Georg Wickram
Der Goldtfaden
Ein schöne liebliche vnd kurtzweilige Histori von eines armẽ hir ten son / Lewfrid genant /welcher auß seinem fleißigen studieren /vnderdienstbarkeyt / vnd Ritterlichen thaten eines Grauen Tochter vberkam / allen Jungen knaben sich der tugendt zůbefleissen / fast dienstlich zů lesen /Newlich an tag geben durch Jörg Wickram von Colmar

1. Wie hirt Erich seines viehes hüt

[267] 1.
Wie hirt Erich seines viehes hüt, und ein grosser lew teglich zů im under sein vieh kam, dem aber gar keinen schaden thet, allein wie ein ander zammer hund das halff verhüten.

Es ist gewesen vor vilen und langen jaren jaren in dem künigreich Portugal ein armer man mit nammen Erich, welchen got in seiner armůt mit vil kinden, sön und töchtern, begabet. Dieselbigen kinder aber got mit wunderbarer schöne an die welt kommen ließ, so das gemelten Erichen aller arbeit, angst und armůt gar nit beschweret. Dann sobald er von seiner arbeit des nachtes heym zů hauß kam, legt er von im sein bickel und hawen, nam zů im seine jungen und schönen kinder, schimpffet und schertzet mit freuden mit in, als wann er den gantzen tag keiner arbeit nie gepflegen. Sobald auch seine kinder etwas erwůchsen, begerten sie von im die reichen kauffleut. Die wurden dann gar fleißig und wol bei ihn aufferzogen, und so sie dann zů mannbaren tagen erwachsen, wurden sie gar ehrlich von denselbigen versorgt und außgesteurt; niemant aber wolt dem gůten Erich zů hilff und statten kommen. Das weret so lang, biß sein haußfraw Felicitas (also was ir nam) ires letsten sons genesen thet; dann mit demselben kind kam ir und irem haußwirt groß glück und heyl auff erdtrich.

[267] Erich, der gůt, fromm und getreuw arbeiter, hatt jetz von der gemein im dorff, darauff er saß, das viech angenommen zů hüten, darmit er sein narung dest baß gehaben mocht. In disem seinem hirtenampt begab sich ein seltzam wunder, so dann zůvor von niemans vormals erhört was. Dann als er einesmals bey seinem vieh auff dem feld was und im sein haußfraw Felicitas das morgenbrot auff das feld bracht, sassen sie under einen schattigen baum zůsamen, die hitz der sonnen zů fliehen, assen alda das morgenmal, was sie got berahten hat, mit freuden. Wie sie also sitzen, so fahend seine hund, der er zwen bey im hat, gar grewlich an zů bellen, das füch mit grossem schnauden zůsammenlauffend. Erich, der güt hirt, erwischet seinen hirtenstab, laufft schnell und bald zů dem füch. Als er in mitten under die herdt kompt, so ersicht er ein grausammen grossen leuwen in mitten under seiner härdt, von welchem anblick er nit wenig schrecken empfing. Der leuw aber in gantz mit güte ansehen und mit demütiger geberd empfieng, seinen schwantz auff die erden klopffen gleich einem hund, so sich gegen seinem herren demütig unnd dienstbar beweiset. Davon Erich in sonder verwunderung kam, nit wol gedencken kund, wes er sich halten solt. Also schied der leuw gantz fridsam von ihm, ließ auch das füch gantz unverletzet.

Erich, der gůt hirt, wider zů Felicitas, seiner haußfrawen, keret; die fand er noch under dem baum mit der speiß seinen warten. Als sie in aber so bleich und aller menschlichen farb so gantz beraubt sahe, erschrack sie on massen seer; sie stund bald von der erden auff und sagt: ›O Erich, mein lieber und freundtlicher haußwirt, was gemeynet das schnell verkeren deiner farb under dem angesicht? Ach sag mir durch gott, was dich so angsthafft gemacht hat!‹ Erich der hirt trost sein liebste haußfrawen, so best er mocht, sagt ir damit all ding, so ihm begegnet was mit dem lewen, deß ir die gůt frauw nit wenig wunder nam. Also wider zůsammen nidersassen, das mal zů vollen, so gůt sie das haben mochten, vollendten.

Als es nun umb unnd über den mittentag kommen was, die gůt Felicitas wider heim zů hauß ging, nit gar ferr von irem man kommen was, so begegnet ir der vilgemelt lew, davon [268] sie gar seer und fast übel erschrecken thet. Der leuw aber sich gleicherweiß gantz freundtlich unnd fridsam erzeiget, wie er dann vormals auch gethon hat gegen Erich dem hirten. Sie aber lieff nicht dest weniger zůruck zů ihrem mann, sagt ihm die geschicht von dem lewen. Also behielt sie Erich der hirt bei im biß auff den abent, das die sonn zů genaden gieng. Dann er sorget seines weibs, das sie ein schrecken empfahen, so ihr schedlich sein möcht; dann sie groß schwanger gieng.

Zů abens fůr er heym mit seinem füch, sagt die verlauffen geschicht ettlichen seinen nachbauwren, welche ihm das zů einem schertz und nicht für ein warheyt auffnamen. So wolt der gůt mann auch keins wegs nit streitten, ließ also hingohn und schwig hinfurbaß zůr sach. Sein frauw aber wolt nit mehr zů feld; dann sie dermassen erschrecket was, so das sie in sorgen stund, es wird ir an der frucht schaden, so sie underm hertzen trůg. Nit minder besorgt sich auch ir gemahel Erich; dann im unverborgen, das sein haußfraw jetzund nehig was. Darumb bat er gott teglich mit gantzem fleiß, er solt seinem weib einen frölichen anblick bescheren.

Nun was das geschrey von dem leuwen jetzund weit außgeschollen; dann er kam teglichs zů Erichen dem hirten, gieng under seinem füch so heimlich und nit anderst, dann die hund zů thůn pflegen, so von jungen auff bey dem füch erzogen werden. Also pfleget gemelter lew des füchs zů hůten. So es dann abent ward, gieng er mit gemachsammen dritten sonder schaden wider zů wald. Diß geschrey kam für den könig; der verbott inn seinem gantzen königreich, das niemans disem zammen lewen schaden zůfügen solt bey verlierung seiner gnaden. Also kamen gar vil reicher burger unnd kauffleut von allen orten, disen leuwen zů sehen, welcher teglich bey dem hirten Erichen funden ward. Als man nu gemeinglich die frombkeyt des lewen innen worden was, kam das volck teglich, brachten im fleisch und ander speiß, so das er gantz wol gefůrt ward. Zůletst, als er semlicher freundtschafft von dem volck empfand, ward er so heimlich, das er alle nacht mit Erichen dem hirten heim zů hauß zog und lag des nachtes bey seinen hunden vor dem hauß, als wann er das wolt helffen bewaren. Des morgens zog er wider mit Erichen und seinem [269] viech zů fäld. Diß weret so lang, das die fraw gantz nach zů irer geburt hat, die dann jetzund schon deß lewens kein schühens mehr nam.

Nun was ein kauffman in der stat, der was fast reich und hat nit mer dann ein einiges kind, so im sein haußfraw newlich geboren, welche zůvor mehr dann zwelff jar stil gestanden was; deßgleich war ir ein unfal an der geburt widerfaren, das sie in grossen sorgen stund irs leibs und lebens; so sagt man ihr auch für gewiß, das sie keines kindes mehr schwanger werden möcht. Derselbig kauffman kam teglich auß der statt mit andrer seiner geselschafft, damit er diß abenthewr gnůgsamlichen erkunden möcht; er bracht auch alwegen dem lewen sein speiß mit im.

Eines tags begab es sich, das er abermals kam und fand Felicitas bey ihrem man auff dem feld; sie saß bey dem lewen, der hatte sein haupt in ihrer schoß. Das nam den kauffman seer wunder, zůvor als er sah, das die fraw mit schwangerem leib do saß. Der lew erkant den kauffman geschwind; dann er im zů vilmal speiß bracht hat; darumb er sich dann gar freundtlich gegen im beweisen thet. Hermanus (also hieß der kauffman) ging zů hirt Erichen, befragt in aller sach, wie lang es sein möcht, das gemelter lew also geselschafft bei im gesucht het, auch wie lang sein haußfraw kinds schwanger gewesen; des alles in hirt Erich mit kurtzen einfaltigen worten grüntlich berichtet. Herman der kauffman sagt: ›Mein lieber hirt Erich, ich bitt dich, so sichs begeb, das dir gott ein frucht bescheret, du wöllest mich nit verschmahen und zů einem gefatteren annemen. Dargegen versprich ich dir, das kind als mein eygen fleysch und blůt zů erziehen und neben meinen natürlichen son in gleicher lieb, fleiß und lernung, deßgleichen mit kleidung, speiß und tranck underhalten. So im dann got sein tag erstrecket, so das er zů manbaren jaren kompt, wil ich in mit einer rühlichen ehsteur begaben, es sey gleich ein knab oder ein tochter. Ich will auch zů dem allem dich und dein weib dermassen versehen, das ihr ewer narung mit besserer rhů überkommen und haben solt dann bißher.‹

Dise zůsag und trost nam Erich der hirt mit grossen [270] freuden und danck an. Also gesegnet sie Hermanus der kauffmann, reit wider in die stat, sagt seinem weib alle sach, deß sie mit grossen freuden bewilliget und mit verlangen der zeit erwartet.

2. Wie Felicitas eines jungen sons genaß in beywesen Lyseta

2.
Wie Felicitas eines jungen sons genaß in beywesen Lyseta, des kauffmans weib, was sich auch weiters mit Lotzman dem lewen begeben hatt.

Nachdem sich nun die zeit verloffen unnd Felicitas, hirt Erichs weib, die frucht, so ihr von gott beschert, an ihr statt io getragen unnd sie jetzund die kindtsweh umbgeben, hatt sie bald ihren haußwürt inn die statt nach ihrer zůkünfftigen gefetterin geschicket; dann also hat Hermanus die ordnung geben. Bald ist er sampt seinem weib, auch andren gůten freunden auff ein hangenden wagen gesessen, dem dorff zůgefaren, in welchem der hirt Erich sein wonung hatt.

Als sie aber nit lang da gewesen, ist die gůt Felicitas der recht ernst ankommen, hatt also in beywesen Lysete, auch ander züchtigen frauwen einen schönen jungen son an die welt bracht. Sobald diß Lyseta wargenomen, ist sie zů ihrem gemahel Hermano gelauffen, ein frölichs bottenbrot von ihm begeret; der sich dann gar größlichen erfrewet hat, insonderheyt als er vernam, das sie eins jungen sons gelegen was.

Als sie nun das kind gebadet, hand sie auff seiner lincken brust gegen dem hertzen ein můtermal funden, einem leuwendatzen oder topen gleich geformiert. So bald Hermanus sampt seiner gesellschafft sollichs ersehen, haben sie gleichformiger red zůsamengestimpt unnd gesagt: ›Gewißlich würdt ein mannlicher und theurer held auß disem kind werden; dann dise und andere zeichen, so an im gesehen, geben des gnůgsame und gewisse kundtschafft.‹ Lyseta als ein geschefftig und fürsichtig weib hat zůvorderst versehen, das der armen [271] Felicitas mit aller notdurfft gepflegen ward, damit sie bald wider zů iren krefften kummen möcht. Demnach hand sie verordnet, das kind zůr tauff zů tragen. Felicitas aber ist mit köstlichem betgewand, decken und goltern gar rychlich versehen worden, als wann sie eines reichisten burgers weib gewesen wer.

Als man aber das kind auß dem hauß getragen, ist der lew zůgegen gewesen, hat mit grausamer stimm gantz erschrockenlich angefangen zů prüllen, gleich als wann man in seiner eignen jungen wölffen hett berauben wöllen. Als nun der kauffman dise ding all gesehen, ist er mit seinen gůten freunden zů raht worden, dieweil der lew so fridsam und freundtlich jetz lang zeit bei vilgemeltem hirten gewont, wöllend sie das kind Leüfrid mit seinem namen nennen. Das dann also geschehen ist; das kindlin ward mit grossen freuden zů und von der tauff getragen.

Demnach hat Hermannus ein köstlich malzeit in dem wirtzhauß zůberaiten lassen und menigklich darzů berůffen, weib und man, so dann in dem dorff doheimen gewesen sind. Vor den allen hat er dem hirten Erichen ein hoff und geseß ingeben und in als seinen meyer darauff gesetzt. Das kind aber hat er seiner rechten můtter befolhen in gůter pfleg zu halten, biß es zum wenigsten eines jars alt worden; darzů hatt er allen tag ihr köstlich speis und dranck zůgeschicket. Sobald sie nun vierwöchig worden, hat hirt Erich sein ampt und hirtenstab von im geben, auff gemelten meyerhoff, welcher gar nahend an der statt gelegen, gezogen, seinen lewen mit im genommen, der dann je lenger je heimlicher worden ist. Dann so offt er in die statt, seine geschefft außzurichten, gon thet, liff Lotzman der lew mit im; der ward alsdann von menigklichen gespeiset.

Zůletst aber, als dem künig so vil von gemeltem lewen gesagt, nam er den an den künigklichen hoff. Davon hirt Erich in groß leyd kam; dann er sich dermassen so übel gehůb, als wann ihm seiner blůtverwandten freund einer mit todt abgangen wer. Nit weniger trawret auch Felicitas, deßgleich Hermanus. Diß sey genůg von dem leuwen gesagt biß zu seiner zeit.

[272] Lewfrid, daß kind, ward gantz müterlichen und wol ernert, so das diß kindlin inn kurtzen tagen gar schon unnd frechs leibs ward; dann sein můter Felicitas von Hermanno und seinem weib gar wol mit aller notdurfft underhalten ward sampt ihrem man. Sie hielten ihrem herren auch gar wol unnd heußlich daß sein zu sammen, so das er inn kurtzer zeit einen grossen vorraht auff seinem hof spüret; dann gott gab inen beiden sonderlich groß glück, dieweil sie gotsförchtig, frum und gerecht lebten, begerten auch ihr herrschafft keineswegs zu veruntreuwen.

Dergleichen mayer man leyder zů unser zeit nit vil findet; deren aber sind gar vil, welche drey, vier zinß sammenstohn, lassen die güter ungemißt, sugen die auß auff das bar bein; wann sie dann nit mehr tragen mügen, stellend sie die ihren lehenherren wider zů handen. Davon sey nunzmol gnůg geredt.

3. Wie Lewfrid von seiner muter genomen ward

3.
Wie Lewfrid von seiner můter genomen ward, inn die statt zu seinem pfettern gefürt und fast zertlichen aufferzogen wirt.

Als nun Hermanus der kauffman wol gedencken mocht, sein angenommener pfetter und son hett jetz die můterlich milch gnůgsam genossen, weil er mer dann eines jars alt was, schicket er nach meyer Erichen unnd seinem weib, befalch auch, daß sie das kind mitbringen solten. Sollichs geschah mit gůtem willen. Sie kamen beid auff einen suntag zů morgen sampt dem kind. Herman hat ein herrlich malzeit zůbereitten lassen, zů dem berüfft er all seine gůten freund.

Als nun jederman zů tisch gesessen, hatt er erstlich vor ihn allen angefangen zů reden unnd gesagt: ›Ihr mein allerliebsten angenemesten freund und gönner, damit man nit sprechen oder zum wenigsten gedencken möcht, mein zůsagen und versprechen wer hinder dem wein und im schlafftrünck beschehen, [273] so ist mein bitt an euch allsam in gemein, wöllend mich vernemen und meinem zusagen und versprechen gewisse zeugen sein. Dann ich mich mit meiner gemaheln Lyseta underret und mit irem gůten willen beschlossen hab, das diß kind, so zugegen stat, uff disen tag und hinfürbaß für und nit anderst dann mein eygener son, welchen ich von meiner liebsten gemahel überkommen, sol gehalten werden. Er solle aber sich hierumb seiner elteren nicht entschlagen, sonder von allem meinem gesind dohin gewisen werden, das dise sein natürlich vatter und můter seyend. Sodann sollend sie beide ihren freyen teglichen zůgang zů disem ihrem son haben, welchen ich biß zu seinen mannbaren jaren aufferziehen und mit aller notdurfft versorgen will, dannoch mit einer ehrlichen tochter versehen unnd außsteüren als mein einig und eigener son. Des zu zeugnuß hab ich euch zu disem malzeit berůffen. Darumb sind frölich mit mir!‹

Diß versprechen unnd zůsagen gefiel ihn allen fast wol. Alsbald trůg man die speiß und tranck für, und ward das mal mit grossen freuden vollendet. Also nam Hermannus der kauffmann das kind, befalh daß Lysete, seinem weib, inn gůter pfleg zu halten. Daß richt sie auß nach befelch ihres mans. Hirt Erich aber unnd sein weib wiewol sie wußten, das ihr kindt gantz wol und ehrlich versehen, noch schieden sie mit grossem trawren auß der statt; dann sich das můterlich hertz inn ihn erreget. Als sie aber teglichen inn des kauffmans hauß woneten, vergassen sie ihres trauwrens, dieweil sie ihren son teglichen vor augen sahen.

Sobald nun Lewfrid unnd des kauffmanns son ein wenig zů verstand kamen, ließ sie Hermannus in die schůlen gohn, do sie dann in gar kurtzer zeit fleißig und gar wol studierten, so das sich menigklich jung unnd alt, ab ihrem fleiß verwundren ward, und in sonderheyt ab Lewfriden. Derselb so gantz hohen sinnreichen verstand hat, als wann er zwentzig jar elter gewesen wer. Davon dann alle andren schůler ein sonder auffsehens auff in hatten, sie wurffend in gemeinlich auff für ihr konig und regierer. Lewfrid demnach er nun zů künig erwölet ward, fieng er an die empter zů besetzen, ein jeden, nach dem und er ein verstand hat. Als er nun seine [274] sach und reich nach dem fleißigsten ordiniert, hat die gantz menig der schůlerlin neben der zeit ihrer lernung ein gar fleißiges auffsehens auff in gehabt.

Es was aber noch ein schůl in der statt Salamanca, in welche schůlen gar vil mehr knaben, so vom adel waren, giengen dann in Lewfriden schůlen. Dieselbigen rotteten sich zusamen, verachteten die ander schůl mitsampt ihrem künig, darumb das er eines hirten son und nit vom adel geboren. Semlich verachtung verschmahet die andren jungen fast übel, brachten das für ihren künig. Der meynet auch, im gesche gar unbillichen, ermanet deßhalben seine diener, solchs an seiner widerpart zů rechen, deß sie ihm dann gemeingklich versprachen zů thůn.

Nun was ein junger edler knab in Lewfriden schůlen; sobald derselbig etwas vernam, füget er sich zů. Lewfridens widerpart, sagt und zeiget ihn an allen rahtschlag, so wider sie practiciert. Bald wurffen sie auch einen künig und ihnen auff, der was gar ein junger frecher unnd stoltzer edeller knab. Alsbald sagten die beiden schůlen sonder vorwissens ihrer schůlmeister einander ab, bestimpten ein platz, auff welchem sie auff künfftigen sonnentag zůsamenkommen wolten und ein schlacht mit einander volnbringen. Lewfrid was des gar wol zůfriden, er rüstet sich auff das allerbest, so er mocht, mit seinen gesellen, damit er seim gegentheyl möcht angesigen.

4. Wie sich Leufrid zur schlacht rüstet

4.
Wie sich Leufrid zůr schlacht rüstet, seinen gesellen harnasch von rinden ab den baumen machet; wie er auch hart gegen seinem schůlmeister verklagt ward, um das er ein knaben so hart straffen und mit růten schlagen ließ.

Lewfrid berůfft zusamen all seine underthanen, ermanet sie gemeyn, das sie unverzagt die sach angreiffen wolten; damit sie aber baß dann ir widertheil gerüst und verwart weren, so solt im ein jeder rucken und krebs von rinden, so sie von [275] beumen abschelen solten, machen. Des rahtschlags waren sie allesammen willig; ein jeder schauwet ihm heymlichen umb gemeldte rinden, machten ihn darauß armzug, rucken unnd krebs, damit sie vor stöß unnd streichen zimlichen versehen waren. Diß aber nam der gemelt edel knab gar fleißig war; sobald er platz haben mocht, zeigt er das dem andren könig auch an. Derselbig rüstet sich auch gleicher gestalt mit harnasch und anderer wer.

Uff bestimpten sontag kamen sie zusammen an das ort, dohin ir bescheyd war. Lewfrid aber als ein fürsichtiger junger was selber seiner gesellen fürer und hauptman; er nam bald einen bühel für seinen vortheyl ihn, darauff wolt er seines feinds erwarten. Als sie nun zu beider seiten zů feld kamen, begert Lewfrid inn ein gespräch zů kommen mit dem andren künig, seinem gegentheil. Daß bewilliget er im zůhand. Also underredten sie sich mitnander, das sie kein schadliche wehr, so von eisen oder stahel gemacht, brauchen solten, kein kolben noch spitzig stecken, sonder hültzine schwerdter; es solt auch zů beider seiten kein stein geworffen werden, aber mit leymen oder weicher erden solt einem jeden erlaubt sein zu werffen. Also griffen sie zu beyder seiten einander an. Der ander knabenkünig understůnd zům offtern mal Lewfriden auß seinem vortheil zu treiben; das aber kond er in keinerley weg volbringen. Dann seine gesellen hatten die höhe deß bühels ihn, die wurffen mit erdschollen starck zu; dann ihre gesellen hielten mit ihren hültzin schwerdten unden ihren finden den anlauff gwaltig vor, so lang das Lewfrids gegentheyl so matt und müd wurden, so das sie weder werffen noch schlagen mehr kondten, wolten also den bühel verlassen unnd die flucht geben. Das mercket Lewfrid, eilet ihn mit seinen gesellen nach. Die aber begerten der stangen unnd bekandten sich überwunden. Lewfrid nam den andren könig gefangen, der můst im und seiner gesellschafft friden zusagen. Demnach ward ihm gesagt von dem jungen, so allweg seine heimlichen anschleg; [276] geöffnet hatt; den ließ er für sich bringen und mit růten übel schlagen.

Das verschmahet ihn gar übel, klaget die schmach seiner můter, die bracht das für den vater. Der erzürnet sich dermassen über Lewfriden, verklagt ihn vor seinem schůlmeister, sagt ihm darbey, wo er ihn nit darumb strieff, so wolt er ihn selber straffen. Der schůlmeister sagt ihm das zů, unnd damit er seinen fleiß spüren möcht, wolt er nach im senden, damit er in gegenwertigkeyt sein gestrafft würt. Diß vernam einer auß Lewfriden gesellschafft, saumpt sich nit lang, er kam und zeiget im alle ding an.

Davon der gůt arm könig gar übel erschrack, wißt nit, weß er sich halten solt; so was er jetzund nit gar zwölff jar alt. Jedoch besan er sich kurtz, fügte sich heim zu hauß, satzte sich heimlich in ein schreibstuben und schrib seinem herren einen brieff auff solche form lautend:

Wiewol mir, allerliebster herr und pfetter, vil gůthat von euch widerfaren, darzů meinem vatter unnd můter noch teglichen widerfaret, so můß ich mich doch von wegen grosser forcht unnd scham jetzund von euch scheiden. Das macht, dieweil mich meine mitgesellen und schůler zu einem künig erwölt unnd mir aber jetz zumal so gar hart getrawen von meinem schůlmeister und einem edelman, umb das ich seinen son hab straffen lassen, müßt ich mich gar hart vor meinem gegentheil schamen, dieweil ich sie mit meinen gesellen dapffer überwunden hab, wirde sich mein widerpart größlichen erfrewen, wan sie vernemen mich, der meiner gesellen künig gewesen, so übel mit růten solt abgefertigt und von seinem reich kommen sein. Darumb, lieber herr und vatter, bitt ich euch, wöllend mir durch gott vergeben. Hergegen versprich ich euch, dieweil mir got mein leben fristet, will ich euwer gůten und vätterlichen leer nicht in vergeß stellen, sunder mich zů aller zeit darnach richten und all mein sachen schicken; bitt auch, wöllend euch meinen armen vatter und můtter lassen befolhen sein und sie mein torheit nit entgelten lassen. Ich armer Lewfrid far dahin. Gott spar euch und die eüwern in langwiriger gesundtheit!

Als nun der gůt Lewfrid seinen brieff geschriben und mit [277] wachs vermacht, ist er gantz trawrig zů dem nachtmal gangen. Des Herman der kauffman bald wargenummen; und als er in befragt, waß im manglet, hat er mit schwach und gar trauriger stim seinem hern geantwort, im mangle gar nichts, dann allein er wolt gern einmol seinen vatter heimsůchen. Das erlaubt ihm sein herr mit gůten willen. Lewfrid hatt nit im sinn, zů seim vatter oder můtter zů kummen, allein sagt er das, damit er dest minder von seinem herren verarckwont würd. Er besan sich nit lang, nachdem im sein herr erlaubt hat, legt an seine schlechtisten kleider, fůr sein straß, aber nit des willens widerzůkummen. Er stieß sein brieff in sein schůlersack, fůr davon.

5. Wie Lewfrid an eines graffen hoff in die küchen kam und küchenbub ward

5.
Wie Lewfrid an eines graffen hoff in die küchen kam und küchenbůb ward, wie in der meisterkoch fast lieb gewan; weiter von seinem wolsingen.

Lewfrid mit grossem leyd von dannen zoch; dann im was unverborgen, sein vatter und můter wirden in mit grosser kümernus suchen, als dann auch geschah. Seinem herren, dem kauffmann, ward auch hertzlichen leyd umb den knaben; sonderlich als er seinen schůlsack ersucht, fande er den brieff, wellichen Lewfrid geschriben und hinder im gelassen het; darumb er dann kein hoffnung mer hat, das der knab widerkommen solt. Nit minder traureten seine schůlgesellen umb iren könig. Dis blib also.

Lewfrid, der gůt jung, zog so lang, biß er sein bargelt, so ihm zů gůten jaren worden, gantz verzeret; er was auch gar weit auß dem land, also das er gůter hoffnung was, in wird niemants mer erfragen noch erfaren. Er kam in ein schöne statt, darinn was ein mechtiges schloss, daruff ein graf hof hielt. Lewfrid gedacht in im selb: ›Möcht mir durch das glück so vil gnad verlihen werden, das ich auff das schloß an [278] hof kommen möcht, ich wolt mich gantz muckerlich halten, damit ich mit der zeit ein reysiger knecht werden möcht.‹ In solchen gedancken gieng er für die porten des schloß.

Nun was kurtz darvor dem meisterkoch ein kuchenbůb entlauffen. Sobald Lewfrid für die porten kam, klopffet er an, fragt den pfortner, ob man keines jungen knaben inn dem schloß bedorfft. Der portner gab im ein gůte partecken, sagt im, er solt ein weil warten, er wolt in dem koch ansagen. Also kam er bald sampt dem koch. Sobald er aber von dem koch ersehen ward, sagt der koch: ›Lieber son, ich sorg, du seyest mir zů jung; sonst wolt ichs mit dir wagen.‹ – ›Lieber meyster,‹ sagt Lewfrid, ›ir solt euch mein jugent und kleine person nit irren lassen. Ich will mein befelch dapffer wissen außzůrichten, als wer ich gleichwol noch so groß.‹ Der koch verwundert sich ab der klůgen red des jungen, nam ihn bey der hand, fůrt in mit ihm inn die kuchen. Darinn ubt sich Lewfrid gar dapferlich; dann alles, das im sein meister underhand gab, griff er so frischlich an, als wann er all sein tag darbey wer gewesen. So er auch etwas schaffet, sang er gar dapffer und frölich darzů; damit kürtzet er allen denen die zeit, so umb ihn waren. Sein meyster gewan ihn fast lieb und wert, so hielt er sich gegen allem hoffgesind gantz underdienstbar. Wann sich dann begab summerszeiten, das er sein geschefft nach dem nachtmal außgericht, hatt er gewonheyt, hinden am schloß inn einem schönen garten ein liedlin oder zwey von heller stimmen zu singen, welchem gesang alles hoffgesind allwegen fleißig oren gab; dann Lewfrid der jüngling ein gar liebliche und süsse stimm hat.

Der graff hat ein schöne tochter mit namen Angliana. Dieselbig hat ir zimmer hinden an dem schloß, darinn hat sie gar vil schöner junckfrawen, so ir zůgegeben wurden als einer zuchtmeisterin, zucht und höflicheyt bey iren zů lernen, deren sie dann von irer můter seligen fast wol underricht worden was. Sie hat den preiß in aller künstlichen arbeyt als mit sticken, stricken, wircken, nähen unnd was von seiden und gold gearbeit werden. Sie über- und fürtraff die Arachne, welche understůnd mit Palladi zů wircken; mit gesang und seytenspil sonder lauten unnd harpffen wer sie zwar Sapho [279] nit gewichen. Sie was auch mit jederman freundtlich, gegen allem hoffgesind sanfftmütig. Das gemach, inn welchem sie sampt ihren junckfrawen wonet, hat alle liechter und fenster in gemelten garten; derohalben Angliana sampt ihren hoffjunckfrauwen nit wenig lust von des jünglings gesang empfiengen. Der graff aber, so er in seinem gemach was, mocht den jüngling nit hören.

Diß bestund also den summer fort auß, biß jetzund der herbst vergangen und der trüb winter mit seinen dicken unnd schwartztrüben wolcken doherfůr. Der zeit ward Lewfrid nit mehr inn dem garten gehört. So sich aber begab unnd das hoffgesind bey einander inn der hoffstuben winterszeit kurtzweil hatt, brachten sie allwegen Lewfriden mit gůten worten an, das er sein stimm hören ließ, davon im dann sein meister, der koch, ein sondere freüd nam. Also kam Lewfrid in ein solche übung mit dem hoffgesind, welchs ihm vil und mancherley schöner reutterliedlin zůstelleten, so das er den winter anfieng von im selb künstliche text und liedlin zu tichten, hatt auch ausserthalb seiner geschefft kein ander sinnen noch gedencken. Das hoffgesind gewan in so lieb, das ein jeder umb ihn sein wolt, ward ihm auch von den jungen edelleuten vil gůter schencken zůgestellet, also das er sich in kurtzem gar wol bessert. Wann ihm dann etwas verehret ward von gold oder geldt, gab er es allwegen seinem meister inn sein behaltnus. Und wann er sovil zusamen mochte bringen, machte er im schöne kleider, überkam derhalben neben der hoffkleydung sehr köstliche und schöne kleyder.

Diß belib jetz also. Fürbaß wöllend wir sagen, waß sich weiters mit Lewfriden verloffen hab.

6. Wie Angliana, des graffen tochter

6.
Wie Angliana, des graffen tochter, nach gewonheit allem hoffgesind das newjar gab, allein Lewfriden, des kuchenbůben, vergessen thet, davon er hertzlichen betrübt ward.

[280] Es begab sich gleich im selbigen winter, demnach jetzund das newjar kummen was, junckfraw Angliana allem hofgesind, demnach sie gewont war, das newjar gab, einem jeden, demnach er geadelt und mit einem ampt versehen was; und dem wenigsten under den stalbůben ward ein schönes schnauptüchlin oder fatzennetlin. Dise lieffen nach empfangner gab zůsamen, yeder zeiget, was im die junckfraw verehrt hatt.

