Zweites Capitel
Fortsetzung der Geschichte des Prinzen Biribinker
Ich will ihnen, fuhr Don Gabriel in seiner Erzählung fort, die manchfaltigen Betrachtungen erlassen, welche Biribinker unterwegs mit sich selbst anstellte, um ihnen zu sagen, daß er gegen Mittag, da die Hitze unerträglich zu werden anfing, an dem Eingang eines Waldes abstieg, und sich an den Rand eines kleinen Bachs setzte, der von Bäumen und Gebüschen umschattet war. Nicht lange so erblickte er eine Schäferin, die eine kleine Herde rosenfarber Ziegen vor sich her trieb, um sie an dem Bache zu tränken, wo Biribinker im Schatten lag.
Denken sie, Don Sylvio, wie groß seine Entzückung sein mußte, als er in dieser jungen Hirtin sein geliebtes Milchmädchen erkannte! Sie kam ihm noch zehenmal schöner vor, als da er sie das erstemal gesehen hatte; aber was ihn am meisten erfreute, war, daß sie an statt vor ihm zu fliehen immer näher herbei kam, und sich endlich, (wie es schien) ohne ihn zu bemerken, nicht weit von ihm ins Gras setzte. Der Prinz unterstund sich nicht sie anzureden, aber er sahe sie mit so durchdringenden feurigen Blicken an, daß die Steine im Bache bei nahe davon in Glas verwandelt worden wären. Die schöne Schäferin, welche sehr kalter Natur sein mußte, um von so kräftigen Blicken nicht geröstet zu werden, flochte indessen ganz gelassen einen Blumenkranz, und unterließ nicht von Zeit zu Zeit einen Seitenblick auf ihn zu werfen, worin er nichts weniger als Unwillen zu entdecken vermeinte. Dieses machte ihn so kühn, daß er näher zu ihr rückte, ohne daß sie es wahrnahm; den sie spielte eben mit einer kleinen Ziege, die an statt der Haare lauter Silberfaden hatte, und mit Blumenkränzen und rosenfarben Bändern aufs artigste geziert war. Seine Augen sagten ihr aus diesem neuen Stand-Punct nicht weniger schönes als zuvor, [293] und die ihrigen antworteten von Zeit zu Zeit so höflich, daß er sich endlich nicht länger halten konnte, sich zu ihren Füßen zu werfen, und ihr (nach seiner Gewohnheit) in sehr poetischen Redensarten zu wiederholen, was er vorher in einer weit verständlichern und überzeugendern Sprache gesagt hatte. Nachdem seine zärtliche Elegie zu Ende war, antwortete ihm die schöne Schäferin, mit einem Blick, welcher kaltsinniger anfing als aufhörte: Ich weiß nicht ob ich sie recht verstanden habe, wollten sie mir alle diese Weile her nicht sagen, daß sie mich lieb hätten? – Himmel! daß ich sie liebe! rief der entzückte Biribinker, sagen sie, daß ich sie anbete, daß ich meine schmachtende Seele zu ihren Füßen aushauche. Sehen sie, antwortete die Schäferin, ich bin nur ein ganz einfältiges Mädchen, ich verlange nicht, daß sie mich anbeten sollen, und sie sollen auch ihre Seele nicht aushauchen, denn ich denke nicht, daß sie zu viel davon haben; ich würde wohl zufrieden sein, wenn sie mich nur liebten. Aber ich gestehe ihnen, daß ich schwerer zu überzeugen bin, als die Fee, mit der sie die vergangene Nacht zugebracht haben – Götter! rief der bestürzte Prinz, was höre ich? – Wie ist es möglich – Wer kann ihnen – Woher wissen sie – ich weiß nicht was ich sage – O! unglückseliger Biribinker.
Die schöne Schäferin tat einen großen Schrei, ehe er diesen fatalen Namen noch ganz ausgesprochen hatte. Ja wohl unglückseliger Biribinker, rief sie aus, indem sie sich mit großer Hastigkeit vom Boden aufraffte; müssen sie mein Ohr schon wieder mit diesem schändlichen Namen beleidigen? Sie zwingen mich sie zu hassen und zu fliehen, da ich – Hier wurde die erzürnte Galactine plötzlich von einem Anblick unterbrochen, der dem Prinzen und ihr selbst auf einmal alle andere Gedanken benahm. Sie sahen einen Riesen auf sie zu kommen, der an statt eines Kranzes ein paar junge Eichbäume um den Kopf geflochten hatte, und sich unterm Gehen die Zähne mit einem Zaunpfahl ausstocherte. Er ging gerade auf die Schäferin zu, und donnerte sie mit einer so entsetzlichen Stimme an, daß mehr als zwei hundert Dohlen, die ihre Nester in seinem Bart hatten, mit großem Gekrächze heraus geflogen kamen. Was hast du hier, rief er, mit diesem kleinen Zwerg, Püppchen? Folge mir augenblicklich, oder ich hacke dich zu kleinen Pastetchen; und du, sagte [294] er zu dem Prinzen, indem er ihn in einen großen Sack steckte herein in meinen Sack; Nach diesem sehr laconischen Gruß schnürte er den Sack zu, nahm die Schäferin auf den Arm, und trabte davon. Biribinker glaubte in den leeren Raum gestürzt worden zu sein, denn er fiel und fiel immer fort, ohne daß es ein Ende nehmen wollte. Endlich kam er doch auf den Boden, aber stieß den Kopf so stark an einem Weberknopf an, daß er etliche Minuten ganz betäubt da lag, und die Hirnschale gebrochen zu haben glaubte. Nach und nach erholte er sich wie der, und da besann er sich an die Erbsen-Schote, die ihm Cristalline gegeben hatte; er brach sie auf, fand aber nichts als ein kleines Messer von Diamant mit einem Heft von einer Greifen Klaue, kaum so groß, daß man es mit drei Fingern fassen konnte. Ist das alles, dachte er, was die Fee Cristalline für mich tut? Was will sie, daß ich mit diesem Spielzeug machen soll? Es ist kaum groß genug, daß ich mir die Kehle damit abschneiden könnte und vielleicht ist das auch ihre Meinung. Aber man muß doch alles andere vorher versuchen, ehe man sich die Kehle abschneidt. Ich kann mit diesem Messerchen ein Loch in den Sack bohren, ob es gleich Mühe kosten wird, und wenn ich schon einen Sprung wagen muß, so will ich doch lieber alles wagen als Gefahr laufen, daß dieser verfluchte Popanz kleine Bratwürstchen für seine Popänzchen aus mir macht. In dieser großmütigen Entschließung arbeitete der Prinz Biribinker, oder vielmehr das kleine Messer, worauf ein Talisman eingegraben war, so nachdrücklich, daß er in kurzer Zeit eine ziemliche Öffnung in den Sack machte, ungeachtet die Fäden des Gewebes so dick waren wie ein Anker-Seile. Er bemerkte, daß die Reise eben durch einen Wald ging, und dachte seine Zeit so gut in Acht zu nehmen, daß er, indem er sich aus dem Sack heraus stürzte, an dem Wipfel eines hohen Baums sich halten könnte. Diesen Anschlag setzte er ungesäumt ins Werk, ohne daß es der Riese gewahr wurde; allein der Ast, an den er sich halten wollte, brach mit ihm, und der gute Biribinker fiel in ein ziemlich tiefes marmornes Brunnen-Becken voll Wassers, welches zu allem Glück unter ihm lag, denn was er für einen Wald angesehen hatte, befand sich ein sehr schöner Park, der zu einem nicht weit davon gelegenen Schloß gehörte. Er dachte, indem er untertauchte, [295] zum wenigsten in das Caspische Meer gefallen zu sein, oder besser zu sagen, er dachte gar nichts, so betäubt von Schrecken lag er da, und vermutlich würde er in seinem Leben das Trockne nicht wieder gesehen haben, wenn nicht eine Nymphe, die sich eben in diesem Brunnen badete, zu seiner Rettung herbei geschwommen wäre. Die Gefahr, worin sie einen so schönen jungen Menschen sah, machte sie vergessen, in was für einem Zustande sie selbst war, und in der Tat hätte er leicht ertrinken können, ehe sie ihre Kleider angezogen hätte. Kurz, Biribinker fühlte, da er zu sich selbst kam, daß sein Gesicht an dem schönsten Busen lag, der jemals gewesen ist, und da er die Augen auftat, sahe er sich am Rande eines großen Brunnens in den Armen einer Nymphe, die ihm, in dem ungekünstelten Aufzug, worin er sie sah, beim ersten Anblick so viel und noch mehr Leben wieder gab, als er brauchte.
Dieses Abenteuer setzte ihn in ein so angenehmes Erstaunen, daß er kein Wort hervor bringen konnte. Allein die Nymphe merkte kaum, daß er wieder lebte, so riß sie sich von ihm los, und sprang ins Wasser. Biribinker, der sich einbildete, daß sie ihm entfliehen wolle, erhub ein so klägliches Geschrei, als ein kleiner Junge nur immer machen kann, wenn man ihm eine neue Puppe nehmen will. Die schöne Nymphe war wohl sehr weit von einem so grausamen Vorhaben entfernt; denn in wenigen Augenblicken sah er sie schon wieder mit einem Rücken, der die Lilien an Glanz übertraf, aus dem Wasser hervor ragen. Sie hob den Kopf ein wenig empor, aber kaum erblickte sie den Prinzen, so tauchte sie wieder unter, und plätscherte unter dem Wasser fort, bis sie an die andere Seite des Brunnens kam, wo ihre Kleider lagen. Allein da sie sah, daß ihr der Prinz folgte, erhub sie sich mit halbem Leib, aber ganz in ihre lange gelbe Haare eingehüllt, die ihr in dichten wallenden Locken bis zu den Füßen herab flossen, und seinen lüsternen Augen den Anblick von Schönheiten entzogen, welche fähig waren, einen Titon zu verjüngen.
Sie sind sehr unbescheiden, Prinz Biribinker, sagte sie, daß sie sich in solchen Augenblicken aufdringen, da man allein sein will.
Vergeben sie mir, schönste Nymphe, antwortete der Prinz, [296] wenn mir ihre Bedenklichkeiten ein wenig unzeitig vorkommen; nach dem Dienst, den sie mir so großmütig geleistet haben, dächte ich – –
Man sehe doch, rief die Nymphe aus, was für einen Übermut diese Mannsleute haben! Man untersteht sich nicht ihnen die mindeste kleine Höflichkeit zu erzeigen, ohne daß sie ihre Glossen darüber machen; und ein bloßes Werk der Großmut und des Mitleidens ist in ihren Augen schon eine Aufmunterung, wodurch sie berechtiget zu sein glauben, sich Freiheiten mit uns heraus zu nehmen. Wie? weil ich gütig genug gewesen bin, ihnen das Leben zu retten, so glauben sie vielleicht – –
Sie sind sehr grausam, unterbrach sie der Prinz, daß sie dasjenige einem unbescheidenen Übermut beimessen, was eine notwendige Würkung der Zauberei ihrer Reizungen ist. Wenn sie mir das Leben wieder nehmen wollen, das sie mir gerettet haben (denn wer kann sie gesehen haben, und die Beraubung eines so entzückenden Anblicks ertragen?) so töten sie mich wenigstens auf eine großmütige Art; machen sie ein Denkmal ihrer alles bezwingenden Schönheit aus mir, und lassen mich hier in ihrem Anschauen zum Marmorbilde erstarren.
Sie haben, wie ich höre, eine hübsche Belesenheit in den Poeten, versetzte die Nymphe; wo nahmen sie doch diese Anspielung? – War nicht einmal eine gewisse Medusa – Sie haben ihren Ovidius gelesen, das ist gewiß, und man muß gestehen, daß sie ihrem Schulmeister Ehre machen.
Grausame! rief Biribinker mit Ungeduld, was für ein Belieben finden sie, die Sprache meines Herzens, welches keinen Ausdruck für seine Empfindungen stark genug findet, mit den Figuren eines schülerhaften Witzes zu verwechseln? – Sie nehmen ihre Zeit sehr übel, wenn sie disputieren wollen, fiel ihm die Nymphe ein, sehen sie denn nicht, wie viel Vorteile ich in dem Element, worin ich bin, über sie habe? Aber ich bitte sie, gehen sie hinter diese Myrthen-Hecken, und erlauben sie mir, daß ich mich ankleide, wenn sie so gut sein wollen – Würde es aber nicht großmütiger von ihnen sein, wenn sie mir erlaubten, daß ich sie ankleiden hülfe? – Glauben sie das? erwiderte die Nymphe; ich danke ihnen für ihre Dienstfertigkeit; aber ich möchte ihnen nicht gerne Mühe machen, und sie sehen auch, [297] daß ich Leute genug habe, die diese Arbeit besser gewohnt sind als sie.
Mit diesen Worten blies sie in ein kleines Ammons-Horn, so ihr an einer Schnur der größten und feinsten Perlen am Halse hing, und in einem Augenblick erfüllte sich der ganze Brunnen mit jungen Nymphen, die plätschernd aus dem Wasser herauf fuhren, und einen Kreis um ihre Gebieterin machten. Biribinker konnte sich jetzt noch weniger entschließen als zuvor auf die Seite zu gehen; aber die Nymphen erblickten ihm kaum, so spritzten sie ihm eine solche Menge Wassers ins Gesicht, daß er, aus Furcht ein anderer Actäon zu werden, so eilfertig davon lief, als ob er schon Hirschläufte hätte. Er fühlte sich alle Augenblicke an die Stirne, da er aber weder Geweih noch Sprossen merkte, so schlich er wieder zurück, um hinter den Myrthen-Hecken der Ankleidung seiner schönen Nymphe zuzusehen. Allein er kam schon zu spät, die Nymphen waren wieder verschwunden, und indem er hinter der Hecke hervor gehen wollte, fehlte es nicht viel, daß er mit dem Kopf an die Stirne seiner Erretterin angeschlagen hätte; die im Begriff war, ihn zu suchen. Er erstaunte ungemein, da er sie sahe. Wie? Madame, rief er aus, nennen sie das angekleidet sein?
