Fünfter Aufzug
Der Schauplatz stellt einen kleinen Tempel im Palaste des Admets vor. Ein Todtenopfer.
Admet. Parthenia. Ein Chor von Hausgenossen des Admet.
ADMET.
Ihr heil'gen unnennbaren Mächte
In deren grauenvolle Nächte
Kein sterblich Auge dringen kann!
PARTHENIA.
Du, Hekate! und Ihr,
Gewogne Eumeniden!
[62] Euch flehen wir,
O seht zufrieden
Seht gnädig unser Opfer an!
CHOR.
Euch flehen wir, o seht zufrieden,
Seht gnädig unser Opfer an!
ADMET.
Zürnet nicht der frommen Zähre
Die auf ihre Urne fällt!
Ach! was ich mit Ihr entbehre,
Ersetzt mir nicht der Götter Sphäre,
Ersetzt mir nicht die ganze Welt!
PARTHENIA.
Ihr selbst im Olympus gefürchtete Mächte,
[63] Die in dem Heiligthum geheimnißvoller Nächte
Hyperions Fackel nie erhellt.
ADMET.
PARTHENIA.
O! daß dieß Opfer euch versöhne!
O zürnet nicht der frommen Thräne
Die auf Alcestens Urne fällt!
ALLE.
O! daß dieß Opfer euch versöhne!
Verzeiht, verzeiht der frommen Thräne
Die auf Alcestens Urne fällt!
ADMET.
Und du, wenn noch im Reich der Wonne, in den Kreisen
Der schönen Seelen, wenn im stillen Schoos
Des ewgen Friedens, ein Gedanke noch
[64] An deine Hinterlaßnen dich erinnert:
Wenn unsre Thränen, unsre Sehnsucht, unser nie
Ermüdendes Gespräch von deiner Tugend,
Von deines Umgangs Reiz und unserm Glück in dir,
Dich noch erreichen kann, –
Geliebter Schatten,
So hör uns! – Fühle, fühle wie wir unaussprechlich
Dich noch im Grabe lieben,
Und möchte dieß Gefühl
Selbst in Elysium deine Wonne mehren!
Herkules. Die Vorigen.
Der Chor entfernt sich.
PARTHENIA.
Wie? Seh ich, oder blendet mich der Schein
Der Opferflamme? Herkules schon wieder
[65] Zurück? – Admet, sieh deinen Frennd!
Und Freude blitzt aus seinen Augen!
ADMET.
– Freude?
Er sprach von Hülfe, da er gieng –
HERKULES.
Und kömmt zu halten was er dir versprach.
ADMET.
O Herkules, ich hielt dich
Für meinen Freund; –
Ists möglich, kannst du meiner Schmerzen
spotten?
HERKULES.
Dein Unglück macht dich ungerecht, Admet.
Ich tadle nicht daß du in seinem ganzen Umfang
Es fühlst. Du traurst mit Recht. Alceste
[66] Ist deiner Thränen werth. Sie ist die Zierde ihres
Geschlechts, verdient es daß ihr Bild in Marmer
Den Enkeln heilig sey; verdient, so oft der Tag,
An dem sie sich für ihren Gatten hingab,
Zurückkömmt, daß Thessaliens fromme Töchter
Der Heldinn Grab mit Blumenkränzen schmücken.
Man soll den Frauen sie zum Beyspiel nennen!
Sey wie Alceste soll der Segen seyn
Der künftig jede Braut zur Gattinn weyhe!
Wir sind ihrs schuldig! Mehr, Admet,
Verlangt ihr Schatten nicht.
ADMET.
Du sprichst wie einer der das Glück
[67] Nie kannte, das die Götter mir
Zu Neidern machte. Du verlohrest keine
Alceste –
HERKULES.
Diesseits des Olymps, Admet,
Ist kein Verlust, den uns die Götter nicht
Ersetzen könnten.
ADMET.
O Herkules, ermüde die Geduld
Von deinem Freunde nicht! – Du hast sie nie gekannt,
Wenn dir Alcestens
Verlust ersetzlich scheint.
HERKULES.