Von ungeschicht fügt sich, das der gůt Lewfrid auch zůgegen was; von dem begerten sie sein newjar auch zů sehen. Er aber hatt leyder nichts empfangen, kond derhalben nichts zeigen. Jedoch wolt er daß in keinem unmůt auffnemen; dann er gedachte: ›Wer weyßt, die junckfrauw mag mich nit kennen. Ich will mich ir aber zů gesicht fügen; wer weyß, sie möcht mich in gnaden erkennen.‹ Also fügt sich Lewfrid offt mit fleiß auff weg und strassen, da er gedacht Angliana herkommen solt; aber alles umbsunst was, dann sie seinen gar kein acht nam. Das dann den gůten jungen hertzlichen betriebet; darzů hat in Cupido mit seinem geschoß verwundet, also das er in grosser einbrünstiger liebe gegen junckfrauwen Angliana entzindet ward. So starck ward daß feür in im auffflammen, das er kein stund noch tag, ja keinen augenblick hingan ließ, in dem er nit die schöne der junckfrawen auffs höchst ermessen unnd bedenken ward.

Eines tags hat Lewfrid all sein geschefft gar zeitlich nach seines meisters befelch außgericht. Alles hofgesind kam zůsamen in der grossen hoffstuben; dann es waß auff einen sontag gar grausam kalt. Als sie sich jetzund umbsahen, den meisterkoch und seinen underkoch in der stuben fanden, aber Lewfrid niergens umb die weg was, nam es sie alsam wunder. Sie fragten den meisterkoch nach im. Der sagt: ›Sicher, ich weyß nicht von im zů sagen. Dann sobald und er sein gescheft verricht hat, ist er auß der kuchi gangen; wohin, ist mir nit zů wissen, dann das ich gedenck, er etlicher seiner gescheft halben in die statt gangen sey.‹

Es hatt aber gar ein ander gestalt umb Lewfriden: sein gemüt was im hart beschwert. Er saß in dem garten an einer verborgnen statt, sein jamer und leyd mit im selbs klagende; dann er sunst niemans in dem vertrauwen wolt. Lewfrid [281] fieng an mit im selb zů reden und über daß unstet wanckelbar glück zů klagen: ›O glück,‹ sagt er, ›wie bist du so wanckelmütig gegen mir! Du hast mich in meiner kindheit auß meines vatters armen, mit stro gedeckten hüttlin genummen, in welchem mir vil baß gewesen wer, so ich der zarten und siessen tag nit empfunden hett. So wer ich jetzund meins vatters oder eins andern hirten diener. Der versehe mich mit speiß und kleidung; die frischen und lauteren quellen weren mir lustig zu trinken, deßgleichen die feiste unnd süsse milch von geissen und khüen. Jetzund für ich zu mittem tag auß mit dem viech; so dann die son zů gnaden gon wolt, für ich wider heim, vertrib die zeit biß zům nachtmal in der warmen stuben oder bey dem fewr. Des morgens wer mir ein kleine müh unnd arbeit, so ich in den wald gieng, des dürren holtz mir zů einer fart zůsammenraspelt; so ich das zů hauß brecht, würt das mal darmit gekochet. Summerszeit aber würdt es noch ein bessere gestalt mit mir haben; dann in anfang des glentzen mag ich wol sprechen, das kein volck under allen begangenschafften mer kurtzweil, freud, lust und wunn hat dann die hirten im feld. Jetzund sehend sie die wunder gottes, wie die laublosen beum, die gleichsamm, als wann sie dürr weren, im windter erscheinen, ihr laub wider herfürbringen mit süssem geschmack und schöner blůßt. Was soll ich sagen von dem lieblichen gesang der vogel, welche mit zitterender stimm zusammensingen unnd je einer den andren meynt zů übersigen! Die lustbarkeyt der vilgeferbten bliemlin mit unaußzalbaren gestalten, die geben den anschawenden auch nit wenig ergetzlicheyt, wolust und freud. Diser ding aller můß ich armseliger Lewfrid beraubt ston. Daran ich aber niemant dann dich, o glück, zů schelten weyß, dieweil du mich bey meinem lieben herren unnd ernerer nit erhalten wöltest. Hey, warumb hast du mich dann auß meines vatters hauß genommen? Darzů hast du nit ein vernůgen gehabt ann dem, das ich von meinem herren so reülich und wol erzogen worden bin, sonder hast mich in meiner jugent under meines gelichen knaben zů einem könig und regierer haben wöllen; welche regierung ein ursach ist alles meines trübsals, in welchem ich jetzund gantz hart verstrickt und gefangen bin. Ach [282] mir armen betrübten jungen! Wer ist doch in aller welt, der mich trösten mag, dieweil ich gegen deren, so mich vor allem hoffgesind außgeschlossen und veracht, bin in also grosser lieb entzünd, dieweil doch nimmer müglich sein mag, das sie mir in all meinem leben ein freundtlichs wort zusprechen würt! Dann sunst begert ich anderst nicht, dann in irem dienst zů leben und zů streben. Was bedarff sie aber meines dienstes, ich, der eins armen hirten son und von dem nidristen stammen geboren! Ir stond doch vil ritter, graffen, freyen und edelleut zů irem dienst, deren sie genůg find, so das mit grossen freuden begeren zů thůn.‹

Dergleichen klag hat der gůt jüngling gar vil, trib das so lang mit im selb, biß er vor frost nit mehr in dem garten bleiben mocht. Darzu kam jetzund die zeit, das er sein geschefft in der kuchen versorgen solt. Er ging ganz trostloß auß dem garten an sein arbeyt. So man in fraget, wo er gewesen wer, gab er zů antwort, er were in der statt spatzieren gangen, die lustigen gebew der burger zů beschawen.

7. Wie Lewfrid eines tags in dem gartten funden ward

7.
Wie Lewfrid eines tags von dem graffen in dem gartten bey einem rosenstock funden ward, als er nach seiner alten gewonheyt gar lieblichen sang, und wie in der graff auß der kuche nam.

Demnach der winter jetz vergangen, der lieblich und süß mey all felder erfrischt und mit zierlichen blümlein bekleidt, fing Lewfrid sein alten brauch zů müßigen zeiten wider an; dann er hat das fewr der liebe zum theil abgekület mit dem, das er alle ort, weg und steg vermeiden thet, wo er gedencken möcht, das im Angliana zů gesicht käm.

Eines tags begab sichs von ungeschicht, das er in dem garten saß under einem roßenheldt, besorget sich gar nit, das zů solcher zeit jemans mer inn den garten kommen solt. Er sang von heller stimm so lieblich, das ihm die vögel mit ihrem gesang antwort geben müßten. Von ungeschicht begab sichs, [283] das der graff mit ettlichen frembden herren inn gemeldtem garten spatzieren giengen. Wenig von dem jüngling wissens hatt; dann er sein vormals gar kein achtung gehabt, so hat er auch sein stimm nie gehört. Die frembden herren, so mit dem grafen in den garten waren kumen, vermeynten, es wer ein sonder anschickung von dem graffen, der thet in das zů einer kurtzweil. Als aber der graf nit minder verwunderen ab dem lieblichen singen hatt, nam es sie nit wenig wunder; denn der graff stund auff im selb gantz stilschwigend und gar nichs redend, biß Lewfrid ein gesetz außgesang. Sagt der graff: ›Fürwar diß ist mir ein seltzammer snmmervogel in meinem garten, dem gleich ich nie mer keinen darin gespirt hab,‹ Mit disen worten nähnet er sich der rosenhurst, find also den jüngling Lewfriden drunder sitzen frölichen singen. Der graff gantz stillschwigend sampt den andern herren hinder dem rosenhag stilstunden, biß Lewfrid sein lied gar absolviert und außgesungen hatt. Demnach sind sie zů im in das rosenheld gangen.

Lewfrid, als er seinen herrn, den graffen, erblicket, ist gar übel erschrocken, also das er vor grossem schrecken nit kund auffston. Diß nam der graff und die andern herren eben war. Der graff sprach in gar tugentlichen an und sagt: ›Jüngling, biß eines gůten můts! Diser fundt soll dir noch zů grossem gelück reychen. Dann ich sihe wol, du bist meines hofgesindes; solchs zeygt mir dein kleidung an. Bey wem du aber seyest, ist mir verborgen. Darumb solt du mir nicht verbergen und mir dein befelch anzeigen. Ist er zů gering, so verschaff ich, das er dir gebessert wirt.‹ Also sagt im Lewfrid alle sach. Der graff sagt: ›Du solt deiner gůten stimm und wolsingens geniessen und an ein andern und bessern dienst kummen, dann du jetzund bist. Ich will dich in Angliana, meiner tochter, zimmer zů einem kammerbůben ordnen; da magstu besser tag haben dann in der kuchen.‹

[284] Also nam in der graff von stund an, fůrt in mit im zů seiner tochter. Sobald Lewfrid junckfrawen Angliana ansichtig ward, von stund an ist der flammen der liebe in im von newem entzündt unnd vil mer in liebe gegen ir brinnen worden dann vormals nie. Doch hatt er das gantz verborgenlich können vertrechen, ist im aber ein grosse freüd gewesen, das er jetzund ein diener der junckfrawen werden solt. Der graff sagt: ›Angliana, liebste tochter, mir ist unverborgen, das du in deinem zimmer eines züchtigen knaben von nöten bist. Darumb hab ich dir disen jungen jetzund herbracht, den magstu in deinem dienst brauchen nach deinem gefallen; dann sunst soll er mit keinen andren geschefften beladen werden.‹ – Diß hat der graff mit seiner tochter geredt. Lewfrid was ein überaus schöner jüngling, darbey gantz züchtiger geberd. Das hatt die junckfraw zůhand gar flisig wargenummen, hat derhalben irem vatter mit züchtigen worten früntlichen danck gesagt, das er sie in allen dingen so gantz vetterlichen versehen thet.

Als nu der graff einen abscheit mit seiner tochter machet, gieng er wider von ir, nam mit im Leufriden. Der was in allerhöchsten freuden; er gieng zů seinem meister, dem koch, sagt im, wie sich die sachen zůge tragen hetten. Der koch, wiewol er Lewfriden nit gern in der kuchin mangelt, dannocht günnet er im wol, das er also ein gnedigen herren an dem graffen hat; er ermant in auch, das er seines diensts mit allem fleiß warten solt, damit er hinnach an ein höher und besser ampt komen möcht. Das versprach im Lewfrid, dancket im auch aller gůthat, so im, dieweil er bey im gewesen was, von im widerfaren, nam damit seinen abscheid von im und trat mit freuden an sein newes ampt und befelch. Den fieng er mit solcher geschickligkeyt an, sam were er all sein tag in frawenzimmern und an fürstenböfen gewesen.

Angliana hat hiezwischen auch erfaren, das Lewfrid eben der jüngling was, so zu summerszeiten in dem garten gesungen. Deßhalben hat sie ein sondere freud, das Lewfrid ir diener werden solt. Nit weniger freweten sich auch ire junckfrawen; dann sie verhofften, Lewfrid wird in zů zeiten mit seinem gesang freud und kurtzweil machen, wie dann auch zů mermolen geschehen thet. Diß belib also.

8. Wie Lewfrid von junckfrawen Angliana zu singen angesprochen

[285] 8.
Wie Lewfrid von junckfrawen Angliana zů singen angesprochen und er ein klagliedlin gemacht, in welchem er sein armůt klagt, daneben die junckfraw seüberlich treffen thůt.

Als nun Lewfrid an seinem ampt sich so dapffer unnd underdienstlich halten was, hat in junckfraw Angliana fast lieb gewunnen. Unnd als sie seiner zum theyl gewonet, hatt sie auff ein zeit angefangen mit ihm zů reden: ›Lewfrid,‹ sagt sie, ›ich wird von meinen junckfrawen bericht, wie das du auß der massen wol singen kanst. Nun möcht ich semlich gesang gern von dir hören; derhalben wer mein beger an dich, das du mich dein stimm auch hören liessest.‹

Lewfrid gantz schamrot vor der junckfrawen stund, mit zichtigen worten zů ir sagt: ›Gnedige wolgeborne junckfraw, wann mir wer ewer gnaden zů gefallen etwas mehrers und grössers zů volbringen, wolt ich mich mit allem fleiß darzů schicken.‹ Damit fing er gar lieblichen an zů singen; dann er hat zůvor selbs ein lied gedicht, in welchem er sein armůt gar hertzlichen thet klagen und insonderheyt meldung thůt, das im von junckfraw Angliana nichts zům newenjar worden. Ein sollichs aber keine der andren junckfrawen verstund, allein Angliana, die dann sich erst erinneren thet, wie sie alles hoffgesind verehrt hett, sonder allein Lewfriden nit bedacht het. Sie aber nam sich der sach nit an; doch het sie fast gern gewißt, was Lewfrid damit gemeynet het, darumb sie in dann zum offtermal bitten ward, von der armůt zů singen; dann also was das liedlin gemacht:


Im thon: Gang mir auß den bonen.

1.
O armůt, du untreglichs joch,
Wie bist so gar verachtet!
Wer wolt dick gern behaussen doch,
[286]
So er auß grundt betrachtet,
Wie gantz unwerdt du bist auff erdt,
Es möcht eim vor dir grausen.
Köntst schon all kunst, so ists umbsonst,
Niemant wil dich behausen.
2.
O armůt, du untreglich bürd,
Wie hart hast mich beschwäret!
Auff erd niemant erfunden wirt,
So dein zum fründ begeret.
Kumbst eim zů hauß, wilt nimmer drauß,
Versperrest im sein glücke,
Dem sonst zur zeit gůt hab und beüt
Möcht werden offt und dicke.
3.
So giengs mir auch im newenjar.
Da můst ich dein entgelten,
Ward hindann gstelt und lär gezelt;
Drumb ich dich billich schelten
Můß tag und nacht; dann ich veracht
Wardt vor allem hofgsinde,
Die man sunst all begabt mit schall.
Darumb bin ich dir feinde.

Angliana die junckfraw diß liedlins mit allem fleiß hat wargenommen, von stund an gedencken ward, es wer ihrenthalb gemachet worden; dannocht wolt sie nicht fragen, sonder ließ die sach dißmal berůhen. Sie fleiß sich auch fürbaß, das Leufrid kein schenckung oder gab von ir empfieng; dann sie ein verborgen anschlag mit ir selbs gemacht hat, wie ir nachmals wol solt vernemmen. Aber nicht dest weniger erzeigt und beweiß sie sich gantz genediglichen gegen Leufriden, sie begert auch offt an ihnen zů singen; zů zeiten vermanet sie ihn an gemeltes liedlin. Des war er gantz willig zů singen, unnd in summa so was im nicht zů vil, darin er wust der junckfrawen zů dienen, er schickt sich darzů mit allem seinem vermögen; deß name Angliana offt war.

Also vergieng die zeit mit in. Der herpst mit seinen külen lüfften hatt jetzunder die dicken bäum gantz laubloß gemachet, der winter kam mit rauchem gewalt, alle feld unnd acker mit schnee bedecket warent. In dem nehnet sich das newjar, uff welche zeit ir Angliana fürgenommen hat irem [287] anschlag ein end zů geben. Sie ristet sich mit vil und mancherley schöner newer jar, damit sie alles hoffgesind damit möcht begaben; aber für Leufriden hat sie gar nichts zůgericht. Dis aber thet sie allein der ursach, damit sie mit glimpff an Lewfriden erfaren möcht, ob er das liedlein von ir oder einer andern gesungen hett.

9. Wie das newjar aber vorhanden waß

9.
Wie das newjar aber vorhanden waß und Lewfrid von junckfrauwen Angliana aber außgeschlossen, darnach in gespött ein guldin faden von ir ramen gab.

Es fůget sich aber auff den newenjarstag, das Angliana ir gewonheit nachgon thet. Sie befalch Lewfriden, irem kammerknaben, er solt alles hoffgesind auff ein bestimpte stund zů ihr in das zimmer heissen kommen und das newjar von ihr empfahen. Des was er, Lewfrid, gantz willig; dann er was gůter hoffnung. Angliana wird ihn nicht mit dem geringsten begaben, dieweil unnd er ihr diener was unnd stetigs auff ihren befelch warten můßt.

Das gantz hoffgesind versamlet sich eilens. Als sie zůsammen waren kommen, hat Angliana angefangen das newjar außzůteilen von dem ersten biß auff den letsten. Als es aber an den gůten Lewfriden kam, sagt Angliana: ›Dein, Lewfrid, hab ich sicher vergessen. Du aber hab dißmal gedult, auff ein ander jar wil ich dich zwifach begaben.‹ Diß aber thet Angliana allein darumb, das sie versuchen wolt, wie sich der jung halten würt. Lewfrid wendet sich mit einem grossen und schweren seüfftzen von der junckfrawen Angliana; dann ir wort nit anders in durchschnitten, als wann man im ein schneidendes schwerdt durch sein hertz gestochen hett. Er můßt scham halben auß dem zimmer und fing an hertzlichen weinen sein ellend und jamer zů klagen.

[288] Den andren tag aber, als er in dem zimmer seines amptes warten solt, stund er vor der junckfrawen Angliana, welche an einer rammen köstlich gewirck, deß sie dann ein meisterin was, wircket. Lewfrid, so offt und er die junckfraw ansah, einen schweren seüfftzen von seinem hertzen gohn ließ. Des die junckfraw warnam, doch gar nicht dergleichen thet, als wann sie es mercket; dann ihre junckfrawen waren zum theyl noch in dem zimmer. Derhalben verzog sie, biß sie jetzund all hinaußkommen waren. Lewfrid aber seines leyds noch nit vergessen, sonder für unnd für mit schweren seufftzen umbfangen, die er dann offt von hertzen ließ. Angliana, als sie jetzund allein bey Lewfriden in dem gezimmer war, sagt sie mit lachendem mund und mit freundtlichen worten zů im: ›Mein lieber Lewfrid, wiß, das ich dich zweyer ursachen halb gern etwas fragen wolt! Die ein ursach, darumb ich fragen wolt, hat sich deinenthalben in vergangnem sommer zůtragen, namlich mit dem lied, so du von der armůt gesungen, ob du oder jemans anders semlichs gedicht, oder wen es doch berüren thet. Die ander ursach aber ist diß, was dich doch heüt und den gestrigen tag zů semlichen tieffen seufftzen ursachet. Daran wöllest mir, lieber Lewfrid, nichts verhalten.‹

Der jüngling nit lang auff der junckfrawen frag schweigen thet; von stund an gab er ir antwort und sagt: ›Wolgeborne gnedige junckfraw, ich bin bereit euch die beiden fragen zů erkleren. Die erst, fürnemlich das liedlin, so ich gemacht, an dem ewer gnad allein schuld tragen thůt; dann vor einem jar vergangen do hat ewer gnad gleich wie auff den gestrigen tag alles hoffgesind mit einem newenjar verehret, allein mich armen kuchenbůben dozumal außgeschlossen. Jetzund aber, dieweil ich in ewer gnaden dienst kommen, het ich nit gedacht, daß mich euwer gnad dermassen außgeschlossen hett, wie mir dann auff das gestrig newjar widerfaren ist. Dasselb allein ursachet mich zů meinem trauren.‹

Angliana, als sie von Lewfriden die ursach vernam, gedocht sie heimlich in ir selb, wie sie den gůten jungen wider wolt verursachen über sie zů klagen, damit er aber etwan ein liedlin davon machet. Jedoch nam sie ihr für, ihme in kurtz hernach ein reiche verehrung zů thůn. Sie griff also nach [289] einem gezwirnten güldin faden, so sie an ihr wirckrammen hat hangen, und mit spötlichen worten gab sie denselbigen dem gůten Lewfriden und sagt: ›Damit du, mein lieber diener, nit sagen dörffest, du seyest jetzund aber von mir so gar außgeschlossen vor andrem hoffgesind, so nimb von mir zů danck dise reiche schanckung und gab! Behalt die wol, damit du mir das künfftig jar mögest zeigen, mit was fleiß du sie habest auffgehaben!‹

Lewfrid empfing disen goldtfaden mit grosser freud, dancket auch der junckfrawen mit höchstem fleiß: ›Gnedige junckfraw‹, sagt er, ›dise gab will ich dermassen verwaren und so wol behalten, das ich nimmer darumb kummen will.‹ – ›Das thů,‹ sagt Angliana, ›damit gibst du mir ursach, dich mit einer andren schanckung zů verehren.‹ Diß redt Angliana zu dem jüngling; ihren aber was sein unmeßliche lieb gar verborgen; so hat sie auch gar kein gedancken, wohin der jüngling den goldtfaden behalten wird. Lewfrid nam urlaub von der junckfrawen und gieng eilens in sein gemach.

10. Wie Lewfrid heimlich in sein gemach sich fuget

10.
Wie Lewfrid heimlich in sein gemach sich fůget, mit einem scharpffen messerlin sein brust vornen öffnet, den goldtfaden darin vernehet, mit köstlichen pflastern und salben sein wund in kürtz heilet.

Als sich Lewfrid jetz gantz einig wußt, nam er ein scharpffes schreibmesser, thet sich davornen an seiner brust auff und schneid die haut vornen ob seinem lincken dittlin uff, nam den goldtfaden, legt in zwischen hut und fleysch, und mit einer nadlen, so er vormal darzů bereit hat, hefftet er sein haut wider nit on kleinen schmertzen zusammen. Jedoch [290] hat in die liebe mit solchem gewalt gegen der junckfrawen gefangen, das er keines schmertzens mer achten ward. Er hatt sich auch bei des graffen wundartzet mit salben und gůten heilsamen pflastern beworben, vor und eh er sich verwundet, also das er in kurtzem die wunden dermassen zuheilet, das er wenig und gar lützel schmertzens mehr daran befand.

Als nun Lewfrid sein ampt in dem zimmer außwarten můst, nam sein Angliana gar eben acht, ob er mehr so schwermütig wie vormalen sein wolt; sie aber kond in nit anders dann eines frolichen gemuts erkennen. Als aber Lewfrid offt den junckfrauwen zů gefallen singen můßt, gedacht er in ihm selb: ›Nu mag ich mein hertz wol heimlichen gegen der junckfrawen auffthůn, so das sein niemans warnimpt dann junckfraw Angliana.‹ Er nam im für, ein lied von dem goldtfaden zů tichten und dasselbig in dem frawenzimmer zů singen; dieweil ihn junckfraw Angliana vormals in dem andren liedlin wol verstanden, gedacht er, sie würt disem auch nachsinnen. Als er nun gelegne zeit hat, saß er nider und dicht diß folgend lied.


Im thon: Ach lieb mit leyd.

1.
Groß leyd und schmertz hat mir mein hertz
Vor einem jar beladen.
Zů disem jar hat mir fürwar
Von rotem gold ein faden
Als leyd zerstört und gar verkert
Mein trawren unnd mein schmertzen.
Bin gantz frölich drumb jetzund ich,
Wil singen, springen, schertzen.
2.
Den faden ich gantz fleißiglich
Hab in mein hertz verschlossen.
Niemant in mag bey nacht und tag
Mir nemen in der massen.
In starckem sehrein und hertzen mein
Ist diser faden bhalten;
Der den will han, můß von stund an
Vornen mein brust zerspalten.
[291] 3.
Den faden schon der ehren kron
Hatt mir geben mit freuden.
Kein gstein noch goldt noch reicher solt
Sol mich davon nit scheiden
Vom faden reich; und obschon ich
Darumb můß leiden schaden,
Wil ich on leyd in ewigkeyt
Liebhaben disen faden.

Mit gantzem fleiß Lewfrid diß lied erlernet; und so in dann junckfraw Angliana manet zů singen, hat er allwegen erstlich von dem goldtfaden gesungen, demnach erst andrer gesang sich gebrauchet. Angliana, welche ein gescheide junckfraw was, nit genůg gedencken mocht, wohin doch der jüngling gemelten faden behalten; dann sie sunst gnůgsam verstund, das er diß liedlin selb von vilgedachtem faden gedicht. Sie aber trachtet teglich, wo sie den jüngling allein bey ir gehaben möcht, wolt sie alles von im erfaren.

Es begab sich an einen sontag, das sich Angliana einer kranckheyt annam, schicket ire junckfrawen in die kirchen und belib sie allein in irem gemach, befalch, das man Lewfriden vor dem gemach solt lassen uff den dienst warten. Als sie aber jetzund vermeint gantz sicher zů sein, berůfft sie Lewfriden für sich; der was von stund an bereit zů kommen. Angliana sagt: ›Mein lieber Lewfrid, sag mir doch, hastu noch in behaltnis den goldtfaden, welchen ich dir von meiner ramen gegeben hab, so bit ich, wöllest mich denselbigen weisen. Dir soll ein reiche und gar vil bessere schenck darfür werden.‹ – ›Gnedige junckfraw,‹ sagt der jüngling, ›den schlüssel, damit ich den behalter auffschleuß, in welchem der faden verborgen ist, hab ich in meinem gemach, und so es ewer gnaden liebet, soll ich den bald zůwegen bringen.‹ – ›Das wer mein will und beger,‹ sagt die junckfrauw, ›doch můß das bald zůgohn.‹

Lewfrid mit schnellem lauff zů seinem gemach eylet, nam das scharpff schreibmesserlin, kam behend wider zů Angliana in ihr gemach, thet sein gewand auff vornen an seiner brust, und eh dann Angliana sein achtung genommen, schnidt er behend sein zůgeheilte wunden wider auff, zog den goldtfaden [292] gantz unerschrocken harauß. Do diß Angliana ersehen ward, erschrack sie dermassen gar sehr, (dann Lewfrid fing gar fast an zů schweissen) sie nam von ihm das messer und goldtfaden: ›Eilens,‹ sagt Angliana, ›gang zů dem artzet, damit dein wund verbunden werd und dir nit grösser schaden darauß erwachs!‹ – ›Gnedig junckfrauw‹, sagt Lewfrid, ›ihr solt euch ab meiner wunden nit entsetzen, sonder wissen, das ich mich erstlich selb geartznyet hab. Gehabend euch wol! Ich gang hin, mich zů verbinden.‹ – ›Also thů ihm,‹ sagt Angliana, ›und kum dann wider har zů mir!‹

Also schied Lewfrid in grossen freuden von der junckfrawen, welche er innigklichen liebet, also das er des schmertzens seiner wunden gar nit befand. Er verband sich aber mit allem fleiß, legt demnach ander gewand an, damit das schweißig gewand von im kam.

Als aber Lewfrid hinweg was, nam Angliana den goldtfaden unnd weschet den in einem lautteren wasser; der was noch so unversert, als wann er erst von der rammen kommen wer. Deß kond sich die junckfraw nit genůg verwunderen, und aber wundert sie sich noch vil mehr an dem jüngling, der sich jetzund zweymal mit scharpffem messer an seinem leib verseert hatt. Von der stund an ward Angliana gar hart mit dem pfeil der liebe Cupidinis verwundet. Sie wartet gar mit grossem verlangen auff den jüngling, damit sie sehen möcht, ob im doch etwas seiner farb und krafft entgangen wer.

Bald darnach kam Lewfrid mit gůter gestalt und frölichem angesicht, davon die junckfraw nit wenig freud empfing. Es was aber jetzund an der zeit, das die junckfrawen gemeinlich auß der kirchen kommen solten. Derohalb Angliana nit mit Lewfriden reden kund, was ir umbs hertz was; sie sagt aber: ›Lewfrid, laß dich nit belangen der gaben, welche ich dir verheissen! Dann die zeit mags jetzund nit geben. Uff den mornigen tag aber will ich dir in ansehen aller meiner junckfrawen ein kleines büntelin oder pecklin geben, dir dabei befelen, wo du das hintragen solt. Du aber solt dich an keinen meinen befelch keren, sonder den nechsten weg in dein gemach gon, das pecklin sampt allem dem, so du darinn finden würst, fleißig auffheben. Du wirst auch einen brieff [293] darbey finden, desselbigen inhalt soltu fleißig warnemen und des befelchs geleben. Jetzund aber stand wider für mein zimer, wart an der thür! Dann gewiß werden sich meine junckfrawen nit lang saumen.‹

Lewfrid dem befelch der junckfrawen eilens nachkam, gar ein kleine zeit vor der thüren gestanden was, die junckfrawen auß der kirchen kommen thetten.

11. Wie am andren tag Angliana einen brieff schreibt

11.
Wie am andren tag Angliana in irem innersten gemach dem jüngling einen brieff schreibt, im den sampt vilen köstlichen kleinoten antworten thet.

Die junckfraw Angliana hat jetzund kein ander sinnen noch gedancken meer dann allein nach Lewfriden, dem jüngling, so offt sie bedencken ward den grossen schmertzen, so er von irentwegen gelitten, darzů sie jetzund seinenthalben keiner zeügniß bedorfft, dieweil sie selb von im gesehen, wie er sein brust hat geöffnet und den goldtfaden heraußgezogen. Derhalben sie den gantzen tag mit wunderbarlichen gedancken vertreiben thet.

Des ire junckfrawen an ir warnamen. Sie aber sorgten ein anders, als wann sie mit grosser kranckheyt behafft wer und aber solchs nit sagen dörfft. Derohalb sie mit einander zů rat heimlich vor der junckfrawen giengen. Eins ritters tochter under in mit nammen Cordula fieng an vor in allen zů reden: ›O ir mein liebsten junckfrawen und gespilen, welche ist doch under uns so unverstanden, die do nit sicht und warnimpt der manigfalten verenderung der farb unnd angesichts unser gnedigen junckfrawen! Fürwar es můß ein grosse und geferliche kranckheit darunder verborgen sin. Dann ich sich und spür, das sie uns nit angsthafft machen wil und erzeigt sich frölich gegen uns; geschicht aber on zweifel mit schwach und bekümmertem hertzen. Darumb wer mein getrewer [294] raht, daß wir bitlicher weiß an unser gnedig junckfraw langten, damit wir doch ir anligen und kranckheit erfaren möchten. Dann wo sich die sach anderst dann wol zůtragen solt, wir wurden das gar schwerlich gegen unserem gütigen herren, ihrem vatter, verantworten mügen.‹

Disen rahtschlag lobten die junckfrawen all gemeinlich, wurden kurtz zů raht, giengen all zů Angliana der junckfrauwen. Junckfrauw Cordula, welche ein sunder groß hertz zů ihr junckfrauwen hatt, von wegen der andren allen fründlich auß gantzen trüwen mit anfieng zů reden: ›Allergnedigste junckfraw,‹ sagt sie, ›die groß treüw unnd liebe, so mir zů euch tragen, zwingt uns, das wir nit underlassen mögen von euch die ursach ewer schwermütigkeit zů erfaren. Dann fürwar uns das nit ein kleyne beschwernuß bringet, und stond ewers stillschwigens halb inn grösten sorgen, als wann ihr uns darfür achteten, gleichsam wer uns nicht zů vertrawen. Darumb, liebste junckfrauw, ist unser underthänigst bitten unnd begeren an euch, wöllet die ursachen ewer schweren gedancken anzeigen. Wer weyßt, wir möchten veileicht rhat finden, damit euch geholfen wirdt.‹ – Angliana die junckfraw antwort: ›Ir mein allergetreüwisten junckfrawen, ir solt euch gar keinen unmůt nemen von wegen meiner blödigkeit; dann ich hoff zů gott, mein sachen sollen sich bald zů gůtem end schicken. Darumb bitt ich euch freundtlich, wöllend mich dis tags in meinem inneren gemach allein beliben lassen, damit ich mein rhů gehaben mög.‹ Damit gab sie den junckfrawen allen urlaub; die giengen in ire gemach, liessen Angliana allein beleiben.

