die Quitzowschen Knechte ergreifen ihn und schnüren ihm die Hände auf den Rücken.
STROBAND.
Wo ist der Burgemeister von Berlin
Der solche Schande zuläßt?
PERWENITZ.
Herr von Quitzow,
Der Mann ist unser Gast.
[258]
DIETRICH.
So ladet künftig
Euch bess're Gäste ein! Mit meinem Knecht
Setz' ich mich nicht zu Tisch!
STROBAND.
Nicht Euer Knecht!
Der Mann ist frei! Ihr sollt nicht! Dürft nicht!
DIETRICH.
Darf nicht?
Den Hund nicht zücht'gen darf ich, der mich anbellt?
Daß Ihr es wißt: Quitzow darf, was er will!
STROBAND.
Hängt ihn am Galgen auf, den Unverschämten!
DANNEWITZ.
Gebt uns den Mann heraus!
SECHELWEG.
Den Mann heraus!
ALLE BÜRGER
lärmend.
Den Mann heraus!
DIETRICH.
Schreit, daß Ihr berstet!
Eh' sollt Ihr mir den Arm vom Leibe reißen,
Bevor Ihr den bekommt!
PERWENITZ.
Wir waren Freunde –
Ihr tut uns Schmach, Ihr brecht den Frieden, Quitzow,
Ihr brecht das Bündnis, das Ihr uns beschwurt!
DIETRICH.
Ihr selbst Euch Schmach! Ihr seid wortbrüchig! Ihr!
Wer meinen Feind nicht haßt, kann nicht mein Freund sein.
Euch aber halt' ich an beschworner Pflicht
Und die heißt Feindschaft mit dem Hohenzollern.
[259]
STROBAND.
Das unsre Pflicht? Wer sagt das?
DIETRICH.
Euer Eid!
DANNEWITZ.
Wir schwuren darauf nicht!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben
Habt Ihr geschworen!
PERWENITZ.
Aber nicht auf Knechtschaft
Und nicht, wie's Euch beliebt!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben.
PERWENITZ.
Berlin gehört nicht Euch!
DIETRICH.
Auf Tod und Leben!
Ich markte nicht, Eidschwur ist keine Ware!
Ihr habt mich auserwählt zu Eurem Führer,
Mein wurde Euer Wille, Eure Tat,
Mein Leben nahm das Eure in sich auf.
Und also auf dem Tag zu Brandenburg
Erwart' ich Euch. Dort wird die Ehre sitzen –
Seht zu – daß Ihr vor ihr bestehen könnt!
Und dess' zum Pfande nehm' ich, greif' ich diesen,
Den lauten Mund der widerspenst'gen Seele,
Die in Euch gärt –
STROBAND.
Ihr sollt nicht!
DANNEWITZ.
Dürft nicht!
ALLE BÜRGER.
Nein!

Die Bürger legen Hand an Wins, um ihn den Reisigen zu entreißen.
[260]
DIETRICH
springt dazwischen, zieht das Schwert.
Wenn er nicht sterben soll vor Euren Augen,
Die Hand von ihm!

Alles weicht zurück – Pause.
DIETRICH.
In Friesack sucht Euch diesen –
Euch finde ich am Tag zu Brandenburg!

Die Reisigen ziehen Wins empor, um ihn fortzuschleppen.
Vorhang fällt.

Ende des zweiten Aktes.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Frau Gertrud Wins schwarz gekleidet, steht vorn. Agnes ebenfalls schwarz gekleidet, steht an dem Gitter, über dasselbe gebeugt, in die Tiefe blickend. Quitzowsche Knechte unterhalten sich flüsternd, auf die Frauen im Vordergrunde deutend.

AGNES
hinuntersprechend.
Du dort unten, begraben in Nacht, Vater, höre dein Kind!
GERTRUD
ohne sich zu wenden.
Agnes laß ab, Menschenstimme dringt nicht durch Quadern und Felsgestein.
AGNES
wie vorhin.
Vater, ich suche dich; höre dein Kind!
GERTRUD
tritt zu ihr, führt sie von den Gitter nach vorn.

Komm, Kind, komm hinweg; du bringst dem Vater keinen [261] Trost, und Verzweiflung in deiner Mutter Herz – wir sind ohnmächtige Frauen.


Sie halten sich schweigend umschlungen.
Pause.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Dietrich Schwalbe kommt von links.

GERTRUD.
Waret Ihr bei ihm? Habt Ihr ihm gesagt –?
SCHWALBE
schüttelt den Kopf.
Ja – aber es is nichts.
GERTRUD.
Er gibt meinen gefangenen Mann nicht frei?
SCHWALBE.
Nein.
GERTRUD.
Habt Ihr gesagt, daß ich um Gehör flehe?
SCHWABE.
Ja – aber er will nich.
GERTRUD
faßt sich plötzlich ans Herz, wankt.
O, mein Gott! O, mein Gott!
AGNES
beugt sich über sie.
Mutter! Mutter!
SCHWALBE.

Wenn der einmal nein jesagt hat – denn kann der Deibel von unten und der Herrjott von oben kommen – sie kriegen's nich fertig, daß er ja sagt.

GERTRUD.
Kein Erbarmen! Keine Rettung! Keine Hoffnung!
SCHWALBE.
Geht man nach Haus jetzt; da is nichts zu machen.
[262]
GERTRUD.

Und das ist alles, was Ihr übrig habt für eine verzweifelnde Frau? Und wann werden wir ihn wiedersehen?

SCHWALBE.
Das weiß ich nich.
GERTRUD.
Wie lange soll er liegen dort unten im gräßlichen Loch? Wann werdet Ihr ihn freigeben?
SCHWALBE.
Das weiß nur Dietrich Quitzow und niemand sonst.
GERTRUD
steht auf.

Gott im Himmel, Gott! Sind das die Menschen, die du geschaffen? Sind das Herzen im menschlichen Leib?

AGNES
fällt ihr um den Hals.

Ruf' nicht zu Gott, Mutter! Er hat ihn vergessen und uns; wir werden den Vater nie wiedersehen! Niemals!

GERTRUD.
Agnes, wenn du wahr sprächest!

Tiefe Pause. Man hört das Schluchzen der beiden Frauen.
SCHWALBE
nach dem Hintergrund.
Da draußen kommt jemand, seht zu, wer es is.

Einer von den Knechten öffnet die Mitteltür.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Konrad kommt durch die Mitte.

SCHWALBE.
Es is unser Junker Konrad.
AGNES.
Mutter, blick' auf!
GERTRUD
wendet sich.
Der Heiland! Unser Herr!
O gnäd'ger Herr, o gnadenreicher Herr!

Fällt ihm zu Füßen.
[263]
KONRAD.
Frau Trude Wins? und Jungfrau Agnes? Ihr?

Zu Schwalbe.

Liegt Thomas Wins denn immer noch gefangen?
GERTRUD.
Noch immer! Ja! Gott segne Eure Lippen
Für diese Frage! Herr, ein alter Mann,
Ein armer Mann! Mühsal und Not und Arbeit,
Das war sein Leben bis zum heut'gen Tag.
Und jetzt, am Ende seiner alten Tage,
Da andre rasten von des Lebens Müh',
Im Kerker wie ein Dieb und schlechter Mann!
Herr, Herr, ich habe Tränen nie verschwendet,
Ein Leben, wie das unsrige, macht hart –
Doch es gibt Stunden, die man nicht erträgt!
Da weint man Blut! O hört! O fühlt! O rettet!
KONRAD.
Ihr armen Frauen, Ihr unglücklichen.
Steht auf, Frau Trude.
AGNES
kniet neben ihr nieder.
Nein, ich knie mit ihr;
Konrad von Quitzow, rettet meinen Vater!
KONRAD.
Ich bin nicht der Gebieter seines Schicksals;
Nur für ihn bitten kann ich. Auf, steht auf,
Das will ich tun.
GERTRUD
ergreift und küßt seine Hand.
Die Hand –
KONRAD.
Nicht also – laßt –
GERTRUD.
Die Hand, daß ich sie küsse, diese Hand!
Sie ist so jung und dennoch heilt sie Wunden
Wie das erfahrene Alter. Sprecht für uns –
Armut hat keine Stimme, die man hört,
[264] Armut hat keine Hand, um sich zu helfen,
Sie hat nur Fleisch und Bein, um Schmerz zu fühlen,
Wenn man zu Tod sie tritt – und das tut weh –
O bitter, Herr – o bitter, Herr –
KONRAD.
Ich weiß es.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Dietrich von links.

AGNES
verbirgt ihr Gesicht.
Mutter! Der Quitzow!
GERTRUD.
Schütz' uns, Gott im Himmel!
KONRAD.
Steht auf, reicht Eure Hände, fürchtet nichts.

Beide Frauen erheben sich, Konrad steht zwischen ihnen, ihre Hände haltend.
DIETRICH.
Ein sonderbarer Anblick – in der Tat.

Zu Schwalbe.

Befahl ich nicht, die Frauen fortzuschicken?
SCHWALBE.
Ja Herr – doch – da kam unser Junker Konrad –
DIETRICH
zu Konrad.
Und du behieltst sie hier?
KONRAD.
Ja, Dietrich.

Pause.
DIETRICH
zu den Frauen.
Geht!
GERTRUD.
O nein – aus Gnade –
DIETRICH
tritt einen Schritt auf sie zu.
Soll ich's zweimal sagen?
[265]
AGNES
stürzt auf die Mutter, reißt sie zurück.
Mutter!
GERTRUD.
O Jesus!