Warum nicht? antwortete die Nymphe; sehen sie denn nicht, daß ich in einen siebenfachen Schleier von Leinwand eingewickelt bin? – Das gestehe ich, sagte der Prinz; wenn das Leinwand ist, so möchte ich wohl denjenigen sehen, der sie gewebt hat; denn das feinste Spinnen-Gewebe ist Segeltuch gegen dieses. Ich hätte geschworen, daß es Luft wäre. Es ist die feinste Art von gewebtem Wasser, versetzte sie, von einer Art trocknem Wasser, welches von Polypen gesponnen, und von unsern Mädchen gewebt wird; es ist die gewöhnliche Kleidung, die wir andern Ondinen zu tragen pflegen. Was für eine andere wollen sie, daß wir haben sollen, da wir uns weder vor Frost noch Hitze zu verwahren brauchen? Der Himmel verhüte, sagte Biribinker, daß ich ihnen eine andere wünsche; aber mich deucht, wenn sie es nicht ungnädig nehmen wollen, sie hätten vorhin nicht nötig gehabt, so viel Umstände zu machen, wie sie aus dem Bade steigen wollten – Hören sie, mein Herr von Honigseim, sagte die Nymphe mit einem kleinen spöttischen Naserümpfen, das [298] ihr sehr gut ließ; wenn ich ihnen raten dürfte, so gewöhnten sie sich das moralisieren ab, denn es ist gerade das, worauf sie sich am wenigsten verstehen. Wissen sie denn nicht, daß der Gebrauch über die Anständigkeit entscheidet? Man sieht wohl, daß sie die Welt nie anders als in einem Bienen-Korbe gesehen haben, und sie würden sehr wohl tun, wenn sie nach dem Rat des weisen Avicenna über nichts urteilten, was sie zum erstenmal sehen. Aber lassen sie uns von etwas anderm reden. Sie haben noch nicht zu Mittag gegessen, nicht wahr? und so verliebt sie immer, mit gewissen Ausnahmen, in ihr Milchmädchen sind, so weiß ich doch wohl, daß sie nicht gewohnt sind, von Seufzern zu leben.
Nach diesen Worten blies sie wieder in ihr kleines Ammonshorn, und augenblicklich stiegen drei Nymphen aus dem Brunnen hervor. Die erste brachte einen kleinen Tisch von Bernstein, der von drei Gratien empor gehoben wurde, die aus einem einzigen Amethyste geschnitten waren. Die andere breitete eine Matte von den feinsten gespaltenen Binsen darüber aus, und die dritte trug ein Körbchen auf dem Kopfe, aus dem sie verschiedene bedeckte Muscheln auf den Tisch stellte. Man sagt mir, sie essen nichts als Honig, sprach die Nymphe zu Biribinker, sie sollen einen kosten, der nicht der schlimmste ist, ob er gleich aus lauter Seegewächsen gezogen wird. Der Prinz versuchte ihn, und fand ihn so gut, daß er bei nahe die Schale mit verschluckt hätte. Wie sie abgespeist hatten, erschienen zwo andere Najaden mit einem kleinen Schenktisch von Saphir, der mit einer Menge Trinkschalen aufgesetzt war. Sie waren alle aus gediegenem Wasser geschnitzt, hart wie Diamant, durchsichtig wie Cristall, und wie es schien mit lauter Brunnenwasser angefüllt. Aber wie Biribinker davon kostete, befands sichs, daß die besten persischen Weine Phlegma dagegen waren. Gestehen sie, sagte die Ondine, daß sie hier nicht schlimmer sind, als bei der Fee Cristalline, bei der sie die vergangene Nacht zugebracht haben.
Sie sind allzubescheiden, schönste Ondine, antwortete der Prinz, daß sie sich mit einer Fee vergleichen, die in allen Stücken so weit unter ihnen ist.
Wieder übel geschlossen! erwiderte die Nymphe; ich sagte [299] das nicht aus Bescheidenheit, sondern nur, um zu hören, was sie mir darauf antworten würden.
Aber ich bitte sie; meine Göttin, sagte der Prinz, wie geht es zu, daß sie so gute Nachrichten von mir haben? So bald sie mich sehen, nennen sie mich bei meinem Namen – Sie sehen daraus, antwortete die Nymphe, daß ich eine so gute Kennerin bin als die Fee Cristalline – »Sie wissen, daß ich in einem Bienen-Korb erzogen worden bin« – das riecht man ihnen auf zwanzig Schritte weit an-»daß ich ein Milchmädchen liebe« – O! ja, wie man noch nie geliebt hat, und daß sie noch verliebter sind, seit dem sie eine Schäferin worden ist; und wer weißt, wie weit sie ihr Glück getrieben hätten, wenn nicht der Riese Caraculiamborix – Aber haben sie keinen Kummer; sie sollen sie wieder sehen, und so glücklich sein, als man in Besitz eines Milchmädchens nur immer sein kann.
O! rief Biribinker, bei dem die Getränke der Ondine mächtig zu würken anfingen, kann man etwas anders zu sehen oder zu besitzen wünschen, nachdem man sie gesehen hat, göttliche Ondine? Ich erinnere mich nur nicht mehr, daß ich vorher Augen hatte, und der Augenblick, da ich sie zum erstenmal sah, ist der Anfang meines Daseins. Ich kenne und wünsche mir keine andere Glückseligkeit, als zu ihren Füßen von dem Feuer verzehrt zu werden, das ihr erster Blick in meiner Brust entzündet hat.
Prinz Biribinker, antwortete die Ondine, sie haben einen schlimmen Lehrmeister in der Redekunst gehabt; Ich hätte gedacht, die Fee Cristalline sollte ihnen die lächerliche Meinung benommen haben, daß man uns Unsinn vorsagen müsse, um uns die Heftigkeit seiner Leidenschaft zu beweisen. Ich wette was sie wollen, daß es nicht wahr ist, daß sie zu meinen Füßen verzehrt zu werden wünschen; glauben sie mir, ich weiß besser was sie wünschen, und sie würden mehr dabei gewinnen, wenn sie natürlich mit mir reden wollten. Diese schwülstige Sprache, die sie sich angewöhnt haben, ist vielleicht gut, Milchmädchen zu rühren; aber, lassen sie sich ein für allemal sagen, daß man uns nicht nach einerlei Methode behandeln muß. Ein Frauenzimmer, das den Averroes so lange studiert hat, wie ich, wird durch keine poetische Blümchen gewonnen; man muß uns [300] überzeugen können, wenn man uns rühren will, und die Macht der Wahrheit ist das einzige, was uns nötigen kann, uns zu ergeben.
Biribinker war es zu sehr gewohnt von den Damen, denen er in die Hände fiel, gehofmeistert zu werden, als daß er sich durch einen Verweis hätte kleinmütig machen lassen sollen, der ihm die Mittel zeigte, wodurch man bei den Schülerinnen des Averroes glücklich werden kann; und in der Tat fühlte er, daß es ihn weit weniger Mühe kosten werde, sie durch die Energie der Wahrheit, als durch spitzfündige und schwülstige Liebes Erklärungen zu überwältigen. Die Reizungen der Ondinen übertreffen, nach dem vollgültigen Zeugnis des Grafen von Gabalis, alles, was den Besitz der schönsten unter den Töchtern der Menschen begehrenswürdig macht. Kurz, Biribinker wurde nach und nach so natürlich und überzeugend, als sie es nur wünschen konnte, und ob sie gleich eine genaue Beobachterin dessen war, was man Gradationen nennt, so wußte sie doch die Zeit so gut einzuteilen, daß es eben Nacht wurde, wie der Prinz die Überzeugung bis zu derjenigen Evidenz trieb, die keinen Zweifel übrig läßt. Die Geschichte sagt weiter nichts von dem, was zwischen ihnen vorgegangen, als daß sich Biribinker des Morgens, da er erwachte, zu seinem nicht geringen Erstaunen, auf eben dem Ruhebette, in eben dem Zimmer, in eben dem Palast, und in dem nämlichen Zustande befand, worin er des Morgens zuvor gewesen war.
Die schöne Ondine, welche, man weißt nicht warum? sich nicht weit von ihm befand, merkte kaum, daß er erwacht war, als sie ihn, mit einer Anmut, die ihn vor etlichen Stunden eben so sehr entzückt hatte, als sie ihn jetzt gleichgültig ließ, also anredete: Das Schicksal, mein lieber Biribinker, hat sie dazu ausersehen, sich unglückliche Feen verbindlich zu machen. Da ich das Vergnügen habe, eine davon zu sein, so ist es billig, daß ich sie berichte, wer ich bin, und wie viel ich ihnen zu danken habe. Wissen sie also, daß ich eine von denjenigen Feen bin, die man Ondinen nennt, weil sie das Element des Wassers bewohnen, aus dessen subtilesten Atomen ihr Wesen zusammen gesetzt ist. Man nannte mich Mirabella, und der Stand einer Fee mit dem Rang, den mir meine Geburt unter den Ondinen gab, hätte [301] mich glücklich machen können, wenn irgend etwas fähig wäre, uns gegen die Einflüsse eines feindseligen Gestirns zu schützen. Das meinige verurteilte mich, von einem alten Zauberer geliebt zu werden, dem seine tiefe Wissenschaft eine unbegrenzte Gewalt über die elementarischen Geister gab. Allein bei allem dem war er der unangenehmste Mensch von der Welt, und ohne die Freundschaft eines Salamanders, der ein Günstling des alten Padmanaba war – –
Wie? rief der Prinz, Padmanaba, sagen sie? der Mann mit dem schneeweißen Ellenlangen Bart, der arme Mädchens, die Langeweile haben, in Nachtgeschirre und kurzweilige Gnomen in Hummeln verwandelt?
Eben dieser, versetzte die Ondine, war es, der sich die Rechte eines Ehemanns über mich anmaßte, ohne zu den Pflichten dieses Characters die mindeste Tüchtigkeit zu haben. Eine meiner Vorgängerinnen, die er in den Armen eines häßlichen Gnomen überraschte, hatte ihn so mißtrauisch gemacht, daß er auf seinen eigenen Schatten eifersüchtig war. Er hatte alle Gnomen abgeschafft, und dafür lauter Salamander angenommen, deren feurige Natur, wie er dachte, geschickter war, Schrecken als Liebe einzuflößen. Sie erinnern sich ohne Zweifel aus ihrem Ovidius an die schöne Semele, die in der Umarmung eines Salamanders zu Asche wurde. Aber der gute Alte vergaß mit aller seiner Vorsichtigkeit, daß die wässerichte Natur der Ondinen sie vor einer solchen Gefahr vollkommen sichert, und das gedämpfte Feuer der Salamander zu einer sanften Hitze mäßiget, die der Liebe nicht wenig günstig ist. Padmanaba verließ sich so völlig auf seinen Günstling, daß er uns alle Freiheit ließ, die wir nur wünschen konnten. Sie bilden sich vielleicht ein, Prinz Biribinker, daß wir uns diese Gelegenheit nach der Weise materieller Liebhaber zu Nutze gemacht haben würden; aber sie irren sich. Flox, so hieß mein Freund der Salamander, war zu gleicher Zeit der zärtlichste und der geistigste Liebhaber von der Welt. Er merkte gleich, daß mein Hetz nur durch den Verstand gewonnen werden könne, und trieb seine Gefälligkeit gegen meine Delicatesse so weit, daß er gar nicht einmal zu bemerken schien, daß ich, wie sie sehen, eine ziemlich feine Haut, eine nicht ganz gleichgültige Figur, und [302] ein paar niedliche kleine Füßchen hatte, mit denen ich im Notfall so fertig zu reden wußte, als eine andere mit den Augen. Mit einem Wort, er ging mit mir um, als ob ich lauter Geist gewesen wäre. An statt wie andere Liebhaber mit mir zu tändeln, analysierte er mir die geheimnisvollen Schriften des Averroes; wir sprachen ganze Tage lang von unsern Empfindungen, und ob es gleich im Grund immer eben dieselbigen waren, so wußten wir ihnen doch so vielerlei Wendungen zu geben, daß wir immer etwas neues zu sagen schienen, wenn wir in der Tat immer einerlei sagten. Sie sehen, mein Prinz, daß nichts unschuldigers sein konnte, als unsere Freundschaft, oder, wenn sie es so nennen wollen, unsere Liebe. Und doch konnte uns weder die Lauterkeit unsrer Absichten, noch die Vorsichtigkeit einer jungen Gnomide, die in meinen Diensten, und in der Tat, ein dummes kleines Ding war, vor den boshaften Beobachtungen so vieler Augen, die der Neid auf uns offen hielt, sicher stellen. Verschiedene Salamander, von den Vorzügen beleidigt, die ich meinem Freund über sie gab, unterstunden sich, über unsern Umgang gewisse Glossen zu machen, die sich (ihrem Vorgehen nach) auf gewisse Vertraulichkeiten gründeten, die sie zwischen uns wahrgenommen haben wollten. Der eine bemerkte, daß ich außerordentlich munter sei, und daß ein gewisses Feuer in meinen Augen blitze, welches lange Zeit darin erloschen gewesen war; ein anderer konnte nicht begreifen, daß meine Lust zur Philosophie groß genug sein könne, um mir so gar in meinem Schlafzimmer Lectionen darin geben zu lassen; ein dritter wollte eine gewisse Sympathie unserer Knien und Ellenbogen, und ein vierter ich weiß nicht was für ein geheimes Verständnis zwischen unsern Füßen entdeckt haben. Sie sehen, mein Prinz, daß, wenn auch in einer von den Zerstreuungen, denen die metaphysischen Seelen am häufigsten unterworfen sind, etwas dergleichen vorgegangen wäre, man doch die Bosheit und materielle Denkungs-Art unserer Feinde haben mußte, um solche Kleinigkeiten zum Nachteil einer Tugend auszudeuten, die sich jederzeit durch die strengsten Grundsätze in der Sittenlehre in einem festgesetzten Ansehen erhalten hatte.
Inzwischen wurde das Gemurmel unserer Mißgünstigen so laut, daß es endlich auch vor den alten Padmanaba kam, der nur [303] allzu geneigt war, dergleichen Eingebungen ein aufmerksames Ohr zu leihen. Er wurde desto stärker dadurch aufgebracht, je größer die Meinung gewesen war, die er von meiner Tugend oder wenigstens von der Kälte meines Bluts gefaßt hatte. Man machte einen Anschlag, uns zu überraschen, und es gelung endlich unsern Feinden, uns in einer von den obgedachten Zerstreuungen anzutreffen, die, zum Unglück, stark genug war, daß wir etliche Augenblicke den Gebrauch unserer Sinne verloren zu haben schienen. Die donnernde Stimme des furchtbaren Padmanaba weckte mich endlich aus einer Art von Entzückung, worin es sehr unangenehm ist, unterbrochen zu werden, sie können sich vorstellen, ob ich betroffen war, da ich in einem so delicaten Umstand, mich von so vielen Augen beleuchtet sah. Indes verließ mich doch die Gegenwart des Geistes nicht ganz; ich bat meinen alten Gemahl, mich nicht eher zu verurteilen, bis er meine Rechtfertigung gehört hätte, und war im Begriff, ihm aus dem siebenten Capitel der Metaphysik des Averroes zu beweisen, wie betrüglich das Zeugnis der Sinne sei, als er mich mit diesen Worten unterbrach: Ich habe dich zu sehr geliebt, Undankbare, als daß ich fähig wäre, die Rache an dir zu nehmen, die meine beleidigte Ehre fordert. Deine Strafe soll nichts anders als eine Probe der Tugend sein, an welche du noch Ansprüche zu machen verwegen genug bist. Ich verbanne dich, fuhr er fort, indem er mich mit seinem Stab berührte, in die Bezirke des Parks, der dieses Schloß umgibt; behalte deine Gestalt und die Vorrechte deines Feen-Standes, aber verliere beides, und verwandle dich in das häßlichste Crocodil, so oft du mit jemand, wer er auch sei, in eine Zerstreuung fällst wie diejenige war, worin ich dich hier gefunden habe. Wie sehr bedaure ich, daß es nicht in meiner Gewalt ist, diese Bezauberung unauflöslich zu machen! Aber die Zukunft wird, wie ich besorge, einen Prinzen hervor bringen, dessen wunderbares Gestirn aller meiner Macht Trotz bietet.