Lewfrid als ein embsiger torhüter stůnd vor dem eusseren gemach vor der thüren, und so offt er die thüren vernam uffgon, wartet er mit freuden allzeit in hoffnung, sein liebste Angliana wird in zů ir berüffen. Sie aber saß in irer kammer, schrib einen brieff auff solche form lautend:

›Vil glück und wolfart winsch ich dir auß grundt meines hertzens, du mein allerliebster jüngling. Mir ist fürbaß nit mehr müglich dir lenger zů verhalten die groß und inbrünstig liebe, so ich in aller zucht und ehren zů dir trag. Dann du hast mich mit öffnung deiner brust unnd verborgnen goldtfaden [295] gantz gebunden und gefangen, so das ich mich dir gantz zů eigen geben will, unnd solt ich darumb auff meines vatters gůt verzihen, dieweil ich weiß, das der liebe gelich, so du zů mir tragen thůst, umb meines vatters gůt nit möcht erkaufft werden. So du mir aber volgen wilt, so weyß ich dir fügliche weg anzůzeigen, durch welche mir beid mit gunst und bewilligung meines vatters noch lang in freuden on alle forcht beynander wonen mögen. Dann ich weyß dich so eines herrlichen verstands, das du in aller geschickligkeyt dich gegen meinem vatter magst lieben und dir ein gnedigen herren machen. Jedoch soltu, mein allerliebster jüngling, die ding gantz verborgenlich treiben, dir niemandt so geheim oder lieb sein lassen, dem du unser beider lieb öffnest. Deßgleichen solt du auch an mir gewiß sein, und domit dise unser liebe stet und fest sey, so nim von mir zů einem zeichen disen ring, welcher mir seer angenem und von meiner lieben fraw můter seligen an irem todtbet zůr letze gelassen. Den soltu dir auch von irentwegen lieb sein lassen, so ich dir anderst auch lieb bin, des ich dann gar nit zweifel. Die andren kleinot und gaben, so du in disem pecklin finden wirst, die hab dir anstatt des goldtfadens zů einem glückseligen jar. Bit, wöllest die von wegen ihrer unachtbarkeyt nit verschmehen; dann du solt noch vil mer von mir gewertig sein. Mein liebster Lewfrid, so dir etwas gegen mir angelegen, so du mir gern zů wissen woltest thůn, magstu mir das allezeit in geschrifft offenbaren. Hiemit sey gott befohlen, der pflege dein in steter gesundtheyt!‹

Angliana, nachdem sie disen brieff zůgeschlossen und mit irem eigen ring verbitscht hat, nam sie den und band in in ein pecklin sampt dem ring und einem schönen hemmet, darzů einem köstlichen piret.

Als es nun umb den abent ward, kamen die junckfrawen wider zů besehen, wie es umb die junckfraw Angliana stünd. Sie aber fanden sie gantz wolgemůt und gůter farb, darab sie gar groß freud empfingen. Demnach nun das nachtmal ward volbracht und das gestirn dem sattblawen himmel sich hatte undermischet, ist man zů beth gangen, die nacht mit gar süssem schlaff verzert worden.

12. Wie Angliana Lewfriden das büntelin gibt in beywesen aller irer junckfrawen

[296] 12.
Wie Angliana Lewfriden das büntelin gibt in beywesen aller irer junckfrawen.

Aurora, die edel morgenröte, jetzund mit freuden den newen tag doherbracht, die nachtgall und andere vögelin den tag mit freuden verkündten. Angliana uffstůnd, sich in gar zierlich gewand anthet, an ein fenster saß, dem gesang der vogel zůzůhören, von dem sie gar eines frischen gemüts ward.

Nun hatt Lewfrid die vergangen nacht gantz ungeschlaffen hinbracht; dann er groß verlangen het nach dem künfftigen tag, damit er möcht erfaren, mit was kleinot ihn die junckfraw wolt verehren. Er stůnd auff, legt seine schönsten kleider an, so er hat, ging mit grossen freuden in den schönen garten unwissen, das Angliana, sein liebste junckfrauw, schon auffgestanden und jetzund an dem fenster sitzen solt. Lewfrid saß an sein gewonliche statt under die rosenhurst, fing an mit gar frölicher stim zů singen. Des nam Angliana bald war, spitzet die oren, hort irem lieben jüngling mit freüden zů. Von ungeschicht blicket Lewfrid durch den hag, ersicht sein liebste junckfrauw under dem fenster, ein gar schönes artigs hündlin und papagey bey ir habend, mit welichen sie ir kurtzwil hat, aber nicht dest weniger dem gesang des jünglings mit allem fleyß auffloset. Lewfrid wol zů můt was, als er sein junckfraw jetzund zůgegen wusst, kein fleyß in seinem gesang spart; das so lang trib, biß in zeit daucht auff seinen dienst zů warten, also auß dem garten für der junckfrawen gemach gieng.

In dem kamen ire junckfrawen nach ir gewonheyt. Sobald die in das gemach kummen und Angliana ein seligen tag gewünscht, sie in auch gar früntlich gedanckt und mit freüden so empfangen, hatt sie gleich gefragt, ob Lewfrid der jüngling nit vor dem zimmer stünd. Sie sagten, er wer vorhanden. [297] ›So heyssend mir in bald inherkummen‹, sagt Angliana, ›dann er sol mir meinem herren und vatter etwas nötigs bringen.‹ Diß ward volbracht, der jüngling ward hineinberůffen.

Er kam in grossen freüden und gleichsam, als so einer auß einem finsteren gewelb kumpt, urplitzig den klaren schein der sonnen erblicket, also was auch dem jüngling, do er sein junckfraw ansehen und erblicken ward. Er wünschet der junckfrawen zůvor, demnach allen iren gespilen einen frölichen und glückseligen tag, thet in dabey gebürliche reverentz. Angliana, die von seiner zůkunfft nit minder freüd empfangen, fieng in an mit schimpflichen worten zů fatzen unnd sagt: ›Lieber mein Lewfrid, sag mir doch, was hatt dich disen morgen so frü auß deinem bett getriben unnd zů solchen frölichen unnd gůten gesang verursachet? Dann die nachtegall unnd trostel sampt andren waltfoglein dir nit lang vorgangen sind, du hast in mit deiner süssen stimm gefolgt; hast mich auch warlich damit bezwungen, das ich dir mit allem lust unnd fleiß hab müssen zůhören, wiewol ich ungezweiffelt bin, das mir dein gesang nit zů dienst beschenen, laß mich aber das nit kümmern. Die junckfrauw aber, deren du dich in solcher gestalt dienest, můß dir den danck darfür geben; welches dann ungezweifelt beschehen wirt, sonst wolt ich sagen, sie ein gantz unverstanden unnd harte junckfrauw sein müßt. Sag an, mein lieber Lewfrid, welche under disen meinen junckfrawen dich so gantz frü ermundert unnd wecken thůt! Sie soll mir fürwar die angenemest inn meiner gesellschafft sein.‹

Die junckfrauwen sich der schimpfflichen wort Angliane nit genůg verwunderen kundten; je eine die ander gantz schamrot ansehen ward; dann jegkliche meynet, Angliana hett auff sie geredt. Lewfrid auch nit weniger sich schammet, das im dann sein schöne zwifachet. Dann er von natur eines weissen angesichts was, langes gerades und wol proporzenierten leibs, einer auffrechtigen dapfferen stirnen; sein har was einem gespunnen gold zů vergleichen, welches gantz schon und zierlich gekreußt was; er hat ein starcke und volkommene brust, starcker glider; und in summa so was er der schönest jüngling, so an dem gantzen hoff was; er fürtraff alle jüngling des landes an geradigkeyt, schöne und tugenden.

[298] Als in nun die junckfraw Angliana lang mit worten angetast schimpfflicher weiß, gab er ihr solche antwort: ›Allergnedigste junckfrauw, ich nim euweren schimpff gern zů gůt. Das mich aber ewer gnad fraget, welcher junckfrauwen ich zů dienst gesungen, so sag ich, das auff erden nur eine lebt und leben würt, deren ich mein hertz so gantz geöffnet, ja das sie weißt, das ich ir einiger geflissener unnd stehter diener bin unnd bleiben will biß an mein letstes end. Ich erkenn aber wol, das mir nit gebürt einer solchen edlen junckfrawen holdtschafft zů tragen, wie ihr die an ewer gnaden hoff habend; dann ich armer jüngling bin im zů schlecht. Jedoch soll mich mein armůt unnd nidre geburt von junckfrauwen- und frauwendienst nimmer abwenden, hoff auch, wie von altem ein sprüchwort lang geweret hatt: Frawendienst ward nie umbsonst; was eine nit erkennet, das vergilt die ander.‹ Mit disem sein red endet.

Die junckfrauwen des jünglings schöne noch nie so wol achtgenommen hatt als eben diser zeit; dann der jüngling sich gantz zierlich angethan hatt. Angliana nam das pecklin, so sie ihm zůsammengebunden, gab im das inn beysein aller ihrer junckfrauwen; sie sagt: ›Leuwfrid, mein lieber jüngling, nim diß gepeck unnd bring das meinem herren und vatter! Sag, ich schick ihm darinn das, so er an mich begert hatt! So du ihm das überantwort hast, so füge dich wider her inn unser gesellschafft, damit mir kurtzweilig gesprech mit dir haben mügen! Des du dich dann nit solt verdriessen lassen; wer weyßt, ich und meine lieben junckfrawen mügen dir semlichen schimpff in zucht unnd ehren wol vergelten.‹ – ›Gnedige junckfraw‹, sagt Lewfrid, ›diser ewer schimpff ist mir ein sonders wolgefallen unnd kurtzweil.‹

Also gieng Lewfrid von der junckfrawen in grossen freuden. Er mocht kümmerlich gewarten, biß er in sein kammer kam, damit er sehen möcht, was in dem pecklin verborgen wer. Als er inn sein gemach kam, macht er das pecklin auff, besahe aber gar kein kleinot, so lang biß er den brieff, seiner junckfrawen meinung, gnůgsam gelesen hatt. Er nam den brieff und kußt ihn offt und dick; demnach ersucht unnd besah er die kleinot unnd den ring; darinn was versetzet ein[299] schöner blawer saphir; dann die junckfrauw mit der blawen farb anzeigen wolt die stehtigkeit der liebe gegen irem jüngling. Er nam den ring, hangt den zustund an sein halß unnd sagt: ›Nun freuw dich, Lewfrid! Dann zů diser stund hat dich das glück hoch erhaben. Wer möcht doch glückseliger sein auff gantzem erdtrich dann ich glückhaffter Lewfrid! O du mein liebster vater, mein liebe můter und ihr allerliebsten mein ernerer, herr und frauw, wolt got, mein wolfart were euch zů wissen, damit ir üch auch mit mir möchten erfreuwen unnd ergetzen! Ach solten meine gesellen, so mich für ihren könig gehalten haben, dises meines gelücks wissens tragen, on zweiffel sie wirden sich mit mir nit wenig erfrewen. Wolan, diß mag unnd soll aber noch nit geschehen, dieweil mir mein liebste junckfrauw das so theür und hoch verbotten hat. So mir aber got und das glück gnad verlihen, will ich sie meiner alsampt theilhafftig machen.‹

Als ihm nun Leuwfrid vil freud mit dißen reichen schencken unnd gaben gemacht, hatt er sich außgezogen, das schön hemmat, so ihm von Angliana geben worden, angethon unnd also wider zů den junckfrawen gangen, mit welchen er vil schimpff und kürtzweil anfing. Ward also in kurtzem darnach größlich von in alsammen geehret, sie mochten auch kein rechte freyd nit gehaben, wo Lewfrid nit zůgegen was.

Diß weret so lang, das er gar gerad und starck von leib ward. Darumb in der graff nit lenger in dem zimmer haben wolt, sunder nam in an für seinen kemmerling. Davon Lewfriden und der junckfrauw Angliana groß leyd zůstund; dann er nit mer so mit gůtem fůg und glimpff umb und bey ir wonen mocht, wiewol er dannocht mer dann ander diener an dem hoff ursach hat zů der junckfraw zů gon. Das macht, der graff, was er bey seiner dochter wolt werben oder außrichten, schicket er zů aller zeit Lewfriden zů ir. Ihm was aber beider liebe noch gantz verborgen.

13. Wie Leufrid des graffen kämerling ward

13.
Wie Leufrid des graffen kämerling ward, und wie er von dem graffen hinweggeschickt in einen wald [300] kam, do fand er einen schönen pracken; was im mit disem pracken begegnet seltzam abentüwer.

Nachdem Lewfrid von seiner junckfrawen dienst kummen und jetzund von dem graffen für sein kämerling angenummen ward, hielt er sich so wol, das im sein herr aller geschefft vertrawt, braucht in zů aller zeit in allen geschefften.

Eins tags begab sich, das Lewfrid von dem graffen gar ein ferr und weit reyß zů einem andern graffen geschickt ward, welcher seinen herrn nach verwandt was. Underwegen fügt sichs, das Lewfrid kam in einen grossen forst oder wald, in dem er gar verirren thet; reit also einen gantzen tag irrig in dem wald hin unnd her, wenig wissen mocht, wo er was. So es gegen abend wirt, so erhört er von verrem ein gefert, dobey er abnam, das man in dem wald jaget. Das nam er im ein trost, verhoffet, so er zů den jegern kem, sie wirden in wol auß dem wald füren. Unlang darnach so kumpt zů im ein schöner weysser prack, derselbig hat seinem jeger den windstrick zerrissen, den hals aber oder halsband trůg er noch an ihm. Der prack was auff einem hirschengespor gar verschossen; dann im der hirsch durch ein groß wasser entrunnen was. Solchs macht, daß er das gespor nit mer haben möcht. Alsbald er Lewfriden ersehen ward, lieff er zu im und sprang vor freüden an im auff. Lewfrid zartet dem hund gar freüntlich und sagt: ›Lieber mein prack, ich wolt, du verstündest mich meiner wort; wolt ich so vil mit dir reden, du wirdest mich auß disem forst und rauhen walt füren.‹ Der prack begert bey zů bleiben; dann er nit fürbaß auff dem gefert beharren wolt. Do das Lewfrid mercket, nam er im für, den weg zů reiten, daher der prack kummen was, endtlich vermeynet, er wolt jeger finden. Der prack folget im mit freuden und lieff seinem pferd stetigs vor. Nit lang verging, in auff ein wolgebanten weg bracht; derselbig [301] gieng an einem wildhag hinauff, auff der andren seiten aber was ein mechtig groß wasser. Sie kamen an einen underlaß, daselb hatten die jeger ein groß feür gehabt. Lewfrid stund ab von seinem pferd, fand noch hew und fůter, so der jeger pferd über gelassen hatten. Er leget das seinem pferdt für, daß nams zů gůt an. Also blib Lewfrid mit dem pracken die gantz nacht; dann er sorget, so in die nacht übereilet, er mocht noch ferrer in dem wald verirren.

Als aber die nacht vergangen und der ander tag an himmel brach, Lewfrid wider uff zů roß saß, ritt also, biß er dem wald ein end kam. Er reit der strassen nach und kam an ein brucken, die trůg in über das groß wasser. Auff der ander seiten des wassers ersahe er ein kleines heußlin, darvor sah er ein alten man, der flicket seine netz und fischergarn. Lewfrid reit zů im, grůßt in gar frintlich, deß ihm der alt man danck saget. ›Lieber vater,‹ sagt Lewfrid, ›ich bit, wöllend mich weisen, damit ich zů den leuten kommen mög. Dann ich sidher dem gestrigen morgen im wald irr geritten bin, weyß gar nit, in welcher landsart, wo oder in welches herren land ich sein mag.‹ Der gůt alt man hat groß mitleiden mit ihm, fragt, ob er auch so lang nichts gessen hett, dieweil er in dem wald irr geritten wer. ›Sicher ja,‹ sagt Lewfrid, ›mich belanget dest mehr zů leuten zů kommen, damit ich mich des hungers möcht ersettigen.‹ – ›So steigendt ab,‹ sagt der alt, ›mein weib soll euch zů essen machen.‹ Das nam Lewfrid an zů grossem danck, stund ab, gieng in des fischers heußlin. Sein weib machet im zů essen, was sie güts gehaben mocht. Lewfrid aß mit grossem lust; dann im der hunger im bauch was, der machet ihm lust zů essen. Nachdem er nun wol gekröpfft, letzet er sich mit des fischers weib, saß wider auff, dancket dem alten man seiner speiß gar früntlich, fragt in nach der rechten strassen; die zeigt er ihm gar tugendtlichen.

Also schied Lewfrid von dannen, reit weiter seinem geschefft nach. Als er nun die verricht hat, reit er wider heimwertz, und als er wider in die landtschafft kam, do er den schönen pracken funden. Der herr aber, so den forst innhatt, was gantz traurig umb den pracken, ließ derohalb an allen orten, stetten und flecken befragen, ob er seinen [302] pracken erfaren möcht. Von ungeschicht begab sich, das Lewfrid bey einem wirt über nacht bleiben můßt, welcher sondern befelch von dem forstherren empfangen von deß pracken wegen. Leuwfrid besorget sich keines argen, zoh sein pferdt inn den stall, gieng demnach mit seinem pracken in die stuben. Der wirt empfieng in mit gůten worten und aber mit falschem hertzen; dann er kandt den pracken fast wol. Er befalch einem seinem knecht, er solt eilens auff ein gaul sitzen, zů dem forstherren reitten und im anzeygen, der prack wer vorhanden, das er eilens einen botten darnach schicken wolt; dann es wer ein frecher jüngling, so den pracken mit im füret; er treüwt ihm den nit allein abzůgewinnen, wie sich dann nachmals wol beschein.

14. Wie Lewfrid ob dem nachtimbis überlauffen ward

14.
Wie Lewfrid ob dem nachtimbis überlauffen ward von einem des forstherren diener, und wie er sich sein mit grosser not erweren můst und zůletst mit dem pracken davonkam.

Es ist von altem her ein sprüchwort: Ein frommer wirt ist seines gasts herrgott, bey einem schalck findt man rauh geliger. Also geschah auch dem gůten jüngling. Er versahe sich keines argen, sonder meynet, er hett einen gůten wirt erlangt; der aber was sein verrähter, wie oben gemelt.

Der forstherr, sobald er von des wirts knecht vernommen, das der prack vorhanden wer, hat er von stund an einen under seinen dieneren zů dem wirdt gesandt; derselbig diener was ein außerleßner můtwilliger reiter. Lewfrid saß an dem tisch, hat den pracken bey ihm auff der banck ligen. Der knecht kam hinein, růfft den pracken mit seinem nammen, der was genant Treuw. Der prack wolt nit von Lewfriden [303] auffstahn. Das verdroß den reyter gar hart. Er gieng zů Lewfriden und sagt gantz hochmütiglich: ›Du zernichter jüngling, wie darffest du so frevel sein, das du meinem herren seinen liebsten pracken so gwaltigklich darffest hinwegfüren! Ich sag dir, es sol dir nimmer gůt thůn. Darumb so gedenck unnd gib den hund von dir, so du anders dein haut gantz behalten wilt!‹

›Gůter gesell,‹ sagt Lewfrid, ›du schuldigest mich einer schmälichen sachen, die mir nit zů leiden ist. Dann ich disen pracken gar nit auß můtwilliger weiß hab understanden hinwegzůfüren, sonder als ich frembder inn dem wald gantz irr geritten, ist diser edel prack zů mir kommen, hatt mich auff den rechten weg beleitet unnd auß dem irrigen forst und wald gefüret. Demnach ist er bey mir verharret, on alle band oder strick laufft er gantz frey mit mir.‹ – ›Des můß dich als übel bestohn,‹ sagt der reütter, ›ich merck wol, du brauchst kunst mit disem pracken; die soll dir zů grossem schaden geraten.‹

Als er solichs geredt, zucket er seinen fausthamer, meynet Lewfriden damit zů boden zů schlagen. Er aber was nit faul, sprang von dem tisch auff, zucket sein gůtes schwert, drang fast hart auff den reyter, also das er im auß seinen streychen weichen můßt. Daß ersach der wirt, welcher Lewfriden verraten hat; der sprang dem reyter zů und wolt in entschütten. Des gewaret Lewfrid, drang auff den wirt dermassen so mit grossem grimm, schlůg in des ersten streichs auff sein haupt, das er mit einem lauten galff zů der erden nidersanck. Lewfrid eylet dem reitknecht nach. Der was aber schon auff sein pferdt kummen, machet ein groß rumor in dem dorff, also das die bauren zůsammenlauffen wurden. Da diß Lewfrid ersach, sagt er zů im selb: ›Hie ist nit gůt lang zů harren.‹ Er fügt sich geschwind zů seinem pferd, saß darauff und reit schnell und bald von dannen; dann er sorget, wo er von den bauren gefangen worden wrer, es het im grosser unraht darauß erwachsen mögen.

Als nun der reitknecht zů seinem herren kam und aber den pracken nit mit im bracht, ward er fast zornig über den knecht. Der dorfft aber nit sagen, wie es im mit dem pracken [304] und mit Lewfriden ergangen was; dann er sorget sich grosses spots damit zů erholen. Darumb ließ er all ding beim nechsten bliben. – Diser und derglichen ysenbeisser findt man noch zůr zeit, welche all welt in eim streich vermeynen umbzůbringen; wann aber sie iren mann überkummen, schlagen sie gemeinlich mit färsen darin. Also thet diser reiter: dann er braucht seines pferdts füß für harnasch unnd wher. Das bleib also.

Lewfrid, der gůt jüngling, was also on erlaubung seines wirts darvongeritten, hat auch niemans gefragt, wo er sein weg den nechsten haben möcht. Jedoch behalff er sich seines compas, so er bei im hat; darauß verricht er sich, das was sein wegleitung, dann er wol abnemen möcht, ob er gegen mittag, auffgang oder nidergang geritten wer oder nit. Darumb reit er nach seinem compaß so lang, biß er kam zu einem brůderhauß, darinnen wonet ein alter brůder, ein frommer und gůter getrewer man. Lewfrid rüffet mit lautter stimm vor dem brůderheußlin und sagt: ›Ist jemans hierinn, der thů so freundtlich an mir und weiß mich auff die rechte strassen; dann ich des wegs unerfaren bin.‹

Der brůder kam behend herfür, empfieng Lewfriden gar früntlich, fragt in, wohinauß sein reyß gieng, des in Lewfrid grüntlich berichtet. ›Gůter freund‹, sagt der brůder, ›ir sind etwas von der strassen geritten. Ich sag euch auch fürwar, das ir in dreien stunden zů keiner herberg kommen mögen. Darumb bit ich euch, stond ab. Ich wil üch ein bissen brot und gedeyen fleysch und gůt frisch wasser bringen, damit ir euch ein wenig mögt erlaben.‹ – Diß nam Lewfrid zů grossem danck an, stund ab von seinem pferd. Der brůder decket im ein tischlin, so er vor seinem hauß hat under einem grünen baum, bracht im gar gůt und wolgeschmackt brot und fleysch, so das in bedaucht, er het in langem baß nie gezecht; dann es was jetzund über den mittentag, und was im der hunger gar in bauch kommen. Der brůder gab seinem pferdt ein meßlin gersten, so ward seines pracken auch wol gepflegen. Nachdem er sich nun seines hungers ersettigt hat, fragt den brůder, was er im zů gelten wer; der wolt gar nichts von im haben, allein bat in für gůt zů nemmen. Also schanckt im [305] Lewfrid etlich gelts, das můst er von im wider seinen willen nemmen. Demnach saß Lewfrid wider uff sein pferdt, reit wider sein straß, nach dem in der brůder gewisen hat.

Den wöllend wir also lassen zů vollend heimreiten und jetz ein wenig sagen von seinem vater und můter, auch von seinem herren, so in erzogen hat, wie es nach Lewfrids abscheid sich mit in zůgetragen hab.

15. Wie der kauffman Hermann nach dem hirten Erich schicket

15.
Wie der kauffman Hermann nach dem hirten Erich und seiner haußfrawen, die beim viech auffm felde waren, schicket, im rechnung zů thůn; darab der hirt seer erschrack, dann er in vil jaren kein rechnung gethon, und wie er von seinem weib Felicitas getröst war.

Ir haben oben gehört, wie Lewfrid on alles urlaub seiner eltern, vatter, můter, herren und frawen hinweggescheiden was, welche jetz in das achtend jar nichts von im vernomen hatten, wußten auch nit, ob er lebendig oder todt was. Sein vater und můter klagten sein hinscheiden teglich mit grossem jamer; dann sie stůnden all jar in sorgen, der kauffman Hermanus wird sie von dem hoff stossen, dieweil ir son Lewfrid nit mer vorhanden wer; so möcht der kauffman auch argwönen, sie trügen wissens umb irs sons hinwegscheiden. Dise sorg trůgen sie gar umbsonst; dann Herman an dem brieff, welchen Lewfrid hinder im gelassen, wol verstanden hat, das hirt Erich und seim weib des knaben hinscheiden verborgen gewesen wer.

Es fügt sich an einem tag, das Hermanus der kauffman zů Erichen, seinem meyer, schicken ließ, er solt sich mit seiner haußfrawen underreden, dann er wolt in kurtzen tagen rechnung von ihm haben. Sobald Erich und Felicitas, sein haußfrauw, semlichs vernamen, erschracken sie gar seer; dann sie in vil jaren kein rechnung gethan, so hat in ir herr vormals nie kein angemůtet.

[306] ›Ach gott,‹ sagt Erich, ›yetz geschicht uns das, vor dem ich mich lange jar besorgt hab. Warumb bin ich nit noch in meinem alten stath! So sessend wir jetzund rüwig in unserem armen heüßlin. Wann ich des tags meines viehes gehüt het, wer ich darnach aller sorgen entladen gewesen, het mich in kein rechnung noch grose sorg stecken dörffen. Wol dem, der in armůt und frey lebet und kein dienst zů versehen hat! Ist einer an einem ampt, pfleg oder schaffney und gebraucht sich jederman der billigkeit, so wirt er von gemeynen unwarhafften leuten hindergangen. Die bringend ihn mit schmeichenden und listigen worten dohinder, das er in vertrewt, lihet und borgt. Alsdann schwellend sich die zins zů hauff, so kumpt der herr, des schaffner oder pflegman er ist, begert rechnung an seinen schaffner, will bezalt sein, als auch billich. Ach gott, so stat dem schaffner von den zinßleüten die zins noch auß; der herr erzirnt über in, stoßt in von seinem dinst. So findt man bywilen zinsleut so leichtfertig, dörffend schweren eyd und ehr verpfenden, sie haben ir zins gericht, so sie es nie in sin genummen haben. Ist dann ein schaffner rauch, streng und ernstlich, begert zů rechter zeit, was seinen herren von recht geburt, můß er ein tirann, hund und wüterich von allermenigklich gescholten sein. Also ist einem jeden meyer, so auff eines herren hoff sitzet, dieweil dem herren alle ding nach dem willen eingaht, der hoff, acker, wisen und das vieh grossen übernutz tregt, alsdann ist der meyer liebgehalten. Bald aber mißgewäß in die frücht kummen, unfal under das vieh, so das man hinder sich büssen můß, alsbald wirt der meyer unwert; sein herr legt alle schuld auff in; dann můß er die acker übel gebawen und on mist gelassen haben, das vieh on wartung gelassen. Nun bezüg ich mit der warheit, das ich meinen herren in allen trawen gedient hab, im all sein geschefft nach dem treüwlichsten außgericht, sein gůt zům genewisten zůsammengehalten. Noch ist mir als einem armen einfaltigen baursman, so mit der schrifft nie umbgangen, nit müglich rechnung zů geben, dieweil in langen jaren mein herr kein von mir begert hat. Ach, mein liebe Felicitas, gib hirinnen deinen gůten und getrewen raht, weß wir uns in diser sachen halten wöllend! Dann ich für mich selb nit weiß [307] genůg bin. Wolt gott, unser son Lewfrid vorhanden wer, es solt uns darzů nit kummen sein. Ich sorg aber, unser gevatter zweiflet uns von unsers sons abscheyd wissens getragen haben.‹

Felicitas als ein getrewe rahtgebin irs lieben mans fing an und sagt: ›Mein allerliebster gemahel, nit bekümmer dich ab unsers lieben herren und gevattern botschafft! Dann ich erkenn in dermassen, er wirt uns nichts unmüglichs anmůten, noch weniger von uns begeren. Dann vergangen marckt, als ich bey im gewesen bin, nicht anders an im gespürt hab dann alles gůten. Er fragt gantz freüntlich nach dir, wie dirs gieng, ob du gesund und frisch werest, und insunderheit, ob mir noch nits von unserm son Leufrid hörten. Ich im auch mit aller bescheidenheit uff sein red antwort gab, und under anderm bat ich in früntlich, er wolt uns unsers ungehorsamen sons nit entgelten laßen, dieweil es uns on wissen gewesen wer.‹ Auff sollich mein bit sagten sie beide: ›Solichs ist uns unverborgen; dann Lewfrid hat einen brieff hinder im gelassen, welcher uns alles seines vorhabens verstendigt hat. Doch,‹ sagt der herr, ›bin ich gůter und gewisser hoffnung, ich wöl nit ersterben, Lewfrid sol zůvor wider von mir gesehen werden.‹ Er sagt auch dabei: ›Ich bin gůter hoffnung, sein sachen standen gantz glücklich und wol; dann ich seinenthalb in kurtzer zeit manchen frölichen traum gehabt hab.‹

Mit disen und derengleichen worten tröst Felicitas iren gemahel, also das er zuletst gůte hoffnung gewan, die sach wird wol gegen seinem herren ston. Als nun der bestimpt tag kommen was, Erich und sein weib in die stat kamen zů irem lieben herren und frawen und gevattern. Sie wurden fast ehrlich und wol von in empfangen, darab Erich erst einen trost gewan und nit mer so traurig was.

16. Wie meyer Erich von seinem herren fast wol begabt ward

16.
Wie meyer Erich von seinem herren fast wol begabt ward, inen von newem auff seinem hoff bestetigt, ihm alle güter zů einem erblehen übergeben thůt.

[308] Hermanus der kauffman hat ein gůtes mal zůbereiten lassen, darzů vil erbar leut berůffen. Als nun die zeit kam, yederman erscheinen thet. Als man nun das handwasser genommen und zů tisch gesessen, haben sie gott dem herren lob und danck gesaget umb die narung, so er inen täglichen bescheret. Alsdann brachten die diener das essen nach ordnung gar köstlich und wolbereitet; der tranck in schönen credentzen und trinckgeschirren fürgetragen ward. Erich sampt seinem weib sassen auch zůgegen.