Nicht ohne Grund spricht Herkules
So zuversichtlich. Höre mehr, Admet!
Was dir unmöglich scheint, ist schon gefunden.
[68] Ich bringe den Ersatz. Die liebenswürdigste
Der Töchter Gräciens begleitet meine Schritte.
ADMET.
Dieß nennst du dein Versprechen halten?
HERKULES.
Was hälf es dir, den schmerzversüßenden
Einladungen der Liebe deinen Busen
Hartnäckig zu verschließen?
Den einz'gen Trost, den dir in deinem Gram
Das Schicksal anbeut, wilt du von dir stoßen?
Schau um dich her, Admet?
Ist auch im ganzen Weltbau nur ein Rad
Aus seinem Gleis getreten? Alles ist
So wie es war, da du dich glücklich hieltest.
Die Quellen jeder Freude strömen fort,
Und werden ewig strömen!
Verschmachtest du, so ist es deine Schuld.
[69]PARTHENIA.
Erkläre mir dein Räthsel, Herkules.
Du sprichst von einer Schönen die dir folge?
Wie nennst du Sie? Von wannen kömmt Sie uns?
Was kann Sie wollen?
HERKULES.
Euer Leid ergötzen,
Parthenia; diese traurigen Cypressen
In Rosen wandeln; diesen Tempel wieder
Den Liebesgöttern weyhen. – Starre mich
Nicht so aus Augen an, Admet, worinn Verachtung
Und Zorn sich mit Erstaunen mischen!
ADMET.
Unfreundlicher, auf deines Vaters Nahmen
Zu stolzer Freund! Hör auf! Ich will nicht länger
[70] Alcestens Ruhm
Und meine Liebe lästern hören!
Mich prüfen willst du? – Spare deine Mühe!
Mein Herz verschmäht sie! –
HERKULES.
Du mißkennest meine Absicht.
Ich will dein Glück, und du
Du stössests von dir. Hast du denn die Schöne
Gesehn, die mich begleitet? – Sieh sie erst!
Mich müßte alles trügen, wenn du mir
Für das Geschenk nicht dankest, das du itzt verschmähst.
ADMET.
Nicht meine Treue – die ist ewig, ewig
[71] Alcesten heilig! – Unsre Freundschaft setzest du
Auf eine Probe der sie unterliegt.
Ich geh – und du – hast einen Freund verlohren!
Ihr sollt' ich untreu werden können?
Dir ungetreu, Alceste? Dir?
Von fremder Flamme sollt ich brennen?
O! Wenn ich dessen fähig werde,
So öffne sich vor mir die Erde!
Der Eumeniden Fackel blitze
Mir ins Gesicht, und aus dem Sitze
Der Wonne fluch Alceste mir!
Er geht ab.
[72] Parthenia. Herkules.
PARTHENIA.
Alcmenens Sohn, bey den Göttinnen!
Du gehst zu weit –
Was konnte dich bewegen, deinen Freund
So grausam, vor der Urne einer
Geliebten Gattinn, an dem Tage selbst
Der sie geraubt,
In ihres Schattens heil'ger Gegenwart,
Durch einen Antrag, der sein Herz
Zerreissen muß, zu kränken?
HERKULES.
Zu kränken? Ferne sey es! glücklich, glücklich
Will ich ihn machen, ihn und dich, Parthenia.
Der nächste Augenblick soll für mich reden.
[73]PARTHENIA
allein.
Was kann er meynen? – Sollt es möglich seyn?
Welch ein Gedanke! – Aber nein, es ist unmöglich!
Von da, wo sie in diamantnen Mauern
Die Ewigkeit gefangen hält,
Ist keine Wiederkunft!
Herkules. Alceste. Parthenia.
PARTHENIA.
Allmächt'ge Götter!
Was seh ich? – Ja, sie ists! Sie ists! –
O theurer Schatten –
Sie geht mit ausgebreiteten Armen auf Alcesten zu, aber zittert wieder zurück, da sie ihr nahe kömmt.
[74]HERKULES.
Fürchte nichts!