Alles, was ich tun kann, ist, die Auflösung meiner Bezauberungen an die Talismanische Kraft eines so seltsamen Namens zu binden, daß er vielleicht in vielen Jahrtausenden in keiner Sprache des Erdbodens wird gehört werden. Nachdem Padmanaba diese geheimnisvollen Worte gesprochen hatte, ward ich[304] durch eine unsichtbare Gewalt in den Brunnen versetzt, wo sie mich zuerst gesehen haben, und bald darauf erfuhr ich, daß der Alte aus Verdruß über meine vermeinte Untreue das Schloß verlassen habe, ohne daß man wisse, was aus ihm oder meinem geliebten Salamander geworden sei. Ich war untröstbar über den Verlust des letztern, und machte meinen Nymphen etliche Tage lang so abscheuliche Gesichter, daß einige davon in Gichter fielen, und andere vor Angst auf der Stelle nieder kamen. Allein wie kein heftiger Schmerz langwierig sein kann, so währete auch der meinige nur so lange, bis ich mich erinnerte, daß mir Padmanaba doch ein Mittel gelassen hatte, die Ehre meiner Tugend zu retten. Was soll ich ihnen sagen, Prinz Biribinker? Mehr als fünfzig tausend Prinzen und Ritter haben seit mehr als einem Jahrhunderte das Abenteuer vergeblich unternommen, das sie allein fähig waren, zu Stande zu bringen. Von was für Klagen, was für Verwünschungen erschallte nicht dieser Wald, wenn diese Unglücklichen statt einer reizenden Nymphe, die sie umfangen wollten, plötzlich ein ungeheures Crocodil der Abscheu, den eine so demütigende Erinnerung mir verursacht, läßt mich nicht weiter reden; es ist wahr, diese häßliche Verwandlung hörte sogleich wieder auf, aber jeder neuer Versuch, den sie machen wollten, sie aufzulösen, hatte jedesmal den nämlichen Erfolg. Dieser Brunnen, welcher ehemals die gewöhnliche Größe hatte, ist allein durch ihre Tränen so groß und tief geworden, daß er, wie sie gesehen haben, einem kleinen See ähnlich sieht; und viele, die sich aus Verzweiflung hinein stürzten, würden einen feuchten Tod darin gefunden haben, wenn meine Nymphen sie nicht aufgefangen, und wieder mit dem Leben ausgesöhnt hätten. Sie allein, glücklicher Biribinker, waren mächtig genug, eine Bezauberung zu vernichten, die mich in die traurige Notwendigkeit setzte, so viele tausende zu Zeugen meines Unglücks zu machen. – –
Aber eben das ist etwas, das ich noch nicht recht einsehe, sagte der Prinz. Wozu hatten sie alle diese Zeugen nötig? Mir deucht, die Ehre ihrer Tugend, wie sie es nennen, wäre am besten gerechtfertiget worden, wenn sie sich nie in den Fall gesetzt hätten ein Crocodil zu werden. So schließen sie und ihres gleichen, erwiderte Mirabella. Sagen sie mir einmal, was für Ehre kann [305] eine erzwungene Tugend machen? Welches Frauenzimmer ist nicht fähig, ihren Begierden Gewalt anzutun, wenn sie zu gleicher Zeit die Unmöglichkeit, sie zu befriedigen, und eine schimpfliche Strafe vor Augen sieht? Aber der Liebe zur Tugend die Furcht der Schande, ja in gewissem Sinn die Tugend selbst aufopfern, das ist ein Grad von moralischem Heldenmut, dessen nur die edelsten Seelen fähig sind.
Erklären sie mir doch das deutlicher, sagte Biribinker, ich bin sonst eben nicht der dummste, aber ich will gehangen sein, wenn ich ein Wort von allem, was sie da sagten, verstanden habe.
Unsere Tugend, erwiderte die Fee, ist nur alsdann ein Verdienst, wenn es in unserer Willkür stehet, ob wir sie behalten oder verlieren wollen. Lucretia würde nie als ein Muster der Keuschheit aufgestellt worden sein, wenn sie den jungen Tarquinius in die Unmöglichkeit gesetzt hätte, einen Versuch auf ihre Ehre zu machen. Eine alltägliche Tugend würde ihr Schlafzimmer verriegelt haben; die erhabene Lucretia ließ es offen. Sie tat noch mehr, sie ergab sich so gar, um Gelegenheit zu haben, durch das große Opfer, das sie der beleidigten Tugend brachte, der Welt zu zeigen, daß der kleinste Flecken, der ihren Glanz verdunkelt, mit Blut ausgelöscht zu werden verdient.
Sie sehen aus diesem Beispiel, mein Prinz, wie weit die geläuterte Denkart großer Seelen über die gemeinen Begriffe des moralischen Pöbels erhaben ist. Um eine Bezauberung aufzulösen, die meiner Tugend ihren größten Wert, die Freiwilligkeit und das Vergnügen der besiegten Schwierigkeit raubte, mußte ich mich so oft in den Fall setzen sie zu beleidigen, bis ich denjenigen gefunden hatte, der mich von einer Strafe befreien konnte, wovon die bloße Vorstellung meiner edlen Denkungsart unerträglich war. Nun verstehen sie mich doch, hoffe ich?
Unvergleichlich, rief Biribinker aus, sie erklären sich immer dunkler. Aber das muß ich gestehen, daß sie, wenn sie es nicht übel nehmen wollen, die allersonderbarste Preciöse sind, die man vielleicht jemals in der Welt gesehen hat. Was sagen sie, versetzte die schöne Ondine sehr lebhaft? Wie? eine Preciöse? ich? eine Preciöse, sagen sie? Wahrhaftig sie kennen mich sehr schlecht, oder sie müssen in ihrem Leben keine Preciöse gesehen [306] haben. Was finden sie geziertes oder gekünsteltes an meiner Person, an meinen Manieren, an meiner Kleidung, an meiner Art, mich auszudrücken? Was ist gezwungenes – Mit einem Wort, wollen sie, daß ich ihnen Proben gebe, daß ich keine Preciöse bin? Biribinker erschrak über diesen unverhofften Antrag so sehr als über die Art, wie sie ihm bewies, daß es ihr Ernst sei. O! Madam, erwiderte er, ich glaube alles, was sie wollen! Ich brauche keine Probe, und ich sehe auch nicht wie ihre Tugend – Meine Tugend, rief die Fee! Eben meine Tugend fordert von mir, sie zu überzeugen, daß ich keine Preciöse bin. Wenn sie keine Preciöse sind, antwortete Biribinker, so schwöre ich ihnen, daß ich kein Salamander bin, und daß meine Natur nicht feurig genug ist-
Fi, sagte die Ondine, schämen sie sich nicht, vor einem Frauenzimmer so unanständig zu reden? Was bilden sie sich ein? Wer fordert denn etwas von ihrer Natur, oder was geht es mich an, ob sie kalt oder feurig ist? Lassen sie sich sagen, daß sie ein Mensch ohne Delicatesse sind, der weder die Ohren noch die Wangen einer Dame zu schonen weißt. Wissen sie denn nicht, daß es ein Verbrechen ist, ein Frauenzimmer um einer Kleinigkeit willen erröten zu machen. Unsere Tugend – O! Madame, fiel ihr Biribinker in die Rede, ich bitte sie, nennen sie mir dieses Wort nicht mehr! Wenn sie nur wüßten, wie es ihren schönen Mund verzerrt! Und erlauben sie mir, ihnen mit aller der Delicatesse, deren ich fähig bin, zu sagen, daß ich so viel getan zu haben glaube, als man von einem braven Mann fordern kann, indem ich ein Abenteuer zu Stande gebracht, woran fünfzig tausend tapfere Helden zu kurz gefallen sind. Was noch mehr zu tun sein mag, überlasse ich den Salamandern, Sylphen, Gnomen, Faunen und Tritonen, welche nunmehr ein offenes Feld haben, ihre Tugend im Atem zu erhalten. Alles, warum ich sie bitte, ist ihr Schutz und meine Entlassung.
Was ihre Entlassung betrifft, antwortete die schöne Mirabella, die können sie sich selbst geben, denn sie wissen, daß ich sie nicht gerufen habe. Wenn sie aber meinen Schutz verlangen, so kann ich ihnen nicht bergen, daß ihr Glück von ihrer eigenen Aufführung abhangt. Wenn sie so fortfahren, so wird der Schutz aller Feen der ganzen Welt an ihnen verloren sein. Hat [307] man jemals einen Liebhaber gesehen, wie sie sind? Sie ziehen den ganzen Tag in der Welt herum, ihre Geliebte zu suchen, und bringen die ganze Nacht in den Armen einer andern zu; den folgenden Morgen geht ihre Liebe wieder an, und den Abend drauf ihre Untreue. Was wollen sie, daß aus einer solchen Aufführung endlich werden soll? Ihre Schäferin müßte außerordentlich gedultig sein, wenn sie sich diese neue Art zu lieben gefallen lassen wollte – – Wahrhaftig! rief der Prinz, es steht ihnen recht wohl an, mir Vorwürfe von dieser Art zu machen! Ich mag nicht reden – Aber glauben sie mir, ihr moralisieren fangt mir an beschwerlich zu werden, so eine große Meisterin sie immer darin sein mögen. Sagen sie mir lieber, wie ich meine geliebte Galactine aus den Händen des verfluchten Riesen befreien kann, der sie gestern davon führte. – –
Bekümmern sie sich nicht um den Riesen, sagte die Fee; ein Nebenbuhler, der sich die Zähne mit einem Zaunpfahl ausstochert, ist nicht halb so fürchterlich, als sie sich einbilden, und ich kenne einen gewissen Gnomen, der ihnen, so klein er ist, mehr Eintrag tun könnte als Caraculiamborix, wenn er gleich noch etliche hundert Ellen länger wäre als er ist. Kurz, sorgen sie für nichts, als wie sie ihre Schäferin wieder besänftigen wollen, das übrige wird sich von selbst geben; und sollten sie ja in Umstände kommen, wo sie meiner Hülfe benötiget wären, so zerbrechen sie nur dieses Straußen-Ei, das ich ihnen gebe; es wird ihnen, auf mein Wort, keine geringere Dienste tun als die Erbsen-Schote der Fee Cristalline.
Kaum hatte Mirabella das letzte Wort ausgesprochen, so verschwand sie, das Cabinet und der Palast, und Biribinker befand sich, ohne zu wissen, wie es zuging, an dem nämlichen Orte, wo ihn der Riese Caraculiamborix bei seiner Schäferin überfallen hatte. Man kann nicht erstaunter sein, als er es über die seltsame Dinge war, die ihm seit seiner Flucht aus dem großen Bienenkorbe begegnet waren. Er rieb sich die Augen, kneipte sich in die Arme, zog sich bei der Nase, und hätte gerne gefragt, ob er oder ein anderer der Prinz Biribinker sei, wenn er jemand hätte fragen können. Je mehr er nachdachte, desto wahrscheinlicher kam es ihm vor, daß alles nur ein Traum gewesen sei; und er fing schon an, sich in dieser Meinung zu bestärken, als [308] er eine Jägerin aus dem Gebüsch hervor kommen sahe, die an Gestalt und Anstand nichts geringers als Diana selbst zu sein schien. Ihr grünes Gewand, mit goldnen Bienen durchwürkt, war bis an die Knie aufgeschürzt, und unter ihrem Busen mit einem Gürtel von Diamanten gebunden; ein Teil ihrer schönen Haare war mit einer Perlenschnur in einen Knoten geknüpft, der Rest flatterte in kleinen Locken um ihre weiße Schultern. In der Hand trug sie einen Jagdspieß, und ein goldner Köcher klang auf ihrem Rücken. Diesmal, dachte Biribinker, weiß ich es doch gewiß, daß ich nicht träume, und indem er das dachte, kam ihm die Jägerin so nahe, daß er seine geliebte Galactine in ihr erkannte. Noch niemals war sie ihm so bezaubernd vorgekommen, als in diesem Aufzug, der ihr das Ansehen einer Göttin gab. Er vergaß auf einmal der Cristallinen und Mirabellen, die ihn vor kurzem so sehr bezaubert hatten, und indem er sich zu ihren Füßen warf, bezeugte er sein Vergnügen, sie wieder gefunden zu haben, in so lebhaften Ausdrücken, daß es der getreueste unter allen Liebhabern nicht besser hätte machen können. Allein die schöne Galactine wußte mehr von seinen Begebenheiten, als er sich einbildete. Wie? sagte sie, indem sie ihr anmutiges Gesicht mit einem Unwillen, der ihm nur neue Reizungen gab, von ihm wegwandte; unterstehst du dich noch, vor meine Augen zu kommen, nachdem du dich durch wiederholte Beleidigungen der Gnade verlustig gemacht, die ich dir schon einmal widerfahren ließ? Göttliche Galactine, antwortete ihr Biribinker, zürnen sie nicht mit mir, wenden sie ihre Augen nicht so von mir ab, wenn sie nicht wollen, daß ich auf der Stelle zu ihren Füßen sterben soll. Weg mit diesem Unsinn, sagte die schöne Jägerin, den du gewohnt bist an eine jede zu verschwenden, die dir in den Weg kommt; du hast mich nie geliebt, Wankelmütiger; wer alle liebt, liebt keine.