Als sie aber jetzund inn mitten essens waren, fieng Hermanus der kauffman vor ihn allen an zů reden unnd sagt zů seinem meyer: ›Mein allerliebster und allergetrewester diener Erich, mir ist unverborgen deine getrewen unnd fleißsigen dienst, so du jetzund biß in die zwentzig jar inn meinem dienst verricht hast, dieweil ich auß teglicher erfarniß abnemen můß, das mein hoff, auff welchen ich dich gesetzt hab, sampt den zůgehörigen güteren größlich zůnimpt und mir der zeit her grossen nutz bracht hat, darzů an allen meinem vieh keinen abgang, sonder grossen wůcher befunden hab, so das ich desselbigen ein grosse anzal verkaufft hab. Dieweil ich nun betracht unnd billich bedencken soll, das gott der herr denjenigen, so groß gůt besessen hand, zům offtern mal durch ire diener solchs gemert und groß gemacht hatt, (dann Laban ward glückhafft in allem, das er anfing, dieweil im Jacob, sein tochterman, dienet, also auch Potiphar groß glück von Josephs dienst überkam) diß alles ursacht mich zů bedencken, daß mir sollich glück auch von gott beschert sey, und das er mir meine güter durch dein getreuwen dienst gemehret hab. So wöllest mir, mein lieber Erich, anzeigen, wie vil du noch viehes auff dem hoff habest, es sey gleich groß oder kleines, alsdann mir den halben theyl von gemeltem vieh zůstellen, den anderen halben theyl für dein eygen gůt behalten. Also auch mit aller frucht, so du inn dem blůmen noch auff dem feld hast, auff acker und wysen, will ich in gleichem mit dir [309] abtheylen unnd dir volgens all mein güter sampt dem hoff umb ein leidlichen zinß zů einem erblehen dir unnd deinen kinden zůstellen. Des will ich mich zůgegen diser herren und gůten freunden übergeben unnd versprochen haben.‹

Darauff bote Hermanus seinem meyer Erichen und seinem weib Felicitaß die recht handt zů einem glaubwirdigen zeychen seiner zůsagung. Wer was frölicher dann Erich und sein gemahel? Die sich vormals einer schweren rechnung versehen hatten, die bekommen jetzund eygen viech. Ihn thet die freud so nach zů hertzen gohn, das sie beide hertzlich anhůben zů weinen; sie wußten auch vor grosser freud weder herren noch frawen zů dancken. Sie aber beflissen sich hernach, als sie auff den hoff kamen, das sie in allen treuwen haußhielten und gott allzeit umb sein verlihne gůthat danck sageten. Es was alles glück, so sie anfingen. Das weret so lang, biß ir son Lewfrid wider zů land kam; do ward ir stand noch vil gebessert.

Jetz kommend wir wider an Lewfriden.

17. Wie Lewfrid wider zu land kam, den schönen pracken mit im bracht

17.
Wie Lewfrid wider zů land kam, den schönen pracken mit im bracht, und wie in Angliana beschicket, aller sachen, wie es im ergangen sei, befraget, insonders von wannen im der prack herkommen sey.

Lewfrid jetz aller sorgen frey kam mit grossen freuden zů hauß, bracht mit im seinen schönen pracken. Als er seinem herren alles, so er außgericht, anzeigt hat, gieng er in sein gemach, legt ander gewand an, damit er nach seiner gewonheit für sein junckfraw gohn möcht. Die dann seiner zůkunfft schon gewar worden was, saumet sich nit lang, schicket nach dem jüngling eine ir allergeheimmiste junckfraw.

Der jüngling sich gar nit saumet, kam geschwind zů [310] Angliana in ir gemach. Sie empfing in freüntlich, fragt in die ursach seines langen außbleibens; des er ir alles nach der leng erzalet. ›Lewfrid,‹ sagt Angliana, ›woher kumpt dir diser schon prack? Wo ist er dir vorgestanden?‹ Lewfrid, als ihn die junckfraw so fleißig nach dem pracken fraget, gedacht er: ›Sie begert das sunder zweifel nit umbsunst zů wissen. Vilicht gedenckt sie, ich hab in mit gewalt überkummen oder jemans wider seinen willen genumen.‹

Darumb sagt er: ›Gnedige junckfraw, mir ist nit müglich euch etwas zů verhalten, so ir zů wissen begerend. Nemend war! Als ich in meines gnedigen herrn geschefften geritten bin, hat mich der unval oder das gelück in einen mechtigen und seer grossen wald und forst gefürt, darin ich gentzlich verirret, so das ich nit wußt herauszůkummen. Als ich mich aber verwegen hat die nacht in dem waldt zů beliben, kumpt von ungeschicht diser edel prack zů mir, sich gantz frölich gegen mir erzeigend. Ich nam den hund an und gedacht mir wol, er wirt mich auß dem wald füren. Er nam sein weg wider zůruck, doher er kummen was; ich reit im stracks nach. Bald kamme der prack auff ein gůten gebanten und getribnen weg, der zoch sich an einem schonen wildhag hinauff. Auff der andern siten war ein ser groß wasser, über das gieng weder bruck noch steg, kond auch keiner furt dardurch gewar werden. Als aber die nacht jetz vorhanden was, kummen wir an ein underloß, auff welchem die jeger iren geülen fůter geben; daselb bran noch ein seer großes feür. Do gedacht ich mir die nacht vollen zů beliben. Also fand ich in einem fůtertrog noch etlich fůter, welchs der jeger pferd über gelassen hatten. Darüber band ich mein müden gaull, der aß ihm genůg; vertriben also die nacht, wie wir mochten. Sobald es aber tag ward, saß ich wider auff mein pferdt; der prack lackeyet stets vor mir her, kamen zůletst auß dem wald uff ein genge stroß, die fürt uns zů einer schönen prucken. Jenerseiten der prucken hatt ein armer fischer sein wonung, dem klagt ich mein hunger; bald macht mir sein haußfraw zů essen.‹ Und in summa Lewfrid erzalt der junckfrawen nach der lenge alles das, so im begegnet was mit dem falschen wirt, reitknecht und brůder.

[311] Angliana kond sich der abentheür mit dem pracken nit gnůgsam verwundren und sagt: ›Fürwar, Lewfrid, du solt disem edlen pracken seiner freundtschafft und trew nimmer vergessen. Ich will in auch mit einem schönen halßband zieren, des er dann von wegen seiner trew von mir tragen sol. Du solt ihn auch fürbaß allweg mit seinem nammen nit anderst nennen dann Trew.‹ Also versprach ir Lewfrid in allem dem zů wilfaren.

18. Wie Angliana dem pracken ein schön halßband sticket

18.
Wie Angliana dem pracken ein schön halßband sticket mit perlinen trewen fast künstlich, und wie er hinfürbaß der junckfrawen zůgestelt ward und fast zertlich erzogen.

Angliana und Lewfrid sich mit gesprech gantz wol ergetzet haben. Als sie nun zeit daucht zů scheiden, hatt der jüngling ein freundtlich urlaub von ihr genommen, ist nach seiner gewonheyt für seins herren gemach gangen, aldo seins dienstes gewartet.

Die junckfraw nach des jünglings abscheid hat sich nit lang bedacht, in ir gemach gangen, von stund an schöne perlin, samat und seiden zů handen genommen, dem pracken ein reiches und köstliches halßband angefangen zů sticken, ein schöne trew auff yeder seiten und mit schönen vergulten spangen gezieret, desgleichen mit eim vergulten schloßring oder hafften zůsamengefüget. Als nun das halßband mit allem fleiß gearbeyt worden, hatt sie eine ir liebste junckfraw, deren sie am basten getrawet, zů ir gerůffen in ir innerist gemach und auff folgende weiß mit ihr angefangen zů reden: ›Mein vertrewtiste und liebste Florina, (also was der junckfrawen nam) ich bitte dich in allem vertrewen, wöllest dich nit anderst gegen mir erzeigen, dann wie ich dir allzeit hertzlichen vertrewet hab, und dich, so beldest du immer kanst, [312] zů Lewfriden dem jüngling fügen. Sag im, sobald er seiner geschefft halben zeit haben mög, daß er mit dir in mein gemach kommen wöll sampt seinem schönen weissen pracken! Dann ich demselben mit eigner hand diß halsband gewircket hab, das will ich im auch selb anbinden.‹

Florina sich nit lang saumen thet, irer junckfrawen befelch zů volziehen. Von ungeschicht blicket sie zů einem fenster hinauß, welchs in vilgemelten lustgarten ein gesicht gab, so ersicht sie Lewfriden mit seinem pracken darinn sein kurtzweil haben. Des sie seer wol zůfriden was, damit sie nit lang nach im suchen dörfft. Bald sprang sie mit grossen freuden die steg hinab, kam in den garten. Lewfrid die junckfraw bald erblicket, an irer geberd bald ersehen thet, das sie in suchet; mit grosen freüden gegen der junckfrawen kam, sein reverentz thet. Die junckfraw bald dem jüngling zů wissen thet, was ir von Angliana befolhen was. Die botschafft emfing der jüngling mit grossen freüden, verzog gar kurtz, nachdem er die botschafft erfaren hat, gieng mit Florina in der junckfrawen gemach.

Von deren ward er gar fründlich empfangen. Sie nam das halsbandt, legt das dem pracken umb seinen halß und sagt: ›Mein allerliebster Lewfrid, disen deinen pracken hab ich versprochen diß halßbandt zů machen. Und wiewol das nit sehr künstlich gearbeyt ist, will ich dannocht gůter hoffnung sein, du werdest das von meinetwegen an disen edlen pracken versorgen, darzů dester grösser sorg zů disem schonen pracken haben; und dieweil du auch nit wissen magst, was namen im zům ersten geben ward, wollest du den hinfür nit anders heissen dann Traw. An disem allem wirstu mir ein sonderlich gevallen thůn.‹ Lewfrid antwort züchtiglich mit freüdigem hertzen: ›Allerliebste junckfraw, diser schanckung und gaben hab ich mich billich gegen eüwer gnaden zů bedancken, wil mich auch allen befelch nach halten, wie mir eüwer gnad befolen hat.‹ – ›Also beger ich,‹ sagt Angliana, ›dann wo du umb disen edlen pracken kummen soltest, wirt er mich gar fast rewen‹.

Der jüngling verstund wol an der junckfrawen worten, das sie den pracken gern für eygen gehabt. Er nam in bey [313] seinem halsband und fůrt in zů Angliana der junckfrawen und sagt: ›Genedige liebe junckfraw, so es eüwer gnaden nit beschwerlich sein wolt, wer mein undertheniste bit, disen pracken von mir zů einer schenckung anzůnemen, dieweil er mir nit wol zů verwaren müglich sein wil, dieweil mich mein gnediger herr zům offternmal mer dann keinen seinen diener außschicket. Solt mir dann diser prack sampt dem halsband entwert werden und solt sich eüwer gnad etwas darumb bekümmeren, müßt mich fürwar größlich reüwen, das ich disen pracken mein tag je gesehen het. Derhalben bitt ich, eüwer gnad will disen schönen pracken von mir nemmen.‹ – ›Das wil ich mit freuden thůn,‹ sagt Angliana, ›und des schönen edlen pracken fast wol pflegen. Umb dich aber, mein liebster Lewfrid, sol dise reiche schenck vergolten werden.‹

Also wurden vil freundtlicher wort von Lewfriden, Angliana und den andren junckfrawen getriben, biß jetz die zeit des nachtimbiß vorhanden was. Bald ward die glock zů hoff gelitten, welche alles hoffgesind zů dem nachtimbiß ermanet. Lewfrid urlob von seiner liebsten junckfrawen nam, befliß sich demnach uff den dienst zů warten. – Diß bleib jetzund ein weil. Nun wend wir wider kommen an Hermanum den kauffman, wie es im mit seinem liebsten son ergangen sey.

19. Wie des kauffmans ehelicher son seinem vatter mit grosser bitt anlag

19.
Wie des kauffmans ehelicher son seinem vatter mit grosser bitt anlag, im zů erlauben, seinen liebsten brůder Lewfriden zů suchen; des ihme der vatter kaum erlauben wolt, jedoch zůletst bewilliget.

Da oben haben ir verstanden, wie Lewfrid von Herman dem kauffman ehrlich und wol aufferzogen ist sampt irem son, welcher ir einiger erb was, der was genant Walter. Derselbig nach dem abscheid seins angenomen gesellens und brůders inn langem trawrem stehtigklich verharret, im von der zeit an, das Lewfrid hinweggescheiden was, fürnam, so im got sein leben erlengert, so das er zů seinen manbaren jaren käm, wolt [314] er je nit erwinden, seinen liebsten brůder und gesellen zů suchen, er wer gleich im land, wo er wolt. Nit minder hat Lewfrid verlangen nach im, nam im auch endtlich für, seinen gesellen und brůder ein fart in unbekandter weiß heimzůsuchen und, so im dann möglich wer, mit im auß dem land zů füren.

Des kauffmans son Walter was jetzund schon erwachsen, ein seer schöner und gerader, dabei wolgelerter jüngling. Eines tags satzt er mit früntlichen worten an seinen vatter: ›Mein vatter,‹ sagt er, ›ich bit dich früntlich, du wöllest mich einer kleinen bitt, so ich an dich legen wil, geweren. Dann ich weder tag noch nacht rhů haben mag, ich erfar und erkünde dann, wo mein liebster brůder und erster gesell hinkummen sey; ich meyn Lewfriden, welchen du in gleicher liebe mit und bey mir aufferzogen hast. Darumb langt mein hertzlichste bitt an dich, wöllest mir ein kleine zerung mittheylen und ein pferdt; so will ich meinen liebsten brůder unnd freundt suchen. Damit mag ich auch das land ein wentzig erkündigen unnd erfaren. Du darffest dich, mein lieber vatter, keins üblen an mir besorgen, noch das ich das mein unnützlich verthůn wölle oder mich böser nichtiger geselschafft anhengig machen. Dann ich, gott hab lob, von meinem schůlmeister und preceptor gnůgsamlichen bericht empfangen, was böse geselschafft thůn mag, derhalb ich mich all meine tag von in entziehen und absünderen will. Allein erlaub mir, lieber vatter, dise reiß zů volnbringen!‹

Hermanus der kauffmann ab den worten seines sons nit wenig unmůt empfieng; dann er im sein bitt nit gern abschlůg, so bewilliget er auch nit gern in solche reiß. Fing derhalben an gar freundtlich mit seinem son zů reden und sagt: ›O Walter, mein einiger und allerliebster son, nit wöllest mich, deinen vatter, und dein liebe můter in solich beschwernuß setzen. Was grossen trübsal wurdest du uns zůfügen, wann du [315] uns so verlassen wirdest! Was gedenckst du Lewfriden zů suchen! Ich sorg, er sei vor langem zů grundt gangen. Dann ich bin ungezweiflet, solt er noch in leben sein, er wird uns vor langem embotten haben; dann im die groß lieb und freundtschafft, so mir im getragen hand, unverborgen ist. So er dann nit mer vorhanden wer, wirdest du alle dein müh und arbeyt umbsonst volbringen. Ist er aber noch in leben und hat uns so gar in vergeß gestelt, was wolt dann dich not angohn, ihn in frembden unerkandten landen zů suchen? Bleib bei uns, als bey mir deinem vatter und můter, und sůch dir andre gesellschafft, mit welchen du dir freud und kurtzweil nemest! Dann fürwar sorg ich, Lewfrid würt nit mehr vorhanden sein.‹

Als Walter seinen liebsten vater reden hort, wiewol er im von jugent auff alle zeit gehorsam gewesen was, noch wußt noch mocht er im dis orts nit gehorsam sein, bat in von newem gantz hertzlich, im solcher bitt nit abzůschlagen, sagt im darbey zů, das er sich keineswegs saumen wolt und, so beldest, er mocht, widerkommen.

Als nun der vatter sahe, das sein son nit abzůwenden was, bewilligt er zůletst, in seiner bit zů geweren. Alsbald machet sich der gůt jüngling geschickt zů der reyß. Do aber die můter die sach vernam, gebar sie gantz kleglich. Hermanus aber redt ir die ding auß, so best er mocht. Er gab seinem son ein gůte zerung, dinget im auch einen frommen und getrewen knecht zů, so mit im reitten und sorg zů im haben solt. Also reit der gůt jung Walter von seinem vatter und můter mit seinem knecht und begeret jetz nit mehr, dann Lewfriden zů erfaren.

20. Wie Walter sampt seinem diener kamen zu dryen bösen buben in einem wald

20.
Wie Walter sampt seinem diener kamen zů dryen bösen bůben in einem wald, wurden von ihn geplündert und außgezogen, an einen baum gebunden.

Walter, der gůt jung, sampt seinem knecht war jetz biß [316] in die viertzehen tag geritten, allenthalben nach Lewfriden fragten, aber bei niemandt kein rechten bescheid erfaren kondten. Dann sich der jüngling Lewfrid an keinem ort noch hat recht zů erkennen geben, derhalben niemans seines harkommen wissens tragen mocht. Er was auch schon ein ansichtiger gerader reytersman worden und dorfft sein feinden wol under augen tretten; Walter aber meynet, er wer der schůlen und studieren nachgezogen, darumb befragt er sich in allen schůlen, wo er in ein statt kam.

Es begab sich eines tages, das die zwen jüngling durch ein grossen dicken wald reiten solten, davor in gar graussen ward. Vor dem wald stůnd ein herberg oder wirtzhauß, in welchem sich die kaufleüt offt samleten, biß ir ein gůte zal zůsammenkam, damit sie sicher durch den wald reiten möchten; dann es geschach gar groß mort und rauberey in demselben waldt. Der wirt in gemelter herberg warnet die zwen jungen gar treüwlich, sie soltend sich nit einig auff den weg wagen, sunder der zeit erwarten, das mer kauffleüt zů in kemen.

Dise warnung höreten drey grosser schelck und mörder, so in dem wirtzhauß lagen; die namen sich an, als werend sie zollierer und gingen mit gestein umb, weren des willens gon Lisabona zů reissen, edelgestein daselb zů kauffen, stalten sich gantz förchtsam. Der wirt hat groß mitleiden mit in, meynet, der sachen wer also, sagt auch zů inen: ›Lieben fründ, haben gedult! Ich hoff, es sollend morgen etliche kaufflüt kummen. Mit den mögend ir sicher hindurchwandlen.‹ Die drey schelck aber, als sie hörten von kauffleüten sagen, so kummen solten, sorgten sie, die zwen jungen wirden ihn entgan; machten derhalben ein anschlag mit einander, der elter under ihn, ein gar durchribener schalck, solt sich anemmen, als wan er nit lenger harren wolt; er wolt die sach uff glück wagen, ihm wer vormals in disem wald nichts widerfaren, darumb hette er gůte hoffnung, ihm solte aber auff seiner reiß gelücken. Die anderen zwen seine gesellen sagten: ›Wolan, so wöllend wirs auch uff glück mit dir wagen.‹

Diß als erhört Walter und sein gesell, glaubten dem schmeichlen dieser dreyer nassen knaben, begerten inn ihr geselschafft. Dise aber widerten sich ein wenig, sagten: ›Wir [317] mögent eüch nicht gefolgen, dieweil ihr zů roß und wir drei zů fůß sindt.‹ Walter sagt: ›Lieben gesellen, wölt ir eüch brüderlich mit uns halten, so ist der sachen wol zů thůn. Nement ewer kleider und peck, legen die auff unsere pferdt! So wöllen wir unser stifel abthůn und mit euch zů fůß durch den wald gon.‹ Diß gedings unnd packs wurden sie eins. Und als sie das mal genomen, den wirt bezalt, gesegneten sie in, zugen den wald an.

Walter und sein knecht besorgten sich gar nichts, waren gůts můts. Als aber die drey schelck meyneten, sie werend ir gelegenheyt nach weit genůg in dem wald, griffen sie eilens die gůten jüngling ungewarnter sachen zů ruck an, namen in bald ihr gewehr unnd gewand, bunden sie mit stricken an einen starcken tannbaum. Der eltest aber under disen schelcken rieht, man solt die beyden jungen umbringen, damit sie kein geschrey mächten, unnd so sie von jemans gehört, wirden sie ledig gemachet, und möcht man sie dann ereylen, so müsten sie ein schweren standt beston, möchten auch mit dem leben nit darvonkommen. Disen raht aber wolten die zwen jüngsten nit volgen; dann sie etwas bedaurens mit den beiden jünglingen hatten, sagten: ›Hey, wir wend uns an diser beut genügen lassen und in dafür das leben schencken; dann sie gewißlich von disen banden erlößt werden, so andere kauffleüt die strassen reyßen.‹ Ach, was grosser angst unnd not umbgab den gůten Walter! Dann er sorget stetigklich, sie wurden deß eltesten raht volgen. Zůletst sagt der alt: ›Wolan, wölt ihr sie lebendig lassen, so lond uns nit lang allhie verharren, sonder eylens auß dem wald keren!‹ Also fůrend sie darvon mit den beiden pferden.

Walter, der gůt jung man, fing kleglichen an zů weinen und gott sein jamer, leiden und ellend zů klagen: ›O liebster vatter und můter, solt euch die angst und not kund sein, in deren ich jetzund stand, ich sorg, es wird euch ewer hertz zerspringen. Ach gott, hett ich dem raht meines vatters gefolget, der mich so hertzlichen ermanen thet, ich solt rhüwig bey ihm beleiben, so wer mir diß groß ellend nit zůhanden gangen. O du mein lieber und getrewer diener, sollen dir für deine dienst nit bessere belohnung werden, so müß mich ymmer [318] rewen, das du mich je erkandt hast. Dann ich förcht unser nit mehr vor den mördren, die uns beraubt hand, sind darvon. Obschon gleich andre kommen unnd nichts von uns gewertig sein mügen, so land sie uns gefangen unnd gebunden stohn; die wilden thier aber, als wölff und bären, werden uns mit ihren grimmigen klawen zertheilen.‹

Diser klag geliehen fůrt Walther gar vil. Sein gesell und diener aber tröst in, so bast er mocht; dann er war gůter hoffnung, sie wurden von den leuten erlößt werden.

21. Wie Lewfrid gon Lysabona will reitten, kompt auch in die vorgenant herberg

21.
Wie Lewfrid gon Lysabona will reitten, kompt auch in die vorgenant herberg, erfart von dem wirt, wie etlich kauffleüt zů roß und fůß erst newlich durch den wald seyen. Er eylet bald hinnach, kompt zů den dreyen mördern.

Die drey bößwicht, als sie von den jungen kummen sind, hand sie beiseitz einen hecken geschlagen, damit man ihn nit nachspüret, unnd sind wider zůruckgezogen. Nun begab sich gleich der zeit, als Leuwfrid von seinen herren gohn Lysabona geschickt ward, etlich gelt doselbs zů holen, also er auch durch disen wald reiten můßt. Er kam zů ehegedachtem wirt; der sagt im, es werend kurtz vor dem, daß er dohin kommen wer, fünff kauffmenner durch den wald mit zweyen rossen gezogen. Lewfrid was des wol zůfriden, gab seinem gaul die sporen, hoffet zů disen kauffleuten zů kommen, als dann auch geschahe.

Er was nit gar ein stund geritten, so bekommen im die drey bößwicht mit den zweyen pferden geladen. Alsbald sie Lewfriden ersahen also eintzig daherreiten, sagt der elter under inen: ›Seind munder, lieben brüder, und setzend dapffer zůsamen! Ich hoff, wir wöllend all drey beritten werden.‹

[319] In dem kam Lewfrid hart auff sie. Er versan sich keines argen, grůßt sie freundtlich und fragt, ob nit ihren fünff vor im durch den wald zugen mit zweyen ledigen pferden. Der elter bößwicht sagt ja, sie weren nit weit vor im, gieng damit zů seinem pferdt, erwuschet das bei dem zaum, zucket damit von leder und sagt: ›Stand ab schnell und bald, oder du můst uns dein leben lassen!‹ Lewfrid, ein unverzagter reyter, saumet sich nit lang, zucket sein gůtes schwerdt und hew dem eltern mörder die hand an dem zaum ab, eylet demnach streng uff die andren zwen, schlůg gar krefftigklichen zů. Der alt von wegen des schmertzens und schreckens, so er hat, kond sich gar nit mer wehren, so wolten die zwen die flucht geben haben. Lewfrid aber eylet in streng nach, hew den einen hinden durch sein achseln, das er im das schulterbret gar zerspielt. Der dritt wolt im in ein dicke dornhurst entrunnen sein; Lewfrid eylet im hart nach. Er bestecket in dem dicken dorn; do stieß Lewfrid sein schwerdt durch in, so weit es hinein mocht. Der ander lag und blůtet gar fast, das im gar onmechtig ward. Lewfrid stund ab, hiew im den grind ab.

Der alt bößwicht begert der stangen und bat Lewfriden umb fristung seines lebens. Lewfrid sagt: ›Du schandtlicher mörder und verrähter, du můst mir anzeigen, wo ir die pferd hand überkommen und was ir darauff fürend.‹ Alsbald sagt im der schalck alle ding, was sich mit den zweyen zůtragen hett. Also band ihm Lewfrid den stumpen zů mit einem hembd, so er von den andren gerissen hatt, saß demnach wider auff sein pferdt, trib die zwey roß vor im her.

Bald kamen sie an das ort, do Walter und sein knecht an der tannen gebunden stunden. Die erschracken gar seer, als sie den alten mörder ansichtig wurden; dann sie meynten, er kem allein darumb, das er in das leben nemen wolt. Alsbald aber Lewfrid dise zwen erblicket, erbarmbten sie in hart. Er stund ab, löset in ire band auff, die hatten in gar tieffe schrunden geschnitten. Wer ward frölicher dann die gůten jüngling! Lewfrid nam ir gewand und schwerdter, gab ihn die wider, fragt sie aller ursach, wie sie dohin komen weren. Als aber sie in berichten, wie der alt mörder so streng nach ihrem leben getrungen und so gar kein erbarmung mit in gehabt, [320] ward Lewfrid gar in grimmen zorn gegen im bewegt und sagt: ›Dieweil du mit und durch deine verrähterey dise jungen mit liebkosen dohin bracht, so das sie dir deiner untrew und falschen worten glauben geben hand, und du aber minder erbermbd mit in gehabt dann deine andren zwen mithelffer, so sol dir auch dein verdienter lon darumb werden.‹ Lewfrid nam einen strick, damit die jungen gebunden waren gewesen, und hing den alten bößwicht an einen ast. Demnach sassen sie auff zů roß, wurden der sachen eins, sie wolten wider zůruckreiten, in gemeltem wirtzhauß den tag vollend beliben, ir speiß und dranck da nemmen. Des was Walter sampt seinem knecht wol zůfriden.

Als sie nun auff dem weg also riten, sich mitnander ersprachten, fragt Lewfrid under andrem, was ihr wesen und begangenschafft wer, oder wohin sie reiten wolten. Walter sagt mit leydiger stimm: ›Mein lieber herr, ich hett euch gar lang davon zů sagen; dann ich reit keiner kauffmanschafft noch andren gewerben nach. Damit ir aber von mir aller sachen gnůgsamen bericht empfahet, will ich euch, so mir in die herberg kommen, nach der lenge die gantz handlung meines vatterlands, aufferziehens und sonderlich die ursach meiner jetzigen reyß zů wissen thůn.‹ Diß gefiel Lewfriden seer wol. Sie vertriben die überig zeit fürbaß mit andrem gesprech, ritten so lang, das sie dem wald ein end kamen, die lustig herberg vor in sahen, des sie gar grosse freud empfahen wurden.

Sie kamen zů der herberg, stunden ab, wurden von dem wirt schon empfangen. Der erkennet sie zůstund, in wundert fast ires widerkehrens, fragt sie der ursach. Des berichten sie ihn gentzlich, darab der wirt nit minder freud dann verwunderung empfahen thet. Als es nun umb den nachtimbiß was, wurden die tisch bereit. Inn dem kamen noch sechs kauffmenner, die waren auß dem künigreich Grallitien und hatten auch willens über den wald und unwegsam gebirg zů reiten. Die wurden auch aller sachen von dem wirt verstendigt, des sie sich gar größlichen verwunderten, sonderlich ab der mannlicheit Lewfrids. Sie erfrewten sich auch größlich, als sie vernamen, das Lewfrid den andren tag mit in über das gebürg reiten wolt.

22. Wie das nachtmal genomen ward, Waltherus von Lewfriden gefragt ward

[321] 22.
Wie das nachtmal genomen ward, Waltherus von Lewfriden gefragt ward, und wie sie einander erst erkennen wurden, was grosser freuden do furgieng.