Es ist kein Schatten der aus deinen Armen
In Luft zerfließt. Sie lebt. Es ist
Alceste selbst, die ich vom Ufer
Des Styx zurückgebracht.
ALCESTE.
O Schwester! Schließ ich dich in meine Arme
wieder?
Aus welchem Traum erwach' ich!
PARTHENIA.
– O Entzücken!
O Wunder! – Darf ich meinen Sinnen glauben,
Du Göttersohn? – Ich seh sie, halte sie
In meinem Arm, Ihr Busen schlägt an meinem Busen,
Und doch besorg' ich daß es Täuschung sey.
[75]HERKULES.
Besorge nichts! Die Götter schenken sie
Dir wieder.
ALCESTE.
Ließ in meinen Augen,
Wie glücklich mich dein Wiedersehen macht.
Gewiß sie sagen dir daß ich Alceste bin!
PARTHENIA.
Ja, Schwester, ja, du bists! – O welche Wonne!
Laß mich eilen – Dein Admet
Kann nicht zu schnell erfahren
Wie viel er seinem Freund zu danken hat.
HERKULES.
Ruf ihn zurück, Princessin, sag, es schmerze mich
[76] Sein Herz gekränkt zu haben; doch entdecke ihm
Nicht alles. Laß Alcesten
Und mir die Freude, ihn mit seinem Glücke
Da ers am mindsten hoft zu überraschen.
PARTHENIA.
Wenn nur Gesicht und Ton mich nicht verräth,
Dem Mund soll nichts entschlüpfen!
Sie geht ab.
Herkules. Alceste.
HERKULES.
Hülle, Königin,
In deinen Schleyer dich, und tritt
Zurücke. Sein Entzücken, in der schönen Fremden
Die seinen Zorn mir zuzog, dich zu finden,
[77] Sey die Belohnung dessen was ich heute
Für euch gewagt! –
ALCESTE.
O Göttersohn! Noch immer scheint mir Alles
Was mir begegnet ist ein Traum,
Ein wunderbarer Traum!
Ich frage mich erstaunt, ob ich es bin?
Die Erde, die ich wieder
Betrete, diese Wohnung die ich kaum auf ewig
Verlassen, dieser Tempel – Alles ist
Mir fremd. Elysium schwebt
Mit allen seinen unnennbaren Freuden
Vor meinen Augen noch.
Wie selig war ich! – Ach! mit meinem Glücke
Verlohr ich auch die Macht es auszusprechen.
[78] Dieß weiß ich nur, dieß fühl' ich – o! im Grunde
Der Seele fühl' ich es – es war kein Traum.
Noch athmet mir aus ewig blühenden Gefilden
Der Geist der Unvergänglichkeit entgegen.
Noch saugt mein Ohr
Die Wollust eurer Lieder, o ihr Söhne
Des Musengottes! –
HERKULES.
Still! – ich hör' Admetens Tritte –
Entferne dich!
Alceste zieht sich in den Grund des Schauplatzes zurück.
Die Vorigen. Parthenia. Admet der ihr in einiger
Entfernung mit düstern niedergeschlagenen Blicken folgt.
HERKULES.
Admet, vergieb mir! Zürne nicht
[79] Auf deinen Freund! Er fehlte bloß
Aus gutem Willen. Der Gedanke, wieder glücklich dich
Zu machen, riß mich hin. Vergieb mir, Freund!
ADMET.
Vergieb dir Selbst! Unzärtlich, Herkules,
War dein Betragen –
HERKULES.
Hebe deine Augen,
Und sieh, was mich entschuldigt!
ADMET.
O! Ihr Mächte des Olymps!
Was seh ich! – Nein, ich sehe nichts! – Mich täuscht
Ein Gott, der meiner spottet. Liebe, Sehnsucht, höhnen
[80] Mein gernbetrognes Herz. Es ist ein Blendwerk!
Alceste nähert sich ihm mit offnen Armen.
– Wie! Es nähert sich? – Bist du's,
Geliebter Schatten, der zum Troste mir erscheint?
ALCESTE.
O mein Admet!
Sie eilt auf ihn zu und umarmt ihn.
ADMET.