Sie halten sich zitternd umschlungen.
KONRAD
tritt zu Dietrich.
Dietrich, sieh doch hin –
DIETRICH.
Was soll ich sehn?
KONRAD.
Der jammervolle Anblick,
Wie sie verschüchtert stehn vor deinem Blick.
DIETRICH.
Ich will nichts von den Winselweibern wissen.
KONRAD.
Gewinsel? Dieses tiefe, große Leid?
Weißt du denn nicht, um wen die Tränen fließen?
DIETRICH.
Warum behängst du dich mit diesen Weibern
Und stellst dich zwischen sie und meinen Willen?
KONRAD.
Weil es so traurig ist, daß sie dich fürchten
Und immer nur dich fürchten sollen, Dietrich,
Da sie viel mehr dir geben könnten.
DIETRICH.
Was?
KONRAD.
Dankbare Liebe.
DIETRICH.
Kommst du mir schon wieder
Mit dem Geschwätz?
[266]
KONRAD.
Mein Bruder, sei doch milde,
Du bist so stark, darfst milde darum sein.
Aus jenen Augen dort, in Tränen schwimmend,
Blickt dein verhärmtes Vaterland dich an.
Du kannst ihr Herz zermalmen – tu' es nicht,
Denn dazu braucht es keines Heldenarmes;
Du kannst die Tränen stillen – tu's, mein Bruder,
Ein Wort – so ist's getan.
DIETRICH.
Ein Wort? Und welches?
KONRAD
legt den Arm um ihn.
Der alte Mann dort unten –
DIETRICH.
Thomas Wins?
KONRAD.
Gib ihm die Freiheit wieder.
DIETRICH.
Bist du toll?
KONRAD.
Er kränkte dich – ich weiß – seit einer Woche
Hältst du im Kerker ihn – er hat gebüßt.
DIETRICH
macht sich heftig von ihm los.
Gebüßt? Frag' über Jahr und Tag nach ihm!
GERTRUD
stürzt sich vor ihm nieder.
Nein aus Barmherzigkeit! Nicht so! Nicht so!
DIETRICH.
Wer Hand ins Feuer steckt, verbrennt die Finger!
Wer Quitzow angreift, spielt um seinen Kopf!
Hinaus mit Euch!
GERTRUD
klammert sich an Konrad.
O rettet! Rettet!
[267]
KONRAD.
Dietrich!
DIETRICH.
Du warst zu lange in des Pfaffen Schule,
Das merk' ich! Ist das Blut von Quitzows Blut?
Das schäumt nicht wider den Beleidiger?
Das bettelt noch für ihn?
KONRAD
auffahrend.
Wer bettelt?
DIETRICH.
Du!
Ich habe eine Antwort nur für Kränkung,
Und die heißt Rache.
KONRAD.
Rache laß dem Schwächling,
Der nichts besitzt, als sein erbärmlich Selbst!
Du hast viel mehr, bist mehr.
DIETRICH.
Der Knabendünkel,
Der mich schulmeistern will! Ich bin der Quitzow!
Nichts andres war ich, bin ich, will ich sein.
KONRAD.
Du darfst nicht so mehr sprechen!
DIETRICH.
Darf nicht? Was?
KONRAD.
Dietrich – du bist das Schicksal deines Volkes.
DIETRICH.
Mein Volk! Mein Volk! Das törichte Gerede!
Wo ist mein Volk?
KONRAD.
Dort war es, zu Berlin,
Wo wir Schwurfinger legten auf dein Schwert,
Wo du für Brandenburg das Wort geführt.
[268]
DIETRICH.
Was schiert mich Brandenburg?
KONRAD
tritt auf ihn zu.
Dietrich!!
DIETRICH
stutzt.
Was willst du?
KONRAD.
Dich vor dir selber warnen! Sprich nicht so.
DIETRICH.
Das klingt ja fast wie Drohung?
KONRAD.
Und wer war's,
Der es nicht dulden wollte, daß die Mark
Verschachert würde? Und wer war der Mann,
Der die Sandbüchse zwischen Elb' und Oder
Sein Land genannt? Gedüngt mit seinem Blut?
DIETRICH.
Und soll ich darum alles Bruder nennen,
Was auf zwei Beinen in der Mark umherläuft?
KONRAD.
Ist deine Mutter nicht mehr deine Mutter,
Weil sie noch Kinder zeugte neben dir?
DIETRICH.
Was mir nicht ganz gehört, gehört mir gar nicht!
Alles was du mir sagst, versteh' ich nicht,
Weil ich's nicht fühle. Eins nur fühl' ich ganz:
Das bin ich selbst. Ich bin mir Brandenburg!
Und will das Krämervolk in Stadt und Dorf
Anteil dran haben, gut, so laß sie kommen
Und bitten drum.
KONRAD.
Sie brauchen nicht zu bitten,
Sie haben Recht am Vaterland wie du!
[269]
DIETRICH.
Du Schulbankweisheit, komm heraus ins Leben,
Lern' Quitzow werden!
KONRAD.
Und du Sohn der Mark,
Komm du heraus aus deinem engen Selbst,
Und lerne Pflicht!
DIETRICH.
Pflicht?
KONRAD.
Vaterlandespflicht!
DIETRICH.
Pflicht für den Knecht! Wer sich als Saumtier fühlt,
Der trage Last! Wer mir den Kappzaum anlegt,
Der nehme sich in acht, ich schlage aus.
Dietrich der Quitzow will ich sein und frei!
KONRAD.
Und nichts als das? Und immer nichts als das?
DIETRICH.
Nein, nichts als das! Du Tor, du Knabe, nichts!
Denn das ist eine Welt. Das ist der Adel
Der Mannesfreiheit in der Manneskraft.
Die Freiheit, die in meiner Seele atmet,
Hat eine Lunge, die den Himmel braucht,
Den ganzen, unermeßnen. All die Worte:
Pflicht, Volk und Vaterland sind dumpfe Kammern,
Die Ihr ins weite Land der Freiheit bautet;
Ich aber breche Euch die Thüren ein;
In Euren Kammern hab' ich keinen Atem;
Ich will davon nichts wissen, fort damit!
KONRAD
blickt ihn schweigend an.

Pause.
KONRAD.
Nun fühl' ich, daß ich wirklich bis zur Stunde
Ein Träumer war – heut bin ich aufgewacht.
[270]
DIETRICH.
Ich wünsche Glück!
KONRAD.
Tu's nicht –
Denn als ich dich im Traume sah,
Erschienst du anders mir, o anders –
Als jetzt, da ich dich sehe, wie du bist!
DIETRICH
tritt auf ihn zu.
Was soll das?
KONRAD
steht ihm mit kaltem Lächeln, die Arme über der Brust kreuzend, in die Augen.
Meinst du, daß du mich erschreckst
Mit deinem Blick? Mein stolzer Bruder Dietrich,
Irre dich nicht. Ich stand vor deinem Auge
In Ehrfurcht einst und Scheu – Angst aber lernte
Konrad von Quitzow auf der Schulbank nicht.
Auch nicht vor Dietrich Quitzow – hörst du wohl?
DIETRICH.
Bei Gott, ich glaube, dieser Knabe droht mir?
KONRAD
furchtbar.
Nicht Knabe mehr! Du hast den Mann geweckt
Und er heißt Quitzow!!

Er streckt plötzlich die Arme aus.

Dietrich.
DIETRICH
bleibt starr und finster stehn.
KONRAD
läßt die Arme sinken.
Es ist aus!

Er wendet sich zu Gertrud und Agnes Wins.

Ihr armen Frau'n, um Euch tut es mir leid;
Für Euch ist hier nicht Raten mehr noch Hoffen.

Er faßt Agnes an der Hand, zieht sie an sich.

Du zitternde Gestalt, du bleiches Antlitz,
Augen, vom herben Kummer wund geküßt,
Jungfrau, so schließ' ich dich in meine Arme –
Und so in dir umarm' ich Brandenburg!

Er umfängt sie, drückt sie an sich.

Dietrich der Quitzow will von dir nichts wissen,
Komm her zu mir, an Konrad Quitzows Herz!
[271]
DIETRICH.
Die Dirne fort aus deinem Arm! Ich will's!
KONRAD.
Du willst? So lerne heut die Schranke kennen,
An der dein Wille scheitert: ich will nicht!

Zu Agnes.

Du zitternd Herz an meiner Brust, sei ruhig,
Befürchte nichts.
AGNES.
Du Kraft, du Mut, du Güte,
Ich bin so ruhig in Gottes Schoß.
DIETRICH.
Ich dulde sie nicht länger auf Burg Friesack.
Fort mit den Weibern!
KONRAD.
Ja, sie werden gehn,
Und führen werde ich sie.
DIETRICH.
Und wohin?
KONRAD.
Wo sie den Richter finden.
DIETRICH.
Einen Richter?
KONRAD.
Ja, einen Richter muß die Armut haben,
Sonst stirbt sie an sich selbst. Wer Recht verweigert,
Treibt in Verzweiflung, und Verzweiflung
Vergiftet diese Welt.
DIETRICH.
Wer ist der Richter?
KONRAD.
Einst habe ich geglaubt, solltest's sein.
Dietrich, das Schicksal stand an deiner Tür
[272] Und trug das Amt dir an, das heil'ge Amt.
Du aber schlugst es aus, du wolltest nichts
Als nur du selber sein – Dietrich – noch einmal –

Fällt plötzlich vor ihm nieder, ihn umgreifend.

Zum letzten Male höre meine Stimme,
So tiefe Liebe, wie dich hier umschlingt,
Umarmt dich niemals wieder – sei nicht Rächer,
Sei Richter! Übe Recht und nicht Gewalt!
Bruder, sei groß, Natur schuf dich zur Größe,
Sei Richter über dir und jenem Mann!
DIETRICH
nach kurzer Pause.
Und – Thomas Wins?
KONRAD.
Ja, Bruder.
DIETRICH.
Ah, hinweg!
KONRAD
erhebt sich langsam.
Kommt denn, Ihr Frau'n. – Ihr weint um Mann und Vater,
Ich um den Bruder – unser Schmerz ist gleich.

Zu Dietrich.

Zu Brandenburg, wohin ich diese führe,
Sollst du uns wiedersehn.
DIETRICH.
Zu Brandenburg?
Was willst du dort?
KONRAD.
Den Richter diesen suchen.
DIETRICH.
Du sprichst – vom Hohenzollern?
KONRAD.
Das kann sein.
DIETRICH.
Zu seinen Füßen willst du niederkriechen?
[273]
KONRAD.
Ich sah die Welt bis heut mit deinen Augen;
Nun will ich diesen Hohenzollern mir
Mit eigenen Augen ansehn!

Wendet sich mit Gertrud und Agnes zum Abgange nach dem Hintergrunde.
DIETRICH
zu den Knechten.
Türe zu!

Die Knechte stellen sich vor die Tür im Hintergrunde.
KONRAD.
Wer wagt es, Quitzow in den Weg zu treten
Auf Quitzows Burg?

Er winkt; die Knechte weichen zur Seite.
DIETRICH.
Ich wag' es!

Er stürzt auf die Tür zu. Bevor er dieselbe erreicht, tritt Konrad ihm, die Hand drohend erhoben, entgegen; Dietrich stutzt und bleibt stehn.
KONRAD.
Hüte dich!

Konrad und Dietrich stellen sich schweigend gegenüber, sich mit flammenden Blicken messend.
DIETRICH
langsam.
Ha, wenn ich dächte, daß es möglich wäre,
Daß du, vergessend Eid und Blutespflicht,
Meineidig würdest –
KONRAD.
Sorge für dich selbst;
Denn wenn es denkbar wäre, daß mein Eid
Mich eines Tags gereute – diesen Tag
Beschwöre nicht herauf – den fürchte – fürchte!

Konrad geht, die beiden Frauen an den Händen fassend, die Augen unablässig auf Dietrich gewandt, langsam auf den Hintergrund zu; Dietrich starrt ihm regungslos nach.
Der Zwischenvorhang fällt.
Verwandlung
1. Auftritt
Erster Auftritt
Friedrich, hinter ihm. Ileburg treten aus dem Zelt. Friedrich ist einfach, ohne die Abzeichen seiner Würde gekleidet.

FRIEDRICH.
Niemand begleite mich, laßt mich allein.

Ileburg wendet sich zurück.

Sagt mir noch eins: die Stadt, die ich dort sehe –
ILEBURG.
Ist Brandenburg.
FRIEDRICH.
Und jener Strom?
ILEBURG.
Die Havel.

Ileburg tritt auf einen Wink Friedrichs in das Zelt zurück, dessen Tür sich hinter ihm schließt.
FRIEDRICH
blickt auf Strom und Stadt.
An diesem Strom ward Brandenburg geboren –
Mark Brandenburg, so blick' ich dir ins Herz –
Sie haben mich gewarnt vor diesem Lande
Und sagten mir, sein Herz sei rauh und wild –
Du aber hast mich an dies Land gewiesen,
Allmächt'ger Gott; aus meiner eignen Brust
Nehm' ich das Herz voll Willen, Kraft und Liebe
Und pflanze es in dieses Landes Boden
Wie einen Samenkern, der Früchte treibt,
Daß niemand künftig mehr zu scheiden wisse,
Was Brandenburg empfing von Hohenzollern
Und Hohenzollern Brandenburg verdankt.
[275] Du Land des Sandes, du verhöhnt, verachtet
Von denen, die in Reichtums Armen ruhn,
Hier beug' ich dir mein Knie –

Läßt sich auf ein Knie nieder.

mit meinen Händen
Ergreif' ich dich –

Greift an den Boden und hebt eine Handvoll Sand auf.

und hier, wo nur das Auge,
Das schlummerlose deines Gottes und meines
Auf uns herniedersieht, wo nur das Ohr
Des ewig wachen Gottes mich vernimmt,
Schwör' ich dir Treue, Brandenburger Land. –
Ja, du bist arm, dich schmücken nicht Gebirge,
Nicht üpp'ger Wiesen Saft und schwellend Grün –
In deinen Söhnen nur, in deinen Töchtern
Ruht all dein Reichtum – schenke mir dein Volk.
Märkische Erde, dir vermähl' ich mich!
Die Pflugschar nehme ich in meine Hände,
Du sollst mir fruchtbar werden, dürrer Sand:
Wo Stahl gepflügt, da werden Männer wachsen,
Wo Pflicht geschenkt, wird Dankbarkeit empfangen,
Wo Liebe sä't, wird Treue auferstehn.

Die Sonne steigt langsam hinter den Türmen Brandenburgs empor; Friedrich erhebt sich, breitet die Arme dem Lichte entgegen.

