Dritter Auftritt.
Volk, Herennianos der Vorsteher der Gemeinde mit den Presbytern und Diakonen, Apelles mit Persida und Tryphena Apelles ergraut, doch sonst in blühender Kraft, Persida noch jugendliche Matrone. Tryphena eben gereift, angesehene Palmyrener darunter Aurelius Wahballath alt, gebrechlich, auch Krieger mit ihren Hauptleuten alle aus der Kirche.
HERENNIANOS.
Drei Worte noch, Apelles, eh' du heimgehst;
Vor diesen allen, die hier Gott gedient.
Obwohl noch nicht der Unsre, warst du mit uns,
Die heilige Weihe dieses Gotteshauses
Mit anzuschaun, das deine Kunst erbaut,
Um meiner Schwester, deiner Persida,
Der Liebe Werk zu thun und ihr Gelübde
So zu vollbringen, wie nur du es konntest.
Sie nahm die Schätze, die die Welt ihr gab,
Dem Heiligen diese Stätte zu bereiten;
Du nahmst die Schätze deines Künstlergeistes
[108] Und schufst, von edler Gattenlieb' entflammt,
Ein Denkmal deines Nuhms! Die alte Form
Der weltlich römischen »Basilika«
Erfülltest du mit neuem Geist, erhöhtest
Die Säulenhalle zum erhabnen Raum,
Der im allheiligen Halbrund herrlich endet,
Gabst ihr der Decke Pracht, aus Zedernholz
Vom Libanon erbaut, und schmücktest Wand
Und Nisch' und Boden mit Musik der Farben,
Die, weltlich prangend, doch zum Heiligen leitet.
Dafür dich preisend, dank' ich dir –
APELLES.
Nicht mir,
Herennianos. Deiner Schwester danke:
Für meine Hausfrau that ich's – – nun, ihr kennt
Sie alle, jeder ehrt sie; ich, ihr Gatte,
Will sie nicht rühmen. Drum genug der Worte –
Und diese Hand zum Gruß!
Will gehn.
HERENNIANOS.
Noch eins, Apelles,
Wenn du vergönnst. Ein Wunsch aus Persidas
Liebreicher Seele, die an diesem Tag,
Der ihr Gelübd' erfüllt, den Frieden der
Versöhnung gern auf jeder Stirne sähe.
Seit jenem Zwist, der mit Aurelius
Wahballath dich entzweite, habt ihr nie
Euch Blick und Gruß gegönnt; die Sonne stieg
Und sank viel tausendmal, ihr bliebt verbindet.
Wahballath nun, dem Himmel zugewandt,
[109] Am Rand des Grabes, dürstet nach Versöhnung;
Und deine Hausfrau bittet –
APELLES
verfinstert.
Sie durch dich? – –
Ich hab' nicht euren Sinn, bekenn' ich dir,
Dem Feind die Hand zu reichen; hab' ich Grund, ihn
Zu hassen, hass' ich treulich; mag er leben,
Mir liegt er schon im Grab!
Persida nimmt Apelles' Hand, mit bittendem Blick.
Doch weil sie bittet,
An diesem Tag – und das nun alles ist,
Was von Aurelius übrig blieb – so nehm' er
Die Hand des Friedens hin!
AURELIUS.
Hab' Dank, Apelles.
Ergebnen, frommen Dank! – Ja, ja, hast recht:
Es blieb nicht viel mehr vom Wahballath übrig.
Ich bin nun nichts mehr: andre walten hier –
Gewiß um Besten dieser Stadt. Mein Geist
Ist nun der Stadt der Seligen zugewendet;
Lebt jenseits, jenseits! Jahr' und Leiden mahnen; –
Du bist noch rüstig – seltsam, wunderbar –
Wie keiner von den Alten. Doch der Tod
Vergißt uns nicht! – Septimius ging voran;
Mußt' alle seine Schätz' auf Erden lassen –
APELLES.
Ich weiß, ich weiß.
[110]AURELIUS.
Die Zeit ist fern: man kann wohl
Ein Wörtlein davon reden! Dieses Blatt hier
Ließ mir Septimius; als Erinnrungszeichen
Laß ich es dir nun: dir gehört's.
Ihn ein wenig beiseite nehmend, leiser.
Das schrieb
Für dich die schöne Phöbe, eh' sie starb; –
Ein frühes Ende; doch ein gottergebnes.
Nun kommt's denn doch noch – spät – in deine Hand.
Gibt ihm ein zusammengerolltes Blatt, das er aus seinem Gewand hervorgezogen; nimmt dann Apelles' Hand.
Noch einmal Dank, Apelles!
PERSIDA
von derselben Schauspielerin dargestellt, welche die Zoe und die Phöbe spielte; in Haltung und Ausdruck mehr der Zoe ähnlich, doch in matronenhafter Milde und Würde.
Auch den meinen.
APELLES.
Ich that's für dich.
Mit einem zärtlichen Blick auf die Tochter.