Niemals, rief Biribinker, mit tränenden Augen, niemals hab ich eine andere geliebt als sie; und das ist so wahr, daß ich darauf schwören wollte, daß alles nur ein Traum war, was mir in einem gewissen Schlosse begegnet ist. Wenigstens versichere ich Ihnen, daß die Zerstreuungen, die sie mir so übel auslegen, ein bloßes Spiel der Sinnen waren, woran mein Herz nicht den geringsten Anteil hatte. Eine feine Distinction, erwiderte [309] die Jägerin; Zerstreuungen nennen sie das? ich sage ihnen, daß ich keinen Liebhaber verlange, der solchen Zerstreuungen unterworfen ist. Ich habe die Philosophie des Averroes nie studiert, und ich bin eine so materielle Creatur, daß ich nicht begreifen kann, wie das Herz meines Liebhabers unschuldig sein kann, wenn mir seine Sinnen untreu sind – –
Vergeben sie mir nur noch dieses einzige mal, sagte Biribinker schluchzend – Ich, ihnen vergeben? unterbrach ihn die schöne Galactine; und warum sollte ich ihnen vergeben? Sehen sie mich einmal an; ist man vielleicht mit einem Gesicht, wie das meinige, zum Vergeben genötigt? Oder meinen sie, daß ich, um Liebhaber zu haben, wenn ich ihrer haben will, so gedultig sein müsse, als sie mich gerne finden möchten? Glauben sie mir, es liegt nur an mir, unter zwanzig andern, zu wählen, die den Wert eines Herzens, das sie so mutwillig von sich werfen, besser zu schätzen wissen.
Diese Worte, ob sie gleich mit einem Blick begleitet waren, der ihre Strenge zum wenigsten um die Hälfte milderte, brachten den armen Biribinker vollends zur Verzweiflung. Was hör ich, rief er, Grausame? So wollen sie dann meinen Tod? Können meine Tränen sie nicht erweichen? Nein, bei allen Göttern! ehe ich zugeben werde, daß ein anderer als Biribinker – O! verhaßtestes unter allen Ungeheuern, rief die ergrimmte Galactine, lässest du mich noch einmal diesen abscheulichen Namen hören, der mir schon zweimal die Seele durchbohrt hat? Flieh auf ewig aus meinen Augen, oder erwarte das ärgste von dem immerwährenden Haß, den ich dir und deinem unseligen Namen geschworen habe.
Biribinker zitterte an allen Nerven, wie er seine Schöne auf einmal in eine so heftige Wut ausbrechen sah; er verfluchte im Übermaß seines Schmerzens den Namen Biribinker, und denjenigen, der ihm denselben gegeben hatte; und er würde vielleicht (denn für gewiß will ich es eben nicht sagen,) mit dem Kopf wider die nächste Eiche angeloffen sein, wenn er nicht in eben dem Augenblicke sechs wilde Männer erblickt hätte, die in vollem Lauf aus dem Wald hervor stürmten, und vor seinen Augen sich der schönen Jägerin bemächtigten. Diese Wilden hatten eine mehr als menschliche Statur, um das Haupt und die [310] Lenden waren sie mit Eichen-Zweigen bekränzt, auf der linken Schulter trugen sie eine stählerne Keule, und Biribinker fand sie in diesem Aufzug so fürchterlich, daß er, seiner angebornen Tapferkeit ungeachtet, allen Mut verlor, seine Geliebte aus ihren Händen zu retten. In dieser dringenden Not erinnerte er sich an das Straußen-Ei, das ihm die Fee Mirabella gegeben hatte, er zerbrach es mit bebender Hand, und erstaunte, wie man denken kann, so sehr als jemals, da er eine unendliche Menge von kleinen Nymphen, Tritonen und Delphinen heraus wimmeln sah, die sich augenblicklich in Lebens-Größe ausdehnten, und die einen aus ihren Wasser-Krügen, die andern aus ihren Naslöchern eine so ungeheure Menge Wassers ausgossen, daß in weniger als einer Minute ein See um ihn her entstund, der den ganzen Horizont erfüllte. Er selbst befand sich auf dem Rücken eines Delphins, der so sanft mit ihm davon schwamm, daß er keine Bewegung spürte, und die Nymphen und Tritonen, die um ihn her plätscherten, bemühten sich, ihm durch Musik und mutwillige Spiele eine Lust zu machen. Aber Biribinker sahe nur nach dem Orte, wo er seine geliebte Galactine den Wilden hatte überlassen müssen, und da er, so weit sein schärfster Blick reichte, um und um nichts als Wasser sahe, betrübte er sich so herzlich, daß er sich etliche mal in die See stürzen wollte. Er würde es auch gewiß getan haben, wenn er nicht besorgt hätte, einer von den Nymphen, die um seinen Delphin schwammen, in die Arme zu fallen; welches ihn, (wie er sehr weislich davor hielt,) leicht in eine Versuchung hätte setzen können, worin die ewige Treue, die er seiner Schönen nunmehr angelobt hatte, in Gefahr gekommen wäre. Er trieb diesmal die Vorsichtigkeit so weit, daß er sich ein seidenes Schnupftuch um die Augen band, aus Furcht, von den Schönheiten zu sehr gerührt zu werden, die durch tausend verführerische Bewegungen seinen Augen nach stellten.
Auf diese Weise war er ohne den geringsten widrigen Zufall schon ein paar Stunden fort geschwommen, als er es endlich wagte, das Schnupftuch ein wenig weg zuschieben, um zu sehen, wo er wäre. Er fand zu seiner großen Beruhigung, daß die Nymphen verschwunden waren; hingegen gewahrete er in der Ferne etwas, das wie der Rücken eines großen Gebürges über die Wellen hervor ragte; er merkte auch, daß die See [311] außerordentlich ungestüm wurde, und bald darauf erhub sich ein so entsetzlicher Sturmwind mit so gewaltigen Regengüssen, daß es nicht anders war, als ob ein ganzer Ocean aus der Luft herab stürzte.
Der Urheber dieses Unwesens war ein Walfisch, aber ein Walfisch, dergleichen man nicht alle Tage sieht; denn diejenigen, die man an den Grönländischen Küsten zu fangen pflegt, waren in Vergleichung mit ihm nicht viel größer als die winzigen Tierchen, die man durch Vergrößerungs-Gläser bei vielen tausenden in einem Tropfen Wassers herum schwimmen sieht. So oft er schnaubte, welches gemeiniglich alle vier Stunden geschah, so entstund ein Sturmwind, und die Wasserströme, die er aus seinen Naslöchern ausspritzte, verursachten Platzregen und Wolkenbrüche auf fünfzig Meilen in die Runde. Die Bewegung des Meers war so heftig, daß Biribinker sich nicht länger auf seinem Delphin erhalten konnte, sondern sich den Wellen überlassen mußte, die ihn wie einen Ball herum schleuderten, bis er zuletzt von der Luft, die der Walfisch einatmete, wie von einem Wirbelwind ergriffen, und durch eines von den Naslöchern des Ungeheuers hinab gezogen wurde. Er fiel ein paar Stunden lang in einem fort, ohne daß er in der Betäubung wußte, wie ihm geschah; endlich aber merkte er, daß er in ein großes Gewässer fiel, womit eine Höhle im Bauch des Walfisches angefüllt war. Es war ein kleiner See, der etwan fünf bis sechs deutsche Meilen im Umkreis hatte; und vermutlich würde Biribinker das Ende aller seiner Abenteuer darin gefunden haben, wenn er nicht zu gutem Glück, sich so nah am Ufer einer Insel oder Halbinsel gesehen hätte, daß er kaum zwei hundert Schritte zu schwimmen hatte, um auf dem Trocknen zu sein.
Die Not, die Erfinderin aller Künste, lehrte ihn diesmal schwimmen, ob es gleich das erstemal in seinem Leben war. Er kam glücklich ans Ufer, und nachdem er sich auf einem Felsen, der zwar wie andere Felsen von Stein, aber so weich wie ein Polster war, zurecht gesetzt hatte, erquickte er sich, indes daß seine Kleider an der Sonne trockneten, an den lieblichen Geruchen, die ihm ein kühler Landwind aus einem Wald von Zimmet-Stauden, der das Ufer bekränzte, entgegen wehte. Weil er aber begierig war, das Land in Augenschein zu nehmen, und [312] sich zu erkundigen, ob und von wem es bewohnt sei, so stieg er, so bald er sich in etwas erholt hatte, von seinem Felsen herab, und strich eine halbe Stunde lang im Wald herum, bis er endlich in einen großen Lustgarten kam, worin alle mögliche Bäume, Stauden, Gewächse, Blumen und Kräuter des ganzen Erdbodens in der anmutigsten Unordnung durch einander geworfen waren. Die Kunst war in der Anlegung desselben so versteckt, daß alles ein bloßes Spiel der Natur zu sein schien. Hier und da sahe er Nymphen von blendender Schönheit unter Gebüschen oder in Grotten liegen, und kleine Bäche aus ihren Urnen gießen, die den Garten durchschlängelten, an vielen Orten in allerlei Figuren in die Höhe spielten, an andern Wasserfälle machten, oder in marmorne Becken sich sammelten. Diese Brunnen wimmelten von allen Arten von Fischen, welche, wider die Gewohnheit der Geschöpfe von ihrer Gattung, so lieblich sangen, daß Biribinker ganz davon bezaubert wurde. Insonderheit bewunderte er einen gewissen Karpfen, der die schönste Discant Stimme von der Welt hatte, und einen Triller schlug, der dem besten Castraten Ehre gemacht hätte. Der Prinz hörte ihm eine geraume Weile mit größtem Vergnügen zu; da ihn aber alle diese Wunderdinge nur desto begieriger machten, zu erfahren, wem diese bezauberte Insel gehöre, und ob er sich würklich, wie er glaubte, in der unterirdischen Welt befinde, so tat er deswegen verschiedene Fragen an die besagten Fische; denn er dachte, weil sie so schön sängen, so würden sie vermutlich auch reden können. Allein die Fische sangen immer fort, ohne ihm zu antworten, oder nur Acht darauf zu geben, was er sagte.
Er gab es also endlich auf, und ging immer weiter fort, bis er in einen großen Krautgarten kam, der mit allen Arten von Salat, Wurzel-Werk, Schoten- und Ranken-Gewächsen besetzt war, die dem Ansehen nach, ohne Pflege, wiewohl so schön als nur möglich ist, in regellosem Überfluß hervor wuchsen. Indem er sich nun so gut er konnte, einen Weg durch diese Wildnis machte, stieß er von ungefähr mit dem rechten Fuß an einen großen Kürbis, der so ziemlich dem Wanst eines schinesischen Mandarins gleich sahe, und den er unter seinen breiten Blättern nicht gleich wahrgenommen hatte.
Herr Biribinker, rief ihm der Kürbis zu, ein andermal sein [313] sie so gut, und schauen ein wenig unter ihre Füße, eh sie einem ehrlichen Kürbis auf den Nabel treten. Ich bitte sehr um Vergebung, Herr Kürbis, sagte Biribinker; es geschah in der Tat nicht aus Vorsatz, und ich würde mich gewiß besser vorgesehen haben, wenn ich hätte vermuten können, daß die Kürbisse in dieser Insel so wichtige Personen sind, als ich nun sehe. Indes bin ich doch erfreut, daß mir dieser kleine Zufall das Vergnügen verschafft hat, mit ihnen Bekanntschaft zu machen; denn ich hoffe, sie werden mir die Gefälligkeit nicht versagen, mich zu belehren, wo ich bin, und was ich aus allem machen soll, was ich hier sehe und höre?
Prinz Biribinker, antwortete der Kürbis, ihre Gegenwart ist mir allzu angenehm, als daß ich mir nicht das größte Vergnügen daraus machen sollte, ihnen alle die kleinen Dienste zu leisten, die von mir abhangen. Sie befinden sich im Bauch eines Walfisches, und diese Insel – Im Bauch eines Walfisches, rief Biribinker, indem er ihn unterbrach – das übertrifft noch alles, was mir bisher begegnet ist. Nun schwöre ich ihnen, Herr Kürbis, daß ich mich in meinem Leben über nichts mehr verwundern will. Wahrhaftig! wenn es im Bauch eines Walfisches Luft und Wasser, Inseln und Lustgärten, ja wie ich merke, Sonne, Mond und Sterne gibt, wenn die Felsen darin so weich wie Polster sind, die Fische singen, und die Kürbisse reden Was diesen Punct betrifft, unterbrach ihn der Kürbis gleichfalls so belieben sie sich sagen zu lassen, daß ich hierin einen Vorzug vor allen andern Kürbissen, Gurken und Melonen in diesem Garten habe; sie hätten hundert andere mit Füßen treten können, ohne nur einen Ton von ihnen heraus zu bringen – –
Ich bitte sie nochmals um Vergebung, erwiderte der Prinz –
Das haben sie gar nicht nötig, sagte der Kürbis; ich versichere ihnen, es wäre mir leid, wenn es mir nicht begegnet wäre; ich warte hier schon so lange auf ihre Ankunft, und die Zeit wurde mir endlich so lange, daß ich schon zu verzweifeln anfing, diese glückliche Begebenheit jemals zu erleben. Glauben sie mir für einen, der nicht dazu geboren ist, ist es eine verdrießliche Sache, hundert Jahre lang ein Kürbis zu sein, zumal wenn man die Conversation liebt und gute Gesellschaft gewohnt ist. Aber die Zeit ist nun gekommen, da sie mich an dem verfluchten Padmanaba [314] rächen werden. Was sagen sie mir von Padmanaba? rief Biribinker; Meinen sie den Zauberer, der die schöne Cristalline in einen Nacht-Topf verwandelte, und die noch schönere Mirabella verurteilte, ein Crocodil zu werden, so oft sie ihre Tugend auf die Probe setzen wollte? Diese Frage, erwiderte der Kürbis, versichert mich, daß ich mich nicht betrogen habe, da ich sie für den Prinzen Biribinker hielt; ich sehe daraus, daß die Hälfte der Bezauberungen des alten Gecken schon vernichtet sind, und daß der Augenblick meiner Befreiung da ist – Haben sie sich also auch über ihn zu beklagen, fragte Biribinker?