Der imbiß ward mit freuden angefangen. Lewfrid aber begirig, von Walthern zů hören die ursach seiner reyß; derhalben fing er an mit im zů reden: ›Gůter man,‹ sagt er, ›ich bit, wöllend uns anzeigen, wie ir mir heüt versprochen haben, was euch beidsammen har in disen wald bracht hat oder was euwers gewerbs seye.‹

Walter fing an und sprach: ›Ir habend mir und meinem gesellen zů gebieten; was ihr von uns begeren, so müglich, solt ir gewert werden; dann ir uns heütigs tags auß grosser angst und not geholffen haben. Nemend war! Ich erzal euch, wer und von wannen ich geboren bin, wer meine eltern, wo mein vatterland ist und was mich zů solcher reyß verursachet habe. Meine eltern wonen in der küniglichen statt Salamanca. Mein vatter, Hermanus genant, ein reicher man, treibt grossen kauffmanschafft durch den wechsel gon Venedig, in Proband und Hispanien, auch in vil andre künigreich und nationen. Es begab sich inn meiner jugendt, das mit mir in meines vatters hauß aufferzogen ward ein junger schöner knab, welchen mein vatter von der můter nam, als sie ihn noch mit ir milch erneret. Er ward von meinen eltern in gleicher liebe, narung und kleyderen aufferzogen als ich, ir einiger son.‹

Lewfrid verstund, das diser sein liebster brůder and gesell was; noch wolt er sich im nit eh zů erkennen geben, er het dann zůvor warhafte urkundt, wo doch Erich, sein vatter, und Felicitas, sein můter, weren und wie es in ergieng. Darumb fragt er und sagt: ›Lieber junger man, ich bitt, wöllest mir verzihen, das ich dir inn din red vall. Sag mir doch, weß kind was der jung, so mit und bei dir ufferzogen ward, damit ich die materi uß dem grund mög vernemen!‹

[322] ›Das will ich euch warlich sagen,‹ sprach Walter. ›Nit weit von der stat Salamanca ligt ein dorff, inn demselbigen wonet zů der zeit ein armer man mit nammen Erich. Der hat gar ein holdtselige liebe frawen, Felicitas genant, die gebar im vil knaben und töchtern inn grosser armůt. Die aber wurden von den reichen burgeren inn der stat Salamanca erzogen; niemants aber was, so dem gůten frummen Erichen und seinem weib fürsetzen oder zů statten kummen wolten. Der gůt man můst sich deß hirtenampts in dem dorff behelffen. – Daß stůnd ein zeitlang, biß in gott seines leyds ergetzen wolt. Eines tags hůt er seines viechs, so im under sein hůt befolhen waß, er versahe sich keins üblen. Sehe zů, so kumpt ein grosser ungeheürer lew under sein viech gon, deß der gůt man seer erschrocken war. Der lew aber ihm noch dem viech keinen schaden zůfüget, sondern sich gantz früntlich gegen ihm liebet; so begerten ihn die hund auch gar nit zů vertreiben. Diß weret so lang, das geschrey kam in die statt. Bald wurden vil reicher burger und kaufleüt zů raht, diß wunder zů sehen; under disen was auch mein vatter. Als sie nu diß wunder erfůren, pflegten sie täglichen hinaußzůreiten, dem lewen sein speiß mitfůrten. Davon er in kurtzer zeit gantz heimlich ward; dann in die gůthat daß lernet, so man im täglich beweisen thet. – In disen ziten begab sich, das mein vatter aber zů gemeltem hirten auff das feld kam, fand bey im sein weib und den lewen. Do ward mein vatter gewar, das Felicitas eins kindes schwanger gieng, bat derhalben den hirten, wann gott der allmechtig im die frucht bescheret und an die welt kommen ließ, wolt er ihn das kind auß der tauff heben lassen. Diß sagt ihm der hirt zů. Als nun das kind geboren, was mein liebe můter auch darbey. Der lew stetigs noch bey dem hirten wonet, also fridsam under vieh und leüten umbgieng. Derhalben so wurden sie zů raht, das kindlin Lewfrid zů heissen. Diß kind namen meine eltern zů ihnen und erzogen das, wie ich dann vormals gehört bin. Es erwůchs mit mir auff in gleichem alter. Mein vatter thet uns zůr schůlen; do lernet diser Lewfrid so wol, das er alle andren knaben seines alters an der leer übertreffen ward. Sie wurffen in auff für ihren könig. In der schůlen waren auch vil edler knaben, [323] die machten under ihn auch ein könig; dann sie vergünten uns, das wir so gůt regiment hielten. Auff ein zeit erhůb sich ein kindischer krieg zwischen beiden künigen. Lewfrid ermanet seine knaben gar tröstlich zum streit, deßgleichen auch der ander könig, ernanten einander sonder vorwissen ires schulmeisters zům streit ein schönen platz, kamen daselbst zůsamen, griffen zů der wehr. Lewfrid aber nam im und seinen gesellen einen vortheil in, also das er obligen thet. In dem abzug fingen sie einen jungen edlen knaben, denselbigen ließ Lewfrid mit růten streichen. Das verschmahet den jungen edlen gar seer, zeygt das seinem vatter an; der verklagt Lewfriden gar hart vor seinem schůlmeister. Also ward Lewfriden grosser streich getrauwen; deren wolt er nit warten sein, nam sich nit lang zů bedencken, begert an meinen vatter, er solt ihm erlauben zů seinem vatter auff den meyerhoff, auff welchen ihn mein vatter gesetzet hatt, als er von dem hirtenampt kommen was. Mein vatter erlaubt dem jüngling Lewfrid, zů seinem vatter zů gohn. Er aber hat ein anders vor im; dann er schrib ein brieff heimlichen in seiner kammer, verließ den hinder ihm in seinem schůlsack. In demselbigen verstendiget er meinen vatter, wie er auß dem land so ferr ziehen wolt, das niemans erfaren solt, wohin er kommen wer. – Als ich aber die ding vernam, umbgab mich groß hertzenleyd; nam mir für von derselbigen zeit an, sobald ich zů meinen mannbaren jaren kam, wolt ich nit erwinden meinen liebsten brůder und gesellen zů erfaren; hab also vor kurtzen tagen an meinen vatter mit grosser bit geworben, mir dise reyß zů erlauben, das er mit bekümmertem hertzen gethon hatt. Also reit ich der meynung auß, bin auch noch des vorhaben, so mir gott gnad verlihen wil, meinen brůder und gesellen zů erfragen, ob er doch todt oder lebendig sey.‹

Lewfrid jetzund kundtschafft gnůg hat; noch hett er gern zůvor gewißt, wie es der stunden umb sein vatter und můter ein gestalt het. Er fragt weiter: ›Lieber mein gůter gesell, ist dirs kein beschwerd, sag mir deinen nammen!‹ – ›Ich heiß Walter‹, sagt der jüngling, ›dann also nennet mich jederman‹. – ›Mein lieber Walter‹, sagt Lewfrid, ›wie ist es aber sidher dem armen hirten und seinem weib gegangen? Sind [324] sie auch noch bey leben?‹ – ›Sicher ja‹, sagt Walter, ›sie faren wol mit ihr armůt hinauß. Dann mein vatter hatt mit im abgetheilt auff dem hoff, hat in das halbe viech durch die banck fur eigen geben, darzů alle frucht, so auff den kästen und in der scheüren gewesen ist, demnach den hoff sampt aller zůgehörd für ein ewig erblehen zů sicheren handen gestelt.‹

Als nun Lewfrid diß alles vernam, mocht er die zäher in seinen augen nit mehr verhalten; und als er im ein wenig wider ein mannlich gemüt schöpffet, bot er dem jüngling Walthern sein hand und sagt mit lauter stimm: ›Frew dich, mein liebster brůder und gesell! Lewfriden, welchen du suchest, der bin ich selb. Darumb laß fürbaß dein trauren faren und biß frölich mit mir! Wiß, nachdem ich von deinem vatter gezogen, bin ich kommen in ein stat Merida genant zů einem graffen, bei welchem es mir gar wol ergeht. Darumb ist mein bitt an dich, wöllest die reiß mit mir gen Lisabona reiten, demnach wider an meines gnädigen herren hoff. Dir soll wol gepflegen werden; ich hoff auch erlaubnuß bei meinem gnädigen herren zů erlangen, daß er mir erlaubet mit dir heimzůreiten unnd mein vatter und můter heimzůsuchen, deßgleich mein liebsten herren und ernerer, dein vatter unnd můter.‹

Walter, als er die wort von Lewfriden verstůnd, umbgab in so grosse freud, das er nit wust, ob er lebendig oder tod was; er fieng vor grossen freüden an zů weynen. Die andern kaufleüt namen groß verwundern ab diser unversehenen sachen. Also wurden sie von newen dingen frölich schlemmen und freud mit einander haben, vertriben den mehrern theil der nacht mit freuden. Deß morgens namen sie iren weg über das rauch gebirg und finsteren wald mit grossen freuden.

23. Wie Lewfrid sampt seiner geselschafft gon Lißbona kummen

23.
Wie Lewfrid sampt seiner geselschafft gon Lißbona kummen, und wie Walter und Lewfrid Lotzman den lewen an deß königs hoff funden; derselb gantz fründtlich mit in schertzet, als wann er sie noch kennet.

[325] Deß abent spat kamen sie gon Lißbona, zugen ein zů einem gůten wirt, der empfieng sie gar schön. Deß anderen tags richtet Lewfrid sein befelch auß; demnach ging er mit Waltern und seinem knecht spatzieren, besahen die stat nach irem gefallen. Do funden sie vil kostlich kauffmanschafft von allerhand waar, so man in aller welt sich gebrauchet. Demnach kamend sie an deß königs hoff, do fand Walter einen lantzman, welcher auß seiner statt bürtig und vor langen jaren mit Waltern unnd Lewfriden zů schůlen gangen was. Sobald er den Waltheren ersah, kennet er ihn gleich; Lewfriden aber mocht er nit mehr erkennen, dann er in vil lenger nit gesehen hat. Aber Walther kondt in gar wol berichten, das er den Lewfriden erkandt; dann er auch in seinem künigreich was gewesen.

Als sie nun gůte kundtschafft mitnander gemacht hatten, fůrt sie ehgedachter jüngling an alle ort des küniglichen palasts. Do ersahend sie mancherley thier, so auß India und Arabia kommen waren, davon Lewfrid und seine gesellen groß freud namen. Als sie nun deren ding gesehen hatten, fůrt er sie inn ein schönen thiergarten, in dem gingen hirschen und reher und sunst allerley thier. Under andrem aber sahend sie einen grossen lewen ungebunden mit und bei den andren thierlin gon, deß sich Lewfrid nit gnůg verwundern kund. Er fraget, wie doch der lew so zam und wohar er kummen wer. Also ward er aller ding bericht. Walther, der dann mer von dem lewen gehört hatt dann Lewfrid, sprach also: ›Fürwar, Lewfrid, als mich wil beduncken, wird eben diß der lew sein, welchen dein vatter erzogen hatt.‹ – ›Sicher,‹ sagt ihr lantzman, ›solt ir mir gelauben, daß in der künig auß dem castel, so znechst bey unser statt Salamanca gelegen ist, bracht hat allein von wegen seiner heimligkeyt.‹ Lewfrid sagt: ›Warlich, so ist diser lew ein ursach, das ich mit meinem nammen Lewfrid genant und getaufft worden bin. Gott wolt, mein lieber vatter wissen möcht, das ich im, disem Lotzman so nahend bin!‹ Mit disen worten nehet sich Lewfrid zů im, sprach [326] in an und sagt: ›Lotzman, du mein lieber brůder, wann es müglich wer, das du mich so wol erkantest, als du meinen vatter erkant hast, du wirdest mir deinen tatzen geben.‹ Diß geredt bodt er dem lewen sein rechte hand dar; der gieng gar fridlich zů im und gab im ein tatzen. Des verwunderten sich die andren, so bey im waren. Dann sie deß nit gewont an disem lewen waren, das er vil mit frembden leuten geselschafft machet; allein mit denen, so stetig umb in waren, pflag er gesellschafft, zů haben.

Als nun Lewfrid und seine gesellen alle ding nach wünsch und willen ersehen hand, sind sie wider in ir herberg gangen, mit den kauffleuten, so mit in kummen waren, ein gůten můt gehabt. Deß andren tags ging Lewfrid zů besehen, wo er etwas finden möcht, das er seiner liebsten junckfrauwen Angliana kramet; dann er ihr zů keiner zeit vergessen mocht. Er fand sein gattung nach allem wunsch; er kramet auch allen andren junckfrauwen, so inn dem frauwenzimmer waren. Unnd als er jetzund wider mit brieffen abgefertiget, seim herren all seine geschefft außgericht, hatt er sich nit lenger zů Lyßabona verhinderen wöllen, ist sampt Walther und seinem diener den nechsten heimwerts geritten, unangefochten biß in seines herren, des graven, land kommen.

Angliana täglichen ihr vertrewte junckfrauw fragen thet, wann sie etwas von Lewfriden vernem, bat sie dabey, sobald se erfür, wie es umb Leuwfriden stünd, solt sie ihr das nit verbergen. Das versprach ihr junckfrauw Florina zů thůn.

24. Wie Lewfrid mit seinem gesellen an einem sontag under dem ampt heimkam

24.
Wie Lewfrid mit seinem gesellen an einem sontag under dem ampt heimkam, der graff sampt seiner tochter in der kirchen waren; Lewfrid abstůnd, sampt seinen gesellen auch in die kirchen kam; der prack sein eh dann niemans anders warnam.

[327] An einem sontag zů morgens, eh dann man auß der predig kam, reit Lewfrid auff das schloß sampt seinen gesellen. Sie stalten die pferd in ein stall, gingen mitnander zů der kirchen. Bald Lewfrid inn die kirchen kommen, ist sein der prack gewar worden, hatt gar feindtlich in dem gestiel, darin Angliana und ihr junckfrauwen waren, anfangen an der thüren kratzen und scharren, also das sie in hand müssen auß dem gestül lassen. Der prack mit schnellem lauff zů Lewfriden kam, an im auffsprang und sich seiner zůkunfft größlichen freuwet. Angliana hatt aber mit sondrem fleiß wargenommen auff den pracken; darumb was sie die erst, so under allen iren junckfrawen Lewfriden ersehen hatt; davon ward sie hertzlichen erfrewt.

Nun hat der graff die gewonheyt an seinem hoff, das allen sonnentag sein tochter sampt irem frawenzimmer bey im an seinem tisch essen můst. Darauff sich Angliana seer frewen ward; sie rüffet Florina der junckfrawen zů ir und sagt heimlich ir in ein or, das es die andren junckfrawen nit hören mochten: ›O Florina,‹ sagb sie, ›du magst mir yetzund kein bottenbrot angewinnen; dann Lewfriden hab ich schon mit meinen augen ersehen.‹ Damit weißt sie die junckfraw, wo der jüngling stůnd. Florina mit freuden zů Angliana sagt: ›Gnedige junckfraw, ich frew mich von ewerentwegen der zůkunfft des jünglings, damit ir auch wider fröliche geberd erzeigen. Dann ir, der zeit er außgewesen ist, gar trawrigs angesichts erschinen sind, gleichsam hette euch ein schwere kranckheit überfallen.‹

Als nun alle sach in der kirchen verrichtet worden sind, hat man zů hoff geblasen, wie dann alle feyrtag gewonheyt was; sonst pflag man nur mit einer tischglocken zů leüten. Der graff mit seinem hoffgesind ging auß der kirchen, bald ersicht er Lewfriden. Der thůt im gebürliche reverentz, antwort im die schrifften, so er mit im auß des künigs hauptstat bracht hat. Darumb in der graff seines fleiß und ernstes halben fast lobet; er sagt zů im: ›Lewfrid, du solt disen imbiß ob meiner taflen das mal nemen, damit ich newe zeitung, wie dirs gangen und waß du uff der reiß habest erfaren, von dir möge vernemmen.‹ – Walther ward jetzund [328] auch von dem graffen ersehen. Bald ward Lewfrid von im gefraget, wer diser schöner jüngling were. ›Gnediger herr,‹ sagt Lewfrid, ›diser ist mein lieber brůder und ist allein außgeritten mit einem knecht, mich zů suchen; dann meine ältern gar nichts von mir haben erfaren mögen von der zeit an, als ich erstmals von in gescheyden bin.‹ – ›So gedenck,‹ sagt der graff, ›das du deinen brůder mitbringst! Dann ich vast gern kuntschafft mit im haben wolt.‹

Als sie nun zů hof kommen, hat man wasser auff die hend genommen, ein yeder, nachdem er verordnet gewesen, sich gesetzt. Angliana, demnach jederman gesessen ist, gar köstlich geziert mit irem frawenzimmer in den sal getretten kam. Alle die, so ir ansichtig wurden, sie nit einem menschen, sunder einem engel verglichen wurden. Sie aber will ich ein wentzig abmalen, damit der leser ir gestalt vor im gespieglet sihet.

Sie was einer zimlicher lenge mit einer wolgeschickten proportz, ihr haupt auffrichtig, ihr har gelb und etwas gekreüßlet, ir stirnlin rund und breit mit liechtbrawnen, wenig gebogen augprewlin gezieret, ir eüglin nach falckenart klar und geschwind, das näßlin ein wenig gebogen in zimlicher scherpfe, die wenglin mit schönen grüblin und mit rosenfarb geziert, das mündlin einem rubin gleich an der farb allzeit sich ein wenig lachend erzeiget, dem helfenbein gleich weiß waren ire zänlin, schmal und klein nach rechter ordnung gesetzt, das kinn doppelt ob einander, an den obern kinn ein wolgeschicktes grüblin, ir helßlin rund unnd langlecht, weiß als der schnee, ir brust waß starck und breit, ihr arm unnd hendlin gantz wol formieret, die weych schwanger unnd rhan. In summa, ihr gantzer leib hett von Appelle nit zierlicher gemalt werden mögen. Sie waß auch mit hertzen und gemüt gantz gleichformig irer schöne, züchtig, berdsittig, freundtlich mit jederman, getrew und gerecht.

Nit minder schöne hat an im Lewfrid der jüngling, darbey eines lewen můt, aber gegen yederman früntlich; die gerechtigkeyt fürdert er alzeit, so hasset er auch die schalckheyt; hatt grossen lust zů pferden, zů aller zeit was er geneigt frawen und junckfrawen zů dienen. Zům fordersten aber [329] forcht er got und halff den armen nach seinem besten vermögen; dann er vergaß nie seines herkommens. – Diß land wir bleiben unnd sagen fürbaß, wie es ob dem ymbiß gangen sey.

25. Wie Lewfrid und Walter mit dem graffen ob seinem tisch essen

25.
Wie Lewfrid und Walter mit dem graffen ob seinem tisch essen, und Lewfrid in beysein Angliane dem graffen sagt, was im mit den mördern begegnet, darauff Angliana mit gantzem fleiß acht nimpt.

Der graff sampt seiner tochter und ihren junckfrawen zů tisch gesessen sind; Lewfrid und Walther mit in zů tisch sassen. Der graff, sobald sie der ersten trachten gessen hand, hat er Lewfriden gefragt und also mit im zů reden angefangen: ›Mein lieber diener Leuwfrid, du hast mir heut, als ich dich nach disem jüngling fraget, wer er were, sagtest du mir, er wer dein lieber brůder, so ich anderst recht von dir verstanden hab. Ist im also, so bitt ich dich, sag mir, was in diser zeit har treibet und wo du in funden hast!‹ Der graff fraget darumb, das er sorget, Walter wird Lewfriden hinwegfüren.

Lewfrid fing an mit züchtigen worten dem graffen zů antworten: ›Gnediger herr,‹ sagt er, ›diser jüngling mein lieber brůder ist, wie ich gesagt hab. Auff abentheür ist er außgeritten, abenthewr ist im gnůgsam begegnet. Dann es im und seinem knecht gar nah an ir leben gangen ist; davon, gnediger herr, wol zů sagen wer, so ich ewer gnad damit bedeüben dörfft.‹ Der herr sagt zů Lewfriden: ›Ich bitt dich, mein Lewfrid, laß dichs nit beschweren und sag mirs nach aller lenge, wie sich die sach mit inen zůgetragen hat!‹

›Gnediger herr,‹ sagt Lewfrid, ›diser mein brůder, als er mit grossem verlangen mich im land umbher gesuchet, hat in zůletst der weg getragen an ein groß waldechtig gebürg. [330] Darvor ligt ein schöne herberg, in welcher zům offternmalen vil kauffleüt von frembden landen sich versamlen, damit sie mit grosser gesellschafft durch gemelten wald reiten, dieweil es gar unsicher über gemelt gebürg zů reiten und zů wandlen ist von wegen der rauberey und mördery, so darinnen fürgaht. Inn gedachter herberg fand mein brůder drey arger schelck. Dieselben sich für kauffleüt dargaben, gleißneten, als wann sie sein unnd seines dieners gar fro weren, damit sie mit ihn über das gebürg sicher kemen. Also sich mein brůder begab in ihr gesellschafft zů sein unnd zů fůß mit ihn zů gohn. Also saß er und sein diener ab von iren pferden, legten ihr gewand, stiffel und sporen uff die pferd, deßgleichen der mörder plünder, die sie auff iren rucken tragen můßten. Bald sie aber in den wald sind kommen an ihre gelegene statt, haben die drey bößwicht meinen brůder und seinen knecht irer wehren beraubet und als ir gewand außzogen, mit stricken an einen baum gebunden, lang zů raht gangen, ob sie in das leben lassen wöllen oder nit, zůletst von in gezogen, wider zůruckgekeret. – Von ungeschicht bin ich in dieselbig herberg komen, von dem wirt bericht empfangen, wie kürtzlich fünff kauffmenner durch den wald zů reysen für sich genomen haben. Als ich das gehört, begirig der gesellschafft bin ich eilens hinnach geritten, damit ich zů ihnen kommen möcht, wenig gesorgt des, so mir begegnet. Als ich aber ein gar kleine zeit geritten was, so kommend gegen mir drey starcker bößwicht mit zweyen geladnen pferden. Ich sprach sie freundtlich an, meynt, sie weren lißbonische kauffleüt, fragt, ob sie niemandt auff der strassen gesehen hettend. Sie aber gaben wenig bescheid; der eltest aber fiel meinem pferdt eilens inn den zaum, mit strengen worten mich ermanet abzůstehn und im mein pferdt zů geben, oder er wolt mir das leben nemmen. Als ich seinen ernst ersehen, saumet ich mich nit lang, zucket mein gůtes schwerdt, heuw ime, dem schalck, des ersten streichs sein hand an dem arm ab, das sie an dem zaum hangen belib. Die andren zween, so vor hart auff mich trangen, gaben die flucht; ich aber eylet in nach, zerspielt dem einen sein achseln biß auff die brust. Der dritt wolt mir entlauffen und sich in einer dicken hurt verschloffen haben; [331] dem sprenget ich nach, erstach in mit meinem schwerdt. Also fand ich den andren, dem ich die wunden geschlagen, inn dem graß ligen fast verblůt; ich stund ab von meinem pferdt, schlůg ihm sein haupt ab. Der erst mit der einen hand begeret der stangen; ich verband im sein wunden, zwang ihn, das er mir sagen můßt, von wannen sie die pferd und plünder, so sie fůrten, bracht hetten. Also bericht er mich aller handlung, so sie mördischer weiß begangen mit disem meinen brůder und seinem knecht. Zů inen můßt er mich fůren, da sie gebunden an der tannen stůnden. Ich lößt in auff ire harten band, gab in wider ir kleidung, pferd und gewer. Bald aber ich von ihn verstund, das der alt bößwicht, so noch bey leben was, so streng nach ihrem leben gestelt, hat ich kein mitlyden mer mit im, nam der strick einen, damit mein brůder gebunden gewesen, und hieng den alten schalck an einen baum. – Demnach gedachten wir, das uns der tag zů kurtz durch den wald unnd über das gebirg zů reyten würt, wurden zů rhat, wider hinder sich zů reiten in die vilgemelt herberg. Noch erkant unser keiner den andern, biß wir kummen seind in die herberg. Also fanden wir etlich kaufleüt, die morgens mit uns über den wald reiten wolten. Aldo erforschet ich erst von meinem brůder, wer er was und was seine geschefft waren. – Deß andren tags kamen wir gen Lißbona. Nachdem ich nun eüwer gnaden brieff an die bestimbten ort geantwort, gieng ich mit meiner geselschafft spatziren. Wir funden ein lantzman an dem königklichen hoff; der weißt uns all ding, so im müglich waren. Under anderem aber zeyget er uns einen schönen unnd freysamen lewen, der was gantz zam. Wir entsatzten uns ab dem starken thier, dann uns sein zamheit verborgen was. Der lew aber von stund an zů uns gieng und mich vor den anderen mit seiner geberd tugentlichen empfahen thet und mir seinen rechten tapen bieten ward, davon die anderen umbstender nit klein verwunderung empfiengen. Als ich aber meinen lantzman fragt, wie lang gemelter lew an dem königlichen hoff gewesen, da erfand sich ann aller seiner anzeygung, daß mein vatter disen lewen lang zeit bei im gehabt, biß er im von dem könig waß genommen worden. Und entlich bin ich nach disem lewen von meines liebsten [332] brůders vatter Lewfrid genant und mit meinem namen getaufft worden. Diß ist, gnediger herr, der gantz inhalt, darnach mich ewer gnad gefragt hat.‹

›Warlich,‹ sagt der graff, ›Leufrid, du zeigst mir seltzam ding an. Ist im also, magst wol von obentheür sagen; und gewißlich wirdt dir diser lew vil gůts bedeüten; du hast auch dein lewisch gemüt gnůgsam bewisen an den dreien mörderen. Eins aber kan ich nit verston, dieweil du sagst, deins lieben brůders vatter habe dich Lewfrid mit seinem nammen gnent, als ob er nit eüwer vatter wer. Deß möcht ich wol von dir bericht werden.‹

Also fieng Lewfrid an: ›Gnediger herr,‹ sagt er, ›ich můß bekennen, und nit unbillich, wir sind von geburdt nit rechte brüder. Dann Walter ist eines mechtigen kauffmans son; derselbig nam mich meinem vatter, demnach ich meiner můter milich entwönet waß. Dann mein rechter vatter was dazůmalen ein armer hirt in einem dorff, welchen jetzund mein liebster herr unnd ernerer mit grossem gůt begabet, also das seine sachen wol stand.‹ – Diß und anders sagt Lewfrid seinem herren dem graffen nach der leng, das sich der graff nit gnůgsam kundt verwundern, gedacht in seinem hertzen: ›Gewiß wirt diser jung ein fürnemer mann werden und wol hinankummen. Angliana aber gantz stilschwigent mit fleiß auff alle red, so Lewfrid gethon, eben gemercket hat und insunderheit, als er von den dreien mörderen und dem lewen meldung gethon.‹

Also ward diß malzeit mit grossen freüden volbracht. Demnach gieng jederman in sein gemach, oder wo sein gelegenheit was. Leufried nam urlaub von dem graffen, sagt im, er het etlich schöne zierliche arbeit mit ihm von Lißbona bracht, die wolt er in daß frawenzimer verehren. Das ward im gütlich von dem graffen erlaubt. Also füget sich Lewfrid in sein gemach sampt seinem gesellen, nam zů im die kleinat, so er mitbracht, theilet die auß, nachdem in bedunckt under den junckfrawen angelegt sein.

26. Wie Lewfrid seiner liebsten junckfrawen ein krom von Lißbona bringet

[333] 26.
Wie Lewfrid seiner liebsten junckfrawen ein krom von Lißbona bringet und dem gantzen frawenzimmer jeder ein par hendtschůch, Florina aber sonderlich mit einem silbern mahelschloß begaben thůt.

Lewfrid hat wenig rhů, biß er seine kräm ausgeben hat. Er nam die in ein schöne laden, gab die seines gesellen diener, fügten sich all drey für das frawenzimmer, liessen sich ansagen. Also wurden sie bald hineingelassen. Sie wurden von Angliana gar schon empfangen. Lewfrid sagt: ›Gnedige junckfraw, damit ewer gnad erkennen mag, das ich auch an die gedacht, darzů an ewer gnaden junckfrawen, hab ich meinem vermögen nach nit underlassen wollen, einer yeden insonderheyt etwas zů kramen, damit, so ewer gnad und deren frawenzimmer über kurtz oder lang verritten wirden, meiner auch nit vergessen.‹

Mit dem geredt schloß er uff sein laden. Zům ersten gab er Angliana der junckfrawen iren krom, das was ein schöne und gar köstliche gewirckte hauben, von gold und perlin geziert auff das schönest. Der junckfrawen Florina, welche der Angliana gantz geheim und vertrewt was, die hat er für die andren junckfrawen all bedacht, deren gab er ein köstliche schlappen und par hendtschůch samt einem silbrinen mahelschlößlin; den andren junckfrawen aber einander nach gab er nur hendtschůch. Soliches machet sie zům theil in argwon fallen, und meynten nicht anderst, dann Lewfrid wer in liebe gegen Florina entzündet; dann sie gar nit gedachten, das er Angliana und sie im holdtschafft tragen thet. Angliana zůforderst dancket Lewfriden gar frindtlich umb seine reiche schanckung, desgleich theten auch die andren junckfrawen. Keine aber under in allen wußt oder kund gedencken, was Lewfrid mit dem mahelschloß meynet; doch liessen sie es all hingon sonder Angliana und Florina, die gedachten ihm gar steiff nach.

[334] Als nun Lewfrid seine gaben außgetheilt hat, wolt er gescheiden sein. Angliana aber batt ihn zů beliben; dann sie wußt wol, das im ir vatter in das zimmer hat erlaubet. Darumb sagt sie: ›Lewfrid, mein lieber jüngling, ich bit euch, wöllend nit so eylens von uns scheiden, sonder mit uns ein wenig sprach halten. Sagend uns doch, wie gefallen euch die schönen junckfrawen zů Lisabona? Ir habt sie sicher wol mügen beschawen, dann ir gůte zeit darzů gehabt hand.‹

Lewfrid gantz schamrot vor der junckfrawen stund; dann er ir auff solche wort nit wußt zů antworten. Jedoch sagt er: ›Gnedige junckfraw, ewer gnad fragt mich, wie mir die züchtigen schönen frewlin und junckfrewlin gefallen haben zů Lißbona.‹ So sag ich auß rechtem ernsten hertzen, wo ich mein zeit hingeritten und gewandret bin, hab ich allwegen schöne züchtige junckfrawen und frawen funden; jedoch haben sie mir an einem ort mehr dann an dem andren gefallen, bin auch einer mehr dann allen andren günstig. Got wolt, ich ir mit meinem dienst gefellig sein möcht! Das wer mein gröste freud, so mich angon möcht in diser zergengklichen welt!

Nun stund Florina und Angliana sampt Lewfriden allein bei einander zů obrist in dem sal. Florina ir mahelschloß noch in den henden umbspiegelt, stetigs gedencken thet, was doch sollich schloß gemeynen solt. Angliana als ein gescheide junckfraw zů Florina saget: ›Wie gefalt dir, Florina, das malschloß? Was beduncket dich, das unser Lewfrid damit gemeynet hab, als er dich vor andren meinen junckfrawen damit begabt hat?‹ Antwort Florina: ›Das befrembd mich nit wenig, gnedige junckfraw; fürwar es macht mich gantz weitschweifender gedancken.‹ Lewfrid mit lachendem mund antwort und sprach: ›Mit erlaubniß zů reden, gnedige junckfraw, wil ich disen zweifel brechen, damit Florina ir gemüt nit weiter beschweren darff. Diß mahelschloß, edle junckfraw, hab ich euch in aller gůten meynung verehret, dieweil ich von meiner gnedigen junckfrawen spür und mercken kan, das sie euch in allen dingen vor andren iren junckfrawen vertrewet. Darumb hab ich euch diß mahelschloß gekrompt, damit ir solche vertrawte reden gar wol in ewer hertz verschliessen sollen.‹

Diser red ward die junckfraw Angliana züchtigklichen [335] lachen und sagt: ›Fürwar, Florina, du můst den schlüssel zů dem schloß in gůter hůt haben, damit dir nit etwan ein falscher klaffer darüber kumb und das verborgen auß deinem behalter neme.‹ Florina wol verstůnd, wie der jüngling die sach gemeynet, fasset die wort zů hertzen, nam ir auch endtlich für, alles das in still und geheim zů halten, so ir von Angliana vertrewt wird.

27. Hie reit der graff mit seinem hoffgesind gon Lißbona auff die hochzeit

27.
Hie reit der graff mit seinem hoffgesind gon Lißbona auff die hochzeit. Was wunders sich mit Lotzman dem lewen begeben hat.

Der graff, nachdem er von Lewfriden kommen was, gedacht er gar offt an den lewen und anders, so sich mit im verlauffen hatt. Er nam im entlichen für, den lewen selb zů sehen in gegenwertigkeyt Lewfridens. In kurtzem hernach als er im das fürsatzt, begab sich, das der graff auff ein hochzeit geladen ward, die seer groß was und in der stat Lyßabona gehalten. Er nam sich aber gegen Lewfriden gar nichts an, das er ein sonder begird het den lewen zů sehen, damit Lewfrid nit gedencken möcht, er glaubet im seiner erzalten histori nit.

Als aber die zeit kam, das yederman auff der hochzeit solt erscheinen, ließ der graff alles sein volck in gleiche farb kleiden, reit mit grossem pomp und bracht gon Lißbona auff die hochzeit; aber under allem seinem hoffgesind was im Lewfrid zů aller zeit der nechst. Sie kamen in den wald, von dem oben gesagt ist; do funden sie den alten mörder mit der einen hand noch an dem baum hangen. Dabey der graff wol erkant, das im Lewfrid die warheyt angezeigt hat.

Als sie gen Lißbona kamen, die hochzeit gar köstlich gehalten ward, fügt es sich eines tags, das der graff mit seinem hoffgesind in den garten des künigs spatzieret, darin [336] allerley thierlin gingen. Dem graffen aber was noch ingedenck, was im Lewfrid von Lotzman dem lewen gesagt hatt; darumb er fleißig an dem hoff nach dem lewen fraget. Alsbald ward im von des künigs dieneren angezeiget. Bald seind sie an das ort gangen; inn einem sonderen hoff funden sie gemelten leuwen. Der aber hatt von stund an Leuwfriden ergriffen mit seinem rechten datzen unnd gantz freundtlich zů im begert zů ziehen. Lewfrid mit dem leuwen anfieng zů schertzen; der lew sich so gantz freundtlich gegen im erzeyget, das sich alle umbstender darab verwundretten. Des künigs hoffmeister auch zůgegen was; der fraget den graffen, wer diser jüngling wer, dem der lew so gantz fründtlich nahet. Der graff sagt im alle ding, wie sichs mit Lewfriden seiner geburt halben zůgetragen het und wie diser lew lange zeit bei seinem vatter gewonet het. Dise red kam auch für den künig; der begert Lewfriden sonderlichen zů sehen. Also ward er für den künig gefürt; der fraget gar ernstlichen aller sachen nach, wie sich die mit Lewfriden von seiner jugendt an zůgetragen het. Deß alles ward er von Lewfriden gruntlich berichtet. Der künig sich darab gar größlich verwundert, begert derhalben, das Lotzman der lew für in gebracht wird.