Und wenn Tryphena bat,
Mein junges Röslein, hätt' ich's auch gethan. –
Sie leuchtet wie die Rosen von Damaskus
Und Saron; duftet noch der Erde zu,
Lebt nicht im Reich des Friedens wie Aurelius.
Für frischen Kampf des Lebens glühn die Wangen –
Streichelt sie.
HERENNIANOS
ernst.
Im Dienst des Himmels, hoff' ich.
[111]TRYPHENA
verschlossen, sanft.
Ja, mein Oheim.
HERENNIANOS.
Folg deiner Mutter: dieses Vorbild gab dir
Ein gütiger Wille! – Zu des Tages Feier
Hat sie – in Liebeswerken unerschöpflich –
Auf eine Schar junger Mädchen aus dem Volke deutend.
Hier diese Jugend, die mit dir erblüht ist,
Gekleidet und geschmückt; ihr Mutterherz
Will vielen Glück bereiten. Irr' ich nicht,
So sinnt sie noch auf mehr –
PERSIDA
herzlich lächelnd.
Du hast's erraten.
Zu ihren Sklavinnen, die seitwärts stehn und warten.
Geht, bringt's heraus!
Die Sklavinnen ab ins Haus. Persida zu den jungen Mädchen, deren eines sie sanft umschlingt.
Ihr lieben Kinder sollt
Nicht ohne Gaben gehn, die freu'n und nützen.
Ihr bleibt!
HERENNIANOS
zum übrigen Volk gewendet.
Wir wandeln heim, im Frieden Gottes.
Leb' wohl, Apelles. – Du, Tryphena, geh
Mit deinem Oheim;
Rechts hinausdeutend.
Dort in meinem Haus
Laß uns ein Wort noch reden.
Zu dem Volk, das ihn beim Abschied umdrängt.
Seid gesegnet!
AURELIUS
zu Apelles.
Noch einmal Dank – und Frieden!
[112]APELLES
gelassen.
Jetzt und immer.
Herennianos mit Tryphena rechts ab, durch das Säulenthor; ein Teil des Volks, darunter Aurelius, folgt ihm, der andre entfernt sich nach links. Nur
Persida bleibt mit den jungen Mädchen im Hintergrunde; die Sklavinnen kommen zurück, mit gefüllten Körben und Bündeln, die Persida während des Folgenden unter die Mädchen verteilt. Apelles, im Vordergrund allein, öffnet das zusammengerollte Pergament, starrt eine Weile schweigend hinein. Dann, bewegt für sich.
So rinnt die Zeit hinweg; in Tropfen, langsam –
Zuletzt ein Meer, das uns vom Einstmals trennt.
Dies alterswelke Blatt beschrieb die Hand,
Die einst so süß mir wohl that, dann so weh;
Der armen Phöbe Hand – denn wie das Schicksal
Sie schuf, sich selbst ein unerforschlich Rätsel,
Nahm sie und gab sie Liebe, Schmerz und Tod.
Früh kam der rasche Tod; – doch nicht zu früh:
Nun lebt sie noch verklärt, entschuldigt im
Versöhnten Herzen –
In das Blatt hineinblickend, lesend.
Und ihr Scheidewort
Klingt wieder wie Gesang! – – Im Sterben rief sie
Den heiligen Trost der »frohen Botschaft« an,
Die Lehre des Erlösers; Christenwort
Beschwichtigte die bange junge Seele –
Dann flog sie jenem dunklen Ufer zu.
Wohin? Wo liegt's? Wie nennt sich's? Hat es Namen?
Ist's, wie das Leben selber, nur ein Traum?
Hier steh' ich – grau, nicht alt; im festen Bau
Unsterblich Mark, so scheint es; doch erfahren,
Beruhigt,
Lächelnd.
Weise – Lieb' und Leidenschaft
Dämmern so ferne – und der Zeiten Hammer
Rings um mich schmiedet eine neue Welt.
Du dort, der Tempel meiner Glückesgöttin,
[113] Du stehst verwundert, trauernd; hie begrüßt dich
Das Haus des neuen Gotts. Die Seelen wandeln
Sich wie die Zeiten; Welle folgt der Welle,
Meinung der Meinung, und vom Meer des Lebens
Umrauscht, ein einsam Schifflein, tauml' ich weiter!
Die Mädchen haben sich mittlerweile hinten nach rechts und links, die Sklavinnen ins Haus entfernt; Persida betrachtet den Apelles schon eine geraume Weile aus dem Hintergrunde. Jetzt tritt sie zu ihm und legt eine Hand leise auf seinen Arm; er fährt aus seinen Gedanken auf.
PERSIDA.
Es sind wohl ernste Dinge, die du denkst.
Ist dieses Blatt der Inhalt, glaube nicht,
Du müßtest mir verschweigen, was du denkst;
Ich weiß von Phöbe, hab' dein ganzes Leben
Dir nachgelebt, und fühl' es auch mit dir.
Wem du vergeben hast, hab' ich vergeben –
APELLES
auf das Blatt deutend.