Nehmen sie mir nicht übel, antwortete der Kürbis, wenn mich diese Frage zu lachen macht, (und in der Tat lachte er so laut, daß er wegen seines kurzen Atems, der eine Folge seines gewaltigen Schmerbauchs war, eine gute Weile keuchen und husten mußte, bis er wieder reden konnte.) Merken sie dann nicht, fuhr er fort, daß ich etwas bessers sein muß, als ich aussehe? Hat ihnen die schöne Mirabella nicht von einem gewissen Salamander gesagt, der das Glück hatte in gewissen Umständen von dem alten Padmanaba überrascht zu werden – Ja wohl, sagte Biribinker, sie sprach mir von einem gewissen geistigen Liebhaber, der ihre Seele mit den Geheimnissen der Philosophie des Averroes unterhielt, damit sie die kleinen Experimente nicht beobachten möchte, die er indessen – Sachte, sachte, rief der Kürbis, ich sehe, daß sie mehr von mir wissen, als sie allenfalls nötig gehabt hätten; ich bin dieser Salamander, dieser Flox, der, wie ich sagte, und wie sie schon wußten, so glücklich war, die schöne Mirabella wegen der frostigen Nächte zu entschädigen, die sie mit dem alten Zauberer zuzubringen genötiget war. Die vorerwähnte Scene, wobei er die Torheit hatte, einen ungebetenen Zuschauer abzugeben setzte ihn in eine Art von Verzweiflung, ohne ihn von der Liebes-Krankheit zu heilen, womit er lächerlicher Weise behaftet war. Sein Palast, ja ein jeder anderer Aufenthalt, den er, in welchem Element er gewollt hätte, wählen konnte, wurde ihm verhaßt; er traute weder Sterblichen noch Unsterblichen; Gnomen und Sylphen, Tritonen und Salamander waren ihm alle gleich verdächtig; und er hielt sich nirgends sicher als in einer gänzlichen und umzugangbaren Einsamkeit. Nach vielen andern Projecten, die er eben so bald verwarf [315] als machte, fiel ihm endlich ein, sich in den Bauch des Walfisches zurück zu ziehen, wo ihn, dacht er, gewiß niemand suchen würde. Er ließ sich durch eine Anzahl Salamander einen Palast darin erbauen, und damit sie ihn nicht verraten könnten, so verwandelte er sie, nebst mir, in eben so viele Kürbisse, mit der Bedingung es so lange zu bleiben, bis der Prinz Biribinker uns unsere erste Gestalt wieder geben würde. Ich war der einzige von allen, dem er den Gebrauch der Vernunft und der Sprache ließ, wovon die erste, wie er glaubte, mir zu nichts nützen konnte, als mich durch die Erinnerungen meiner verlorenen Glückseligkeit zu peinigen, und die andere zu nichts als manchem eiteln Ach! und O! oder Gesprächen, worin ich die Mühe nehmen müßte, mir die Antworten selbst zu geben. Allein in diesem Stück betrog sich der weise Mann ein wenig, denn so ungünstig auch immer die Figur und Organisation eines Kürbis zu Beobachtungen sein mag, so geschickt ist sie hingegen zu Betrachtungen a priori; und mit alle dem entdeckt man doch in hundert Jahren nach und nach eines oder anders, was entweder unsere schon gefaßte Hypothesen bestätiget, oder uns auf die Spur einer neuen bringt. Kurz, ich bin der kleinen Angelegenheiten des Herrn Padmanaba so unkundig nicht als er vielleicht denkt, und ich hoffe ihnen Anleitungen zu geben, wodurch sie in den Stand gesetzt werden sollen, alle seine Vorsichtigkeit zu vereiteln.
Ich würde ihnen sehr dafür verbunden sein, erwiderte der Prinz; ich weiß nicht was für einen sonderbaren Beruf ich in mir spüre, dem guten Padmanaba Streiche zu spielen; vermutlich ist es der Einfluß meines Gestirns, der mich dazu dahin reißt; denn ich wüßte nicht, daß er mich jemals in seinem Leben persönlich beleidiget haben sollte. Ist es nicht Beleidigung genug, sagte der Kürbis, daß er Ursache ist, daß ihnen der große Caramussal, der auf der Spitze des Berges Atlas wohnt, den Namen Biribinker gegeben hat? einen Namen, der ihnen bei ihrem geliebten Milchmädchen schon dreimal so fatal gewesen ist? – So ist also der alte Padmanaba schuld daran, daß ich Biribinker heiße? fragte der Prinz voller Verwunderung; erklären sie mir doch ein wenig, wie diese Dinge zusammen hangen; denn ich gestehe ihnen, daß ich mir den Kopf schon oft vergeblich [316] zerbrochen habe, um hinter das Geheimnis meines Namens zu kommen, welchem ich, wie es scheint, alle meine seltsame Begebenheiten zu danken habe. Insonderheit möchte ich doch wissen, wie es zugeht, daß jedermann, wo ich hinkomme, bis auf die Kürbisse, mich gleich bei meinem Namen nennt, und von allen Umständen meiner Geschichte so gut benachrichtiget ist, als ob sie mir an der Stirne geschrieben stünden.
Es ist mir noch nicht erlaubt, antwortete der Kürbis, ihre Neugier über diesen Punct zu befriedigen; genug, daß es nur von ihnen abhängt, sich vielleicht nach dieser Abrede ins Klare zu setzen. Die größte Schwierigkeit ist nun einmal überstanden; Padmanaba dachte wohl nicht, daß sie ihn im Bauch seines Walfisches finden würden. Ich bekenne ihnen aufrichtig, unterbrach ihn Biribinker, daß ich noch weniger daran dachte, und sie werden gestehen müssen, daß er wenigstens alles getan hat, was möglich war, um seinem Schicksal zu entgehen. Aber sie erwähnten eines Palasts, den sich ihr Alter von Salamandern in dieser Insel habe bauen lassen; ich denke wir sind hier in den Gärten, die dazu gehören, warum sehe ich denn nirgends keinen Palast? Die Ursache ist ganz natürlich, antwortete der Kürbis; sie würden ihn unfehlbar sehen, wenn er nicht unsichtbar wäre. Unsichtbar, rief Biribinker; so wird er doch nicht unfühlbar sein, hoffe ich? Das nicht, antwortete Flox, aber da er aus gediegenen Flammen erbaut ist – –
Sie sagen mir von einem seltsamen Palast, unterbrach ihn Biribinker abermal; aber wenn er aus Flammen erbaut ist, wie kann er denn unsichtbar sein? Darin besteht eben das wunderbare von der Sache, antwortete der Kürbis; es mag nun möglich oder unmöglich sein, so ist es nicht anders; sie können den Palast nicht sehen, wenigstens nicht in dem Stande, worin sie jetzt sind; aber gehen sie nun ungefähr zwei hundert Schritte gerade fort, so wird die Hitze, die sie empfinden werden, sie bald genug überzeugen, daß ich ihnen die Wahrheit sage.
Die außerordentliche Dinge, welche Biribinker bereits im Bauche des Walfisches gesehen hatte, (und was kann man auch im Bauch eines Walfisches anders erwarten als außerordentliche Dinge?) hätten ihn billig geneigt machen sollen, alles glaubwürdig zu finden, was man ihm sagte; dem ungeachtet war er diesmal [317] so eigensinnig, daß er nur sich selbst glauben wollte. Er ging also auf den unsichtbaren Palast zu; aber kaum war er hundert Schritte fortgegangen, so spürte er bereits einen merklichen Grad von Hitze, die ihm mit einem gewissen unsichtbaren Glanz, der ihm die Augen übergehen machte, entgegen kam. Die Wärme und der Glanz nahmen immer zu, je weiter er fortging, bis beide in kurzem so durchdringend wurden, daß es nicht länger auszustehen war. Er ging also wieder zurück, und suchte seinen Freund, den Kürbis, der ihm, so bald er ihn wieder kommen hörte, entgegen rief: Nun, Prinz Biribinker, werden Sie mir künftig glauben, wenn ich ihnen etwas sage? Wenigstens begreifen sie doch, hoffe ich, daß nichts natürlichers sein kann, als daß ein Palast von gediegenen Flammen vor Hitze unzugangbar, und vor lauter Glanz und Schimmer unsichtbar ist.
Ich begreife das in der Tat viel besser, antwortete Biribinker, als wie ich hinein kommen werde; denn das sag ich ihnen, ich spüre eine unwiderstehliche Begierde in mir, in diesen Palast hinein zu gehen, und wenn es mir auch das Leben kosten sollte, so kann ich – So viel soll es sie nicht kosten, fiel ihm der Kürbis in die Rede. Wenn sie sich gefallen lassen wollen, zu tun was ich ihnen sage, so wird ihnen der Palast sichtbar werden, und sie werden eben so sicher hinein gehen können, als ob es eine Strohhütte wäre. Sie brauchen nur ein ganz leichtes Mittel dazu, und das ihnen nicht mehr kosten wird als einen einzigen kleinen Sprung – Halten sie mich nicht lange mit Rätseln auf, Herr Kürbis, sagte Biribinker; was ist zu tun? es mag nun etwas leichtes oder schweres sein, so sehen sie mich bereit alles zu wagen um in ein Schloß zu kommen, das von lauter Glanz unsichtbar ist.
Ungefähr sechzig Schritte hinter jenen Granatbäumen, versetzte der Kürbis, werden sie in einem kleinen Labyrinth von Jasmin und Rosenhecken einen Brunnen finden, der sich von einem andern Brunnen durch nichts unterscheidet, als daß er statt des Wassers mit Feuer angefüllt ist. Gehen sie, Prinz, baden sie sich in diesem Brunnen, und in einer Viertelstunde ungefähr kommen sie wieder, und sagen mir, wie ihnen das Bad zugeschlagen hat.
Sonst nichts als das? sagte Biribinker, mit einer Mine, die mehr verdrießlich als höhnisch war; ich glaube, sie sind nicht [318] klug, Herr Kürbis – ich soll mich in einem feurigen Brunnen baden, und hernach wieder kommen, und ihnen sagen, wie mir das Bad bekommen hat? Hat man auch jemals so was tolles gehört! – Ereifern sie sich nur nicht so, versetzte der Kürbis, es steht ja bei ihnen, ob sie in den unsichtbaren Palast kommen wollen oder nicht, und wenn sie sich nicht so entschlossen erklärt hätten, wie sie getan haben, so wäre mirs in der Tat nie eingefallen, ihnen einen solchen Antrag zu machen.
Kürbis, mein guter Freund, erwiderte Biribinker, ich merke, daß ihr euch ein wenig lustig mit mir machen wollt, aber ich muß euch sagen, daß ich jetzt nicht im Humor bin, Spaß zu verstehen. Ich verlange nicht als eine abgeschiedene Seele in den Palast zu kommen – Das sollen sie auch nicht, sagte der Kürbis! das feurige Bad, das ich ihnen vorschlage, ist nicht so gefährlich als sie sichs einbilden, und Padmanaba selbst bedient sich desselben alle drei Tage; sonst würde er eben so wenig in einem Palast von gediegenem Feuer wohnen können, als sie. Denn ob er gleich, außer dem großen Caramussal, der auf der Spitze des Berges Atlas wohnt, der größte Zauberer in der ganzen Welt ist, so ist er doch von eben so irdischer Natur und Abkunft als sie. Ja er würde, ohne den Gebrauch dieses Brunnens, der eines der größten Geheimnisse seiner Kunst ist, nicht einmal der kleinen Glückseligkeit fähig sein, die er jetzt bei der schönen Salamandrin, die er in seinem Palast eingeschlossen hält, genießt, oder doch zu genießen glaubt; wenn anders der Gebrauch, den ein Titon von seiner Aurora zu machen fähig ist, ein Genuß genennt zu werden verdient. Er hat also eine schöne Salamandrin bei sich? fragte Biribinker. Warum nicht, antwortete der Kürbis; meinen sie, daß man sich umsonst in den Bauch eines Walfisches verschließt?
Ist sie sehr schön, fuhr Biribinker fort? – Sie müssen wohl nie keine Salamandrin gesehen haben, erwiderte der Kürbis, weil sie das fragen können. Wissen sie denn nicht, daß die schönste Sterbliche gegen die geringste von unsern Schönen nicht besser als wie ein Affenweibchen aussehen würde? Es ist wahr, ich kenne eine Ondine, die vielleicht der schönsten Salamandrin den Vorzug streitig machen könnte; allein es ist unter allen Ondinen nur eine Mirabella – O! was das anbetrifft, unterbrach [319] ihn Biribinker, wenn die Salamandrin des alten Padmanaba nicht schöner als Mirabella ist, so hätten sie nicht nötig gehabt die sterblichen Schönen so weit unter sie herunter zu setzen. Ich gestehe, daß sie reizend ist, aber ich kenne ein gewisses Milchmädchen – in welches sie so verliebt sind, fiel ihm der Kürbis höhnisch in die Rede, daß sie der schönen Mirabella beim ersten Anblick schwuren, sie nie gesehen zu haben. Die Würkung zeugt am besten von der Ursache, und wenn man ihre Leidenschaft nach diesem Grundsatz beurteilen wollte – –
O wahrhaftig! rief Biribinker ungeduldig, ich bin, glaube ich, nur hieher gekommen, um einen Kürbis philosophieren zu hören. Sagen sie mir lieber, wie ich in den unsichtbaren Palast kommen kann, denn ich sterbe vor Ungeduld, wenn es nicht geschieht; ist denn kein anders Mittel, als das verwünschte feurige Bad, worin sie mich gerne zu einer Carbonnade gemacht sehen möchten? Sie sind wunderlich, mit Erlaubnis, antwortete der Kürbis; Ich sagte ihnen ja schon, daß mir selbst alles daran gelegen ist, daß sie in den unsichtbaren Palast kommen, wo, allen Umständen nach eines der außerordentlichsten Abenteuern auf sie wartet. Meinen sie denn, daß ich für meinen Spaß ein Kürbis bin, und daß ich mich nicht je bälder je lieber von diesem verfluchten unbequemen Wanst befreit sehen werde, der sich so übel für einen so speculativen Geist schickt als ich bin? Ich sage ihnen noch einmal, sie haben kein anders Mittel in den Palast zu kommen, ohne von der Glut desselben verzehrt zu werden, als das feurige Bad, welches ich ihnen vorschlug. Ehe sie vor Ungeduld sterben, wie sie sagen, könnten sie es ja ein paar Minuten versuchen; kommen sie auch darin um, wofür ich ihnen doch gut stehe, so ist es nur eine Todesart für die andere, und das kommt zuletzt auf Eines hinaus. Gut, sagte Biribinker, wir wollen sehen was zu tun sein wird! Vielleicht sollte ich nicht so viel Zutrauen in sie setzen als ich tue; allein der Zug meines Schicksals ist stärker als meine Vernunft; ich will gehen, und wenn sie binnen einer Viertelstunde nichts von mir hören, so ergeben sie sich nur gedultig darein, ein Kürbis zu bleiben, bis Padmanaba von sich selbst entweder verliebt oder eifersüchtig zu sein aufhört.