Alsbald gieng Lewfrid mit dem thiergartenmeister inn den thiergarten. Lewfrid locket dem lewen; der lieff zůhandt mit im wie ein zammer hund, kamen also für den künig, do schimpffet der lew gar tugendtlichen mit Lewfriden. Das sahe der künig sampt allen denen, so zůgegen waren, mit grosser verwunderung. Es gefiel ihm auch Lewfrid mit weiß und geberd fast wol; derhalben redt er mit dem graffen, ob er ime nit zů einem diener werden möcht. Der graff sagt zů dem könig: ›Allergnedigster herr, ewer küngliche mayestat sol wissen, das diß mein allerliebster diener ist, so ich under allem meinem hoffgesind haben mag. Durch in allein handel ich alle meine geschefft, on in weyß ich nichts außzůrichten; alles das, so im von mir befolhen wirt, endet er gantz fleißig. Darumb langt mein underthenigst bitten an ewer mayestat, mich wölle dieselbig dises meines liebsten dieners nit berauben.‹ Der künig den graffen fast lieb hat, ließ derhalben die sach also berhůen, begert Lewfridens nit weiter.

[337] Also bliben sie bei zehen tagen zů Lißbona und hatten vil grosser freud, kurtzweil und wollust. Lewfrid aber des lewen nit mer kundt ledig werden. Er gieng wohin er wolt, volget im der lew zů aller zeit auff dem fůß nach; und so man in zů nachtes in gemelten garten sperren wolt, fürt er das allerjemerlichest geschrey, das davon weder der künig noch jemans anders rhůen mocht. Die ursach ward dem künig gesagt; also befalh er, man solt den lewen nit mehr inschliessen, sonder ledig gon lassen mit Lewfriden, wa er wolt. Also lag Lotzman fürbaß alle nacht bey Lewfriden und seinem herren in der kammer.

Als aber jetz der hof ein end nam, jederman wider zů hauß keren wolt. Der graff dem thiergartenmeister befalh, den lewen zů verwaren, das er in nit nachlieff. Diß geschah; aber Lotzman fůrt ein grausam geschrei, wolt weder trincken noch essen, so das der thiermeister sorget, er wirt umbkommen; sagt es derhalben dem künig an, fragt, wes er sich mit Lotzman dem lewen haben solt. Als der künig das gemüt des lewens verstund, befalh er, man solt in ledig lassen, und ob er gleich mit Lewfriden darvonlieff, solt man es nicht weren. Alsbald ward der lew ledig gelassen. Der saumet sich nicht lang, suchet seinen Lewfriden, bey dem belib er gantz beharrlichen; und so in der thiermeister nachmals angreiffen wolt, understund er sich zů wehren.

Also nam der graff urlaub von dem künig und saß auff zů roß mit seinem gesind. Lotzman thet gantz fröliche sprüng vor ihn allen. Diß alles der künig sehen thet, sagt derhalben zů dem graffen, er solt Lotzman den lewen mit ihm lauffen lassen; dann er sorget, wo er wider solt ihngesperret werden, er möcht von jamer hungers sterben oder von grossem zorn gar wütend werden. Also lieff Lotzman mit ihn darvon. Lewfrid fast größlichen erfrewet ward.

28. Wie Lewfrid, nachdem er von Lißbona kommen

28.
Wie Lewfrid, nachdem er von Lißbona kommen, von seiner allerliebsten junckfrauwen beschickt würt; was grosser freud sie von der zůkunfft des lewens gewann.

[338] In kurtzen tagen kamen sie mit grossen freüden zů land. Angliana, welche ir kuntschafft seer gůt hatt von ihrer vertrawten junckfrawen, bald vernam, das ihr liebster jüngling zů land kummen was unnd ein lewen mit im bracht, von welchem sie vormals hat hören sagen. Sie machet bald ir botschafft zů im, damit sie sich nach irem wolgefallen mit im ersprachen möcht, ließ im auch sagen, er solt seinen liebsten geferten mit im bringen. Lewfrid vernam die botschafft gar bald, verstůnd dobey wol, was geferten die junckfraw gemeynt het. Er nam Lotzman den lewen, fügt sich mit im in den schonen garten, darin in die junckfraw bescheiden hat. Die empfing in mit grossen freüden; bey ir was niemans dann allein Florina die junckfraw, deren sie dann jetzund nichs mer verbergen was.

Als nun Angliana den schonen unnd grossen lewen ersehen, dabey sein groß liebe, so er zů dem jüngling trůg, bedencken ward, fieng sie an zů Florina, der junckfrawen, zů reden: ›Hiebei, mein allervertrewtiste freündin und schwester, můß ich klerlich abnemen, das diser jüngling mit sunder genad von gott begabt ist, dieweil von dem an, das in sein můtter erstlich empfangen unnd noch under irem hertzen getragen; diser lew sich zů seinem vatter geselt, gantz getrewlick auff sein vieh gleich einem hund gewartet hat. Das dann gwißlich zů verwundern ist, ich geschwig der freündtlicheit, so er im in seiner kindheit erzeiget hat. Das aber mich zům grösten thůt verwundern, ist das, dieweil diser lew den jüngling in so vil jaren nit gesehen und nicht dest weniger erkant hat; ist ein gnůgsamme anzeygung, das Lewfrid und diser lew ein gleich gemüt haben, das sich dan mit im an den dreyen mördern wol beschinen hat. Derhalben, o liebe Florina, solt du nymmermehr anderst von mir vernemmen, dann das diser jüngling einer königin wol werdt wer; unnd so er mir zů [339] einem mann vertreuwt wird, wolt ich für all irdische freud haben.‹ – Damit wendet sie sich zů dem jüngling und sagt: ›Lewfrid, mein liebster freünd, dir ist nunmer die groß lieb und gunst, so ich zů dir trag, unverborgen, bin auch gůter hoffnung, dein erste lieb sey noch nit gegen mir erloschen. Wo im dann also ist, so beger ich, das du mir das offenbarest, mir auch darbei anzeigen, welcher gestalt dein lieb und hertz gegen mir gesinnet sey.‹

Lewfrid mit grossen freuden der junckfrawen antwort unnd sprach: ›Wolgeborne junckfrauw, in welcher gstalt mein liebe gesinnet und geartet sey gegen ewer gnad, ist mir nit müglich weder durch wort noch geschrifft auszůsprechen, es wer dann sach das ihr in mein hertz hineinsehen möchten. Ich aber můß bekennen, das ich von geringsten eltern geboren bin. Darumb mir nit gebüren will euch mein gemüt gantz und gar zů entdecken, dieweil nit müglich ist zů geschehen, des ich begeren bin.‹

›Des biß gantz sicher unnd getrost,‹ sagt Angliana, ›wo du meines leibs zů ehren begerst, so biß vergwißt, er soll dir werden. Wo aber dein gemüt anderst gegen mir gesinnet wer, wirdest du gantz auß meinem hertzen geschlossen werden, kein gunst noch gnad nimmermehr bey mir erlangen.‹ Darauff antwort Leuwfrid: ›Allergnedigste junckfrauw, das sey ferr von mir, das ich gedencken solt oder einichen menschen auff erden wissen, so unordenliche liebe zů euch trüg. Fürwar er müßt mir sein leben darumb lassen; dann mein hertz unnd gemüt nie anderst zů euch gestanden ist dann inn allen züchten unnd ehren. Sollichs sond ihr mir gantz und gar getrewen. Mir mag auch kein grössere freud nit zůhanden gon, dann so ich euch gedienen kan.‹

›So nim hin,‹ sagt Angliana, ›des mein trew zů pfand, das ich dich fürbaß für meinen rechten einigen und stäten ehgemahel haben wil; mich soll auch weder meines vatters gůt noch nichts anders daran verhinderen. Des nim hin von mir diß kleinot zů einem waren und unzerbrochnen zeichen warer lieb, trew und freundtschafft!‹

Von disen worten ward Lewfrid so hoch erfrewet, das er auff der junckfrawen red gar nit antworten kond, stund also [340] in seinem angesicht gantz entferbet, die junckfraw ansehend; biß er sich zůletz erholen thet, sagt er: ›O gnedige junckfraw, diser grosser widergeltung meiner lieb het ich mich nimmermer versehen; dann ich sein je nit wert bin. Dieweil mich aber das glück so gnediglich ansehen, deßgleich mir ewer gnad so wol wil, so versprich ich euch, von disem tag an allen meinen fleiß dohin zů wenden, damit ich von allermenigklich in ritterspielen geprisen unnd gelobt werd, hoff auch, ein semlichs soll mir zů gůtem end gerathen.‹ – ›Daran,‹ sagt Angliana, ›würstu mir, liebster Lewfrid, ein sonder groß wolgefallen beweisen.‹

Als nun die zwey so mancherley freundtlicher gesprech mitnander hatten und junckfraw Florina alle ding sah und hort, erschrack sie on massen gar seer, wunscht auch heimlich in irem hertzen, das sie Lewfriden noch die junckfraw nie erkant hette, dieweil sie gedacht, wie sie von dem graffen verdocht werden möcht, als wann sie zů solcher sachen hilff und steür gethon het. Darumb dann die gůt Florina seer betrübt und bekümmert was; hergegen aber was Lewfrid unnd Angliana inn grossen freuden; biß jetz die zeit kam, das sie scheiden můßten, namen sie zů beider seit urlaub von einander, unnd gieng jedes in sein gemach.

29. Wie Florina groß sorg trug, die liebe irer junckfrawen wird an tag kommen

29.
Wie Florina groß sorg trůg, die liebe irer junckfrawen wird an tag kommen, sie gar mit züchtigen worten straffet.

Als nu Florina mit Angliana in ir gemach kummen was, fieng sie an je lenger je mer nach der sachen zů gedencken. Diser verenderung Angliana bald warnam; darumb fing sie an mit Florina zů reden und sagt: ›Sag mir, du mein liebe und vertrewte junckfraw under allen meinen junckfrawen, was ursachet doch dich auff disen tag zů solichen trawren, dieweil [341] du mich doch nie in grösseren freüden dann auff den heütigen tag gesehen hast? Weyst du nicht, das man spricht: Mit den betrübten soll man trawren, mit den frölichen aber sol man frölich sein? Warumb hast du dann nit auch freüd mit mir, dieweil du vernummen hast, das der, welchen ich vor aller welt lieb hab, mich auch liebet? Dann du bist je selb zůgegen gewesen, als ich ihm und er mir stete und unzerbrochne lieb versprochen. Ich hab dich auch allein darumb zů mir genummen, damit solicher meiner liebe möchtest erfaren unnd dich mit mir erfrewen. Du aber warlich machest mich mit deiner bekümmerten gestalt etwas unmütig, so das ich gedenck, du trawrest umb Lewfriden, welchen ich mir für meinen allerliebsten amey erwölt hab.‹ Mit disen worten beschlos Angliana.

Als nun Florina einen schweren seüfftzen von hertzen hat gan lassen, fieng sie ir antwort an und sagt: ›O junckfrauw Angliana, ein semlich mißvertrewen, so ir zů mir haben, hatt mir mein hertz nie berürt. So habt ir des auch gar kein ursach zů mir; dann ich mich alweg aller trew und verschwigenheit gegen euch gebraucht, hab aber nit gedacht, das die sach dahin kummen solt, das ir euch mit Lewfriden on vorwissen eüwers herren und vatters vermehlen solt. Das dann allein ein ursach ist meines trawrens, dieweil ich bedencke die vilfaltig botschafft, so ich euch gegen dem jüngling anßgericht hab, und aber die groß lieb eüwer beyder mir gar verborgen gewesen ist, wiewol ich zům teil ein gůten willen, so ir zů dem jüngling getragen, wol gespürt; hab aber nicht anders gemeynt, dann diß als geschehe von wegen seiner vleißigen dienst, so er vor allen andern diener euch teglich beweisen hat. Sunst hette ich mich nimermer einniche botschafft begeben anßzůrichten. Gedencket, allerliebste junckfraw, was grossen übels wirt mir darauß entston, solt eüwer herr vatter der ding von mir innen werden! Fürwar ich on alle gnad von dem hof wichen müßt. Ach mir armen, wie wolt ich dann die schand gegen meinen eltern verantworten! Ich bedürfft ihn sicher nicht mer zů gesicht kummen. Darumb hab ich, liebe junckfraw, nit wenig ursach zů trawren. Gott wolt, Lewfrid wer von mir nie erkant worden. Das ihr[342] aber mich in dem verdencken haben, als wann mich der verlust des jünglings zů unmůt bewegen solt, das sey ferr von mir. Dann ich im kein sunder holtschafft nie getragen hab, bin im auch nie feind gewesen; dieweil er aber mer dann kein ander jüngling in eüwer frawenzimmer gewonet, uns auch zum offtermal mit seinem gesang und schimpflichen gesprech die zeit gekürtzet, hab ich ihn fast gern gehört. Bin derhalben dest williger gewesen, so ir mirs befolhen, den jüngling zů berüffen, insonderheyt so er von frembden landen wider zů hoff kommen ist. Hab auch nit gedacht, ir anderst dann ich gegen dem jüngling gesinnet weren, weyß auch kein junckfraw in unserm gantzen zimmer, deren ich anderst dann mir selb des jünglings halben vertreuwt hab. Darumb, liebste junckfraw, wöllet selb betrachten, ob ich füglich ursach hab zů trawren oder nit!‹

Angliana von disen worten etwas schrecken empfieng, dieweil sie sorget, Florina würde sich iren entschlagen und ir in irer liebe nit mehr beholffen sein, dieweil ir unmüglich was irem allerliebsten jüngling etwas zů empieten on mittel der junckfrawen dienst; so dorfft sie auch keiner andren mer an dem hoff vertrawen. Derhalben sie dann gar früntlich mit Florina anfieng zů reden und sagt: ›Gehab dich wol und biß aller sorgen quit, du mein allergetreweste Florina! Dir soll kein übel noch arges nimmer darauß entston, dieweil noch kein mensch auff erdtrich dann allein du, ich und Lewfrid von semlicher liebe wissen tragen. So bin ich sonder zweifei, Lewfrid wirt solche liebe und treuwes versprechen, so ich im gethon, keinem menschen offenbaren. Des bin ich an dir vergwisset; unnd ob sich schon die sachen ymmer dohin tragen wurden, das mein vatter deren ding inen werden solt, wil ichs dannocht dohin spilen, so das du in kein weg darinn můst verdocht werden. Allein bit ich, wöllest dein treuw an mir nit brechen unnd mir zů aller zeit ein getrewe rahtgebin sein. Und biß gůter ongezweifleter hoffnung, das ich mit meiner gescheidigkeyt mein vatter dahin vermögen will, das er mir Lewfriden mit gůtem gunst unnd willen zů einem lieben gemahel geben soll.‹

›Das geb und schick gott,‹ sagt Florina, ›dann fürwar so [343] ein semlichs geschehen solt, möcht mir nit grösser freud zů handen gon. Damit aber, liebste junckfraw, ihr dest mer gesichert seyend vor den falschen klaffern unvermeldet bleiben, so müßt ir zůforderst niemans mehr vertrewen, er sey gleich auff erden, wer der wöll, damit wir nit vermeldet noch verdacht werden. Ir müßt auch Lewfriden mit allem fleiß darzů halten und weisen, so das er sich ewer liebe und gunst nit zů vil überheb, sonder sich wie allwegen gegen allem hoffgesind freundtlich halten und beweisen, damit er sich gar nit argwönisch mache. Jedoch sol er sein zůgang und bey, so er allweg in das frawenzimmer gehabt, nit minderen, sonder in altem brauch behalten; sonst würde er sich bald gegen den listigen klafferen verdechtig machen. Niemant anders solt ihr vertreuwen, botschafft an in zů werben, dann allein mir. Sodann solt ir gewiß sein, das ichs all mein tag nymmer offenbaren will.‹

Also machten die zwo junckfrawen einen satten anschlag, wobey es hinfürbaß bestohn solt.

30. Wie Walter eines tags mit Lewfriden in junckfraw Angliana gemach gangen

30.
Wie Walter eines tags mit Lewfriden in junckfraw Angliana gemach gangen und ein schochbret auff dem tisch ligen fand, und wie er mit der junckfrauwen im schoch zoh in beysein des graffen.

In grossen freuden lebten die zwey liebhabenden gar lange zeit. So gewann auch der graff Lewfriden dermassen so lieb, als wann er sein leiblicher son gewesen wer; dann im der lew noch stetigs beywonet unnd zů aller zeit, war er gieng, nachfolget. Davon ihm der graff manche seltzame rechnung machet unnd stetigs gedacht an die wunderbarlich geburt des jünglings Leuwfriden, allweg zů ihm selb saget: ›Diß würt fürwar ein gewisse bedeütung sein, das diser jüngling eines grossen nammens werden würt.‹ Nun hat Leuwfrid den bescheydt von Angliana der junckfrauwen schon empfangen, so das er sich befleissen solt zů zeiten in das frawenzimmer [344] zů kommen, damit man sie beid dest weniger in argwon verdencken solt, wie ir dann die junckfraw Florina gerahten hatt.

Eines tags begab es sich, das Leuwfrid mit seinem gesellen Waltern in der junckfrawen gemach und zimmer kommen was. Angliana kurtz darvor mit ihren junckfrawen im schochzabel gezogen hat, das brett sampt den steinen auff dem tisch hatt stohn lassen. Walther, welcher des spils ein besonder meister was, von stund an das bret erblicket und sagt zů Lewfriden: ›O brůder, jetzund erquicket sich mein hertz und gemüt, so ich nur diß reich schochspyl! ansehen thůn. Ach das mir doch von dem gelück verluhen werden möcht, das ich einmal genůg diß spiel ziehen unnd mein kurtzweil darinn haben solt!‹ Angliana die wort von Walthern gehöret hatt. Dieweil sie nun meynet, das ir in gemeltem spil nit bald jemans obligen möcht, sagt sie mit freuden: ›Walter, mein lieber freund, seidt ihr des spils bericht, so ziehend mir eins oder zwey für die lange weil, warumb euch liebt.‹ – ›Gnedige junckfraw‹ sagt Walter, ›ich bin ein schůler des spils. Darumb mir nit gar wol gebüren will umb ein gewinnes zů ziehen; dann ich sorg, euwer gnad werd mir zů scharpff sein.‹ – ›Das laßt bleiben,‹ sagt Angliana, ›laßt uns ein zeitlang kurtzweilen!‹

Also sassen sie zůsamen an ein taffel. Angliana brauchet, was sie kondt. Walther aber, ein gantz listiger jüngling, nam fleißig war, was züg und fortheyl die junckfraw sich gebrauchet. Das erst, ander und dritt spiel ließ er sie gewinnen. ›Gnedige junckfraw,‹ sagt Walther, ›ich befind bey mir selb, wo mir nit gwinn oder verlust an disem spil stoht, so wird ichs nimmer recht gelernen. Darumb soll es hinfürbaß etwas gelten.‹ – ›Deß bin ich seer wol zůfriden,‹ sagt Angliana, ›es gelt recht wol, was ihr wöllend.‹

Walther hatt an seinem finger gar ein schönes ringlin; das nam er darab und sagt: ›Gnedige junckfrauw, diß fingerlin [345] stand zů gewinn. So ewer gnad das gewinnet, solt irs on alles widersprechen haben. Gewinn aber ich das spil, solt ihr diß ringlin selb wirdigen und mir, so vil das werdt ist, für mein gewinn zůstellen.‹ Diß gedings was Angliana seer wol zů můt; dann sie ihr das ringlin nit zůvor genomen hett. Sobald sie aber in das spil kamen, gebrauchte sich Walther aller seiner geschwindigkeyt und kunst, so er vormal je geleret hatt; dann eh die junckfraw Angliana ihr spyl inn ordnung bringen möcht, war sie schoch und mat, so das sie keinen stein mer anrüren kundt. Des sie dann gantz schamrot saß.

In disen dingen kompt der graff in seiner tochter gemach, findet die beiden jüngling darin und Walthern, des kauffmans son, Lewfridens geschwornen brůder, mit Angliana, seiner tochter, im schoch ziehend. Die jüngling beyde erschracken auß der massen gar seer. Das der graff bald waargenummen hatt, sagt derhalben mit lachendem mund zů den beiden jünglingen: ›Ihr gesellen, die sach gefalt mir gar übel an euch. Ich sihe wol, das ir meiner tochter Angliana zů scharpff sind mit dem schochspyl. Dann sie euch beiden nit geschickt genůg sein kan; zwen wissend allzeit mehr dann einer allein. Dem aber sey, wie ihm wöll, ich sihe, mein tochter hatt sich in disem spyl gar verzogen; dann ihr spyl staht auff alle weg schoch und matt. Liebe tochter,‹ sagt der graff, ›wölst dich diß spils verzigen haben und ein newes anfahen. Alsdann will ich dir mit meinem raht zů steur kommen und in gwinn und verlust mit dir ston.‹

Bald hatt Angliana ir spil auffgehaben und von newem angefangen mit Waltern zů ziehen, der sich dann erst geflissen hatt, damit er dem graffen und seiner tochter angesigen möcht. Also haben sie nit lang gezogen, Walter mit seiner geschwinden fürtrechtigkeyt hatt den graffen sampt seiner tochter schoch gebotten. Der graff sich ab den geschwinden zugen nit gnůg verwunderen kundt, das ander spil angefangen, mit zwifachem gelt den gewinn gebessert. Walter aber gantz unerschrocken gewesen, sein kunst und ernst ye mehr gebraucht, dem graffen alle spil zůmal abgewunnen. Als nun der graff gesehen hatt, das er nichts hatt an Walthern erlangen mögen, sind sie auffgestanden, urlaub von Angliana [346] genommen, mit freuden zů dem nachtmal gangen. Leuwfrid unnd Walther aber bey dem graffen zů tisch gesessen seind, in grossen freuden das nachtmal vollbringen thetten.

Das aber andere des graffen gesind nit wenig verschmohen thet, dorfft sich aber keiner under ihn allen mercken lassen. Dann sie alsamen wol abnemen mochten, das in der graff sonderlichen liebet; dann sie gemeinlich auff der lisabonischen reyß auff der hochzeit wol gesehen und gehört hatten, als der künig an den graffen begert hatt, ime Lewfriden an seinem hoff zů lassen, des ihme aber der graff abgeschlagen. Darumb sie wol sehen und gedencken kundten, das dem graffen groß an im gelegen was; schwiegen derhalb zůr sachen, so lang daß Lewfrid von dem glück gantz schäl angesehen ward, als ihr dann nachmals vernemmen werden.

31. Wie Angliana in beywesen einer nerrin, so sie in irem zimmer hatt

31.
Wie Angliana in beywesen einer nerrin, so sie in irem zimmer hatt, Lewfriden einen schönen ring gab mit einem seer köstlichen stein, und wie ihr beider liebe offenbar ward.

Die junckfrauw Angliana hatt inn ihrem zimmer ein gar kurtzweilige fatzmännin unnd geborne nerrin, mit deren sie ir offtmals vil freud und kurtzweil nam; sie verbarg auch gar nichts vor ihren, dann sie kein args noch übels gegen ihr gedacht. Als aber das unsteht gelück nit lenger gedulden noch leiden mocht, das dise zwey liebhabenden ir liebe in so stiller weiß verborgen trügen, hat es sich gantz von ihnen gewandt, sie mit allem unfal umbgeben. Dann es begab sich auff ein zeit, das Angliana irem liebsten jüngling ein seer schönen und köstlichen ring von ihrer hand schanckt in beywesen irer nerrin, nit gedacht noch sorget, das ir heimligkeyt [347] unnd liebe an tag kommen und offenbar werden solt. Die nerrin aber aller ding gar eben warnam.

Darnach in kurtzen tagen begab sichs, das ein edle junckfraw auß Angliana zimmer verheyratt ward, ein fröliche und köstliche hochzeit gehalten. Auff derselbigen Angliana unnd Lewfrid auch waren sampt dem gantzen frawenzimmer, die brachten auch die nerrin mit in dohin. Als man nun zů tisch saß, Lewfrid sampt andren deß graven diener zů tisch dienet, seiner liebsten junckfrawen gar fleißig auff den dienst wartet. Die nerrin auch von einem tisch zům andren ging. Als sie nun Lewfriden ersehen hat seiner liebsten junckfrawen ein guldin becher fürsetzen, fahet sie an zů lachen und sagt: ›Wann ist es die zeit, das ir zwei ein solichs frölichs wesen machen? Nun hast du doch den ring schon empfangen.‹ Diser wort namen die junckfrawen gemeingklich war; Angliana und Lewfrid gantz schamrot wurden; yedoch ward nicht weiters gered. Florina aber dise wort mit grossen sorgen in ihr hertz trucken ward, manigmal gedacht, wie doch semlicher argwon den andren junckfrawen außgeredt werden möcht; allen fleiß und ernst brauchet, damit sie die anderen junckfrawen vermeynt abzůreden. Aber alles umbsonst was; dann sie der nerrin wort gantz wol verstanden hatten.

Nachdem aber die hochzeit ein end nam, Florina sich zů Leuwfriden heimlichen füget: ›O Leuwfrid,‹ sagt sie, ›wie hand ir ewer liebe so gar offenbar gemacht! Dann alle junckfrawen, so inn dem zimmer sind, haben ein groß reden darauß. Ach, was hat doch mein liebste junckfraw gedocht, daß sie sich nit vor der bösen närrin besorgt hatt! Nůn wirt sie von ihrem sagen nicht abston, man bring sie dann mit sunderen listen darab.‹ – ›Liebste junckfraw,‹ sagt Lewfrid, ›ich bitt euch von wegen der trewen fründtschafft, so ir zů meiner liebsten Angliana tragen, gebt mir ein getrewen fründsrhat, damit ich die schnöde närrin abreden mög!‹

Florina antwurt: ›Lewfrid,‹ sagt sie, ›ir sollend euch sunderheyt zů der närrin fügen, einen brieff zůsampt dem ring deren überantworten unnd dabey sagen, das sie junckfrauwen Anglianen den ring und brieff bringen solt; dann ir habt ir bey dem goldschmit etwaß ann dem ring lassen machen, habend [348] ihr auch inn dem brieff zůgeschriben, wievil der macherlon an gelt thůn werd. Durch solchen geschwinden list mag man die boßhafft närrin von irem argwon bringen; wer auch gůt, das der junckfrauwen der ring inn unser aller beywesen, so daß gantz frawenzimmer bey einander were, geantwurt wird. Alßdann wolt ich unser gespylen mit listigen worten wol abreden, so daß ihr kheyne mer der närrin wort gelauben wirdt.‹

Diser rhat und anschlag gefiel dem jüngling auß der maßen seer wol, versprach auch der junckfrauwen Florina, dem alsbald nachzůkommen. Er gedacht aber nicht, das ihn das glück in irem anschlag so gantz widersins erscheinen wirdt, wie ihr dann wol vernemmen werdt.

32. Wie Lewfrid den brieff schreib unnd der närrin sampt dem ring bringen thut

32.
Wie Lewfrid den brieff schreib unnd der närrin sampt dem ring bringen thůt, denselbigen Angliana zů bringen, sie aber diß alles letz verstůnd und in dem graffen zůvor überantwort.

Lewfrid saumet sich nit lang; er ging in sein gemach, satzte sich nider an sein schreibtischlin, finge an seiner liebsten junckfrawen uff semliche form zů schreiben:

›Mein außerwölte und allerliebste junckfraw, was grossen unmůt, sorg und schrecken mir die unbedacht red bracht hat, welche die boßhafftig nerrin gethon vor dem gantzen frawenzimmer, ist mir nit müglich zů schreiben noch außzůsprechen. Dann mir zwifacher schmertzen darauß erwachset, dieweil ich in sorgen stand, wo semliche red an dem hoff erschalle unnd außkomme, unser liebe möcht durch die falschen klaffer zertrent und gehindert werden. Dann sobald mein gnediger herr diser red innen würd, müßte ich in grossen sorgen und gefar meines leibs und lebens stohn, wiewol mich diß alles nit so hoch beschweret, als wann ich gedencken solt, das ihr so hart[349] von ewerem vatter gehalten wurden. Semlichs aber bey rechter zeit zů fürkommen, hab ich mich mit euwer getreuwesten Florina berahten, also das ich euch bey der widerwertigen nerrin den ring, so ich von euch empfangen, wider zůschicken soll und die mit listen davon abreden, als wann ich euch den ring het lassen anderst arbeiten, den macherlon an euch fordre. Darumb mögt ihr dem unnützen menschen wol etlichs gälts geben, das sie mir dasselbig widerbringe. Den ring behalten bey euch, biß das uns der tag eines das glück in stiller weiß zůsammenbringet! Hiemit wünsch ich euch unnd mir ein solliche stund, in deren mir on alle forcht und schrecken umb einander wonen mügen.‹

Lewfrid, sobald er semlichen brieff geschriben und mit seinem bittschafft verschlossen, ist er eilens gangen und gemelte nerrin gesuchet, die dann ihr gewonheyt nach von einem end zům anderen in der statt umbschwirmet. Als er sie nach seinem willen in eines kauffmans laden bei seinen (des kauffmans) dienern poßieren fand, hat er sie mit lachendem mund angesprochen, als wann er sie zů hoff berüffen solt. Dem dann die nerrin gantz gehorsam gefolgt biß für den hoff, do sich der jüngling meynt von niemant gesehen noch gemerckt werden.

Der graff aber, welcher an dem höchsten ort im schloß uff einem thurn stund, auff welchem er die gantz statt übersehen mocht, ersicht Lewfriden bey der nerrin unnd ihr den brieff sampt dem ring geben. Wenig gedacht, das der brieff seiner tochter zůstünd; er aber zweifelt auff etwan ein andre hoffjunckfraw, fieng also heimlich mit im selb an zů reden: ›Gewißlich understot Lewfrid etwan ein junckfraw auß meiner tochter zimmer zů erwerben, die durch die einfaltig nerrin zů bekommen. Sicher ich můß das erfaren; dann solt er eine vom adel oder villeicht eins grössern nammens mit listen hindergon, das möcht mir und meiner tochter zů grosser nachred gerahten. Wolan, ich wils zůhand erfaren.‹

Also fügt sich der graff eilens, damit er der nerrin den weg zům frawenzimmer fürkam. Lewfrid vermeynt all seine sachen nach dem geschicksten angefangen haben; do gieng es im nach dem unglücklichsten auß. Dann sobald er von der nerrin gangen, ist sie gleich dem graven zů gesicht kommen. [350] Der graff hatt sie angesprochen und befragt, was ihrs gescheffts wer. Dem hat sie eilens antwort geben, sie bring einen ring von dem goltschmit, der gehör seiner tochter sampt einem brief. ›So gib mir die ding,‹ sagt der graff, ›dann ich bin auff dem weg zů meiner tochter zů gahn.‹ Zůhandt gab sie ihm den brieff. Alsbald erkant er den ring, sahe wol, das er nicht anders gearbeit waß dann vorhin. Er schloß den brieff bald uff, lase den vom anfang biß am end.