Und sieh, du nahst, von taubeschwerter Wimper
Abschüttelnd Nacht und Dunkel, heil'ges Licht.
Dich grüß' ich, erster Tag auf märk'scher Flur.
Dich schick' ich vor mir her als meinen Boten
In jede Hütte und in jedes Herz;
Dein Gang sei Freude, Trost sei dein Geschenk,
Verheißung dein Panier und Hohenzollern
Der Morgengruß, der Brandenburg erweckt.

Aus der Stadt und rechts und links außerhalb der Bühne erhebt sich das Geläute der Frühglocken.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Konrad, Agnes kommen von links unten; Agnes auf Konrad gestützt.

KONRAD.
Dort siehst du Brandenburg; wir sind am Ziel.
Gut, daß wir's sind, denn du bist müd' geworden.
[276]
AGNES.
Ein wenig nur.
KONRAD
blickt zurück.
Die Mutter auf dem Wagen
Blieb weit zurück.
AGNES.
Die Räder mahlen langsam
Im tiefen Sand, man geht zu Fuße schneller.
KONRAD.
Dies ist der Ort; die brandenburg'schen Städte
Versammeln heut sich hier, dem Hohenzollern
Huld'gung zu leisten; dieses stille Feld
Wird bald von Menschenscharen widerhallen.
Jetzt, da die unbefleckte Morgenfrühe
Das Land mit ahnungsvollem Schweigen deckt,
Laß uns denn Abschied nehmen.
AGNES.
Abschied?
KONRAD.
Ja.
Und ohne Wort. Was sollen Menschenworte
Da, wo das Schicksal spricht? Doch meinem Kuß
Verwehr' dich nicht, denn Sterbende sind heilig.
Und wie ein Sterbender, so küss' ich dich.

Er küßt sie.
AGNES.
Du gehst? Und warum gehst du?
KONRAD.
Weil ich muß.
AGNES.
Kannst nicht auf unsrer Seite bleiben?
KONRAD.
Nein.
AGNES.
O – doch versuch's.
KONRAD.
Ein jeder geht den Weg,
Der ihm geschrieben ward. Zum Hohenzollern
Führt deiner dich, der meinige – wohin –?
[277]
AGNES.
Solch kurzer Abschied für die Ewigkeit?
KONRAD.
Häng' dich nicht an den Toten.
AGNES.
Nein, du lebst!
KONRAD.
Tot ist, wer nicht mehr glauben kann und hoffen.
AGNES.
Und du, so reich an Glauben einst und Hoffnung,
Hast du von all dem nichts mehr? Nichts mehr?
KONRAD.
Nein.
Ich hab' in meiner Seele einen Menschen
Begraben – wer an Gräbern wohnt, verwelkt.
AGNES
umschlingt ihn.
O nur nicht also stoße mich von dir!
So tief, so rein sprach Weibes Liebe niemals
Zum Mann, wie dies mein stammelndes Gebet:
Laß mich dich lieben, Konrad, liebe mich!
In dieser Stunde, da dich Gott verläßt,
Behalte mich an deinem Herzen, Konrad!
Du weißt ja, ich bin armer Leute Kind,
Heut bist du selber arm, heut kann ich helfen –
KONRAD.
Reiß mein Geschlecht mir aus dem Blute, Weib,
Dann sprich von helfen. – Geht zum Hohenzollern!
Mög' er der Retter sein für Brandenburg,
Das flehe ich, obschon ich es nicht glaube,
Obschon ich weiß, daß Quitzow sterben muß,
Wenn Hohenzollern Brandenburg errettet –
O Wahnsinn über meinen Haupt und Herzen
Und Wirrsal, unentrinnbar, fürchterlich!
[278]
AGNES
blickt ihm ins Gesicht.
Sieh – diese Träne – wie ein Tropfen Bluts
Aus deinem Herzen quillt sie dir vom Auge –
So trink' ich sie im Kuß und so bewahr' ich
In mir dein heiliges geliebtes Herz.

Küßt ihn.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Gertrud Wins kommt von links.

KONRAD
löst sich von Agnes.
Frau Trude, seid Ihr da?
GERTRUD.
Ja, gnäd'ger Herr.
KONRAD
reicht ihr die Hand.
Ihr war't auf Eurem Wagen eingeschlafen –
Habt frohen Morgen. –
GERTRUD
ergreift seine Hand.
Gut beginnt der Tag,
Da er mich Euer Antlitz sehen läßt,
Mein teurer Herr.
KONRAD.
Wo find' ich nun den Führer,
Der Euch den Weg zum Hohenzollern weist?
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Friedrich der bis dahin, unter den Bäumen stehend, dem Vorgange auf der Bühne unten gefolgt ist, steigt den Fußsteig herab.

FRIEDRICH.
Wenn Ihr den sucht – den Weg kann ich Euch zeigen,

Konrad und die Frauen blicken überrascht auf ihn.
KONRAD.
Seid Ihr vom Hof des Hohenzollern?
FRIEDRICH.
Wißt,
Der Nächste bin ich ihm.
[279]
KONRAD.
Hier diese Frauen
Führt eine Bitte zu ihm – ob er sie
Anhören wird?
FRIEDRICH.
Sind's brandenburg'sche Frauen?
KONRAD.
Das sind sie.
FRIEDRICH.
Wohl, so ist's ihr gutes Recht,
Zu ihm zu kommen, und er wird sie hören.
KONRAD.
Ihr – gutes Recht?
FRIEDRICH.
Damit Ihr's glauben lernt,
Begleitet sie.
KONRAD.
Mich führt ein andrer Weg.
FRIEDRICH.
Das tut mir leid – doch reicht mir Eure Hand –

Streckt ihm die Hand zu, Konrad legt zögernd die seinige hinein.

Es ist die erste brandenburg'sche Hand,
Die ich in diesem neuen Land ergreife.
KONRAD
starrt ihn an.
Der Ton – der Blick – und dieser Griff des Löwen
In dieser Hand – wer seid Ihr?
FRIEDRICH.
Ich bin der,
Der Hohenzollern kennt und seine Pflicht.
KONRAD
reißt sich von ihm los.
Das ist – Ihr seid – ah nichts – hinweg! Hinweg!

Geht, rückwärts schreitend, rechts ab, den Blick auf Friedrich gerichtet. Friedrich folgt ihm, unbeweglich, mit flammenden Augen; dann wendet er ich zu den Frauen.
[280]
FRIEDRICH.
Kommt nun, Ihr Frau'n – bis hierher führt' Euch Quitzow,
Nun seid Ihr in des Hohenzollern Schutz.

Er nimmt ihre Hände und geht links mit ihnen ab.
Pause, dann rechts außerhalb der Szene Stimmen, welche näher kommen.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Hans Sturz, Fritze Belkow, Peter Stummel kommen von rechts.

STURZ
hat die Haube abgenommen, wischt sich die Stirn.
Die Hitze! Am frühen Morgen!
BELKOW.
Der Durscht!
STUMMEL.
Und der Sand!
STURZ
fährt zu Stummel herum.

Na, sie sollen wohl einen Knüppeldamm bauen von Berlin bis Brandenburg, bloß damit daß du besser fortkommst mit deine ollen Eselsknochen? Was?

STUMMEL.
Es is man von wegen das Geschwitze, Herr Wachmeester – Ihr schwitzt doch och nich schlecht.
STURZ.

Du Hammelnase!! Wenn der Wachtmeester schwitzt, denn – denn hast du noch lange nich zu schwitzen! Verschnauft. Hat denn keener keenen Droppen zu trinken nich?

BELKOW.
Ick dachte, Peter Stummel sollte was injesteckt haben.
STUMMEL.
Und ick dachte doch – Fritze Belkow –
STURZ.

Na ja, wenn Ihr zwei beide erst zu denken anfangt! Wie der Herrgott das Denken erfunden hat, hat er verjessen, Euch zu sagen, wie es gemacht wird.

[281]
PERWENITZ
rechts außerhalb der Szene.
Heda, Hans Sturz! Bist du da vorne?
STURZ.

I du meine Jüte, da is ja der Herr Burgemeester schon! Ruft nach rechts. Jawoll, Herr Burgemeester! Ick bin hier mit's janze Aufgebot!

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Perwenitz, Dannewitz, Sechelweg, Stroband kommen von rechts.

PERWENITZ.
Dann geh' mal mit deinen Leuten, haltet unsere Pferde.
STURZ.
Is jut, Herr Burgemeester; ick fürchte man, daß die zwei Kerle da zu dämlich sind for die Reiterei.

Sturz, Belkow, Stummel rechts ab.
PERWENITZ.

Noch niemand da – die Berliner sind wieder mal zuerst aufgestanden. Setzt sich auf eine Bodenerhöhung.

STROBAND.
Ob wir denn auch richtig hier sind?
DANNEWITZ.

Da wo es zum Marienberg 'raufgeht, hat es geheißen, wird er sein Zelt aufschlagen und da soll es sein.

PERWENITZ.
Am Marienberg sind wir.
SECHELWEG
zeigt.
Und da steht ja auch ein Zelt!
ALLE.
Wo?
SECHELWEG.
Na seht Ihr's denn nicht?
PERWENITZ.
Das stimmt – das muß sein Zelt sein.
[282]
STROBAND.
Das muß es sein.
PERWENITZ.
Nu soll's mich wundern, was da 'rauskommen wird; ob's wieder so 'ne Art von Jobsten sein wird?
STROBAND.
Ne, ne, ich habe ein gutes Zutrauen.
PERWENITZ.
Dann geht's Euch besser als mir.
STROBAND.
Wenn ich nur wüßte, warum Ihr Euch so gegen ihn stemmt?
PERWENITZ.

Wenn man mir einen Krug Wein vorsetzt, soll ich sagen, der Wein is jut bevor daß ich gekostet? Ne – erst selber probieren! Kaiser Sigismund schickt ihn, und Kaiser Sigismund hat uns auch den Jobst geschickt, und Kaiser Sigismund is ein Baum, der bis heutigentags nur saures Obst für uns getragen hat.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Hans Sturz von rechts. Musik rechts hinter der Szene.

STURZ.
Herr Burgemeester, es jeht los! Sie kommen mit die Musike!
PERWENITZ
steht auf.
Wer kommt?
STURZ.
Die Brandenburger und die Spandauer und die Frankfurter.
DANNEWITZ
blickt nach links.
Und von da kommen noch andere – das sind die Rathenower!
SECHELWEG
blickt nach links.
Und die Havelberger und Ruppiner!
[283]
PERWENITZ
blickt nach rechts.
Was kommt denn von der Havel her?
STURZ.
Das sind die edlen Herren von Bredow. Hurrje, die Masse Menschen!
8. Auftritt
Achter Auftritt
Ratmannen von Brandenburg, Spandau und Frankfurt kommen von rechts, ihre Fahnen tragend.

STIMMEN.
Hallaho, Berlin!
DANNEWITZ.
Hallaho, Brandenburg, Spandau und Frankfurt!

Allgemeine Begrüßung. Händeschütteln.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Ratmannen von Rathenow, Havelberg, Ruppin kommen mit ihren Fahnen von links.

STIMMEN.
Hie Rathenow! Havelberg! Ruppin!
SECHELWEG.
Gott zum Gruß, Landsleute!
PERWENITZ.
Ju'n Morgen auch.
STIMMEN.
Ju'n Morgen, ju'n Morgen.

Begrüßung wie oben.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Lippold von Bredow und Bredowsche Edle kommen oben auf dem Hügel von rechts, bleiben unter den Bäumen stehen. Gleichzeitig unten rechts außerhalb der Szene Gelärm, Gelächter und Gesang.

GESANG.
Mein Pferd das ist kein Schimmel, mein Pferd das ist kein Schecken,
Ich reite auf Schusters Rappen;
Mein Rock hat keine Wolle, mein Rock hat nur ein' Flecken,
Ich esse magere Happen.
11. Auftritt
[284] Elfter Auftritt
Köhne Finke an der Spitze eines Haufens ärmlich gekleideten Volks, kommt von rechts unten. Die Männer tragen Stöcke, an denen sie grüne Zweige wie Fahnen befestigt haben.