O Götter, laßt ihn ewig, ewig dauren
Den süßen Wahn! –
Er umarmt sie von neuem.
Ists möglich, gute Götter! O ists möglich!
Umfaß' ich dich, Alceste, keinen Schatten?
ALCESTE.
Ich bin es selbst, Admet,
[81] Die den Ersatz für ein verlohrenes
Elysium in deinen Armen findet.
ADMET.
O! einmal noch und abermal, Geliebte,
Umarme mich! – Ich kann nicht oft genng
Mich überzeugen, daß ich glücklich bin.
Dich selbst, dich selbst, Alceste, neubelebt
Umfaß ich! – Götter, welch Entzücken!
ALCESTE.
Den allvermögenden Belohnern
Der Tugend, mein Admet, – und deinem Freunde
Dank es mit mir! – Er wagte sich für uns,
Stieg unerschrocken in den furchtbarn Abgrund
Der ew'gen Nacht hinab, erbat, erkämpfte
Von Proserpinen mich.
[82]ADMET.
O Sohn des Donnergottes! welch ein Dank
Kann meiner unbegrenzten Schuld
Mich gegen dich entbinden? – Sage,
Den Göttern gleicher Freund, wie konntest du
Lebendig in den unzugangbarn Sitz
Der Schatten dringen? – O erkläre mir
Ein Wunder, das mir noch in diesem Augenblick,
Da ichs mit Augen seh, mit Händen fühle,
Unglaublich ist.
HERKULES.
Begehr es nicht zu wissen!
Ein heil'ger Schleyer, den die Götter selbst
Nicht wegzuziehen wagen, liegt
Auf den Geheimnissen des Geisterreichs.
Der Eumeniden Hand schließt meinen Mund!
[83] Genug für dich, daß dir Alceste wieder
Gegeben ist. Geneuß der wundervollen Wohlthat
Der Götter, Freund, und feßle deinen Vorwitz.
ADMET.
Allgüt'ge Mächte, seht mit Wohlgefallen
Die Freudenthränen au, die meinem Aug' entströmen!
Was hat ein Sterblicher, um euch zu danken,
Als Frendenthränen? Als sein Unvermögen
Die Größe seines Dankes auszudrücken?
ALCESTE.
Wie glücklich sind wir! Wie empfind ich es
Für dich und mich! – Es ist kein Blendwerk, mein Admet!
Ich leb', ich lebe wieder
Für dich, und fühl' erst itzt
[84] Den ganzen Werth des Glücks für dich zu leben!
Schon wandelt' ich
Im Chor der schönen Seelen,
Schon grüßte mich
Aus tausend Wunderkehlen
Elysiums schönster Hayn:
Ich fühlte Götterfrieden
Tief in der Brust:
Doch, konnte meine Lust
Vollkommen seyn?
Geliebter, war ich nicht
Von dir geschieden?
Itzt findt Alceste sich in deinen Armen wieder.
Elysium war ein Traumgesicht!
[85] O nun erst lebt sie wieder!
Ist wieder dein!
Vermißt nicht mehr der Amphionen Lieder,
Nicht ihren schönsten Hayn!
ADMET.
Du hast Elysiums Glück empfunden!
Sprich, ist es unsrer Wonne gleich?
ALCESTE.
Ich hab Elysiums Glück empfunden!
Allein dem Augenblick, wo ich dich wiedergefunden,
Ist keine andre Wonne gleich.
[86]ADMET
zu Herkules.
O! Freund! wie kann ich dir vergelten?
Was ist ein Königreich?
Sind ganze Welten
Dem Werthe deiner Wohlthat gleich?
HERKULES.
Ich bin belohnt an euern Freuden
Mein mitempfindend Herz zu weiden,
Ich bin der glücklichste von euch!
PARTHENIA.
Ihr Götter! die uns zu beglücken
Dieß Wunderwerk gethan,
[87] Nehmt unser dankendes Entzücken
Zum Opfer an!
ADMET.
ALCESTE.
Ihr Götter, die uns zu beglücken
Dieß Wunderwerk gethan:
ALLE.
Nehmt unser dankendes Entzücken
Zum Opfer an!