Mit diesen Worten machte er dem Kürbis sein Compliment, [320] und ging dem Labyrinth zu, wo der feurige Brunnen sein sollte. Er fand ein großes rundes Becken, mit breiten Steinen von Diamant ausgemauert, und mit einem Feuer angefüllt, welches, ohne von irgend einer sichtbaren Materie genährt zu werden, in schlängelnden Blitzen empor loderte, und unschädlich die dichten Büsche von Rosen leckte, die rings umher über den Brunnen sich wölbten. Unzähliche Farben spielten mit der anmutigsten Abwechslung in diesen wundervollen Flammen, und statt des Rauchs ergoß sich ein lauer unsichtbarer Dampf von den lieblichsten Geruchen umher. Biribinker betrachtete dieses Wunder eine geraume Zeit mit einer Unschlüssigkeit, die einem Feen-Helden wenig Ehre macht, und er würde vielleicht noch immer am Rande des Brunnens stehen, wenn ihn nicht, da er sichs am wenigsten versah, eine unsichtbare Gewalt mitten in die Flammen geworfen hätte. Er erschrak so sehr, daß er vor Angst nicht schreien konnte; aber da er spürte, daß ihm dieses Feuer kein Haar versengte, und an statt ihm nur den geringsten Schmerz zu verursachen, sein ganzes Wesen mit einer wollüstigen Wärme durchdrang, so faßte er sich bald wieder, und in kurzem gefiel es ihm so wohl darin, daß er in den feurigen Wellen herum plätscherte, wie ein Fisch in frischem Wasser. Vielleicht würde er weit länger als die vorgeschriebene Zeit in einem so angenehmen Bade zugebracht haben, wenn ihn nicht die immer zunehmende Hitze zuletzt heraus getrieben hätte. Er sprang also wieder heraus, aber wie sehr erstaunte er, da er sich nicht nur so leicht und unkörperlich fühlte, daß er wie ein Zephyr über dem Boden hin schwebte, sondern auf einmal einen Palast erblickte, dessen Glanz und Schönheit alles übertraf, was ein menschliches Auge jemals gesehen hat. Er stund eine gute Weile wie außer sich selbst, und sein erster Gedanke, da er wieder denken konnte, war an die Schönheit, die ein so herrlicher Palast in sich schließen müsse; denn da Diamanten und Rubinen ihn nur Gassensteine gegen die Materialien deuchten, woraus dieses Schloß erbaut war, so zweifelte er nicht, daß die schöne Salamandrin sich gegen die Schönen, die er bisher gekannt hatte, zum wenigsten eben so verhalten würde, wie dieser Palast gegen die gewöhnlichen Feenschlösser, die man prächtig genug gebaut zu haben glaubt, wenn man die [321] Mauren von Diamanten oder Smaragden aufführt, das Dach mit Rubinen deckt, den Fußboden mit Perlen einlegt, und was dergleichen mehr ist, welches doch alles in Vergleichung mit diesem feurigen Palast nichts bessers als eine elende Hütte vorgestellt hätte. Unter diesen Gedanken näherte er sich demselben unvermerkt, und war schon durch den ersten Hof, dessen glänzende Pforte sich von selbst vor ihm auftat, hinein gegangen, als ihm einfiel, daß ihm der Kürbis ausdrücklich gesagt hatte, er sollte nach dem Bad im feurigen Brunnen wieder zu ihm kommen. Vermutlich, dachte er, hat er mir Nachrichten zu geben, ohne die es gefährlich sein könnte, sich in ein solches Schloß zu wagen, und da ich mich bisher bei seinen Anweisungen so wohl befunden habe, so würde es weder klug noch dankbar sein, wenn ich mir einbilden wollte, daß ich seiner nicht mehr nötig habe. Man sehe doch, wie seltsam es kommen kann! Wer hätte jemals gedacht, daß ein Kürbis ein Ratgeber eines Prinzen sein würde!
Biribinker schlich sich also nicht ohne Furcht entdeckt zu werden, zu seinem Kürbis zurück; Ha! rief ihm dieser auf zwanzig Schritte entgegen, ich sehe, daß ihnen das Bad unvergleichlich wohl zugeschlagen hat; sie sind ja zum bezaubern; ich schwöre ihnen bei der Tugend meiner geliebten Mirabella, daß keine Salamandrin ist, die ihnen, so wie sie jetzt aussehen, nur eine Minute widerstehen wird. Aber was wird aus ihrer Treue gegen das Milchmädchen werden? – Herr Kürbis, sagte Biribinker, lassen sie sich mit aller der Achtung, die ich ihnen übrigens schuldig bin, sagen, daß sie besser getan hätten, mich in den Umständen, worein mich ihr Bad gesetzt hat, mit dergleichen unzeitigen Erinnerungen zu verschonen – Ich bitte um Verzeihung, antwortete der Kürbis, ich wollte nur so viel sagen – Gut, gut, unterbrach ihn der Prinz, ich weiß wohl, was sie sagen wollten, und ich antworte ihnen darauf, daß ich ohne ihre Warnungen, die ein beleidigendes Mißtrauen in meine Standhaftigkeit setzen, durch die bloße Erinnerung an mein himmlisches Milchmädchen gegen die vereinigten Reizungen aller ihrer feurigen Schönen so sicher zu sein glaube, als ich es mitten unter den häßlichsten Gnomiden sein könnte. Es wird sich zeigen, sagte der Kürbis, ob sie diese edle Gesinnungen zu [322] behaupten wissen werden; ich habe eine so gute Meinung von ihnen, als man, nach allem was in einem gewissen Schloß vorgegangen ist, nur immer haben kann; aber bei alle dem, kann ich doch nicht leugnen, daß ich ihre Treue in keine kleine Gefahr gesetzt sehe, wenn sie in den Palast hinein gehen. Es steht noch bei ihnen, ob sie es wagen wollen oder nicht; bedenken sie sich wohl, oder – –
Mein lieber Herr Kürbis, unterbrach ihn Biribinker, ich sehe, daß sie eine eben so verzweifelte Wut zum raisonnieren haben, als die tugendhafte und preciöse Mirabella, ihre Geliebte. Warum haben sie denn verlangt, daß ich in dem feurigen Brunnen baden sollte, wenn ich nicht in den Palast hinein gehen darf? Noch einmal, mein lieber Freund, sorgen sie nicht für meine Treue, und sagen sie mir lieber: wie ich mich zu verhalten habe, wenn ich in den Palast komme? Sie haben hiezu wenig Unterricht nötig, antwortete der Kürbis, denn sie werden nirgend keinen Widerstand finden; alle Türen werden sich ihnen von selbst eröffnen, und wenn sie irgend etwas zu besorgen haben, so muß es nur (wie ich schon gesagt, und wie sie sich so ungern sagen lassen) von ihrem eigenen Herzen sein. Aber was für eine Mine, denken sie, daß mir der alte Padmanaba machen werde, fragte der Prinz? So viel ich an der Bewegung der Gestirne merke, erwiderte der Kürbis, so ist es bereits um Mitternacht, um welche Zeit der Alte in tiefem Schlaf zu liegen pflegt. Allein gesetzt auch, daß er aufwachen sollte, so haben sie von seinem Zorn nichts zu besorgen; alle seine Macht vermag nichts gegen die Zauber-Kraft ihres Namens, und nach den Vorteilen, die sie bisher über ihn erhalten haben, zu urteilen, können sie allerdings hoffen, diesesmal nicht weniger glücklich zu sein.
Es mag gehen wie es will, versetzte Biribinker, so bin ich entschlossen das Abenteuer mit dem unsichtbaren Schloß zu bestehen; denn es ließe sich doch sonst keine vernünftige Ursache angeben, warum ich in des Walfisches Bauch gekommen sein sollte. Gute Nacht, Herr Kürbis, bis wir uns wieder sehen.
Viel Glücks, tapferer und liebenswürdiger Biribinker, rief ihm der wortreiche Kürbis nach; fahre wohl, du Blume und Zierde aller Feen-Ritter, und möge das Abenteuer, dem du so mutig entgegen gehst, einen Ausgang gewinnen, dergleichen [323] noch kein Märchen gehabt hat, seitdem es Feen und Ammen in der Welt gibt. Gehe, weiser Königs-Sohn, wohin dich dein Schicksal zieht; aber hüte dich die Warnungen eines Kürbis zu verachten, der dein guter Freund ist, und vielleicht tiefere Blicke in die Zukunft tut, als irgend ein Calender-Macher in der Christenheit.
Der Kürbis merkte nicht, indem er diese schöne Abschieds-Rede hielt, daß der Prinz schon durch den ersten Schloßhof gegangen war, ehe er noch zu reden aufgehört hatte. Biribinker war jetzt ganz und gar von dem Abenteuer eingenommen, das er vor sich hatte, und seine Einbildungs-Kraft, die in dem feurigen Bad einen außerordentlichen Schwung erhalten hatte, stellte ihm die schöne Salamandrin, die er bald zu sehen hoffte, mit so unwiderstehlichen Reizungen vor, daß er sich des Wunsches nicht enthalten konnte, seinem Milchmädchen nur dieses einzige mal noch ungetreu sein zu können. Unter diesen Gedanken kam er durch den zweiten Hof in ein Vorhaus, aus welchem ihm ein großes Getümmel entgegen schallte. Er lauschte ein wenig, und vernahm, daß es eine Menge von krächzenden Weiber-Stimmen waren, die in einem heftigen Wortwechsel begriffen schienen. So neugierig als er von Kindheit auf gewesen war, konnte er sich nicht enthalten, zu sehen, wem diese anmutigen Stimmen zugehörten. Er öffnete die Tür eines großen und überaus prächtigen Saals, und entsetzte sich nicht wenig, da er ihn mit fünfzig oder sechzig der allerhäßlichsten kleinen Zwerginnen angefüllt sah, die nur immer die bürleske Einbildung eines Calot oder Hogarth zu ersinnen fähig wäre.
Der arme Biribinker glaubte beim ersten Anblick, daß er zu einem Hexen-Sabbath gekommen sei, und er würde unfehlbar vor Abscheu in Ohnmacht gefallen sein, wenn er nicht zu gleicher Zeit vor Lachen über so possierliche Figuren hätte bersten mögen. Diese schönen Nymphen, die in der Tat nichts geringers als junge Gnomiden waren, von denen die jüngste kaum achtzig Jahre haben mochte, wurden seiner kaum gewahr, so eilten sie alle auf ihn zu, so schnell als es ihre krummen Beine zuließen. Sie kommen eben recht, Prinz Biribinker, rief ihm eine von den häßlichsten entgegen, einen Streit zu entscheiden, worüber wir einander beinahe in die Haare gekommen wären.[324] Sie zanken sich doch nicht, hoffe ich, welche unter ihnen die schönste sei? Sagte Biribinker. Und warum nicht? erwiderte die Gnomide; sie haben es ersten Streichs erraten. Aber denken sie nur, mein schöner Prinz, nachdem ich es würklich schon dahin gebracht habe, daß mir alle übrige den Vorzug eingestehen, so untersteht sich dieses Fratzen-Gesicht, diese kleine Pagode hier mir den goldnen Apfel noch streitig zu machen. O! mein angenehmster junger Prinz, schrie die Angeklagte, indem sie ihn in die Waden kneipte, welches vermutlich, ihrer Absicht nach, eine Liebkosung sein sollte; ich darf es kühnlich auf ihr Urteil ankommen lassen. Sehen sie uns beide nur recht an, betrachten sie uns Stück vor Stück, und tun sie den Ausspruch nach ihrem Gewissen, wofern ich mir zu viel schmeichlen würde, wenn ich sagte nach ihrem Herzen. Begreifen sie, Prinz Biribinker, sagte die erste, wie man die Unverschämtheit so weit treiben kann? Fürs erste, so ist sie kaum eines Daumens Breite kleiner als ich, und sie werden gestehen, daß das keinen Unterscheid macht; was ihren Buckel betrifft, so hoffe ich, der meinige darf sich noch immer neben dem ihren sehen lassen, und meine Füße sind, wie sie sehen, immer so breit und wohl um zwei gute Mannsdaumen länger als die ihrige. Ich weiß wohl, daß sie sich sehr viel auf den Umfang und die Schwärze ihres Busens zu gut tut, aber sie werden doch bekennen müssen, fuhr sie fort, indem sie ihr Halstuch abnahm, daß der meinige, wo nicht völlig so ansehnlich, doch ungleich schwärzer ist als der ihrige. Mag er doch! Rief die andere, einen so kleinen Vorzug kann ich dir leicht eingestehen, da ich in allen andern Stücken den Vorteil über dich habe.
Sie lachen, mein liebster Prinz Biribinker, und es kann in der Tat nichts lächerlicher sein, als die Eitelkeit dieser Meerkatze hier. Ich schäme mich, daß ich genötiget sein soll, mich selbst zu loben, aber sehen sie einmal, um wie viel meine Beine krümmer und stumpichter sind als die ihrigen? Ich will von allem übrigen nichts sagen; man müßte nur blind sein, wenn man nicht beim ersten Anblick sehen sollte, daß meine Augen kleiner und matter sind als die ihrigen, daß meine Backen um die Hälfte aufgedunsener sind, und meine Unter-Lippe viel weiter herunter hangt; auch nichts von der ungleich größern Länge meiner Ohren [325] zu gedenken, und daß ich wenigstens fünf oder sechs Warzen mehr im Gesicht habe als sie, und daß die Haare an den meinigen länger sind; wir wollen auf einen Augenblick das alles beiseite setzen, und nur von der Nase reden. Es ist wahr, die ihrige ist eine von den größten, die man sehen mag, und man könnte in Versuchung geraten, sie die Schönste zu nennen, wenn man die meinige nicht gesehen hat: Aber man braucht ja keinen Maßstab, um zu finden, daß meine Nase wenigstens einer halben Spanne lang weiter über den Mund herab hängt als die ihrige. Die Schamhaftigkeit erlaubt mir nicht, setzte sie mit einem entsetzlich zärtlichen Blick hinzu, von andern Schönheiten zu reden, die nur einem glücklichen Liebhaber sichtbar werden dürfen; aber sie können versichert sein, daß ich in diesem Stück nicht weniger Ursache habe, mich der Freigebigkeit der Natur zu berühmen, als in Absicht dessen, was ihnen in die Augen fällt, und ich hoffe – Mademoiselle, rief Biribinker, so bald er vor Lachen reden konnte; ich unterstehe mich eben nicht, mich für einen Kenner auszugeben; aber in der Tat, es kann ihrer Freundin nicht Ernst sein, wenn sie sich, was die Schönheit betrifft, mit ihnen in einen Wettstreit einlassen will; der Vorzug, den sie in diesem Stück haben, ist augenscheinlich, und es ist unmöglich, daß der gute Geschmack der Herren Gnomen ihnen hierüber nicht vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte.