STURZ.
Herr Burgemeester, seht doch bloß mal das! Das sind doch keene Ratmannen nich?
FINKE.
Wir sind die edlen Ritter von Hunger und Durscht!
DAS VOLK
welches Finke begleitet.
Von Hunger und Durscht!
FINKE
ist den Fußsteig bis zur Hälfte emporgestiegen.
Und ich bin der Hauptmann davon, der Ritter ohne Käse und Wurscht!
STIMMEN DER RATMANNEN.
Wer ist der verrückte Kerl?
PERWENITZ.
Köhne Finke, was soll das? Was kommst du hierher? Was willst du hier?
FINKE
lüftet das Barett.

Mir den neuen Markjrafen ansehen, Herr Burgemeester! Wir sind arme Deibels und für 'nen armen Deibel gibt es auf der Erde nischt als die Luft und die Hoffnung, denn die beiden kosten nischt. Und nu hat man uns gesagt, daß einer gekommen is, der uns 'was dazu geben will, und das is uns lieb zu hören, denn Luft und Hoffnung sind schöne Gerichte, aber satt wird man davon nich.

STROBAND.
Hier wo Burgemeister und Ratmannen reden, hast du das Maul zu halten und weiter nichts!
FINKE.
Wüßte auch nich, was ich sonst noch halten sollte, da mir sonst nich viel gehört!
[285]
DAS VOLK
lärmend.
Köhne Finke soll reden!
FINKE.

Wenn ick denn also reden soll, so sage ick nur soviel: ick weiß zwar von dem Hohenzollern, was der neue Markjraf is, noch zwar nischt – aber daß er sein Zelt hier aufgeschlagen hat in Jottes freier Luft, wo die Iroßen ihn hören können und die Kleinen, das gefällt mir von ihm und das finde ick jut. Und das Zelt, seht Ihr, das is schwarz und weiß, und das, hab' ick mir sagen lassen, sind die Farben von dem Hohenzollern, und die Farben gefallen mir, und ick will Euch auch sagen warum: denn was mich betrifft, so bin ick ein Schmiedegeselle, und wenn ick am Amboß stehe und an die Esse, dann krieg' ick ein schwarzes Gesicht und schwarze Hände – und das is die Arbeit – und nachher, wenn Feierabend is, denn wasch' ick mir und denn bin ick wieder weiß – und das is die Ruhe nach der Arbeit und das Vergnügtsein. Und darum sag' ick: wer solche Farben hat, der versteht was von die Arbeit und der weiß, was dem kleinen Mann not tut und der hat ein Herz für das Volk.

DAS VOLK.
Das is wahr! Das is jut!
PERWENITZ.
Der Bengel hat Kopf und Herz auf'm rechten Fleck!
STROBAND.
Hat aber nicht mitzureden hier! Wirst du machen, Köhne Finke, daß du nach Hause kommst?
FINKE.

Mit alle schuldige Hochachtung, Meister Stroband, ne, das will ick nich! Wir sollen unsere Hoffnung hier zu sehen bekommen, mit leibhaftige Augen, und so was is 'ne seltene Sache. Und darum wollen wir uns den Hohenzollern ansehen, bis daß wir sagen können: so sieht er aus. Und wenn der uns sagt, geht nach Haus, für Euch bin ich nich zu sprechen – na – denn wollen wir hingehn, wo wir hergekommen sind, zu Mutter Elend.

12. Auftritt
[286] Zwölfter Auftritt
Friedrich, Ileburg und einige Edle sind während der letzten Worte aus dem Zelte getreten. Friedrich ist dicht hinter Köhne Finke getreten, schlägt ihn jetzt auf die Schulter.

FRIEDRICH.
Nun denn – so bleibe.
FINKE
wirft den Kopf herum, starrt Friedrich an.
FRIEDRICH
droht ihm lächelnd.
Doch halte dich stumm,
Hören macht klug, Schwatzen macht dumm.
FINKE.
Das is ein Fürst und ein Herr – das – is der Hohenzoller!

Sinkt in die Knie.
DIE GANZE VERSAMMLUNG
tief murmelnd.
Der Hohenzoller.

Pause.
FRIEDRICH
blickt ernst lächelnd um, lüftet alsdann sein Barett.
Gott dir zum Gruß – Mark Brandenburg.

Dumpfes Gemurmel. Man sieht, wie einige die
Mützen und Hüte abnehmen, andere verlegen dastehen.
FRIEDRICH
winkt Ileburg.
ILEBURG
tritt vor, entrollt ein Pergament, das er in Händen hält.
Märkische Städte, schloßgesess'ne Herren,
Zur Huldigung versammelt und vereint,
Vernehmt den Eid, den Ihr beschwören sollt:
»Wir huldigen und schwören Herren Friedrich,
Burggraf zu Nürnberg und den Erben dessen,
Getreu zu sein, gewärtig und gehorsam –
Als Gott uns helfe und die Heiligen.«

Tiefe Stille.
ILEBURG.
Wir harren Eurer Antwort. Wer beginnt?
[287]
LIPPOLD VON BREDOW
tritt auf Friedrich zu, senkt ein Knie.
Ich als der älteste der Bredows spreche:
Die Bredows huldigen und schwören Euch.

Die Bredowschen Edlen senken ein Knie.
FRIEDRICH
nimmt Lippolds Hand.
Ich nehm' Euch an. Euer Wort ist eine Tat.
Für immer nun bei Hohenzollerns Taten
Soll Bredow Hohenzollerns Helfer sein.

Die Bredowschen erheben sich, Lippold tritt zurück.
ILEBURG.
Die märk'schen Städte, warum schweigen sie?
PERWENITZ
lüftet das Barett.
Mit aller schuld'gen Ehrfurcht, gnäd'ger Herr,
Es steht nicht so, daß wir Euch feindlich wären,
Doch das Vertrauen wird uns märk'schen Städten
Ein bißchen sauer.
FRIEDRICH
dem Ileburg etwas ins Ohr gesagt hat.
Ihr seid von Berlin
Der Burgemeister?
PERWENITZ.
Ja, der bin ich, Herr.
FRIEDRICH.
Ich hab' Beschwerde wider Eure Stadt.
PERWENITZ.
Woher – denn das?
FRIEDRICH.
Man hat in Eurer Mitte
An einem meines Volks Gewalt getan.
PERWENITZ.
Ihr – meint –
FRIEDRICH.
Ich meine Thomas Wins von Straußberg,
Den Ihr von Dietrich Quitzow, Eurem Freunde,
Gefangen nach Burg Friesack schleppen ließt.
[288]
STROBAND.
Nicht unser Freund!
PERWENITZ.
Ganz wider unsren Willen
Nahm er den Mann gefangen.
FRIEDRICH
mit spöttischem Lächeln.
Steht es so?
Ihr mußtet's dulden? Wider Euren Willen?
Vor Euren Augen und in Eurem Haus?
Dann scheint es mir, Ihr könntet einen brauchen,
Der wider solche Freunde Euch beschützt?

Pause. Die Berliner stehen verblüfft.
BRANDENBURGER RATMANNE.
Wahr! Das ist wahr! Und Ihr, Ihr seid der Mann,
Uns vor den Schloßgesess'nen zu beschützen!
Hier schwört und huldigt Brandenburg die Stadt!
FRANKFURTER RATMANNE.
So tut auch Frankfurt!
SPANDAUER RATMANNE.
Spandau schwört und huldigt!

Die drei Ratmannen gehen einer nach dem andern zu Friedrich heran und küssen ihm die rechte Hand.
FRIEDRICH.
Ein Wort noch den Berlinern. – Thomas Wins,
Ließ ich mir sagen, hatte Weib und Kind?
Da Ihr den Vater ihnen nehmen ließet,
Wo blieben sie? Was tatet Ihr für sie?
PERWENITZ
zu Dannewitz.
Hol' mich der Deibel, Hans Dannewitz.
STROBAND
zu Perwenitz.
Was hab' ich Euch gesagt, Henning Perwenitz?
FRIEDRICH
der sich an ihrer Bestürzung geweidet hat.
Ihr tatet nichts für sie? Nun denn, so scheint mir,
Kam ich zur rechten Stunde in das Land,
[289] Damit verlass'ne, unterdrückte Frauen
Schutzwehr und Obdach finden – dort seht hin!

Er winkt – die Zeltpforte öffnet sich, in derselben erscheinen Gertrud und Agnes Wins.
RATMANNEN
durcheinander.
Ha, wacker! Recht! Recht!
RATHENOWER RATMANNE.
Hier schwört Euch Rathenow!
RUPPINER RATMANNE.
Und hier Ruppin!
HAVELBERGER RATMANNE.
Und Havelberg!

Handkuß der drei Ratmannen wie vorhin.
FRIEDRICH
in ganz verändertem, feierlichen Ton.
Wißt denn und hört es alle:
Nicht Menschenwillkür, Gottes Wille schickt mich,
Des Gottes, der die Menschentränen zählt.
Er sprach zu mir: Dies Land hat viele Herrscher,
Doch keinen Herrn – hat Richter, doch kein Recht.
Dies Land hat Äcker, aber keine Saat,
Hat Schwert und Lanzen, aber keinen Pflug.
Nur wer die Körner zählt des märk'schen Sandes,
Der zählt die Wundenmale Brandenburgs.
Du bring' ihm Frieden, seinen Kindern Brot,
Vor Rosseshufen schirme seine Felder,
Der Armut Hütte wider Feuersbrunst –
So heil'gen Auftrag hab' ich überkommen,
Männer, ich nahm den heil'gen Auftrag an.

Dieses Gemurmel der Versammelten.

Mark Brandenburg, warum zerfleischst du dich
Mit eignen Waffen? Das ist Knabenhandwerk,
Wach' auf und werde mannbar zum Beruf!
Ich zeig' ihn dir:

Er nimmt aus der Hand eines der hinter ihm stehenden Ritter das Banner.

Hier pflanze ich mein Banner
Dir in das Herz, wo dieses Banner weht,
Ist heil'ger Boden, da ist Vaterland.
[290] Und wie ich selber Treue ihm gelobe
Bis an den letzten Sprossen des Geschlechts,
So ford're ich Huldigung auf dieses Banner,
Und so gebiet' ich: Schwört dem Vaterland!
ALLE.
Das schwören wir! Schwören wir!
FRIEDRICH.
Ich warte noch auf die Berliner.
PERWENITZ.
Herr –
Gnäd'ger Herr Markgraf, wollt Ihr uns noch haben?
STROBAND.
Nehmt's nicht für ungut –
DANNEWITZ.
Gnäd'ger, lieber Herr!
FRIEDRICH
lächelnd.
Wollt Ihr vertrau'n?
PERWENITZ.
Mit Herz und Leib und Seele
Vertrau'n wir Euch! So huldigen und schwören
Berlin und Kölln!
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Dietrich Quitzow gefolgt von Dietrich Schwalbe und zwei Reisigen kommt plötzlich von links.