Als er aber ein wenig gelesen hat, ist er in seinem gemüt erzürnt unnd gantz grimm über Lewfriden worden, also in sein gemach gangen und mit im berahtschlagt, wie doch die sach anzůgreiffen wer, damit er nicht sein tochter beschreyen oder in andre geferlickeit bringen möcht. Dann er fleißigs nachdencken hat, wie es dem fürsten von Salerno gangen, der Gwißgardum den jungling von wegen seiner tochter ermörden ließ, dem sie gantz williglichen mit gifft nachfolget. Darneben bedacht er auch die mannlichen thaten und das ritterlich gemüt, so er zů mermalen an Leyfriden erfaren. Noch dannocht ward er mer durch den zorn dann durch vernunfft überwunden, nam im gentzlichen für, Leyfriden heimlichen umbzůbringen. Aber sein anschlag fehlet im an disem ort gentzlichen, wie ihr dann vernemmen werdt.

33. Wie der graff einem verwegenen schalck anrichtet

33.
Wie der graff einem verwegenen schalck anrichtet, der solt Lewfriden heimlich uff dem gejegd umbracht haben und demnach fürgeben, es het in ein schwein erhawen.

Wenig rhů hat der graff weder tag noch nacht; dann er ihm stetigs nachdencken thet, durch was weg er Leyfriden möcht umbringen. Zůletst rhiet im ein böser engel disen gedancken. Er hat an seinem hoff ein überschwencklichen bösen bůben; derselbig was ein jeger, dem kein můtwillen noch schand zů vil war. Eines tags berůfft in der graff heimlich in sein gemach, legt ihm sein bösen anschlag für [351] unnd sagt: ›Mein lieber diener, du solt wissen, das ich dir vor allenn andern meinen dienern wol getrew, hab auch alle mein hoffnung zů dir gestelt, bin auch sonder allen zweifel, du werdest mir in meinem fürnemmen ein getrewer helffer sein. Du solt wissen, das mich einer meiner diener gar größlich ann meiner hochheit hat understanden zů schmehen. Denselbigen wolt ich gern hart darumb straffen; so ist mirs etlicher ursach halben nicht müglich; dann ich müßt mich eines schweren fals darob besorgen. Damit aber das mit mererem glimpff vonn mir möcht angericht werden, wolt ich denselbigen mit dir auff ein jagen schicken. So du ihn dann von den anderen jegeren und geselschafft bracht hast, solt du ihn on alles verziehen umbringen, demnach fürgeben, es hab ihn ein hawend schweyn umbracht. Wo du mir in einem sollichen val dienest, solt du reichlich von mir begabt werden. Ich will aber, das du keinem menschen davon sagest, wie geheym dir der sey. So weyß ich dich mannes gnůg sein, ein semlichen umbzůbringen, so das du keyns hilffen darumb von nöten bist. Darumb, mein lieber diener, magst du mir wol dein willen und meinung zů verstan geben.‹

Der schalckhafftig jeger fing an und sagt: ›Gnediger herr, so ich mich in ewerem dienst in noch größer sorg und fahr begeben müßt, solt mir in keinen weg beschwerlich sein. An einem man ist mir klein gelegen; dann ich mich, so lang ich ein jeger gewesen bin, ab keinem bären, schwein noch hirschen nie entsessen hab; dann so freüdiger die ye gewesen seind, so mit mer begirden ich sie understanden hab zů erlegen. Darumb so mag mir ewer gnad ein oder mehr derselbigen ewer gnaden widerwertige anzeigen und die mit nammen nennen, ich sol die sach nach allem lust zů end bringen, so das sein nymmer kein mensch innen werden soll.‹ – ›So gelob mir das‹, sagt der graff, ›damit ich dir gantz unnd gar vertrauwen mög!‹ Zůhand gelobt ihm der schalck.

Demnach fing der graff an und sagt: ›Du solt wissen, das Lewfrid, welchen ich vor allen anderen mei nen dienern geliebt und groß an meinem hoff gemacht hab, der aber übernimpt sich des in semlicher maß, das er auch understet mein tochter zů einem weib zů haben. Sollichs bin ich durch seltzame weg [352] innen worden. Denselbigen solt du mir unverzogenlich on alle erbermbd umbringen.‹

Der looß vogel, wie böß und frevel er was, noch dannocht entsatzt er sich, sobald er den jüngling nennen hort; dann im was unverborgen, wie er zům offternmal so gantz mannlich gehandelt hat. ›Gnediger herr,‹ sagt er, ›ich weyß keinen under allem hoffgesind, ich wolt in lieber understohn umbzůbringen. Dann ich weiß wol, wo er meiner ein wenig sorg hett, ich möcht im kampffs nit beston. Darumb můß ich in durch grossen list überwinden. Zů dem würt er nimmer allein gesehen, das nit Walter, sein lantzman und geschworner brůder, bey ihm sey, wiewol ich mich Walters in keinen weg entsetzen thů.‹

Der graff mercket an dem schalck, das in des schimpffs gerewen wollt; darumb stercket er in mit vilen zůsagungen und sagt: ›Du solt dich ab Waltern noch keinem andern entsetzen; sonder wer sich Lewfrids annimpt, den schlahe gleich wol zů todt! Daran thůst du mir ein sonders wolgefallen.‹ Also ward Lewfrid und sein getrewer brůder jemerlichen an die axt gegeben, aber durch iren lewen auß aller angst und not erlöset, der dann von seinem gesellen in keiner not noch far nie gewichen was.

Als nun der graff meynet, sein anschlag mit dem verrähter beschlossen haben, hatt er ihn in stiller weiß abgefertiget. Aber sobald der jeger von im kam, gedacht er inn ihm selbs: ›Nun ist es ymmer schad umb ein solchen künen helden, welcher sich seines mannes nie entsessen hatt, und sol von einem solchen schalck so gantz ungewarnet ermördt und umbracht werden. Was gedenck ich solich übel zů volnbringen! Nun möcht ich doch den jüngling wol an des künigs hoff gen Lißbona verschicken, im darbey zů verstohn geben, wo er mer an meinem hoff sich finden ließ, das ich in sunder alle gnad wolt hencken lassen. Das aber würt auch gar keinen fůg haben; dann so mein tochter sollicher ding innen würd, möcht sich ein ergers begeben, dieweil mir unverborgen ist, das ein sollich feur nimmer zů leschen sein würt. Ist auch zů sorgen, das der jüngling zů grossem glück erboren, dieweil es sich so wunderbarlich mit seiner geburt [353] und seinem gantzen leben zůgetragen hat. Ist im nun ein solich glück verordnet und beschert, würt ich im nit darvor mögen sein, auch nimmermehr gewenden. Nun aber was würt man sagen, wann mein tochter eines hirten son vermähelt, umb welche so mancher ritter und graff geworben hat! Fürwar ich wird in aller welt zů grossem spott und yedermans theding werden. Was ist aber das meer! Ist doch David auch von schlechtem stammen geboren gewesen, und hat im dannocht künig Saul sein tochter zům weib geben! Das aber wil die welt jetzunder nit mehr bedencken, jo das mir all gemeinglich von einem vatter und můter kommen. Sind gleichwol jetzund vil grosser stend auff erden, so kommend sie doch allein von tugend, deren dann Lewfrid nit wenig an im hat. Aber dem allen sey wie im wöll, so hatt er allein in dem den todt verschuldet, daß er mir zů ruck understat mein tochter abzůwerben, so ich im doch nie arges vertrewt hab. Darumb můß es nach meinnem ersten fürnemmen hinaußgohn, mir gang gleich drob zů handen was es wöll.‹

Also redt der graff lang mit im selb, nam im auch endtlich für, sobald der verrähter den todtschlag gethon het, wolt er ihn selb auch umbringen.

34. Wie Lewfrid durch einen kammerbuben heimlich gewarnet ward

34.
Wie Lewfrid durch einen kammerbůben heimlich gewarnet ward, sich vor dem jeger zů hütten.

Der graf als er semlichen anschlag mit dem jeger macht, meynet er sich gantz einich in seinem gemach sein. Es was aber neben seinem gemach ein ander kammer, in welcher der graff sein harnasch und geweer hangen hat; in deren was von ungeschicht ein kammerbůb, so dem graven seinen harnasch seüfern und butzen solt. Derselbig hört alle wort, so der graff mit dem jeger und mit ihm selb reden thet. Der knab aber hielt sich gantz still; dann er sorget sich vor dem graven, wo er sein innen wird, er möcht ihn auch umbringen, damit [354] sein anschlag nit offenbar wirde. Sobald aber der graff auß der kammer gangen waß, saumet sich der knab nit lenger in dem andern gemach, sonder mit großer eyl machet er sich darauß, name ihm auch gentzlichen für, den jungling Leyfriden vor seinen widersechern zů warnen, wo er das anders durch mittel möcht zů wegen bringen. Er fügt sich heimlich in den marstall zů des junglings pfert, schreib ein zedelin, band das dem pfert an seinen kamm, damit, wan der jungling das pfert kemmen und striglen wolt, das er semlichen zeddel fünde. Der zedel aber lautet also: ›O jungling, deine heimliche liebe ist außgebrochen; darumb stelt dir dein herr hart nach deinem leben. Des biß gewarnet und beware dich mit fleiß vor dem mörderischen jeger! Mehr will ich nicht schreiben.‹

Diser zedel schreib der bůb etlich, stieß auch dem jungling einen in sein kammerschloß. Und als er nachts in sein kammer gan wolt, die auffzůschließen, kondt er den schlüssel vor dem brieff nicht in das schloß bringen, fand also den anderen zedel, den er nit on grossen schrecken lesen ward; fügt sich auch eilens zů seinem brůder Waltern, im alle sachen offenbaret. Der auch nit wenig schrecken empfahen thet. ›O Lewfrid,‹ sagt er, ›ich bitt, wöllest dich nit saumen, sunder uns eylens von hinnen keren lassen. Dann hat im der graff semlichen weg fürgenummen, wirst du im gantz kümmerlichen entrinnen mögen.‹

›Fürwar‹, sagt Lewfrid, ›mein herr ist mir auff den heutigen tag bekommen, hat mich gantz zornigklichen wider seinen brauch unnd gewonheyt angesprochen und gantz über mich errötet. Sollichs gibt mir warlich gnůgsam anzeigung, das ich nit umbsonst gewarnet würd. Darzů hatt mich meins herren jeger so freundtlich nie angesprochen; darbey ich auch abnemmen můß, das er mich understaht umb mein leben zů bringen. Nun wolan, ich bin gnůgsam gewarnet. Darumb, lieber Walter, wöllest gestracks gerüst sein; dann ich will mich an dem schalck versuchen unnd ihn morgen frů ansprechen, das er mit mir unnd dir reitten wöll inn den wald spatzieren. Alsdann will ich wol mit listen auß ihm erfaren, ob er mir auff mein leben oder nit. Befind ich ihn dann [355] zweyfelhafft, so soll er einmal von mir bestanden werden, damit er keinem mer nach seinem leben so mörderischer weiß stellen thů.‹

Also giengen die zwen jüngling in grossen sorgen zů beth. Die nacht was in seer lang. Lewfrid klagt offt, das er je an deß graffen hoff kommen und Angliana seiner dienst unnd lieb je wargenommen hett. Walter aber in grossen sorgen was, sie wirden nit entrinnen mögen, sie můsten ir leben und leib dahinden lassen. ›O Lewfrid,‹ sagt er, ›ich stand jetzunder dein und mein in grössern sorgen, dann do mich die schandtlichen mörder im wald an dem baum sampt meinem knecht nacket und bloß stohn liessen. Damalen hatt ich noch gůte hoffnung, zů meinem vatter zů kommen. Dann gewiß würt der graff noch andere practick angericht haben, damit, so im eine felet, das er doch ein andere an die hand nem.‹

Dieweil sie also in grossen engsten ligen, so hörend sie einen gantz still an irer kamer anklopffen. Lewfrid stund geschwind auff von seinem bett, fraget gantz still, wer an seiner kammer geklopffet. Doch nam er zuvor sein gůt schwerdt zů seinen handen. Der jung gab gantz leiß antwort und sagt: ›O ir jüngling, nit versperrend mich lang hauß! Dann ich kom euch zů grossem trost und gelück, bin auch eben der, so euch so gantz trewlich mit meinem schreiben gewarnet hab.‹ Sobald Lewfrid semliche wort vernam, schloß er zůstund auff, ließ den knaben hinein. Der fing an und erzalt in von wort zů wort alles, was er von dem graffen und seinem jeger gehört hatt. Von diser red wurden sie etwas getröst, dieweil sie sich vor niemandts dann dem jeger sorgen dörfften. Der jung verband sich auch, mit ihnen darvonzůlauffen; dann er sorget, der graff möcht seiner warnung innen werden. Also beliben sie die nacht bey einander, machten manchen anschlag, wie sie des morgens ire sachen angreiffen wolten. Doch baten sie den bůben, an dem hoff zů bleiben biß auff eine andre und füglichere zeit.

35. Wie Lewfrid und Walter mit dem jeger in den wald reiten

35.
Wie Lewfrid und Walter mit dem jeger in den wald reiten, der lew Lewfriden stäts nachlieff, und wie der jeger mit einem spieß nach Lewfriden schoß, aber seiner verfehlet.

[356] Als nun die morgenröte vorhanden was, Lewfrid sich sampt seinem gesellen rüstet, alle kleinot, so sie hatten, deßgleichen ir barschafft zůsammenpackten auff das aller geschmeidigest, so sie ymmer möchten. Demnach gieng Lewfrid zů dem verrhäterischen mörder, sprach ihn gantz freundtlich an, er solt ihm zů gefallen sein unnd mit ihm auff das holtz reiten; er wer newlich mit seinem pracken auff eines hirschen gespor kommen, hett ihm aber nit gefolgen mügen, ursach das er von der nacht wer überfallen worden. Der jeger was semlicher red gar wol zůfriden; dann er meynet gentzlich, jetzund wegs genůg haben, sein schandtlichen mordt zů volbringen. Er sagt auß falschem hertzen, wie er gantz willig wer sie irer bitt zů geweren, wolt aber semlichs zůvor dem herren ansagen, damit er nit von im gestrafft wird.

Diß geredt hat sich der schalck eilens zů dem graffen gemacht. ›Herr,‹ sagt er, ›heüt ist der tag, an dem ir an Lewfriden sollen gerochen werden.‹ Sagt damit dem graffen alle ding, deß er gar wol zů můt ward, befalh damit dem bößwicht, gůt sorgen zů haben. Demnach ist er wider zů den beiden jünglingen kommen.

Also hatt Lewfrid seinem gesellen Waltern befohlen, ein wenig vor im hinaußzůreiten, ihm auch gesagt, in welcher rifier des walds er seinen warten solt. Lotzman der lew nach seiner gewonheyt hat sich schnell auffgemachet, mit seinem gesellen darvongeloffen. Sobald sie nun in den wald kommen sind, hat sich der jeger stets verhinderen und Lewfriden nachreiten; das aber hat er nicht gestatten wöllen. Do semlichs der jeger gemercket, hat er ein wenig hinfür getrabt, demnach sein pferdt schnell umbgewendt, seinen spieß zůhandt mit aller stercke nach Lewfriden geschossen. Das aber hatt Lewfrid bald wargenommen, seinem gaul die sporen geben, auß [357] dem schutz gesprengt, den bößwicht mit gezucktem schwerdt überrent und mit lauter stimm angeschreyen: ›Jetzund wird ich gnůgsam innen, das du schandtlicher verrähter meinen todt geschworen hast. Darumb soll dir dein verdienter lohn zůstohn; dann heüt můstu von meiner hand umbracht werden.‹ Damit schlůg er mit gantzen krefften zů im. Der schalck aber weret sich auch, so best er mocht. Sobald aber Lotzman der lew solchen ernst ersehen, ist er gantz grimm des mörders roß angefallen und mit gewalt zů boden gerissen, den mörder behend under sich bracht und erwürget.

Walter, welcher nit weit von dem end gewesen, hatt semliche wort von Lewfriden bald gehört, ist also dem geschrey zůgerennet, hatt von seinem gesellen alle sach erfaren, auch den lewen noch ob dem todten mörder funden und mit grossem grimmen sein fleisch von seinen beinen reissen. Also hat sein boßhaffter anschlag ein end genommen. Sind also beide eilens durch den wald geritten, iren weg auf Lißabona zů genommen, demnach in ir vatterlandt geritten. Walter erstlichen mit seinem knecht in seines vatters hauß kommen ist; aber Lewfrid hat in einer herberg eingestelt, ein zeit lang in der statt umbgangen, von niemans erkandt worden dann von seinem liebsten gesellen und brůder Waltern und seinem diener, so mit im gewesen.

36. Wie der graff grossen rewen überkam, do er vernemmen thet

36.
Wie der graff grossen rewen überkam, do er vernemmen thet, das im sein anschlag mißlungen was, und wie er Angliana und Florina mit rauhen worten anfaret.

Nachdem nun der graff vermeynt, der verrähter wer seinem befelch gentzlich nachkommen, hatt er mit freuden auff ihn gewartet. Als es aber jetzunder nacht worden ist und [358] der mörder nit kommen, ist er gantz angsthafftig worden, in grossen sorgen gestanden, Lewfrid sei noch in leben, wie es dann auch gewesen ist. ›Ach,‹ sagt er zů im selbs, ›wie würd mir jetzund mein sach so gantz weit felh! Wie wirts gon, wann Lewfrid den jeger überwunden hat und kompt zů dem künig, begert sein diener zů werden! Dann so werdend meine bösen anschleg außfündig. Ich solt zůvor bedacht haben, das dem jüngling niemant angesigen wird, dieweil er vormals auß so manicher gefehrligkeyt kommen ist. Warumb hab ich in nit mit meiner handt umbbracht oder hab ihm aber mein tochter zů einem weib geben! Wer weyßt, der jüngling möcht sich so wol unnd ritterlich gehalten haben, das ich in gantz lieb und wert gehalten het. Jetzund aber kompt mir zů spater rewen. Auch hab ich noch nit gentzlich an meiner tochter erkündiget, wie doch die sachen umb sie mit dem jüngling geschaffen sein. Wolan, ich wil nach meiner tochter und irer helfferin schicken und aller sachen an ihnen erfaren, sie auch mit worten dermassen straffen, das sie mir nichts verschweigen werden.‹

Alsbald ist der graff zů seiner tochter in ir zimmer gangen, mit brinnenden augen und zornigem angesicht und geberden sie und Florina angeredt, davon dann beyde junckfrauwen on massen sehr erschrocken sind. Dann der graff sagt: ›Angliana, gedenck, daß du morgens zů primzeit sampt deiner gespylen Florina in mein gemach kommest! Dann ich hab ettwas nötiges mit euch zů reden.‹ Wer was angsthaffter dann beide junckfrawen! Dann Florina gedacht von stund an heimlichen: ›Weh uns allen! Der brieff, welchen Lewfrid geschriben, ist durch die nerrin dem graffen zů handen kommen. Ach, wie wirt es mir armen junckfrawen gohn! Ich sorg, Lewfrid wirt mich in seinem schreiben vermeldt haben.‹

Als der graff wider hinweggegangen was, fing Angliana bitterlichen an zů weynen, desgleichen auch Florina. Dardurch die anderen junckfrawen all in mitliden bewegt wurden, fingen alle an mit in zů trawren und zů weinen, wiewol keine wußt die ursach irer klag und weinens. Angliana vor inen allen, nachdem sie sich erholt und die trehen von irem angesicht gewischt hat, anfing mit einer unverzagten stim: ›O [359] ir meine liebsten und getrewisten gespilen, ir haben sonder zweifel wol abgenummen, das mein herr und vatter in grossem zorn mit mir geredt, desgleichen auch mit dir, meiner liebsten gespielen. Ir aber sollend des keinen unmůt noch forcht haben; dann ich allein bin die, so ein semlichs verschuldet hat. Ich můß mich sin auch vor euch allen bekennen, ich hab Lewfriden, den edlen und teüren jüngling, in gantzen treuwen, zucht und ehren geliebt. So ist er meiner liebe auch wirdig, so von wegen seiner tugend und mannheit wol wert, das in eines künigs tochter haben solt. Wer ist doch an meines vatters hoff, so mer von meinem vater geprisen und gelobt ist worden dann Lewfrid! Wer hat mer dapfferer und mannlicher stuck begangen dann diser jüngling! Solichs můß im mein herr und vatter zügniß geben. Got wolt, das ich nur wissen möcht, ob der jüngling von meinem vatter umbracht oder verschickt wer! Hat er in umbracht von wegen meiner lieb, so will ich im in leyd und schmertzen ein getrewe nachfolgerin sein. Dann mir, so lang ich erfaren mag, wie es umb meinen liebsten jüngling ein gestalt hab, keiner speiß auch nymmermer gebrauchen wil, sunder mein leib so lang kastygen, biß mein seel sich nit mer in dem enthalten mag. Hat in aber mein vatter seines hoffs verweisen, ey so hoff ich noch gůter stunden zů erleben, das ich meinen lieben jüngling mit freuden widersehen werd. Darumb, du mein liebe Florina, biß getröst! Dir sol nichs nachteiligs von wegen mein widerfaren. Ich wil dich gegen meinem vatter wol versprechen. Du bist allein die, so mich trewlich vor solicher liebe gewarnet hat; du hast mich mit höchstem flehenen darfür gebetten, mir auch alle sorg und gefar zů verston geben, so mir jetzund zůhanden gon. Das aber alles wolt ich gern mit gedult auffnemen unnd vertragen, so ich allein wissen möcht, wie es umb Lewfriden stiende. Aber ich besorg, mein vatter werd sich den zorn haben überwinden lassen und ein sach bestanden, so in nachmals sehr rewen wirt. Ich arme betriebte můß der stund erwarten, in deren ich eygentlich erfaren mag, wie es umb Lewfriden stand.‹

So bald sie semlichs geredt, hat sie urlaub von iren junckfrawen genommen, in ir kammer gangen und in aller kleidung [360] mit grossem weinen und klagen uff ir schlaffbet nidergelegen, mit ir selbs jämerlichen angefangen irn liebsten jüngling zů beweinen und zů beklagen; dann sie nicht anderst meynet, dann er wer von irm vatter umbkummen: ›O du mein herzallerliebster Leufrid, hast du von wegen diner trew und liebe eines unversehenen tods sterben müssen, so můß mich deiner zucht und schöne immer rewen. Worumb hat mein vatter nit semlichs an mir gerochen und mich für dich lassen ertödten, dwil ich die gröst ursach bin!‹ Dernglichen klag treib sie die gantze nacht über, stetigs nach dem tag wünschen thet, ob sie doch von irem vatter vernemmen möcht, wie es umb den jüngling ein gestalt het. Nit minder Florina ein gantz schwere nacht hat. Dann so offt sie entnucket, kamb ir ein schwerer traum über den andern für, biß der morgenstern jetz an dem himmel den tag mit freüden bringen thet.

37. Wie Lewfrid von seinem vatter und mutter erkant wirt

37.
Wie Lewfrid von seinem vatter und můtter erkant wirt, deßgleichen auch von Hermano dem kauffman, was grossen freüden do fürgangen.

Hie wend wir ein wenig gschwigen des graffen und seiner tochter und wend anzeygen, mit was grossen freüden der gůt frumb hirt Erich und sein gemahel Felicitas umbgeben würden, als sie vernummen hand, das ihr son zů land kommen frisch und gesund, auch ein sollicher schöner und gerader jüngling worden waß.

Es begab sich, demnach des kauffmans son Walter mit grossem frolocken von seinen eltern empfangen, auch von ihnen gefragt ward, ob sie Lewfriden nit erfarn hetten. Des alles bericht Walter von anfang biß zům end, namlich wie er und sein knecht von etlichen reübern gefangen und geplindert, nackend an einen baum gebunden worden weren, unversehens von Lewfriden erlößt; sagt in auch, was sich an des künigs hoff mit Lotzman dem lewen verloffen het unnd wie derselbig [361] noch bei Lewfriden wer. Er sagt aber nicht, das Lewfrid schon inn der statt an der herberg were; dann ihm Leuwfrid semlichs verbotten hatt. Auff den künfftigen sunnentag ließ ihm Leuwfrid seinen wirt ein köstlich malzeit bereiten unnd überlegt mit Walteren, das er ihm seinen vatter und můtter darzů berüffen, deßgleichen auch seinen schůlmeister, von dem er also sunder urlaub hinweggescheiden wer. Das geschah also.

Walter kam des sontags zů morgen zů seinem vatter und sagt: ›Lieber vatter, wiß, das ich heüt von einem deß künigs diener botschafft von Lewfriden vernummen hab! Derselbig deß künigs diener laßt dich früntlich bitten, du wöllest sampt der můter und meinem schůlmeister zů im kommen, das morgenmal mit im essen; dann er hab gar vil mit euch von Lewfrids wegen zů reden.‹ Hermannus der kauffman sagt: ›Des bin ich seer wol zůfriden. Wiewol ich seines thůns ein gnůgsammen bericht von dir empfangen, wil ich dannocht gern vernemen, was er seinem schůlmeister zů embieten habe.‹ Demnach hat Hermannus sein ordnung mit seinem weib gemacht, sind also mit grossen freüden zů dem imbiß gangen; auch ist der schůlmeister von Waltern zů dem mal gebracht worden. Under disen dingen hat Lewfrid ein botten auff den mayerhoff zů seinem vatter und můter geschicket, ihn auch sagen laßen, wie er ein bottschafft von ihrem sůn an sie zů werben hab.

Der gůt meyer, so in langer zeit von seinem sůn nichs vernummen, hat sich sampt seinem weib eylens auff den weg gemacht und der statt zů geeylet, in die herberg kommen. Lewfrid, so noch von niemandt er kandt, stund bei Hermanno und seinem schůlmeister, unnd trůg man jetzund schon die erst richt auff den tisch. Und als sie kaum nidergesessen waren, kumpt nieyer Erich unnd sein haußfraw Felicitas in den saal gegangen, dem frembden gast nachfragen wurden. Der wardt ihn zůhandt gezeygett; er aber gleißnet, als ob er sie gar nicht kennet. Sein gesell Walter sagt zů ihm: ›Frünt, hie mügendt ihr eüwers gesellen Leuwfriden vatter unnd můter sehn. Die kommen gekleydt nach ihrer begangenschafft; dann sie nicht wie Leuwfrid an fürstenhöfen vil zů schaffen gehabt.‹ – ›Ich sihe sie fast gern,‹ sagt Lewfrid, nam sie[362] damit beidesamen, satzte sie zů der taffel, und ward das mal mit grossen freuden volendet, biß man jetz die letst tracht gab. Unnd ward gar vil von Lewfriden zů allen theylen geredt; niemandt aber gedacht in so nahend sein. ›Ach,‹ sagt Felicitas, ›ließ mich gott den tag erleben, das ich meinen liebsten son einmal sehen solt, mir möcht kein grössere zeitliche freud zůhanden gohn.‹ Fing damit bitterlichen an zů seufftzen und die zeher auß ihren augen zů vergiessen.

Semlichs bewegt Lewfriden der maß, das er von der tafel můßt auffston. Nam sich eines geschefftes an, ging zů seinem pferdt, bei dem lag Lotzman der lew in der strewin an einer kettin gebunden. Lewfrid sagt zů im: ›Kum her, mein lieber gleitsman und getrewer gefert! Jetzund will ich dir deinen ersten meister zeigen.‹ Laßt in damit von der kettin und fůrt in mit im in den sal zů seinen liebsten gesten und sagt: ›Nun sihe dich wol unnd eben umb, mein lieber Lotzman! Ist auch jemans an diser tafeln, so dir bekant ist?‹ Zůhand ist der lew zů Erichen, seinem alten herren, gegangen, sich mit gar freundtlichen geberden gegen im erzeiget. Den hat Erich zůstund erkennet, in mit grossen freuden gesehen und angeredt.

Hermanus der kauffmann sagt überlaut: ›Warlich, lieben fründ, mich will schier geduncken, Lewfrid sey nit ferr von uns. Es betriegen mich dann meine gedancken, so ist er inn disem sal.‹ Leuwfrid wolt sich nit mehr verbergen, umbfieng seinen vatter unnd sagt: ›Gegrüßt seyest du, mein allerliebster vatter, biß wol zů můt! Dann hie ist Leuwfrid, wellichen du begerst zů sehen. Unnd du, mein hertzliebste můter, gehab dich wol! Dann jetzund sihest du Leuwfriden, deinen son.‹ Do ward seer grosse freud inn dem saal.

Dann, als er sie allsamen freundtlich gegrüßt hat, sind sie wider zůsammen gesessen. Hatt Lyseta, des kauffmans weib, angefangen und gesagt: ›Ach mein Lewfrid, wie hast du an deinem hertzen mügen haben, uns so lang auffzůhalten, das du dich nit zů erkennen gegeben hast! Nun weystu doch, daß du nit minder von mir unnd meinem herren geliebt bist als von deinen hiezůgegen natürlichen vatter und můter.‹ Drauff sagt Lewfrid: ›Deß bin ich sonder zweifel. Das ich aber mich so langsam zů erkennen geben hab, ist [363] allein darumb geschehen, das ich in sorgen stund, ir alle trügen noch grossen zorn gegen mir von wegen meines heimlichen hinscheidens. Dieweil ich aber allen gunst und liebe von euch, meinen eltern, vernim, auch mein schůlmeister mir gentzlich vergeben hat, welcher dann nit kleine ursach hat über mich zů zürnen, bin ich jetzund mit freuden umbgeben.‹ Also ward die übrig zeit mit grossen freuden verzert, und belib Lewfrid etlich tag bey seinem herren.

Die beleiben also bey einander; so wend wir weiter sagen, wie es dem graffen und seiner tochter gangen ist.

38. Wie Angliana und Florina für den graffen kommen

38.
Wie Angliana und Florina für den graffen kommen und was er mit inen geredt hab, und wie des graven diener den jäger im wald sehr verwundt und zerrissen fanden.

Oben habt ir gehört, wie der graff seiner tochter unnd Florina gebot, des morgens umb primzeit zů im in sein gemach zů kommen. Als aber jetz die stund kommen, sind sie beide mit erschrocknem hertzen für deß graffen gemach gangen. Der hatt jetz schon von seinen dienern, welche er inn den waldt den jeger zů sůchen geschickt hat, vernomen, daß der schalck gantz übel verwundt unnd gar zerrissen in dem wald todt leg; ob ihm diß aber von einem bären oder schwein geschehen, möchten sie gar nit wissen. So hatten sie auch sein pferdt funden gantz erschrocken in dem wald mit zerrissnem zaum gantz irrsam lauffen, seinen spieß ein gůten weg von im auffrecht in einer hecken stecken. Von disen zeichen der graff wol abnemen kond, wie die sach müßt geschaffen sein; sagt seinen dienern, sie solten hinziehen; er het gnůgsame kundtschafft zů gedencken, wie es dem jeger gangen wer.