Die erste Gnomide schien durch diese Entscheidung nicht wenig beleidiget zu sein, allein Biribinker, der vor Ungeduld brannte, die schöne Salamandrin zu sehen, bekümmerte sich wenig um alles, was sie zwischen ihren langen Zähnen murmelte, und zog sich wieder zurück, nachdem er der ganzen liebreizenden Gesellschaft eine gute Nacht gewünscht hatte. Statt der Antwort schickten sie ihm ein lautes Gelächter nach, um dessen Bedeutung er sich wenig bekümmerte, da er jetzo den Palast vor sich stehen sahe, dessen unbegreifliche Schönheit seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Nachdem er ihn eine geraume Weile voller Bewunderung betrachtet hatte, sahe er, daß die beiden Flügel der Pforte sich auftaten. Er konnte dieses nicht anders als für ein Zeichen ansehen, daß seine Unternehmung mit dem glücklichsten Ausgang bekrönt werden würde. [326] Er ging also mit hoffnungsvollem Mut hinein, und befand sich, nachdem er eine Treppe hinauf gestiegen war, in einem großen Vorsaal, aus dem er in eine Reihe von Zimmern kam, von deren Schimmer er, ungeachtet der Veränderung, die das Feuer-Bad in seiner Natur hervor gebracht hatte, fast verblendet wurde.
Allein so mannigfaltig und außerordentlich alle die schönen Dinge waren, die von allen Seiten seinen Augen entgegen strahlten, so vergaß er doch alles andere über den Gemälden einer unvergleichlich schönen jungen Salamandrin, womit alle diese Zimmer behangen waren. Er zweifelte nicht, daß es die Geliebte des alten Padmanaba sein werde, und diese Copien, worein sie in allen nur ersinnlichen Stellungen, Anzügen und Gesichtspuncten, bald wachend, bald schlafend, bald als Diana bald als Venus, Hebe, Flora, oder eine andere Göttin vorgestellt war, gaben ihm eine solche Idee von dem Urbilde, daß er bei der bloßen Erwartung seiner bevorstehenden Glückseligkeit vor Entzückung und Wonne hätte zerfließen mögen. Ins besondere konnte er nicht satt werden, eine große Tafel anzuschauen, worin sie in einem Bade von Flammen saß, von Liebesgöttern bedient, die durch das Anschauen ihrer überirdischen Schönheit außer sich selbst gesetzt schienen. Biribinker wußte nicht, ob er die Schönheit des Gegenstands, oder die Kunst der Malerei am meisten bewundern sollte, und mußte sich selbst gestehen, daß Titian und Guido gegen die Salamandrischen Maler in Absicht der Colorit nur Sudler seien. Der Eindruck den dieses Gemälde auf ihn machte, war so lebhaft, daß er mit äußerster Ungeduld diejenige zu sehen wünschte, die in einem leblosen Nachbilde schon so unwiderstehliche Begierden einflößte. Er durchsuchte also eine Menge von Zimmern, ohne daß er jemand fand, er durchsuchte den ganzen Palast von oben bis unten, und wiederholte es zwei oder dreimal; aber da war keine Seele zu hören noch zu sehen. Endlich ward er einer halb geöffneten Türe gewahr, die in den außerordentlichsten Lustgarten führte, den er jemals gesehen hatte. Alle Bäume, Gewächse und Blumen, Alleen, Lauben und Springbrunnen in diesem Garten waren von lauterm Feuer, jedes brannte in seiner natürlichen Farbe, mit einem eben so anmutigen als durchdringenden [327] Glanz, und die Würkung, die das Ganze machte, übertraf in der Tat alles, was sich die Einbildungs-Kraft prächtiges vorstellen kann.
Biribinker warf nur einen flüchtigen Blick auf dieses majestätische Schauspiel, denn er gewahrte am Ende des Gartens einen Pavillion, in welchem er seine schöne Salamandrin zu finden hoffte. Er flog dahin, und die Türe öffnete sich abermal von selbst, um ihn durch einen großen Saal in ein Cabinet einzulassen, wo er niemand sah als einen Greisen von majestätischem Ansehen, mit einem langen schneeweißen Bart, der auf einem Ruhebette in tiefem Schlafe zu liegen schien. Er zweifelte nicht, daß es der alte Padmanaba sei, und ob er gleich versichert war, daß er keine Gewalttätigkeit von ihm zu besorgen hatte, so konnte er sich doch nicht erwehren, ein wenig zu zittern, da er sich, mit den Absichten, die er hatte, so nah bei diesem Zauberer und an einem Orte sah, wo alles demselben zu Gebot stund. Doch der Gedanke, daß ihn das Schicksal nun einmal dazu ausersehen habe, die Bezauberungen des Padmanaba zu zerstören, und das Verlangen, die schöne Salamandrin zu sehen, gaben ihm in wenig Augenblicken seinen ganzen Mut wieder. Er war im Begriff sich dem Ruhebette zu nähern, um sich eines Säbels zu bemächtigen, der neben dem Alten auf einem Küssen lag, als er merkte, daß er mit dem Fuß an etwas stieß, ob er gleich nicht sahe, was es sein könnte. Er stutzte, und da er die Hände zu Hülfe nahm, so fühlte er den artigsten kleinen Fuß, der je gewesen ist, auf einem Polster ausgestreckt. Eine so unverhoffte Entdeckung machte ihn neugierig, das Bein kennen zu lernen, dem ein so artiger Fuß zugehörte, denn Biribinker schloß in diesem Falle wie Sanct Thomas von Aquino selbst geschlossen haben würde, nämlich, daß, wo man einen, Fuß finde, man nach dem ordentlichen Lauf der Natur berechtiget sei ein Bein zu erwarten. Er setzte also seine Beobachtungen fort, und entdeckte endlich von Schönheit zu Schönheit in der unsichtbaren Figur, die er vor sich hatte, ein junges Frauenzimmer, die in einem tiefen Schlaf versenkt zu sein schien, und (nach dem Zeugnis des einzigen Sinnes, der ihm ihr Dasein verraten hatte, zu urteilen) von einer so vollkommenen Schönheit war, daß sie nichts geringers als entweder Venus oder die [328] schöne Salamandrin selbst sein konnte. In dem nämlichen Augenblick, da er diese Entdeckung machte, ließ sich eine muntere Symphonie von allen möglichen Instrumenten hören, ohne daß man weder Instrumente noch Musicanten sah.
Biribinker erschrak und bebte von der schönen Unsichtbaren zurück, denn sein erster Gedanke war, daß dieses Getöse den schlafenden Zauberer aufwecken würde; aber er entsetzte sich noch weit mehr, da er sah, daß Padmanaba verschwunden war.
Dieser Zauberer war alt genug um klug zu sein; er wußte schon lange, wie gefährlich ihm Biribinker einst sein würde, und die Furcht vor einem Prinzen, der dazu geboren schien, seine Bezauberungen aufzulösen, war der stärkste Beweggrund gewesen, warum er seine Residenz in des Walfisches Bauch aufgeschlagen hatte. Allein auch in dieser Freistatt hielt er sich und seine schöne Salamandrin, die nun der einzige Gegenstand seiner Sorgen war, nicht für sicher genug; und da ihm eine geheime Ahnung vorher sagte, daß ihn Biribinker bis in des Walfisches Bauch verfolgen würde, so glaubte er nicht genug Vorsicht gebrauchen zu können, um das Unglück zu verhüten, womit ihn die überraschende Erscheinung eines so furchtbaren Gegners bedräute. In dieser Absicht hatte er seine Geliebte mit einem geheimnisvollen Talisman bewaffnet, der die gedoppelte Eigenschaft hatte, sie allen andern Augen als den seinigen unsichtbar zu machen, und so bald er berührt wurde, eine zauberische Musik hervor zu bringen. Käme auch Biribinker, (dachte der alte Padmanaba) aller Schwierigkeiten ungeachtet, in den Bauch des Walfisches, ja selbst in den unsichtbaren Palast, so würde ihm doch die schöne Salamandrin unsichtbar sein; und entdeckte er sie auch, trotz ihrer Unsichtbarkeit, so würde doch, so bald er den Talisman berührte, das musicalische Getöse sein Dasein verraten, und ihn Padmanaba noch zeitig genug in den Stand setzen, seinem Unstern zuvor zu kommen. Diese Vorsicht war desto nötiger, da der gute Alte seit mehrern Jahren mit einer Art von Schlafsucht behaftet war, die ihn nötigte, alle Tage wenigstens sechszehen Stunden von vier und zwanzig zu verschlafen. Das geringe Zutrauen, das ihm seine vorige Liebste zu ihrem ganzen Geschlecht übrig gelassen hatte, bewog [329] ihn, die schöne Salamandrin während der ganzen Zeit seines Schlummers in einen bezauberten Schlaf zu versenken, aus welchem niemand als er sie erwecken konnte. Der einzige Biribinker würde unter gewissen Umständen und Bedingungen, die nämliche Macht gehabt haben, und Padmanaba, (so wollt es das Schicksal!) würde in eben demselben Augenblick die seinige, wenigstens über die schöne Salamandrin gänzlich verloren haben; und da alles dieses während daß der Alte schlief, gar leicht hätte begegnen können, so hatte er den Talisman, der ihn erwecken sollte, so weislich angebracht, daß Biribinker, (in so fern man ihm auch nur eine mittelmäßige Neugierigkeit zutrauen konnte) ihn notwendig finden mußte.
Hier konnte Don Sylvio sich nicht enthalten die Erzählung des Don Gabriel zu unterbrechen, indem er ihn ersuchte, sich über den Umstand mit dem Talisman etwas deutlicher zu erklären; ich finde sie, wider ihre Gewohnheit, eine Weile her etwas dunkel, (setzte er hinzu) und ich gestehe ihnen, daß ich von allem, was sie bei Gelegenheit der Erwachung des alten Padmanaba sagten, kaum die Hälfte verstanden habe. Die ganze Gesellschaft, selbst die schöne Hyacinthe nicht ausgenommen, lächelte über diese Anmerkung, und Don Gabriel wußte sich nicht anders zu helfen, als daß die Dunkelheit, worüber Don Sylvio sich beklagte, in der Sache selbst liege, und daß überhaupt wenige Feen-Geschichten gefunden werden, welche durchaus so deutlich und begreiflich seien, als es zu wünschen wäre. Weil nun Don Sylvio sich mit dieser Entschuldigung zu begnügen schien, so fuhr Don Gabriel in seiner Erzählung also fort:
Kaum hatte Biribinker, in dem nämlichen Augenblick, da er entdeckte, daß der schöne Fuß (der zu diesem Abenteuer Anlaß gegeben) einem eben so schönen jungen Frauenzimmer zugehöre, den fatalen Talisman berührt, so fing wie schon gemeldet worden, der Talisman zu musicieren an, und Padmanaba erwachte. Er warf, wie leicht zu erachten ist, keinen sehr freundlichen Blick auf unsern Prinzen; allein, da er mit Gewalt nichts gegen ihm vermochte, so blieb ihm nichts übrig, als sich auf der Stelle unsichtbar zu machen, und mit aller nur möglichen Eilfertigkeit auf die Verhinderung des Vorhabens bedacht zu sein,[330] welches er, ohne in einem übertriebenen Grad argwöhnisch zu sein, bei Biribinker voraus setzen konnte.