DIETRICH.
Meineidiges Berlin!
Ehrlose Krämer, Euer Eid ist Wind!
STROBAND.
Schlagt ihn tot!
ALLE.
Schlagt ihn tot!
[291]
DIETRICH.
Elende Wetterfahnen,
Die Ihr nichts könnt, als kreischen, Euch aufs Maul
Schlag' ich die Fetzen Eures eigenen Eides,
Den Ihr mir schwurt –
PERWENITZ.
Das lügt Ihr, Dietrich Quitzow!
DIETRICH.
Den Ihr mir schwurt und heut wie Schurken brecht!
DIE BERLINER.
Das lügt Ihr! Das lügt Ihr!
FRIEDRICH.
Seid Ihr es, Dietrich Quitzow,
Der so die Stunde stört?
DIETRICH.
Nein, das seid Ihr,
Friedrich der Burggraf, Eindringling im Land!
Wer seid Ihr? Warum kommt Ihr her? Was wollt Ihr?
Ich bin der eingeborne Sohn der Mark;
Wer rief Euch her? Meint Ihr, ich sei gekommen,
Euch Rede hier zu stehn? Es ist an Euch!
Ich bin der Hausherr! Mir gehört die Mark!
Mein ist die Luft, die Ihr mit Worten füllt!
Mein dieser Boden, wo Ihr Euer Banner
Anmaßend aufpflanzt! Mir gehört die Stunde!
Und mir dies Volk, das Ihr mit glatten Worten
Abtrünnig macht von seinem echten Herrn!
FRIEDRICH.
Wen meint Ihr?
DIETRICH
zeigt auf die Berliner.
Diese da!
FRIEDRICH.
Wer ist ihr Herr?
[292]
DIETRICH.
Ich! Dem sie huldigten, eh' sie Euch kannten!
PERWENITZ.
Wann hätten wir Euch je gehuldigt? Wann?
DIETRICH.
Als Ihr mich brauchtet!
PERWENITZ.
Bündnis ist nicht Huld'gung!
STROBAND.
Wann wärst du unser Herr geworden, Du?
Du wildes Tier!
DANNEWITZ.
Du Haifisch!
DIETRICH.
Ha, Ihr Karpfen,
Froschquaker von der Spree! Euch räum' ich gründlich
Den Teich noch einmal auf, das sag' ich Euch!
Auf Blut und Narben ward der Eid geschworen;
Solang' ich meine Narben nicht vergesse,
Verwehr' ich andren Eid Euch, halt' Euch fest
In meiner Hand –
FRIEDRICH.
Bis daß ein andrer kommt,
Der Eure Faust zerbricht!
DIETRICH.
Den laßt mich sehn.
FRIEDRICH.
Hier vor dir steht er.
DIETRICH.
Du? Du wärst der Mann?
Friedrich der Burggraf?
[293]
FRIEDRICH.
Ich, dein Fürst und Herr,
Ich, deines Herrn und Kaisers Abgesandter,
Der Antwort fordert, ob du huld'gen willst?
DIETRICH.
Nun, bei der sandbedeckten Brust der Mark,
Beim heil'gen Blut von Wilsnack, bei den Geistern,
Die irrlichtflammend spielen überm Bruch
Und rauschend wandeln durch die märk'schen Fichten,
Friedrich von Hohenzollern, schwör' ich dir:
Ich will dir huld'gen, wenn der Turm von Friesack
Freiwillig sich zu deinen Füßen legt!
Doch eher nicht!
FRIEDRICH.
So schwör' ich dir zur Antwort,
Daß ich dich finden will in deiner Höhle,
Du Drache Brandenburgs! Und so beginnend,
Greif' ich hinein nach Friesack.

Er winkt nach hinten.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Gertrud und Agnes werden aus dem Zelte geführt.

FRIEDRICH.
Dietrich Quitzow
Gib deinen Raub heraus – sieh diese Frauen,
Ihr Mann, ihr Vater, wo ist Thomas Wins?
DIETRICH.
Was geht's dich an, Friedrich von Hohenzollern?
FRIEDRICH.
Das, was den Richter das Verbrechen angeht.
DIETRICH.
Du Büttel, den der Kaiser uns gesendet,
Weißt du vom Fehderecht des Ritters nichts?
FRIEDRICH.
Du Tor mit deinem angemaßten Recht,

Schlägt durch die Luft.

[294] So wie ich mühlos hier die Luft zerteile,
So tilge ich dein Recht, denn es war Luft,
Feind allen Menschenrechts, ein Götzenbild,
Das du aus deinem Selbst dir aufgerichtet,
Anbeter deiner selbst. – Nun lerne zitternd
Ins Angesicht des wahren Rechtes schau'n.
Hier steh' ich, sein Verkünder; lerne Ehrfurcht
Vor Höheren, Achtung vor deinesgleichen,
Und wider die Geringen lern' Geduld.
ALLE
Hüte und Kappen schwingend.
Heil dir, Friedrich von Hohenzollern! Heil dir! Heil!
LIPPOLD VON BREDOW.
Friedrich von Hohenzollern, nimm die Bredows,
Dir bis zum Jüngsten Tag gehören sie!
DANNEWITZ.
Du unser Herr!
ALLE.
Du unser Herr! Unser Herr!
DIETRICH.
Blökendes Herdenvieh! Schreit, tobt und brüllt!
Die Stunde kommt, da ich Euch heulen mache.
Und du, du neuer Herrgott Brandenburgs,
Du Feind der Mannheit, Freund der blöden Masse,
In märk'scher Heide, da begegne mir!
Schwert gegen Schwert und Lanze gegen Lanze,
Im Feld der Schlacht entreiße mir mein Recht,
Wenn du's vermagst; denn jetzt hohnlach' ich deiner!
Dir biet' ich Trotz samt deinem Hofgesinde
Von Knechten, Krämern, ehrvergess'nen Rittern,
Ich ganz allein, ich selbst mein Herr, mein Volk,
Dietrich der Quitzow, letzter Sohn der Freiheit!
FRIEDRICH.
Steh' Red' und Antwort: Gibst du Thomas Wins
Von Straußberg mir heraus?
DIETRICH.
Ich geb' ihn nicht!
[295]
FRIEDRICH.
Noch einmal –
DIETRICH.
Nein!
FRIEDRICH.
Zum letztenmale –
DIETRICH.
Nein!
FRIEDRICH.
So werde, was du warst und bist: ein Wolfshaupt!
Rechtlos, schutzlos jedwedem preisgegeben,
Der dich erschlagen will; in Kaisers Namen
Erklär' ich dich in Acht und Aberacht!

Tiefe Stille.
STROBAND
halblaut.
Er ist vogelfrei!
DANNEWITZ
laut.
Er ist vogelfrei!
ALLE
brüllend.
Er ist vogelfrei!

Alle machen Miene, sich auf Dietrich zu stürzen.
KONRAD
kommt in großen Sätzen von Abhang herab, bricht sich Bahn zu Dietrich umklammert ihn.
Mein Bruder!!

Pause. Die Bewegung der Andringenden stockt.
FRIEDRICH
kommt herab, bleibt vor den Quitzows stehen.
Konrad von Quitzow, willst auch du mein Feind sein?
KONRAD
starrt ihn wortlos an, dann.
Dein Feind? Dein Feind? Gehofft, ersehnt, gewartet
Hab' ich am Tage und zur Nacht geträumt –
Traum wird zur Wahrheit – er erscheint, er naht,
Es ist der Retter – und er kommt als Feind!
Dein Feind ich? Es ist wider die Natur!
[296] Dein Freund ich? Es ist wider die Natur!
Mörd'rin Natur, gib zwischen Leib und Seele
Mir einen Ausweg! Wenn du keinen findest,
So brauch' dein letztes Mittel; gib mir Tod!

Bricht zur Erde.
Vorhang fällt.

Ende des dritten Aktes.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Henning Stroband, Gertrud Wins kommen von rechts aus dem Hause, bleiben vor der Haustür stehen.

STROBAND.

Das ist also 'ne abgemachte Sache, Frau Trude, daß Ihr bei uns bleibt mit Eurer Agnes, bis Thomas Wins, Euer Mann, wieder frei ist. Mein Haus habt Ihr gesehn, und das hier ist mein Garten; groß ist alles beides nicht, aber Platz genug hat's für Euch und uns. Hat sich auf die Steinbank gesetzt.

GERTRUD.

Wär's das allein, Henning Stroband – klein ist auch das Herz des Menschen, und hat doch Raum für das Erbarmen – und das ist das Größte.

STROBAND.

Darüber nur keine Worte; wo das Herz gesund ist, wächst die Barmherzigkeit von selbst, und Gesundheit ist kein Verdienst.

GERTRUD
setzt sich seufzend neben ihn.
Aber Sorgen sind Krankheit und der Kranke fällt dem Gesunden zur Last.
[297]
STROBAND.

Habt Ihr's nicht selbst erfahren und erlebt, daß unser neuer Markgraf sich Eures Mannes annehmen will?

GERTRUD.
Ja, Henning Stroband, seit ich den Mann gesehen, kann ich wieder an Gott glauben.
STROBAND.
Und wollt so wenig auf Gott vertrau'n?
GERTRUD
drückt seine Hand.
Ach – denkt nicht, daß ich undankbar bin.
STROBAND.
So ist's noch was anderes, was Euch Sorge macht?
GERTRUD.
Daß ich es sagen muß – ja.
STROBAND.

Und Ihr wollt nicht sagen, was es ist?Gertrud schweigt in innerlichem Kampf; Stroband blickt nach links. Aber wenn ich's errate? Es ist um die, die dort kommt? Um Eure Agnes?

GERTRUD.
Kommt sie?
STROBAND.
Ja, mit meiner Rieke.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Agnes, Rieke kommen Arm in Arm von links.

STROBAND
erhebt sich.
Nu – Agnes, mein Kind? Bist du müde?
AGNES.
Nein, Oheim.
STROBAND.
Oder fehlt es wo?
AGNES.
Nein, Oheim.
[298]
STROBAND.
Nicht müde, nicht krank, und so blaß? Dann hast du wohl gar Kummer?
AGNES
wendet sich schweigend ab.
STROBAND.
Kind – bist ja noch viel zu jung dazu.
RIEKE.
Der Kummer kommt, wann's ihm paßt, nicht wann's uns beliebt.
STROBAND.
Hat sie auch mitzureden, die Jungfer Naseweis? Was weiß denn sie von Kummer?
RIEKE.
Mehr als mir lieb ist.
STROBAND.
Dumme Gedanken hast du im Kopf, verstanden? Und die treibe ich dir aus.
RIEKE
fällt Gertrud um den Hals.
Ach Muhme, wir wollen ins Kloster, die Agnes und ich.
GERTRUD.
Aber Kind, was sprichst du?
STROBAND
faßt sie am Arm.
Daß ich dir nicht den Kopf zurechtsetze! Treibt man Spott mit solchen Sachen?
RIEKE
bricht in Tränen aus.
Kein Spott, es ist mein Ernst; und ich bin unglücklich! So – so – unglücklich –
AGNES
führt sie fort.
Komm fort, komm.

Beide nach rechts hinter dem Hause ab.
STROBAND.
Ins Kloster! So soll dich doch – Will ihr nach.
GERTRUD
hält ihn zurück.
Laßt sie gehn. Wißt Ihr wohl, das Weinen klang gar nicht wie Spaß.
[299]
STROBAND
hat sich wieder gesetzt.

Weiß ich denn etwa nicht, wo es herkommt? Sie hat sich den Bengel in den Kopf gesetzt und ich gebe es nicht zu.

GERTRUD.
Wen?
STROBAND.
Mein Geselle von vorm Jahr – der Köhne Finke.
GERTRUD.
Ist es ein schlechter Mensch?
STROBAND.

Das wäre zuviel gesagt. Aber er hat nichts und wird nichts und dabei führt er ein loses Maul, und kurz und gut, ich geb' es nicht zu und es wird nichts dadraus.

GERTRUD.

Henning Stroband, wenn ich denke, wie es mit uns steht, und Euch ansehe, dann könnt' ich Euch beneiden.

STROBAND.
Mich – beneiden?
GERTRUD.
Ja, weil Ihr es noch in Händen habt, Euer Kind glücklich zu machen, wenn Ihr wollt.
STROBAND.
Aber wenn ich doch nicht glaube, daß es ihr Glück ist.
GERTRUD.
Junge Herzen sind darin gescheiter als alte.
STROBAND.
Ihr – sprecht – sonderbar ernst.
GERTRUD.

Alte Leute nehmen die jungen nicht ernst; das ist nicht recht; junge Herzen leiden mehr als alte. Ich hab' es auch nicht geglaubt, bis ich es fühlen gelernt habe. Henning Stroband, es ist ein schreckliches Ding, sein Kind verkümmern zu sehn unter seinen Augen.


Pause.
[300]
GERTRUD.
Seid Ihr mir böse?
STROBAND.
Ihr – müßt viel erlebt haben.
GERTRUD.
Ja, Gott behüte Euch vor meiner Erfahrung.
STROBAND
wendet sich nach dem Hause.
Wer kommt da?
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Henning Perwenitz von rechts.