Auch ist's ein Gruß nun wie von andren Sternen:
So weltenweit! – Doch damals litt ich, wie
Giftkranke leiden; nur der Mutter Herz
Befreit zu sehen, gab dem meinen Stärke; –
Und sie beglückt zu sehn, hätt' ich vielleicht
Der guten Chryse Tochter noch gefreit –
Da losch der Mutter freundlich Leben aus,
Ihr Wunsch mit ihr, und wieder einsam blieb ich
Mit meines Leids Gefährtin, meiner Kunst.
Und immer schaffend, sah ich dich als Kind
Lieblich und zart heranblühn; oft erstaunend,
Wie du der Phöbe glichst; – doch ernster, edler –
Doch auch ein heimlich Feuer tief im Aug',
[114] Das zu verheißen schien: entfache mich,
So werd ich brennen, wie's in Phöbe brannte –
Nur so vergänglich nicht! – Mir war, als wandle
Ihr Geist verklärt in dir; drum liebt' ich dich
Schon eh' ich's wußte; und du sah'st mich staunend
Mit großen Augen an, als du, die Knospe,
Die kaum erst aufbrach, zwischen Tau und Tag,
Den ernsten Mann von Liebe reden hörtest
Und fragen: willst du meine Hausfrau sein?
Du schmiegtest dich in deiner Mutter Arm,
Verschüchtert, fast geängstigt ... Doch das Feuer,
Es ward entfacht! Es kam ein Tag, da flogst du
In meinen Arm.
Nimmt ihre beiden Hände.
Und sonnige Jahre kamen –
Gleich Frühlingstagen, wo die Lerche weckt
Und Philomeles Lied die Nacht verkündet;
Gedämpfter.
Und Friedensjahre, die die Arbeit segnet –
Ihre Hände langsam wieder sinken lassend.
Und Jahre dann voll Eifer, Heiligkeit,
Aufwärts gekehrtem Trachten – gleich dem Adler,
Der sich emporschraubt in das Blau des Himmels,
Bis er dem Aug' des Sterblichen entschwindet!
PERSIDA.
Du sagst es lächelnd, doch mit Bitterkeit.
Mein Herr und Gatte! dient' ich je dem Himmel
So übertreu, daß ich der Lieb' und Treue
Vergaß, die dir gehört?
APELLES.
Hab' ich dich je
Verklagt? verkannt? – Das Schicksal fügt' es so!
[115] Es kam ein neuer Geist in deine Seele,
Nach Glaub' und Opfer dürstend; jenes Feuer
In dir ward Andacht, Himmelsglut – geschürt
Von Herennianos, deinem feurigen Bruder,
Dem »Knecht des Herrn«. Ich ließ die Freiheit, schwieg –
Doch Narben trag' ich; nun, wer trüg' sie nicht.
Die Frühlingstage kommen uns nicht wieder;
In unsrem Herbstlaub raschelt noch der Vogel,
Derselbe Vogel ist's – nur singt er nicht.
Genug. Gehn wir ins Haus!
PERSIDA.
Wie schwermutsvoll
Heut deine Stimme klingt. – Nun zag' ich schon,
Zu sagen, was ich wollte.
APELLES
freundlich.
Sprich.
PERSIDA.
O gib mir
Ein gutes Wort; dann hab' ich Mut!
APELLES
lächelnd.
Ich will
Dich »liebe Thörin« nennen, so zu bitten –
PERSIDA.
So hold gesagt, ist's gut! – Mein Freund und Gatte,
Du, der so liebreich
Auf die Basilika deutend.
mein Gelübd' erfüllte,
[116] Tritt über die Schwelle noch, die du gelegt,
Und trinke drin mit uns den Kelch des Lebens!
APELLES.
Persida! Persida!
PERSIDA.
Was rufst du so?
APELLES.
Und kennt denn nie das Weib den Mann? Ist alles,
Was wir bezeugen durch die That des Lebens,
Wie nicht gethan? – Der Wurm zu deinen Füßen
Bleibt, was er ist und sein muß, wie dein Fuß auch
Ihn dreh'n und wenden mag; und Mannessinn.
In Geistesfeu'r und Schicksalswind gehärtet,
Ist dir ein Wölkchen, das dein Hauch verändert?
Ich sollte sagen: »Weil sie bittet, glaub' ich,
Was ich nicht glauben kann«?
PERSIDA.
Apelles –
APELLES.
Laß mich!
Ich ließ dem Geist dich folgen, der dich führte,
Ich gab die Tochter deinem Glauben hin,
Ich baute diesen Tempel eures Gottes,
Weil Kunst und Weisheit, meine Göttinnen,
Mir dieses Werk der Liebe nicht verwehrten;
Doch wo ich lügen müßte, bet' ich nicht.
Ich kann das Leben keines andern leben,
[117] So auch sein Wort nicht sprechen; was der Abgrund
Des dunklen Schicksals trennt, das bleibt geschieden!
Er geht ab ins Haus. Persida blickt ihm in düstrer Schwermut nach.
PERSIDA.
»Das bleibt geschieden.« Ja, nach Gottes Willen.
Weh' uns, daß er's gewollt!