Inzwischen hatte sich dieser Prinz, dem es bei Gelegenheit nicht an Mut fehlte, wieder aus der ersten Bestürzung erholt, worein ihn das unsichtbare Concert und die Verschwindung des Padmanaba gesetzt hatte. So gefährlich als es ihm schien, in einem solchen Ort gar zu neugierig zu sein, so wollte er doch wissen, was aus dem alten Zauberer geworden sei. Er suchte ihn also im Garten so wohl als in allen Zimmern und Winkeln des Schlosses, nachdem er die Vorsicht gebraucht hatte, sich vorher mit dem Säbel zu bewaffnen, den Padmanaba zurück gelassen hatte, und auf dessen beiden Seiten er so viel talismannische Figuren eingegraben fand, daß er sich mit diesem Gewehr vor dem Zauberer Merlin selbst nicht gefürchtet hätte. Da er aber weder den Alten noch jemand andern finden konnte, so zweifelte er nun nicht länger, daß Padmanaba entflohen sei, und ihm seinen Palast und seine Schöne zur Beute überlassen habe. In diesen Gedanken kehrte er triumphierend zurück, warf seinen Säbel auf das Ruhebette, und sich selbst zu den Füßen der liebenswürdigen Unsichtbaren, die er zu seiner unbeschreiblichen Freude noch immer schlafend fand, ungeacht die Musik des berührten Talismans mit der angenehmsten Abwechslung von Allegro und Andante immer fort daurte. Man weißt nicht, ob es den zauberischen Einflüssen eines von diesen Andante, (welches in der Tat nicht zärtlicher hätte sein können, wenn es von Jomelli selbst gesetzt gewesen wäre) oder einem Zweifel, der (wie es zu gehen pflegt) bei ihm entstund, ob er auch dem Zeugnis eines einzigen Sinnes glauben dürfe, und ob nicht diese unvergleichliche Schöne, die er auf dem Sopha gefunden zu haben glaubte, ein bloßes Blendwerk sein möchte, dergleichen in bezauberten Palästen nicht ungewöhnlich sind – Man weißt nicht, sage ich, ob es der einen oder der andern von diesen Ursachen zuzuschreiben war, daß Biribinker durch neue Beobachtungen sich der Wahrheit eines so außerordentlichen Phänomenons zu versichern anfing. In kurzem fügte er auch noch Versuche hinzu, und beides so wohl, als die heftigste Symptomen einer Leidenschaft, die in kurzem bis zum äußersten Grad der Schwärmerei und des Taumels stieg, ließen ihm endlich keinen[331] Zweifel mehr übrig, daß er würklich die schöne Salamandrin in seinen Armen habe, deren sichtbare Gestalt ihn in den Zimmern des Palasts so sehr entzückt hatte. Dieser Gedanke, und das bezaubernde Colorit, womit sein Gedächtnis die Unvollkommenheit des fünften Sinnes ergänzte, dessen er sich allein bedienen konnte, setzte ihn zu sehr außer sich selbst, als daß er sich in diesen Augenblicken seines geliebten Milchmädchens, seiner Entschließungen, und der Warnungen des Kürbis hätte erinnern können. Kurz, er wurde immer kühner, und die zunehmende Dunkelheit des Zimmers, die er für eine Aufmunterung seiner Unternehmungen hielt, mit der Musik des Talismans, welche immer zärtlicher wurde, war in der Tat nicht geschickt, seine Entzückung auf einen mäßigern Grad herab zu stimmen. Es findet sich hier eine abermalige kleine Lücke in dem Original dieser merkwürdigen Geschichte, deren Ausfüllung wir den Bentleys und Scribleris unserer Zeit überlassen wollen, ohne uns auch nur mit Vermutungen über den Inhalt derselben aufzuhalten. Biribinker, fährt die Geschichte fort, erwachte eben aus einer Betäubung, welche gewissen Indianischen Philosophen so angenehm zu sein scheint, daß sie in eine immerwährende Dauer derselbigen den höchsten Grad der Glückseligkeit setzen, als er gewahr wurde, daß die schöne Unsichtbare alle seine Liebkosungen mit ungemeiner Lebhaftigkeit erwiderte. Er schloß hieraus, daß sie erwacht sein müsse, und unterließ nicht, ihr in der erhabenen Sprache, die er sich im Bienenstock der Fee Melisotte angewöhnt hatte, alle die zärtlichen Sachen vorzusagen, welche Cristalline und Mirabella in ähnlichen Umständen von ihm gehört hatten. Die Unsichtbare beantwortete diese schönen Erklärungen, Lobsprüche, Ausrufungen und Beteurungen mit Seufzern, Verkleinerung ihrer Reizungen und Zweifeln an seiner Beständigkeit, die ein weniger entzückter Liebhaber als es Biribinker war, hätte unzeitig und im Mund einer so liebenswürdigen Person unnatürlich finden können. Allein der Prinz, der in diesen Augenblicken gar nicht aufgelegt war Schlüsse zu machen, begnügte sich bloß, in dem gewöhnlichen Wege, wie man dergleichen Zweifel zu zerstreuen pflegt, die Beweise seiner Zärtlichkeit zu verdoppeln. Sie gab ihm alle Aufmerksamkeit, die er nur immer wünschen [332] konnte, ohne desto besser überzeugt zu sein. Haben sie nicht, sagte sie ihm, Mirabellen und Cristallinen eben so geliebt wie mich? Haben sie nicht einer jeden von ihnen eben so viel zärtliches vorgesagt, eben so viel Beteurungen gemacht, eben so viele Beweise gegeben, ohne daß weder die eine noch die andere, so reizend sie ihnen auch in der ersten Berauschung ihrer Sinnen vorkamen, fähig war, über das Milchmädchen, das sie sich in den Kopf gesetzt haben, nur einen einzigen Tag lang die Oberhand zu behalten. Ach! Biribinker! das Schicksal meiner Vorgängerinnen sagt mir nur allzu deutlich, was das meinige sein wird; und wie können sie verlangen, daß ich bei einer so traurigen Gewißheit, sie in wenigen Stunden wieder zu verlieren, gleichgültig bleiben soll? Biribinker antwortete ihr hierauf mit den lebhaftesten und feierlichsten Versicherungen einer ewigen und eben so unbegrenzten Liebe, als es ihre Reizungen seien. Er behauptete, daß sie sich selbst beleidige, indem sie sich mit den bei den Feen vergleiche, die, wie er sagte, nicht liebenswürdig genug gewesen waren, ihm etwas mehr als einen flüchtigen Geschmack beizubringen, und schwur ihr bei allen Liebesgöttern, daß von dem Augenblick an, da er das Glück gehabt habe, ihr Bild im großen Saal zu erblicken, das Milchmädchen, welches sie in so unnötige Besorgnisse setze, nicht mehr Gewalt über sein Herz gehabt habe, als ein jedes anders Milchmädchen in der Welt. Diese Versicherungen beruhigten die schöne Unsichtbare nur schwach, und Biribinker sahe sich genötigt alle seine Figuren zu erschöpfen, um die Hartnäckigkeit ihres Unglaubens zu überwinden. O! rief er, schönste Unsichtbare, warum kann ich nicht den ganzen Erdkreis und alle vier Elemente mit ihren Bewohnern auf einmal zu Zeugen der unveränderlichen Treue machen, die ich ihnen schwöre! – Wir alle sind Zeugen, rief eine Menge von weiblichen und männlichen Stimmen, die ihm von Personen, die um ihn herum stunden, in die Ohren schallten. Biribinker, der wohl nicht vermutet hatte, daß man ihn beim Wort nehmen würde, fuhr mit einiger Bestürzung auf, und wollte sehen, woher diese Stimmen kämen; aber o! Himmel! welche Zunge könnte beredt genug sein, die Bestürzung und das Entsetzen auszudrücken, worein ihn der Anblick setzte, den eine plötzliche Erheiterung des Zimmers seinen [333] weit offnen Augen darstellte? Er sah, o! Wunder! o! Abenteuer! o! schreckenvoller Anblick! er sahe sich in eben dem Cabinet, welches schon zweimal ein Zeuge seiner treulosen Unbeständigkeit gewesen war; an statt der schönen Salamandrin fand er sich in die Arme der häßlichen Gnomide verwickelt, welcher er vor etlichen Stunden den Preis zuerkannt hatte; und was seine Beschämung und seinen Schmerz hätte tödlich machen mögen, er sah sich um und um von allen denjenigen umgeben, die er sich am wenigsten zu Zuschauern wünschen konnte, und sie waren grausam genug, in eben dem Augenblick, da er sich mit grauemvollem Ekel aus den Armen seiner mißgeschaffnen Schönen los wickeln wollte, in ein so lautes Gelächter auszubrechen, daß der ganze Palast davon widerhallte. Zur Rechten des Ruhbettes sahe er (o! wie gern hätte er sich in diesem Augenblick blind und unsichtbar zu sein gewünscht!) die Fee Cristalline, welche den kleinen Grigri an der Hand hatte; zur Linken die schöne Mirabella mit ihrem geliebten Flox, der in der Tat als Salamander eine bessere Mine hatte als in der Gestalt eines dicken Kürbis; aber was die Qual des unglücklichen Biribinkers auf den äußersten Grad vermehrte, war der Anblick der Fee Caprosine mit seinem schönen Milchmädchen, und des alten Padmanaba mit der schönen Salamandrin an der Hand; welche beiderseits auf einer goldfarbigen Wolke, die von kleinen Sylphen getragen wurde, saßen, und mit höhnischem Lächeln auf ihn hinunter sahen. Glück zu! Prinz Biribinker, sagte die Fee Cristalline; in der Tat, nun vergebe ich ihnen, daß sie so ungedultig von mir wegeilten; wer einer solchen Eroberung zueilt, kann sich nicht genug beschleunigen. Sie erinnern sich noch wohl, Prinz Biribinker, nahm jetzt Grigri das Wort, daß ich eben keine Ursache habe mich ihnen verpflichtet zu glauben; so denn wenn es an ihnen gelegen wäre, so möchte ich wohl ewig eine Hummel geblieben sein; aber es wäre zu grausam, ihrer in den Umständen, worin sie sind, noch zu spotten. Sehen sie selbige als eine Strafe an, die sie in mehr als einer Betrachtung verdient haben. Wenn auch die Schöne, bei der wir sie auf eine so unvermutete Art überraschen, ihrer nicht von allen Seiten so würdig wäre, als sie ist, fuhr Mirabella mit einer boshaften Mine fort, so haben sie wenigstens den Vorteil, daß sie keine[334] Preciöse ist. Was mich betrifft, setzte der gewesene Kürbis hinzu, so könnte ich zwar bedauren, daß ich meine wieder erlangte Gestalt und den Besitz der schönen Mirabella ihrem Unglück zu danken habe; allein nachdem ich als Kürbis großmütig genug gewesen war, sie vor den Folgen einer neuen Untreue zu warnen, so werden sie mich nicht verdenken können, wenn ich mich als Salamander erfreue, daß sie meine Warnungen verachtet haben. Siehe, Unglücklicher, aber mit Recht bestrafter Biribinker, meckerte jetzt die Fee Caprosine, wiewohl dich Caramussal gegen meinen Zorn geschützt hat. Siehe hier die liebenswürdige Princessin Galactine, die du als Milchmädchen liebtest, und deren Besitz ein allzu günstiges Schicksal, alles meines Hasses ungeachtet dir zugedacht hatte, wenn du durch eine dreimal wiederholte Untreue dich ihrer nicht selbst unwürdig gemacht hättest. Wenn Mitleiden dir helfen könnte, armer Prinz, sagte das schöne Milchmädchen, so würdest du, so wenig du es auch von mir verdient haben magst, weniger unglücklich sein; denn ich sehe wohl, daß deine Strafe härter ist als dein Verbrechen, und daß die Feen und Zauberer wenigstens eben so viel Schuld an deinem Unfall haben, als du selbst. Bei diesen Worten sahe der allzu unglückliche Biribinker auf, heftete einen Blick voll unbeschreiblicher Empfindungen auf sein geliebtes Milchmädchen, und sank mit einem Seufzer, worin er seine Seele auszuhauchen schien, wieder zurück, ohne das Vermögen zu haben, nur ein Wort hervor zu bringen. Lerne, rief ihm der alte Padmanaba von der andern Seite zu, lerne bewundernswürdiger Biribinker, seltnes Muster der Weisheit und der Beständigkeit, daß der alte Padmanaba nicht alt genug ist, deine Verwegenheit unbestraft zu lassen; und möge deine Geschichte, in immerwährender Zeitfolge von einer Amme der andern überliefert, der späten Nachwelt zum Beispiel dienen, wie gefährlich es ist, den großen Caramussal um sein Schicksal zu befragen, und vor seinem achtzehnten Jahr ein Milchmädchen zu sehen.
Kaum hatte Padmanaba den Mund wieder zugetan, so hörte man auf einmal ein fürchterliches Donnern, mit Sturmwind und Blitzen begleitet, wodurch der ganze Palast, wie in einem Erdbeben erschüttert, und die ganze Gesellschaft, den einzigen [335] verzweiflungsvollen Biribinker ausgenommen, in Furcht gesetzt wurde! denn selbst der alte Padmanaba merkte, daß dieses Ungewitter von einer Macht herkomme, die der seinigen überlegen war. Auf einmal flog die Decke des Zimmers und das ganze Dach des Palasts hinweg, und man sah, unter Donnern und Blitzen, den großen Caramussal, auf einem Hippogryfen sitzend, herab steigen, und zwischen der Fee Caprosine und dem alten Padmanaba seinen Platz auf einer Wolke nehmen. Der Prinz Biribinker ist genug gestraft, rief Caramussal mit majestätischer Stimme; Das Schicksal ist befriediget, und ich nehme ihn in meinen Schutz. Verschwinde nichtswürdiger Wechselbalg, fuhr er fort, indem er die Gnomide mit seinem Stab berührte, und sie, Prinz Biribinker, wählen sie unter diesen vier Schönen, welche sie wollen; die Salamandrin, die Sylphide, die Ondine, oder die Sterbliche; diejenige, so ihr Herz wählen wird, soll ihre Gemahlin sein, und sie von der Unbeständigkeit heilen, die bisher, wie man gestehen muß, ihr Fehler gewesen ist – Padmanaba würde, vor Verdruß über eine so unerwartete Entwicklung gerne mit den Zähnen geknirscht haben, wenn er welche gehabt hätte; Was die Schönen betrifft, so hatten sie alle ihre Augen mit Erwartung auf den Prinzen geheftet, und besonders sahe man der jungen Salamandrin, die noch kein Wort gesprochen hatte, ganz deutlich an, daß sie lieber gesehen hätte, wenn der alte Padmanaba, an statt die garstige Gnomide an ihren Platz zu schieben, ihr erlaubt hätte, ihre eigene Stelle selbst zu vertreten. Aber Biribinker, der in einem Augenblick von dem äußersten Grad der Scham und der Verzweiflung auf den höchsten Grad der Glückseligkeit überging, bedachte sich keinen Augenblick, wie er wählen wollte. Ob gleich die elementarischen Damen sein Milchmädchen an Schönheit weit hinter sich zurück ließen, so konnten doch alle ihre Reizungen in Gegenwart seiner geliebten Galactine mehr nicht als einen flüchtigen Blick von ihm erhalten. Er warf sich vor dieser anmutsvollen Creatur nieder, und bat mit den Ausdrücken einer so aufrichtigen Reue, einer so wahren Liebe um die Vergebung seiner Schuld, daß sie nicht so unbarmherzig sein konnte, ihm nicht wenigstens die Hoffnung, daß sie sich noch erbitten lassen werde, zu erlauben. Caramussal, dem er sich gleichfalls zu Füßen [336] warf, hob ihn auf, nahm ihn bei der Hand, und führte ihn der Princessin Galactine zu. Empfangen sie hier, liebenswürdige Princessin, den Prinzen Cacamiello von meiner Hand, denn dieses ist nunmehr sein Name, da die Absichten, warum ich ihm den andern geben ließ, erfüllt sind; Biribinker und Milchmädchen sind nun nicht mehr, und nachdem beide dem Eigensinn ihres Gestirns genug getan, und der Feerei ihre Gebühr bezahlt haben, so bleibt mir nichts übrig, als den Prinzen Cacamiello seinen königlichen Eltern zurück zu geben, und durch ein ewiges Band mit der Princessin Galactine zu vereinigen. Ihr, schöne Feen, fuhr er fort, indem er sich zu Cristallinen und Mirabellen wandte, habt, wie ich hoffe, Ursache mit mir vergnügt zu sein, da ihr durch meine Veranstaltung eure Gestalt und eure Liebhaber wieder erhalten habt; weil es aber unbillig wäre, daß ich allein leer ausginge, so entlade ich hier den alten Padmanaba aller seiner Sorgen, indem ich die schöne Salamandrin, die bei ihm nichts zu tun hat, als unsichtbar zu sein und zu schlafen, zur Belohnung meiner Mühe, für mich selbst behalte.
Mit diesen Worten schlug der große Caramussal mit seinem Stabe dreimal in die Luft, und auf einmal befand er sich mit dem Prinzen und der Princessin im Cabinet des Königs, der, wie man denken kann, eine große Freude hatte, seinen Sohn und Erben so groß und schön mit einer so schönen Princessin und mit einem so schönen Namen wieder zu sehen. Bald dar auf wurde das Beilager mit großer Feierlichkeit und Pracht vollzogen; das neue Ehepaar liebte sich so lange als es konnte, und zeugete Söhne und Töchter; und nachdem endlich der alte König in die neunzehnte Welt abgereist war, so regierte König Cacamiello so weislich an seiner statt, daß die Untertanen keinen Unterschied spürten. Er machte seinen Freund Flox, zur Belohnung der guten Dienste, die er ihm als Kürbis geleistet hatte, zu seinem ersten Vezier, und die schöne Mirabella nebst der Fee Cristalline unterließen niemals bei Hofe zu erscheinen, so oft die Königin in die Wochen kam. Sie brachten jedesmal den kleinen Grigri mit, welcher ungeachtet seiner Häßlichkeit, bei den meisten Hof-Damen einen Beifall erhielt, der ihren Liebhabern nicht gleichgültig war. Das muß man gestehen, sagten sie alle aus einem Munde, daß Grigri mit aller seiner [337] Häßlichkeit der kurzweiligste Gesellschafter von der Welt ist! – –
Und hier endet sich die eben so lehrreiche als wahrhafte Geschichte des Prinzen Biribinkers, (setzte Don Gabriel hinzu) bei der ich meinen Zweck vollkommen erreicht habe, wenn sie ihnen keine lange Weile gemacht, und die schöne Hyacinthe von ihrem Vorurteil gegen die Feerei zurück gebracht haben kann.