STROBAND
hat sich erhoben.
Sieh da, der Herr Burgemeister.
PERWENITZ.

G'un Tag auch, Henning Stroband und Frau Trude Wins. Schüttelt sich mit ihnen die Hände. Ich komme adjes zu sagen; morgen geht's los.

GERTRUD.
Morgen? Wohin?
PERWENITZ.
Na wohin – auf Burg Friesack.
STROBAND.
Gegen den Quitzow?
PERWENITZ.

Gegen wen denn sonst? Alle märkischen Städte hat der Markgraf aufgeboten, also Berlin natürlich vornevoran.

STROBAND.
Und Henning Perwenitz –
PERWENITZ.
Führt den Heerbann von Berlin, das versteht sich.
4. Auftritt
[301] Vierter Auftritt
Agnes, Rieke gehen von rechts durch den Garten nach links hinüber.

PERWENITZ.

Da sind ja auch die Mädchens. Na, kommt heran, könnt mir auch noch 'mal die Hand geben. Agnes und Rieke treten herzu, reichen ihm eine nach der andern die Hand. Morgen geht's in den Krieg; ja Agnes, wir wollen dir deinen Vater 'rausholen aus dem Quitzow seinen Turm.

RIEKE.
Aus dem Turm von Friesack?
PERWENITZ.
Ja Rieke, was sagste dazu? Es wird stramme Arbeit.
STROBAND.
Das will ich meinen! Gutwillig wird sich der Teufel nicht ergeben.
PERWENITZ
lachend.

Ne, davor steh' ich Euch; Dietrich Quitzow, das is kein Pappenstiel. Aber die Berliner werden auch nicht von Sirup sein; lauter stramme Jungens! Er sieht sich pfiffig lächelnd um. Eigentlich hatt' ich gedacht, ich würde hier noch jemanden finden, der adjes sagte –

RIEKE
sieht sich ängstlich um.
PERWENITZ.
Einen, der morgen auch mit ausrückt –
RIEKE
umklammert seinen Arm.
Wen meint Ihr?
STROBAND.
Rieke –
RIEKE
ohne Perwenitz loszulassen.
Ach Vater –
STROBAND.
Frau Trude, Ihr kennt ja Burg Friesack? Ein höllisches Nest? Nicht wahr?
GERTRUD.
Es hat Türme wie Berge und seine Mauern sind hart wie Dietrich Quitzows Herz.
[302]
PERWENITZ.

Kriegen tun wir's aber doch: Unser Markgraf wird ihm ein Lied aufspielen, wie er's noch nie gehört hat.

STROBAND.
Was meint Ihr?
PERWENITZ.

Die große Donnerbüchse hat er sich kommen lassen aus Thüringen, und damit da schießen sie Kugeln, und wo so eine Kugel in den Turm schlägt, gibt's ein Loch und, wer seinen Kopp davor hält, kriegt 'ne Beule.

STROBAND.
Nun wird mein Quitzow klein werden.
PERWENITZ.
Kurz und klein.
AGNES
tritt plötzlich heran.
Sagt mir – sagt mir – ist auf Burg Friesack – Konrad von Quitzow auch?
PERWENITZ.
Aber Mädchen – kreideweiß siehst du aus?
AGNES.
Konrad von Quitzow auch?
PERWENITZ.
Konrad und Dietrich, alle zwei beide.
AGNES
hebt beide Arme.
Konrad! Sie wankt.
GERTRUD
fängt sie in ihre Arme.
Agnes! Denke an Gott!
AGNES
ohne Tränen.
Konrad muß sterben, auf daß mein Vater lebt – so hat er es gefügt – Mutter, es gibt keinen Gott!
STROBAND.
Agnes!
GERTRUD.
Lästre nicht wider Gott!
[303]
AGNES.

Du hast ihn gesehen, du hast ihn gekannt, Mutter – der schmetternde Stein soll zermalmen sein Haupt! Über sein zuckendes Herz werden sie schreiten mit stampfendem Fuß! Er hat geweint mit den Verzweifelnden – niemand wird weinen um ihn! Er war die Güte, er war barmherzig – seinen Namen bewahrt der Haß und sein Andenken wird leben im Fluch! Da wo er liegt im verlorenen Grabe, da liegen die Trümmer einer heiligen Welt, und nichts wird übrigbleiben davon, nichts als der zitternde Schrei eines Weibes, verhallend in der Wüste der Zeit! Sie bricht schluchzend zusammen.

STROBAND.
Das ist ein schreckliches, unnatürliches Leid.
GERTRUD.

Warum? Henning Stroband, warum nennt Ihr es unnatürlich? Für sie und für Euch und uns alle ist sie geschrieben, die schreckliche Satzung der Natur, daß die Bösen den Fluch aussäen in die Welt und daß die Guten ihn ernten und die Gerechten.


Sie richtet Agnes auf, geht mit ihr rechts ins Haus ab.
Pause.
PERWENITZ.
Schade ist's um Konrad den Quitzow und ein Jammer um das Mädchen. Henning Stroband, was sagt Ihr?
STROBAND.
Was soll ich sagen? Ihr habt recht.
PERWENITZ
tritt zu ihm, legt ihm die Hand auf die Schulter.

Wenn Ihr so denkt, dann hab' ich Euch noch 'was zu sagen: Zeigt auf das Haus. Da draußen steht einer und wartet.

STROBAND.
So? Wer?
PERWENITZ.

Einer, der morgen auf die Reise geht, von der niemand nich weiß, wann er zurückkommt – in den Krieg. Henning Stroband, ein schweres Herz ist ein schlechtes Reisegepäck – soll er so gehen?

[304]
STROBAND
nach kurzem Zögern.
Na denn – meinetwegen.
PERWENITZ
ruft ins Haus.
Na Junge, denn komm mal 'ran.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Köhne Finke tritt aus dem Hause.

RIEKE.
Köhne! Will auf ihn zustürzen.
STROBAND
tritt zwischen beide.
Mädchen, wart' ab. – Na Köhne Finke – also – da bist du nu.
FINKE.
Ja Meester, da bin ich nu.
STROBAND.
Kommst, meinem Mädchen adjes zu sagen?
FINKE.
Ja Meester, Eurem Mädchen und Euch.
STROBAND.
An mich wirst du auch grade gedacht haben.
FINKE.
Ja, weil ich weiß, daß Ihr was auf'm Herzen habt wider mich –
STROBAND.
Kannst dir wohl nich denken, warum?
FINKE.

Das schon, meine Ohren haben ja immer dichte dabei gestanden, wenn mein Maul was Unnützes geredt hat.

STROBAND.
Na denn is es abgemacht; is jut.
FINKE.
Is jut, Meester.
[305]
STROBAND.
Gehst du gern in den Krieg?
FINKE.

Was das betrifft, so is meine Meinung die: ob ick gerne gehe oder ungerne, das jeht mir jar nischt an – der Krieg muß sein, und was sein muß, das muß sind.

STROBAND.
Muß sein?
FINKE.

Unser Markgraf hat's gesagt und der versteht's; ein ordentlicher Krieg is besser als ein unordentlicher Frieden.

STROBAND.
Und wenn du wiederkommst – was wird denn dann?
FINKE.
Denn bin ick wieder Schmiedegeselle.
STROBAND.
Wo denn?
FINKE.
Ja – wo?

Pause.
STROBAND
hält ihm die Hand hin.
Na, wie is es? Willste wieder zu Meister Stroband kommen?
FINKE
schlägt ein.
Ja Meester, das will ick jern!
RIEKE
fällt dem Vater um den Hals.
Vater – Vater – Schluchzt.
STROBAND.
Aber Mädchen, was is denn?
RIEKE.
Mir – is das Herz so voll, das Herz so voll –
STROBAND.

Na aber – so ein dummes Ding –Blickt auf Köhne Finke. [306] und so ein – na was sollen denn die Redensarten – Er schiebt Rieke zu Köhne Finke hinüber. da hast du sie, Junge, und nu halt sie fest!

FINKE
schließt sie in seine Arme.
Das will ich besorgen! Rieke! Putthüneken!
RIEKE
selig lachend.
Köhne! Mein lieber, mein guter, mein Köhne!
FINKE.

Siehste? Nu hat er doch recht behalten der Vogel, als er gesungen hat: »Zikut, zikut, 's wird alles noch jut.«

RIEKE.

Alles is gut! Stürzt zum Vater, küßt ihn. Ach Vater, lieber Vater! Eilt zu Köhne zurück. Ach Köhne! Mein Köhne!

PERWENITZ
reicht Stroband die Hand.

Henning Stroband, da habt Ihr 'was angerichtet, und das war 'was Gutes. Stroband fährt sich über die Augen. Na – is Euch wohl 'was ins Auge gekommen?

STROBAND.

Ja, aber es schadet nichts; das wollen wir 'runterspülen. Rieke, lauf' 'runter, unten im Keller aus'm besten Faß.

RIEKE.
Ja Vater, aus dem besten Faß.

Sie will forteilen, er hält sie an der Hand.
STROBAND.
Und dann wollen wir eins trinken – Henning Perwenitz, auf was soll's sein?
PERWENITZ.
Auf dem Finken sein Nest und auf die Finkenbrut.
STROBAND.
Und auf jeden wackeren Mann, der auszieht und ausziehen wird in Kampf für Brandenburg.
[307]
FINKE.

Und auf den, der zur Mark Brandenburg gesagt hat: »Ich bin dein, und du bist mein,« auf unseren schwarz und weißen Markgrafen!

STROBAND.
PERWENITZ. Ja, das wollen wir! Das wollen wir!

Alle ab ins Haus.
Der Zwischenvorhang fällt.
Verwandlung
1. Auftritt
Erster Auftritt
Quitzowsche Knechte stehen an den Fenstern, aufgeregt hinaus blickend und zeigend. Knechte kommen und gehen von der Tür links nach der Mitte und umgekehrt, Waffen und Rüstzeug tragend.

KNECHTE AM FENSTER
zu den anderen.
Hier kommt mal' ran! Seht das!

Andere treten zu den vorigen ans Fenster.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Dietrich Schwalbe durch die Mitte zu den vorigen.

SCHWALBE.

Hallo! Alle Mann 'runter an die Mauer! Steine getragen und Kelle in die Hand! Die Friesacker haben das Maurerzeug weggeschmissen und Reißaus genommen. – Was steht Ihr da am Fenster und guckt?

EIN KNECHT.
Da drüben auf den Vietnitzer Bergen, da bauen sie was –
SCHWALBE.
Zelte?
EIN KNECHT.
Ja, aber noch was, und das sieht aus wie ein großes Ofenrohr.
[308]
SCHWALBE
tritt rasch ans Fenster, blickt hinaus, fährt zurück.

Daß dich die Schwerenot! Das is jaEr faßt sich. dummes Zeug – das is so 'ne Art von – von Pustrohr, womit sie Pfeile zu uns 'reinschießen wollen.

EIN KNECHT.
Ein – Pustrohr?
SCHWALBE.

Allerdings ja! Das tut Burg Friesack keinen Schaden, das is nur zum Lachen! Und nu vorwärts! An die Mauer 'runter! Eins, zwei, drei!


Die Knechte durch die Mitte ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Konrad kommt von links. Er ist in Waffen, unbedeckten Hauptes.

SCHWALBE
geht ihm entgegen.
Herr Junker, um Gottes willen, kommt bloß einmal und sagt, was is das? Zeigt hinaus.
KONRAD
tritt ans Fenster.
Da drüben? Bei der Windmühle auf dem Hügel?
SCHWALBE.
Ja, wo sie schaufeln und schanzen.
KONRAD.
Das ist die große Kartaune, die der Markgraf wider uns aufstellt.
SCHWALBE.
Eine Donnerbüchse?
KONRAD.
Ja.
SCHWALBE.

Also doch? Is es wahr, daß sie Kugeln daraus schießen? Und daß solche Kugeln die Mauer entzweischlagen?

KONRAD.
Ja.
[309]
SCHWALBE.
Aber wenn's so is, dann – dann kann sich ja Burg Friesack nich halten?
KONRAD.
Nein.
SCHWALBE.
Aber dann – was wird denn dann?
KONRAD.
Dann wird gestorben.
SCHWALBE.
Junker Konrad!?
KONRAD.
Was willst du?
SCHWALBE.
Ihr – seid so jung – und das geht Euch so glatt vom Mund?
KONRAD
düster hinausblickend.

Du meinst, es ist wider die Natur, daß sich der Mensch am Morgen schlafen legt? Hast recht, Alter, aber hier ist manches – Er reißt das Schwert aus dem Wehrgehänge, reicht es Schwalbe. Gib mir ein anderes Schwert!

SCHWALBE
nimmt zögernd das Schwert.
Warum denn?
KONRAD.
Weil ich dies hier nicht brauchen kann.
SCHWALBE
besieht das Schwert.
Es is doch eine gute Waffe?
KONRAD.
Gut gegen jedermann, nur gegen die nicht, die da draußen stehn!
SCHWALBE.
Junker Konrad – Ihr seid ein gelehrter Herr geworden – ich verstehe Euch nich mehr.
KONRAD.
Dietrich Schwalbe, wo bist du geboren?
[310]
SCHWALBE.
In Hackenberge im Land Bellin.
KONRAD.
Und das liegt in der Mark?
SCHWALBE.
Nu gewiß.
KONRAD.
Und mit Landsleuten kämpfen – tust du das gern?
SCHWALBE.
Wenn's Feinde von Quitzow sind – was kümmert mich alles andere?
KONRAD
wendet sich ab.
Tu, wie ich dir gesagt habe.
SCHWALBE.

Ich gehe schon. Geht an die Wand links, nimmt ein Schwert herab, hängt Konrads Schwert an dessen Stelle, kommt zurück. Da is es.

KONRAD
streckt die Hand nach dem Schwerte aus.
SCHWALBE
hält Konrads Hand mit beiden Händen fest.
Junker Konrad – hab' ich's versehen irgendwo? Warum seid Ihr so zu mir?
KONRAD.
Laß gut sein.
SCHWALBE
hält seine Hand fest.

Hab' ich was gesagt, was nich in der Ordnung war? Junker Konrad, ich bin kein gelernter Mann; aber das werdet Ihr mir doch nich übel nehmen? Alles was ich weiß, is, mich für Quitzow totschlagen lassen. Hab' ich's daran fehlen lassen? Das könnt Ihr doch nich sagen? Fünfzig Jahr' lang hab' ich die Fahne mit den zwei Sternen getragen – ich hab' nich Weis noch Kind gehabt – hab' ich's nich mit Ehren getan? Und – wenn ich höre – daß Friesack fallen soll – und daß – Quitzow sterben soll – Bricht in die Knie. was soll ich denn noch tun, daß Ihr zufrieden seid?

[311]
KONRAD
wirft die Arme um seinen Hals.

Nichts, als zu sein, wie du bist! Über Schwalbe hinsprechend. Friedrich – Friedrich – wenn dieses Volk dir treu wird in Liebe, wie es dir treu ist als Feind – dann wird es die Welt zu deinen Füßen legen. Steh auf, Alter, dir habe ich nicht gezürnt.

SCHWALBE
kniend.

Aber Ihr habt Tränen in den Augen und seht so traurig aus? Ihr habt sowenig Freude gehabt vom Leben – Euer Herr Vater war schon tot, als Ihr zur Welt gekommen seid und Euere Frau Mutter habt Ihr kaum mehr gekannt – Junker Konrad – wenn's nich gegen den Respekt is – als Ihr noch klein gewesen seid, – erinnert Ihr Euch nich mehr, wie Ihr zu Dietrich Schwalbe gekommen seid, wenn es wo gefehlt hat? Wie Euch damals das Eichkätzchen weggelaufen war in den Wald, das Ihr so gern mochtet? Wie ich's Euch wiedergefangen habe? Erinnert Ihr Euch nich mehr daran? Könnt Ihr mir nich sagen, was Euch fehlt? Kann Euch Dietrich Schwalbe nich helfen? Gar nich helfen?

KONRAD
tritt von ihm fort.

Nicht du noch irgendwer! Wir selbst haben uns verlaufen im Wald und verirrt – es gibt nur noch einen, der uns heraushilft – aber der – ist nicht von dieser Erde.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Dietrich Quitzow kommt durch die Mitte. Schwalbe ist rasch aufgesprungen. Konrad steht mit untergeschlagenen Armen an den Fensterpfeiler gelehnt.

DIETRICH.
Ist es wahr, daß die Friesacker das Maurerzeug fortgeworfen haben und davongelaufen sind?
SCHWALBE.

Ja, gnädiger Herr; Ritter Otto vom Pflug is in Friesack eingerückt und hat die Stadt belegt; da haben die Kerle es mit der Angst gekriegt und gesagt, Burg Friesack wäre eingeschlossen und sie wollten nach dem Ihrigen sehn und fort find sie gewesen.

DIETRICH.

Burg Friesack eingeschlossen! Wenn's wenigstens gelogen wäre! Wer ihm das zugetraut hätte, dem Nürnberger Tandelmann! [312] Er tritt ans Fenster. Da drüben bei der Mühle – das ist sein Banner.

SCHWALBE.
Ja, gnädiger Herr; aber die da hinter ihm kenne ich nich.
DIETRICH.

Die hat er sich aus Franken mitgebracht: das ist der Hohenlohe und der von Uttenhofen. – Und da rechts, das sind die Bredows.

SCHWALBE.
Ja, die Bredows.
DIETRICH.
Und auf der anderen Seite –
SCHWALBE.
Das sind die Grafen von Lindow.
DIETRICH.
Und neben ihnen Kurt von Rohr. Und dann kommen die Städte – da links sehe ich Berlin.
SCHWALBE.
Und da rechts Brandenburg und Frankfurt.
DIETRICH.

Und nun auch Friesack die Stadt besetzt – sie haben uns eingekreist wie den Bären im Loch. – Es wird schon dunkel – sie stehen uns dicht auf dem Leibe, – glaubst du, daß sie zur Nacht einen Sturm versuchen?

SCHWALBE.
Da würden sie sich die Zähne ausbeißen. Nein, gnädiger Herr, aber was andres werden sie tun.
DIETRICH.
Was?
SCHWALBE.
Schießen werden sie –
DIETRICH.
Schießen –
[313]
SCHWALBE.
Seht Ihr nicht die große Donnerbüchse da drüben?
DIETRICH
düster hinausblickend.
Ja, ich seh's – ich seh's.
Ha – wie es dasteht auf den plumpen Tatzen,
Bis an den Bauch ins Erdreich eingewühlt.
Das ganze Ding nur Bauch und Schlund und Maul,
Nichts Edles dran. Nein, das ist keine Waffe!
Das ist nicht Kampf mehr! Kampf war Männerhandwerk
Und Mut entschied – jetzt wird der Kampf gemein,
Und feige Schlauheit lacht des dummen Mutes.
Tod war ein Held, frei wandelnd im Gefilde,
Jetzt ist's ein Mörder, lauernd im Versteck!
Du also bist das Sinnbild dieser neuen Zeit,
Vor der sich Quitzow beugen soll?
Unflät'ger Stoff, du brüllende Maschine,
Sprachrohr des Hasses, den die dumpfe Masse
Dem ritterlichen Mann ins Antlitz wirft!
Ich hasse dich! Aus allen Seelentiefen
Verachte ich die Zeit, die dich gebar!
Und soll ich sterben, nimm zum letzten Abschied
Du meinen Fluch: Wachse, vermehre dich
Du Ungetüm, aus deinem schwarzen Schoße
Krieche der Mord und eine Brut von Mördern!
Das jüngste deiner Kinder stets das schrecklichste
Und der Verschlinger seiner Vorderen!
So stampfe durch die Welt, bis daß im Menschen
Die Zeugungskraft der Menschheit du zertreten,
Die Leidenschaft! Bis nichts mehr übrigbleibt
Als der anschläg'ge Kopf, der im verborg'nen
Gifte ersinnt, bis du zum Welttyrannen,
Zum gräßlich seelenlosen ausgewachsen
Und bis die Menschheit, heulend dir zu Füßen,
Ihr eigenes Geschöpf zum Tod verflucht!
5. Auftritt
[314] Fünfter Auftritt
Ein Knecht kommt eilend durch die Mitte.

KNECHT.
Gnädiger Herr, gnädiger Herr! Draußen am Burgwall steht einer und will ins Tor –
DIETRICH.
Wer ist's? Habt Ihr ihn nicht erkannt?
KNECHT.
Es sieht aus wie ein Mann, aber ich glaube, es is die Polnische.
DIETRICH.

Barbara? Das ist nicht möglich. Aber sei's, wer es sei, ein einzelner kann uns nicht schaden; fort, laßt ihn ein.


Knecht ab.
DIETRICH
geht auf und ab.

Es kann nicht sein; ich habe sie heimgeschickt, als die Acht verkündet wurde, zu Jagello, ihrem Vater. Aber freilich, sie hat einen Kopf, der für sich denkt und ihr Herz geht seinen eigenen Gang.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Knechte mit Fackeln, da es inzwischen dunkel geworden ist, Barbara vom Kopf bis zu Fuße in einen weiten Reitermantel gehüllt, kommen durch die Mitte.

EIN KNECHT.
Hier ist der Fremde, gnädiger Herr
BARBARA
wirft den Mantel ab.
Hier ist der Fremde – Dietrich, kennst du ihn?
DIETRICH
breitet unwillkürlich die Arme aus.
Barbara, du?
BARBARA
stürzt sich in seine Arme.
Barbara hieß ich einst,
Freiheit ist heut mein Name und Errettung!
[315] Dich töten woll'n sie. Diese Deutschen? Dich?
Sie sollen dich nicht töten, Dietrich,
Solange Barbara, die Polin, lebt!
DIETRICH.
Wie dir der Atem fliegt, wie dir das Haar
Die Stirn umflattert – sag', wie drangst du ein,
Da rings die Burg umstellt?
BARBARA.
Durch Friesacks Gassen,
Die ganz voll Kriegsvolk, schlich ich, so verkleidet;
Deutsche zu überlisten ist nicht schwer.
DIETRICH.
Und kommst zu mir in dieser Todesstunde?
Mitten durch Schrecken und Gefahr? Ach, Weib,
Wenn Kön'ge solche Kinder zeugen,
Dann lern' ich Achtung vor den Königen!
BARBARA.
Sprich nicht von Tod! Ich komme, dich zu retten,
Mit dir zu schwelgen tief in deutschem Blut,
Mit dir zu jauchzen im Triumph der Rache!
Wisse, Dietrich,
Nicht über Quitzow soll er triumphieren,
Der Burggraf, dieser schale, nüchterne!
Nicht soll's gelingen ihm, die freie Welt
In seine dumpfe Ordnung einzupferchen!
Schon über seinem Nacken hängt das Schwert!
DIETRICH.
Sprich deutlich, holde Schwärmerin, sprich deutlich!
Ist's nur dein Herz, das du mir als Genossen
Zum Kampfe bringst?
BARBARA.
Hände und Waffen bring' ich:
Zehntausend Polen sendet dir Jagello!
DIETRICH
springt zurück.
Ha! Wenn das wäre!
[316]
BARBARA.
Dietrich, ja! Es ist!
Von Angermünde komm' ich hergeritten
Die fünfzehn Meilen; über Tag und Nacht;
Die Pommernherzöge sind losgebrochen,
Prenzlau und Angermünde halten sie,
Die ganze Uckermark in ihrer Hand!
Bis Liebenwalde schwärmen ihre Reiter,
Und stürmend naht, von Krakau ausgesendet,
Jagellos Feldherr Krodo, sich der Oder –
Dietrich, ein ganzes Heer voll Kraft und Grimm
Steht vor den Toren Brandenburgs!
Alles ist da, die Wolken hangen nieder,
Noch fehlt der Blitz! Dietrich, der Feldherr fehlt!
Dietrich, die Pommern haben dir vergessen
Jeglichen Schimpf! Jagello schickt dir Gruß!
Dietrich, mein Held, von Krakau bis Stettin
Von Schar zu Scharen rollend geht ein Name,
Den sie zum Führer heischen – kennst du ihn?
DIETRICH.
Ich kenne ihn! Ah, Freiheit, Braut und Weib!
Heut seh' ich dir leibhaftig ins Gesicht;
In diesem Weibe bist du mir erschienen!
Nun, Rache, überflute mich im Strom,
Bis daß mein Haß sich an dir satt getrunken!
Alles, was Hohenzollern feind ist, her zu mir!
Alles, was Brandenburg verabscheut, her zu mir!
Sie machten mich zum Wolf – zu mir, Ihr Wölfe!
Ich geb' Euch Futter, daß Ihr hundert Jahre
Zu reißen haben sollt!

Ein dröhnender Kanonenschuß rechts hinter der Szene, dessen Echo unter der Bühne nachhallt. Der Blitz des Feuers erhellt die Bühne.
DIE KNECHTE.
Das hat eingeschlagen!

Sie stürzen in Verwirrung durch die Mitte ab.
DIETRICH
schüttelt die geballte Faust gegen das Fenster.
Ja, brüllt und tobt! Noch lauter sollt Ihr brüllen,
Wenn Eure Türme, mit den Häuptern nickend,
Die letzte Stunde Euch verkündigen.
7. Auftritt
[317] Siebenter Auftritt
Die Knechte kommen durch die Mitte zurück; die Mitteltür bleibt offen hinter ihnen.

EIN KNECHT.
Gnädiger Herr! Die Kugel ist unten in den Turm gegangen und hat die Gewölbe entzweigeschlagen!
SCHWALBE
reißt eine Fackel von der Band.
Teufel, wenn das wahr ist!

Er öffnet das Gitter links, steigt links hinunter.
DIETRICH.
Laßt fallen und zerbersten, was verschlägt's?
Was schiert mich Friesack? Brandenburg ist mein!

Er winkt die Knechte heran.

Von Euch die Hälfte in den Stall hinaus!
Sattelt die Pferde; Ihr, die andere Hälfte,
Brandpfeile schießt nach Friesack in die Stadt.
Wir brechen aus, sobald das Feuer aufschlägt,
Mitten durch Friesack durch; noch heut zur Nacht
Sind wir in Liebenwalde, morgen abend
In Angermünde, und am dritten Tage
Zünd' ich den heil'gen Niklaus von Berlin
Als Fackel an, bei der Mark Brandenburg
Das Leichenhemd sich näht! Fort! An das Werk!
Dir, Konrad, geb' ich Auftrag: sei bereit,
Mit meinen besten Knechten, uns voran,
In Friesack einzubrechen, wenn es brennt!
KONRAD
der bis dahin regungslos gestanden hat.
Wer gibt mir Auftrag? Wer befiehlt mir? Was?
DIETRICH
verblüfft.
Was? Wer?
KONRAD
tritt dicht auf ihn zu.
Ah – Ihr? Wißt, Herr, ich kann nicht Polnisch.
DIETRICH.
Ist das jetzt Zeit zum Spaß?
[318]
KONRAD.
Es war doch etwa
Nicht Euer Ernst, als Ihr Euch unterstandet,
Mich, einen brandenburg'schen Edelmann,
Zum Slawenknecht zu dingen?

Er wendet sich zu den Knechten, die hinter ihn herum zur Mitte hinauswollen.

Hiergeblieben!
Wo wollt Ihr hin? Ich weiß, Ihr wollt nach Friesack,
Brandpfeile schießen – der Befehl ist tot!

Er tritt in die Mitteltür.

Quitzow steht hier!

Zeigt auf Dietrich.

Der dort hat sich den Namen
Nur angemaßt!
DIETRICH
wie betäubt.
Wer ist das – der dort spricht?
Mein Bruder –?
KONRAD.
Nicht mehr dein Bruder, ich entsetze dich
Des Brudernamens, ich entsetze dich
Des Namens unserer Ahnen, ich entsetze dich
Des brandenburgischen, des deutschen Namens,
Den du entehrt, da du ein Slawe wardst!
DIETRICH
greift ans Schwert.
Ha!
BARBARA
stürzt sich auf Dietrich.
Im Wahnsinn spricht er! Siehst du's nicht? Im Wahnsinn!
DIETRICH.
Wahnsinn'ge bindet man!
KONRAD.
Wahnsinnig war ich,
Als ich vor Brandenburgs gerechtem Grimm
Dich rettete! Wahnsinnig zweifach, dreifach,
Als ich den gottgesandten Hohenzollern
Um deinetwegen hingab!
Um deinetwegen, du Jagelloknecht!

Rechts hinter der Szene ein zweiter dröhnender Kanonenschuß.
8. Auftritt
[319] Achter Auftritt
Dietrich Schwalbe kommt von links, durch das Gitter eilend, mit allen Zeichen des Entsetzens.

SCHWALBE.
Da unten stehen die Toten auf! Es kommt etwas hinter mir her! Eilt auf die rechte Seite der Bühne.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Thomas Wins erscheint links am Gitter. Sein Haupt-und Barthaar ist wüst verwildert, seine Kleidung zerfetzt, Ketten hängen an seinem Leibe. Alle Anwesenden starren ihn an.

THOMAS WINS
erhebt beide Arme.
Lebend'gen Leibes eingesargt im Grabe,
Hab' ich auf dich gewartet, ew'ger Gott!

Sinkt in die Knie.

Ich lebe – atme – Retter und Erlöser,
Mein Dank betet dich an.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Ein Knecht erscheint in der Mitteltür.

KNECHT.
Gnädiger Herr! Draußen am Burgwall steht ein Abgesandter des Burggrafen mit der weißen Fahne –
DIETRICH.
Was will er?
KNECHT.
Ob Ihr Thomas Wins herausgeben wollt, das fragt er.
DIETRICH
wild lachend.
Das soll geschehn! Er kann ihn haben! Ja!
Bestellt' er auch, wie er ihn haben will?
Lebendig oder tot? Nichts? Sagt' er nichts?
Gut – so entscheid' ich: tot! Bereite dich

Zu Wins.

Zum Botengang – der Worte brauchst du nicht.

Er zieht das Schwert, will auf ihn losgehn.
[320]
KONRAD
springt zwischen Dietrich und Thomas Wins.
Töte den Mann nicht!
Sprich nicht von Mord! Blutfieber birgt die Stunde
Und Mord steckt an. –
Die Stunde will ein Ungetüm gebären.
Steck' ein das Schwert! Das Auge deines Stahls
Erweckt es! Fort das Schwert!
Dietrich – ich bitte dich – ich bitte dich –
DIETRICH.
Hinweg aus meinem Weg, du Faselhans!
Du Knecht des Hohenzollern! Schnöder Aussatz
Am Namen Quitzow –

Schlägt ihn.
KONRAD
stürzt sich mit einem Schrei auf Dietrich, packt ihn.
Mörder! In den Staub!
Herunter! Herunter!

Er zwingt Dietrich in die Knie.
DIETRICH
sich wütend wehrend.
Was – ist das –?
Wer gab – dem Buben solche Riesenkräfte –?
KONRAD
hält ihn mit eisernem Griff kniend zu Boden gedrückt.
Lern' Quitzows Hand! Dahin die Augen – dorthin!

Zeigt auf Thomas Wins.

Sieh diesen Überrest von einem Menschen,
Sieh diese Knochen, die kein Fleisch bedeckt,
Die tränenblinden Augen, diese Stirn,
Verwüstet von Verzweiflung, Bart und Haar
Gestrüpp geworden – sieh ihn an!
Und sieh in ihm das ganze Brandenburg!
Durch dich erwürgt, zertreten und gemordet!
Würger, du liegst vor deinem Vaterland!
Vor deinem Vaterland tu Buße! Buße!
DIETRICH
reißt sich los, springt taumelnd auf.
Tod dir für Schmach! Von allen Brandenburgern
Sollst du der erste meiner Rache sein!

Zieht das Schwert.
[321]
KONRAD
schleudert das Schwert, das er trägt, von sich, stürzt an die Wand links, reißt sein erstes Schwert herab, zieht.
Stahlzunge, die für Brandenburg geschworen,
Heraus aus deinem Rachen! Zeit ist da!
BARBARA
wirft sich mit ausgebreiteten Armen Konrad entgegen.
Euer Bruder! Es ist Euer Bruder!
KONRAD
stößt sie zur Seite.
Fort, Slawenbastard! Gib mir meinen Glauben
Mir wieder! Gib mein Vaterland mir wieder!
Mein Leben und mein Lebensglück gib wieder!
DIETRICH.
Ein einz'ges geb' ich dir: Das ist der Tod!

Dringt auf ihn ein.
KONRAD.
Erst du, dann ich!

Haut ihn mit einem Streiche nieder.
DIETRICH
fällt.
Brudermörder – sei – verflucht!

Stirbt.
Dumpfe, entsetzte Pause.
BARBARA
wirft sich auf Dietrich.
Dietrich!! – Und der Mörder lebt!
DIE KNECHTE.
Schlagt ihn tot! Schlagt ihn tot!

Wollen auf Konrad eindringen, der regungslos dasteht.
SCHWALBE
tritt gebieterisch zwischen Konrad und die Knechte.

Wer hebt die Hand wider Quitzow, wo Dietrich Schwalbe lebt? Er tritt vor Konrad, verneigt sich. Herr Konrad von Quitzow, der Ihr jetzt Gebieter auf Burg Friesack seid – Herr Dietrich, Euer Bruder liegt erschlagen in seinem Blut – der, welcher es getan, ist in Eurer Hand – was befehlt Ihr, daß mit ihm geschieht?

[322]
KONRAD
löst schweigend die Riemen seines Brustpanzers, wirft den Brustpanzer fort.
Du weißt, was ihm zu geschehen hat – tu deines Amts.

Er breitet beide Arme aus.
SCHWALBE
geht an die linke Wand, nimmt das Quitzowsche Banner ein roter Stern in weißem Feld, ein weißer Stern in rotem Feld herab, kommt zurück, drückt das Fahnentuch an die Lippen.

Das für die Quitzows, die da waren. Er küßt das Fahnentuch noch einmal. Das für die Quitzows, die da sind – Er zerreißt das Fahnentuch. das für die Quitzows, die da sein werden, Konrad – Konrad – Er zieht den Dolch von der Hüfte. Konrad! Er stößt Konrad den Dolch in die Brust.

KONRAD
sinkt langsam.
Ah –
SCHWALBE
kniet hinter ihm auf ein Knie nieder, so daß Konrads Haupt auf seinem Knie ruht.
Junker Konrad – ist das – Euer Blut?
KONRAD
legt die Hand auf Schwalbes Haupt.
Sei ruhig – Alter – du hast recht getan.

Schwalbe beugt schluchzend das Haupt nieder. Ein dritter Kanonenschuß rechts hinter der Szene, die Hinterwand des Saales fällt ein, Feuerschein dringt von hinten ein; Kriegsgeschrei aus der Ferne.
KONRAD.
Ich höre – ich höre – die Stimme Brandenburgs!
Fernher tönt sie – näher schwillt sie und wächst –

Das stürmende Geschrei nähert sich von rechts und links.
KONRAD
sich allmählich aufrichtend.
Ihr voran schreitet ein Name –
Wandelnd den ehernen Gang –
Die Zeit geht neben seinem Schritte her –
Tausend Zungen rufen ihn –
Tausend Herzen schlagen in ihm –

Geschrei in nächster Nähe.

Näher und näher –
Mächtig und mächtiger –
11. Auftritt
[323] Elfter Auftritt
Friedrich von Rittern umgeben, erscheint in der Mitteltür.

KONRAD
breitet beide Arme nach ihm aus.
Hohenzollern!
FRIEDRICH
tritt rasch heran, fängt ihn in seinem Arme auf.
KONRAD.
Hohenzollern!

Sinkt nieder, stirbt.
Der Vorhang fällt.

Ende.

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