[364] Als nun die diener von im gangen waren, ist sein tochter sampt irer lieben Florina hineingangen, dem graffen ein seligen tag gewünschet, der in beiden keinen danck gesagt, sonder mit schnartzen worten sein tochter Angliana angefaren. ›Tochter,‹ sagt er, ›warumb hastu mich, deinen vatter, so gantz in wind geschlagen, mich so schandtlich betrogen und übergeben, umb eines armen hirten son getrachtet, so dir doch wol deines gelichen ein namhaffter und theurer ritter het werden mögen! Nun aber hast du mir meinen stammen und nammen verkleinet. Des kanstu nimmer gegen mir geleügnen; dann ich des einen ring und brieff hab, welichs dir der verschmehet hirtenson bei deiner nerrin hat zugesandt. Solichen betrognen anschlag hat dein schöne und liebe gespyl do zůgegen dem hirtenson gerahten. Den lohn aber, so du, Florina, mit verdient, bist du noch gentzlich von mir warten. Das aber ist mein gůthat, so ich dir und Lewfriden bewisen hab. Doch bin ich gůter hoffnung, dem ungetreuwen jüngling seye schon sein verdienter lohn worden.‹

Darauff sagt Angliana: ›O vatter, mich gegen euch zů verantworten ist nit müglich. Dann ich můß gestohn, das ich mir den jüngling von wegen seiner tugend und adelichen sitten, auch ritterlichen gemüts halben erwölt hab; bin aber doch in alle weg so gantz behůtsam gefaren, das mir noch euch nymer schand noch schaden darauß het erfolgen mögen. So hatt mir auch an dem gantzen hoff mein lieb und gunst, so ich dem jüngling getragen, niemant können abmercken, allein mein liebste junckfraw Florina. Sobald aber sie meiner liebe wargenommen, hat sie mich mit grossem ernst understanden davon abzůkeren; aber alles gar nichts an mir verfahen mügen. Darumb, allerliebster herr und vatter, solt ir in dem niemant die schuld geben dann mir allein. Bitt auch umb aller liebe und trew willen, so ir mir ye getragen, eh dann ir von solicher liebe gewißt haben, wo ir dem jüngling pein oder marter angericht oder vileicht gar umbracht haben, wöllend mir nit mer barmhertzigkeyt beweisen dann im und mich in gleicher straff halten. Dann so ich nit erfaren mag, wo der jüngling hinkommen ist, würt mich kein mensch nymermer davon bringen, im in steter versprochnen trew unnd [365] freundtschafft nachzůfolgen. Dann mich kein natürlich speiß noch tranck mymermer erquicken noch auffenthalten soll, ich erfar dann, wohin doch mein allerliebster jüngling hinkommen sey. Verflůcht sey der tag, an dem die schandtlich nerrin in mein zimmer kommen! Dann sie ist ein ursach an dem, das Lewfrid so erbermbklich hat sein leben verlieren müssen. Ich weyß, das der edel jüngling noch durch sein mannliche hand ritters orden wird überkommen und erlangt haben. Wer wolt mir darnach unrecht geben haben, so ich ihn für meinen liebsten ehgemahel an euch begert het! Dann unser vergleichung, zůsagen und versprechen hat sich nie anderst begeben, dann das sich Lewfrid in allen mannlichen und dapffern sachen hat understanden zů üben, damit er alle zeit von euch, allerliebster herr und vatter, het mügen geprisen werden. Das dann warlich zů vil malen von euch geschehen ist, und ich auch selb offt von euch gehört hab, dardurch dann mein liebe gegen im nit wenig zůgenommen.‹

Diß alles redt Angliana vor irem vatter mit kleglichem seüfftzen und weinen. Dabey er wol abnam, das sie nymmer fröliche tag haben noch gewinnen wird, es were dann sach das sie den jüngling erfaren möcht. Jedoch understund er etwas mit ir zů versůchen und sagt also: ›Tochter, züh hin mit deiner junckfrawen und wiß, das Lewfrid nit umbkommen, sonder noch im leben ist! Wo er aber hinkommen, dem frag ich nit fast nach. Er aber hůt sich bey meiner höchsten ungenad, nymermehr an meinen hoff zů kommen. Sonst müst er von meiner hand den todt leiden.‹

Also schied Angliana mit grossem jamer unnd windenden henden auß ihres vatters gemach, ging in ir schlaffkammer, warff von ir all ire köstlichen kleinot, ketten und ring, legt an schwartze trawrkleyder. Sie ließ auch kein andere junckfraw mehr zů ihr dann allein Florina und Cordula. Von denen zweyen ward sie besuchet, welche junckfrawen sie offt understůnden von irem fürnemen abzůwenden, ir auch gar vil und mancherley gůter speiß und tranck zůtrůgen, deren aber sie gar nit versuchen noch geleben wolt. Allein sucht sie ir zeit zů vertreiben mit traurigen gedichten, deren sie etlich von ir selb und irem Lewfriden dichtet, wiewol sie noch nit [366] mocht wissen, wo er hinkommen was. Jetzund tichtet sie, als wann er von irem vatter uff das möhr auff ein schiff verkaufft were; darnach macht sie ein geticht, als wann er inn ein kercker verschlossen were und sie teglich vor der thüren des kerckers seß und im gern seiner gefencknüß ein gesellin geben wolt. Diß was ir arbeyt und kurtzweil, damit sie ir zeit verzeren thet.

39. Wie Cordula und Florina von dem graffen befragt

39.
Wie Cordula und Florina von dem graffen befragt, was sein tochter also verschlossen in der kamer seß, und wie er nach Lewfriden schicken ließ, er aber in keinen weg kommen wolt.

Als nun Lewfrid zů hoff nit mer gesehen worden, deßgleichen Angliana nit mer nach ir gewonheit in ir frawenzimmer kam, auch sonst von niemant anderst gesehen worden, hat erst alles hoffgesind auff der nerrin wort ein gedencken gewonnen; ist derhalben nit wenig klag umb Lewfriden gewesen; dann er sich gegen allem hoffgesind so früntlich und tugentsam gehalten, das sie ihm allsamen grossen gunst getragen haben. Als aber der graff mit fleiß warnam, weß sich Angliana halten wolt, ist er am anderen tag zů Angliana zimmer gangen und ihre junckfrawen alle fragen lassen, was Angliana in ihrem gemach außricht, das sie nicht mehr auß dem zimmer gang. Alsbald hand sie geantwurt, es seie in davon gar nicht zu wissen; dann Angliana last sunst niemant zů ihr in ir innerist gemach dann allein Cordula und Florina.

Bald hat der graff befolhen die beiden junckfrawen für in zů kummen in seinen garten. Das alsobald verschafft worden ist. Florina aber noch voller forcht ist mit erschrockenem hertzen für dem graven auff ire kney nidergefallen, deßgleichen auch die ander junckfraw. Er aber hieß sie bald auffston; dann er het in keinem argen nach ihn geschickt, allein [367] das er von in erfaren wolt, wie sich sein tochter halten thet. Cordula, welche mehr hertz hat zů reden, fiele zůhand nider auff ire kney, deßgleichen auch Florina. Cordula die junckfraw sagt: ›Allergnedigster herr mein, wo mich eüwer genad verhören und kein zorn auff mich wolten legen, ich sagt euch die gantze warheit.‹ – ›Sag an,‹ sagt der graff, ›dann ich bin bereit zů hören sunder allen zorn.‹ Cordula sagt: ›Gnediger herr, so solt ihr wissen, daß anligen, so mein gnedige und allerliebste junckfraw an irem hertzen hat, ist nun zůmal dem gantzen zimmer offenbar. Dann sie das ohn alles scheühen von ihr selb bekant und geoffnet hat, und es seie dann sach das sie entlich erfarn mag, wo Lewfrid hinkummen, wirt sie weder essen noch trincken. Jetzund fürt sie ein ernstliche zeit mit weinen und klagen; nicht anders redt sie, nichs anders gedenckt sie dann allein an iren jüngling, welcher ihr hertz gantz gefangen und besessen hat. Darumb, gnediger herr, so das leben ewer tochter lieb ist und begeren das zů erhalten, můßt ir unser junckfrawen iren liebsten jüngling anzeigen. Dann aller trost, warnung, straff und leer mag nicht mer an ir verfahen. Ich und mein gespyl Florina haben so vil mit ihr versůcht, aber alles umbsonst ist.‹

Dieweil Cordula also mit dem graffen redt, weinet sie gantz züchtigklichen darzů, weliches dann den graffen dester mehr behertziget. Nit weniger zeher vergoß auch die getrew Florina, ihre beiden hend in einander geschlagen hinder ihrer gespylen knewend. Diß alles der graff warnam, sagt zů den junckfrawen: ›So gond hin und sagend meiner tochter, der jüngling sey noch in leben und sampt seinem gesellen und dem lewen heimlich von meinem hoff entritten, mir auch meinen liebsten jeger erschlagen. Deß sol sie gantz gewiß sein; darumb mag sie wol ir klagen und trauren lassen faren.‹

Also sind die beiden junckfrawen mit züchtigem urlob von dem graffen gescheiden, habend eilens ir junckfrawen solche botschafft von irem vatter bracht. Und wiewol sie etwas trost davon hat empfangen, hatt es dannocht in ir geschwancket, hatt sich aber ein wenig stillen lassen; dann beide junckfrawen haben allen iren fleiß darzů angewendt.

Als aber nun die junckfrawen von dem graffen kommen [368] sind, ist er in einen sessel gesessen, dem handel gar tieff nachgesunnen: ›Will mich dann glück also haben, wolan so tröst ich mich dannocht, das mein tochter ir einen solchen jüngling erwölt hat, der mit tugend und mannheyt hoch von gott begabt ist. Ach wer mir doch nur die sach vor langem zů wissen gewesen, ich wolt wol bey dem künig zůwegen bracht haben, das er in zů ritter geschlagen, mit wappen, schilt und helm begabt het. Alsdann wer mirs nit so groß zů verwiß kommen als in einem solchen fal. Wißt ich den jüngling zů finden, ich wolt im eilens einen botten schicken und wider an meinen hoff berüffen lassen.‹

Semlichs gedacht stund der graff auff, besandt eilens einen botten, sagt ihm, das er sich eilens rüsten solt, dann er můßt uff der post gon Lyßbona reiten. Demnach schrib der graff dem jüngling einen brieff und sicher geleit, gabe das dem botten, befalhe im eilens gohn Lißbona zů postieren, nach Lewfriden dem jüngling zů fragen an des künigs hoff; dann der graff meynet in gewißlich bey dem künig zů finden, dieweil er seinen vormals begert hatt. Der bott ward auch von dem graffen underricht, wie er im mit worten anligen, wo anderst sein schreiben nit verfahen wolt, das er eilens mit im auff wolt sein; dann er solt ein gantz gnedigen herren an im haben. Der bott reit hin mit grossen freuden; dann im von deß jünglings abscheid gar leyd geschehen was. Disen botten wöllend wir lassen reiten und sagen, wie sich Lewfrid der zeit gehalten hat.

40. Wie Lewfrid zu Salamanca in der statt in grossem trawren was

40.
Wie Lewfrid zů Salamanca in der statt in grossem trawren was, teglich ein zeitlang im feld spatzieren ging, sein liebste junckfraw klagen thet.

Lewfrid was jetzund bey zehen tagen zů Salamanca, und wann er umb die leut war, stalt und erzeyget er sich gantz [369] frölich. Sobald er aber des nachts an sein beth kam, was er sein liebste junckfraw hertzlichen klagen. Er nam ihm auch teglichen ein stund oder etlich für, in deren er in das fäld spatzieren ging on alle gesellschafft, satzt sich dann etwan an ein verborgene stat, do er von niemant mocht gehört werden, fieng alda an sein unglück zů beklagen: ›O glück, wie bistu mir so gantz zůwider! Was ziehestu mich armen jüngling! Du hast mich jetzund gar offt und dick felschlichen angelachet, mich mit deinem sůssen und glantzenden schein angesehen, und so ich meyn dir jetz am angenemsten sein, so überschütest du mich mit aller bitterkeit. Niemant solt sein getrawen und hoffnung zů dir unstetigen glück setzen. Du bist gantz wanckelmütig, unbleiblich, undanckbar; dann so man dich meynet am allernechsten zů sein, so bistu eim am allerferristen. Hastu mich armseligen jüngling nit auß niderem staht gleich in meiner kindtheyt zů einem gůten anfang gebracht, do mein, nachdem ich eines ärmisten hirten son was, gantz herrlich gepflegen ward, als namlich in meines herren hauß, darinnen mein nit minder dann seines sons gepflegen ward, mit essen, trinken und gewand meines herren son gleich gehalten! Hettest du mich also in solchem anfang beliben lassen und nit mit falschem schein angelachet! Dann du woltest mich auß einem jungen kind zů einem könig haben. Das aber nit lang geweret hat; dann ich bald auß meinem reich entlauffen můßt, ward also auß einem künig in kurtzer zeit zů einem kuchenbuben. Noch liessest du mich auch nit lang in solchem stand; ich můßt in dem frawenzimmer ein diener werden. Aldo thet Cupido auch das sein darzů, verwundt unnd schoß seinen scharpffen strol auff mich dermassen, das ich inn brinnender liebe hart entzündet ward gegen meiner liebsten junckfrawen, bey deren du mich dermassen angesehen, so das ich und sie in hoffnung waren, unser liebe solt unzertrent und unablößlich bleiben. Was hastu aber mir yetzund durch deine falschen tück angericht! Ja anders nichts, dann das ich mich von meiner allerliebsten junckfrawen sunder alles urlub hab scheiden müßen, mag auch gar nicht wissen, wie es ihr gang. Doch bin ich in gewißesten zweifel, das mein hertzliebste junckfraw von meinetwegen schmehlich und hart [370] gehalten wirt, von allem hoffgesind wirt auff sie mit fingern gezeygt. Ach das ich nit an dem hoff beliben bin und meines endes unnd todts von ihrem vatter gewartet! Was soll ich zů leben ohne mein liebste Angliana! Was wirt sie doch jetz für vertrauwen zů mir haben, dieweil ich flüchtiger sie im ellend verlassen hab!‹

Diser und derengleichen klagen fürt Lewfrid ohn zal vil, und als ihn jetzund zeit daucht, nam er sein weg wider der stat zů. Es stund aber ein schone linden vor der statt auff einen büchsenschutz, under dern stund Lewfrid ein wenig sich umbsehnd; so sicht er von verrem einen botten eilens daher postieren, und als er neher zů ihm kamm, erkant er ihn; dann es was seines herren, deß graven, bott. Lewfrid erschrack zům theil, stund aber dannocht still, damit er von im vernemmen möcht, wie es seiner liebsten junckfrawen gieng.

41. Wie der bott zu Leuwfriden under der grossen lynden kam

41.
Wie der bott zů Leuwfriden under der grossen lynden kam, ihm mit freüden den brieff antwurt, so ihm der graff gesant hatt.

Der bott was nit gar zů Lewfriden kommen, do erkant er in. Er sprang eilens von seinem pfert, zoh seinen brif auß seiner teschen und sagt: ›Gegrüßet seist du, mein allerliebster jüngling! Dein anblick bringt mir hertzliche freüd, so bring ich dir auch gůte botschafft von unserm herrn. Got wolt, wir jetzund by im weren; dann er groß verlangen nach dir hat.‹ Damit antwurt er im den brief von dem graven. Leyfrid, wiewol er den botten nie anderst dann einen redlichen knecht erkant hat, noch dannocht sorgt er sich, der graff het ihn auch mit schencken bestochen gleich dem jeger. Darumb empfieng er den brieff von ihm, empfieng ihn früntlich [371] unnd sagt: ›Lieber bott, ich bitt, wöllest in die statt mit deinem pferdt ziehen, in die nechst herberg an der porten stellen. Da wil ich, sobald ich disen brieff gelesen hab, zů dir kommen und gůte geselschafft halten.‹ Deß was der bott zůfriden, zog also in die stat, versahe sein roß mit gůtem fůter, hieß demnach den wirt das mal bereiten.

Dieweil gieng Lewfried vor der statt, lase seinen brieff, darin sein herr der graff ermanet wieder heim zůkeren, frid und geleit gnůgsamlich verschreiben hatt. Lewfrid aber sorget allezeit ein betrug darin verborgen sein; er gieng in seines herrn, des kauffmans, hauß, wapnet sich in ein gůtes pantzerhemmet, ob ihn vilicht der bott mit heimlichen listen ungewarnet auß seines herrn geheyß umbringen wolt, das er sich sein möcht entsetzen. Er nam auch mit ihm Walteren und seinen diener; dann die bede wusten umb alle verloffnen sachen; sunst aber sagt er niemans nichts darvon.

Alsbald er nun in die herberg kam, bat er den wirt, er wolt ihn gůt geschirr machen und ihn sampt seiner geselschafft in ein sunder gemach setzen; solche müh wolt er wol bezalen und vergelten. Diß alles ward nach seinem willen und begern volstrecket. Sobald sie über tisch kommen sein, hatt Leuwfrid nit lenger verziehen künden, von stund an den botten gefragt, wie es doch umb sein allerliebste junckfraw stündt; dann er in dem brieff wol verstanden, das sein liebe allem hoffgesind zů wißen was.

Der bott sagt: ›Jüngling, ich bin gůter hoffnung, ihr sachen werden nunzůmal baß stan. Dann eh ich von hoff verritten bin, ich von Cordula, ihrer junckfrawen eine, vernummen hab, sobald und sie gewar worden sei, das du hinweg und in ungnaden gegen ihrem vatter standest, hab sie sich aller zier und kleidung, auch alles, so zů lust und freuden dienen möcht, nit mer gebrauchen wöllen, ire trawrkleider herfürgesucht, keiner speiß noch tranck mehr genossen, so lang biß ir vatter gemelte ir junckfraw zů ir geschickt sampt Florina, die dann dir seer wol bekant ist. Die beide haben der junckfrawen gwisse botschafft von irem vatter bracht, das du nit umbkommen noch gefangen seyest, sonder on urlaub von hoff hin und weg geritten sampt deinem brůder Waltern [372] und dem lewen, ir auch darbey versprochen in kurtzem zů erfaren, wo du hinkommen seyest. Hatt mich auch mein herr in derselben zeit mit disem brieff abgefertiget, welchen ich dir überantwort hab, sodann mir auch mündtlichen befelch geben, auff das freundtlichst mit dir zů reden, damit du mit mir widerkerest; dann er fürwar in grossen sorgen seiner tochter gestanden. Nun merck mich! Sobald mir der brieff und befelch geben, hab ich mich gantz stiller weiß zů Cordula der junckfrawen verfůget, ir mein reyß und befelch angesagt, domit Angliana desto mer trostes von ir empfahen mög. Ich wer auch fast gern selb bey ir gewesen, hab aber mit keiner geschicklichkeit solchs können zůwegen bringen. Diser wort, liebster Lewfrid, soltu mir alle gelauben und mein trew des zů einem sichern pfand haben, das im also sey.‹

Lewfrid, wie oben gesagt, erkant disen botten als ein frummen, warhafftigen unnd getrewen gesellen, gab ihm derhalben gůten gelauben unnd sagt: ›Mein getrewer bott, sag mir doch, wer hatt dir angezeygt, das ich hie zů Salamanca bin?‹ – ›Das hab ich,‹ sagt er, ›zů Lisabonna an deß künigs hoff erfaren. Dann mein herr meynt nit anderst, dann ich würd dich an des künigs hoff gewiß finden.‹

›Lieber bott,‹ sagt Lewfrid, ›was gibstu mir aber für ein raht? Mein herr hat zůvor mir streng nach meinem leben getrachtet, einen falschen mörder darzů bestelt, so mich mit einem spieß solt durchschossen haben. Nu můß ich sorgen, dieweil mich das glück vor solchem unfal bewart, mir möcht ein ander bad übergehangen sein, mein herr möcht mich durch gůte wort wider underston zů ihm zů bringen und alsdann sein zorn an mir rechen.‹

Antwurt der bott: ›Das wirt meinem herren seer nachteilig sein, dieweil du sein geleit mit seinem ingesigel vonn ihm hast. Das magstu sampt deinem fründt Waltern zů Lißabona an des künigs hoff lassen. So dann mein herr über soliches gewalt mit dir brauchen solt, wird ihm gar schwerlich gegen dem künig zů verantwurten sein.‹ – ›Wolann,‹ sagt Leuwfrid, ›so beschlaffen wir uns hinnacht auff die sachen. Jedoch solt du morgen frü bereyt sein; dann ich wil mich[373] auch gerüst machen. Wil dann mein lieber brůder mit mir reysen, ist mir fast lieb.‹

Darauff sagt Walter: ›Mein lieber brůder, wie möcht ich dich doch von mir lassen, so das ich nit wissen möcht, wie dirs ging! Ich will solche fahr mit dir auffnemmen und wagen. Du aber solt meinem vatter nicht darvon sagen, sunst wird er unser keinem gestatten zů reiten; dann im von diser sachen gar nichts zů wissen ist.‹

Als sie nun nach notdurfft gessen und getruncken hand, sind sie zů beth nidergangen, des künfftigen tags mit verlangen erwartet.

42. Wie Lewfrid sampt seiner geselschafft den nechsten auff Lysabona reiten

42.
Wie Lewfrid sampt seiner geselschafft den nechsten auff Lysabona reiten, was er und Walter für einen anschlag machten.

Der new tag jetzund durch frölichen gesang der vögel verkündt wardt. Lewfrid und sein liebster brůder Walther am abent ir ordnung haben gemacht, urlaub von vatter und můter genommen und inen Lotzman den lewen trewlich befolhen. Und sobald deß morgens der tagstern am himmel gestanden, seind sie auff zů roß gesessen, mit begirigem hertzen den weg auff Lißbona für sich genummen. Leuwfrid sich auff solicher reyß mancherley bedocht, weß er sich halten wolt. Zůlest fande er einen raht bey Waltern, das er zů Lißbona bliben solt, dem graffen und seiner tochter schreiben, wie er noch frisch und gesundt were; sein will und meynung aber wer nit eh gen hoff zů kummen, er hette dann zůvor ein ritterliche that begangen, rittersorden erlangt; alsdann wolt er mit freüden widerkeren, verhoffen ein genedigen herren zů finden. Diser rhatschlag gefiel Lewfriden hertzlichen wol, so anderst Walter die brieff selb antwurten wolt; dann er noch in sorgen stund, im möcht ein verdeckt essen fürgetragen [374] werden; alsdann wer weder im noch seiner liebsten junckfrawen geholffen. Diß alles versprach im Walter mit allem fleiß und ernst außzůrichten; dann er wol gedacht, der graff wird kein hand an in legen noch einnichen gewaldt mit ihm brauchen.

Lewfrid aber machet seine rechnung weit anderst; dann er nam im für, durch seltzam practick personlich mit dem graven und seiner tochter zů reden oder grosse gefar darob zů beston. Er aber behielt im semlichen anschlag gar heimlich, so das er auch seinem vertrewten brůder nichs davon sagt. Dann als sie gen Lißbona kummen seind, hat Lewfrid seiner liebsten Angliana einen brieff auff nachvolgende meynung geschrieben:

›Mein grůß, heyl und alle wolfart seind euch zůvor! Mein hertzallerliebste junckfraw, was grossen betriebniß mir mein hinscheiden von euch, meiner liebsten, brocht hat, ist mir gar keines wegs müglich zů beschriben.‹ Aber noch vil mer beschwert mich eüwer hartseliges leben, in welchem ich euch gantz ellendiglich hab verlassen müssen. Dann so offt ich bedocht, mit wie mancherley unfal ir überschüt seind gewesen, hat mir mein hertz in meinem leib geweint; dann ich bin ungezweifelt euch ein hertzliche beschwerniß gewesen. Ist das der, zů dem ir alles vertrewen gesetzt haben, so flüchtig von euch sunder alles urlub gescheiden ist, so ich euch doch zum offtern mol versprochen hab, biß in den todt nit von euch zů weichen, allen unfal williglichen mit euch zů leiden. Demnach hab ich auch mit schweren gedancken zů hertzen genummen, was ir, mein allerliebste junckfraw, zorniger, harter und streflicher wort, derer ir doch vormolen an eüwern gütigen vater nit gewondt, hand hören müssen. Ach, wie beschwerlich seind die eüwerem bekumberten hertzen gewesen, ich gschweig der grossen scham, so ir getragen, so ir bedocht, wie alles hoffgesind jetzund von euch sagen und sprechen: ›Secht zů, wie hat sich unser gnedige junckfraw so wol verheyrat! Jetzund ist sie mit einem verloffnen und hinflüchtigen jüngling, von schlechten eitern erboren, behafft. Wo wirt mer einer ein hohen stands kummen iren begerend, dieweil sie vormals vil dapferer werber hat außgeschlagen!‹ Das und [375] derglichen geschrei habt ir, allerliebste, gwiß zů hertzen genummen, ob es gleichwol nit also ergangen ist. Dann so mir der bott, so von eüwerem herren und vatter zů mir gesant, die rechten worheit bekant, hat worlich alles hofgesind ein hertzlichen bedauren mit uns beiden gehabt, allein der verreterisch bößwicht, so mich understund in dem wald mit seinem spies zů erschiessen, dem dann auch sein verdienter lon darüber worden ist. Nu wer mir semlichs alles begegnet, wo ich nit von dem frummen ewers herr vatters schiltbůben gewarnet, der dann in der harnaschkammer verborgen allen anschlag, so über mich gemacht, von anfang gehört, mich bey nechtlicher weil vor dem schalckhafftigen mörder gewarnet. Do möcht mir der zeit nit mer werden, zů euch, meiner liebsten junckfrawen, zů kummen. Ich můß mich aber gegen euch entschuldigen. Was wird ich und mir für unrot gestifft haben, so ich auff solche trüwe vermanung nit gewichen, do eüwer herr vatter noch inn feürigen zorn gegen mir brennen thet! Wer mir gewiß nit anderst gangen, dann das ich den tod het leiden müssen. Was wer euch dann, liebste junckfraw, geholffen gewessen, dann das ir eüwer übrige zeit in senen und klagen hetten verzeret, so anderst ewer liebe gegen mir ist, als ich euch dann gwißlich vertrew! Darumb, liebste junckfraw, solt ihr mich noch nit anderst meynen gegen euch gesinnet sein dann alwegen. Sind auch des gewiß, das ich auff künfftigen sonnentag personlich bey euch sein will, ewer lieblich angesicht anschawen und weiters euch meinen willen zů verston geben. Ir wert mich aber in verkerter gestalt sehen; dann ich laß mir von grawem hotzen eines waldtbrůders kutten anmachen, ein schön bůchlein einbinden einem so betbůch gleich. In dem werdt ir nach aller leng mein endtliche meynung vernemmen; dann euch zů lassen ist mir nit müglich. Got pfleg ewer, mein allerliebste junckfraw!

Disen brieff nam Lewfrid, versiglet den mit seinem bitschafftring. Demnach schrib er dem graffen auch einen brieff, in welchem er in zům höchsten umb verzeihung bat, demnach zů dem höchsten umb sein geleit danck saget, und daß er gentzlichen willens wer nit mehr für in zů kommen, er het dann zůvor den orden der ritterschafft erlanget. Dise zwen [376] brieff gab er Waltern, sagt im aber nichts von seinem fürnemen, bat in auff das getrewlichest, im sein sachen fleißig außzůrichten, deß dann Walter willig was. Also ritt Walter und sein diener mitt deß graffen botten den nechsten weg des graffen schloß zů.

43. Wie im Lewfrid einen beghartsrock machen ließ

43.
Wie im Lewfrid einen beghartsrock machen ließ und ein künstlichen langen weissen bart, demnach den nechsten in den forst, so des graffen was, reit, sein pferdt bei einem waldtbrůder ston ließ.

Nit lang darnach, als Walter sampt dem botten hinweg was, saumet sich Lewfrid nit lang, ging zů einem gewandschneider, verdinget ein beghartsrock und kappen zů machen von einem wüsten groben grawen hotzentůch. Demnach schawet er im umb einen langen künstlichen venedigischen bart; und als er nun sein bereitschafft bei einander hat, ist er tag und nacht geritten; dann im der weg wol bekant was. Nymmer kam er von seinem pferdt, es were dann sach, das er essen und sein pferdt füteren wolt; kam also in kurtzer zeit in den grossen forst oder wald, so zůnechst bei seines herren schloß lag. In demselbigen wald wonet ein seliger klaußner oder waldtbrůder oder beghart, wie man den nennen will.

Derselbig was vor zeiten des graven vatter liebster diener gewesen, ein freudiger und seer küner held, der in stürmen und schlachten vil umbracht hat. Denselben ward auff ein zeit sein conscientz dermassen nagen und anklagen, das er endtlich meynet, wo er sich nit von der welt absünderen thet, möcht er nymmer selig werden. Kam auff einen tag zů seinem herren, sagt unnd klagt ihm mit weinenden augen sein anligen, wie er gantz beschwerdt wer inn seiner conscientz, dieweil er bedecht, das er so manigen man beleydet, vil erschlagen, [377] witwen und weysen gemacht, wißt er seine sünd inn unnd bey der welt nit abzůlegen; darumb wer sein fürnemen endtlich dohin gericht, von der welt zů gon, in der wildtnüß sich zů erhalten biß an sein end.

Als nun der graff seinen willen verstund, gefiel es im wol, und sagt zů ihm: ›Mein lieber diener, dieweil du des vorhabens bist, wil ich dir fast gern darzů helffen. Dir ist wol wissen, daß ich zwo schöner und reicher apteyen in meiner graffschafft hab, deren beide ept mir gantz angenem sind, ligen auch beide in rauhen und finstern welden. In welche du nun lust hast, magstu mir zů verston geben, will ich dir mit allem willen beholffen sein, damit du zů einem leyenbrůder angenommen würst.‹

Der ritter antwort: ›Gnediger herr, ich bedanck mich zům höchsten ewers gnedigen erbietens. Aber got bewar mich darvor, daß ich in ein kloster gang; dann so ich meynet die, welt zů fliehen, wird ich erst in die mitte hineinkommen. Was ist doch das klosterleben anderst yetzund zů unser zeit, dann das sie in allem überfluß und wollust leben, wie uns dann der hochgelert Bruno von Bamberg in seinem bůch, das er nent den Renner, darumb das er alle stend der welt durchrennet, grüntlich zů verston gibt, in welchem bůch ich von meinem und aller reiter und hoffleut stand wol gelesen, so das mich reüterordens noch hofflebens nit mer glust. So ich mir aber under zweyen eins erwölen solt, wolt ich das hoffleben für das münchisch leben ahnemen, weyß auch, das ich die seligkeyt alsbald und eh zů hoff dann in einem kloster überkommen wolt. Sovil unnd ich umb klosterleut gewont, hab ich nichts mehr bey in funden dann ehrgeitz. Ein yeder wolt gern am brett sein; ist einer procurator oder suprior, gedenckt er von stund an nach dem priorat oder gar apt zů werden. Neid und haß wonet mit hauffen bey in. In summa, was ich in der welt fliehen, wird ich im kloster mit hauffen finden. So mir aber ewer gnad zů meinem fürnemen helffen will, vergunn mir die, in dem grossen forst ein ort zů erwölen und ein hüttlin darinn zů bawen, wie ich mir dann das mit riß und laub wol zů machen weyß.‹

›Wolan,‹ sagt der graff, ›so erwöl dir in dem forst ein [378] gelegen ort! Do will ich verschaffen, das dir ein brůderheußlin und kappellen zů deiner notdurfft und gotsdienst soll gebawen werden. Du solt auch teglich von meinem hoff dein zimliche narung haben.‹ In summa, diß ward also vollendet.

Zů disem brůder kam Lewfrid des nachtes geritten bey hellem und vollem mon; und es was nit weit von mitternacht, als er für die zellen kam. Er klopffet züchtigklichen an. Der brůder aber mocht in nit gehören; dann er was noch an seinem gebett in der capellen. Die stund ein wentzig baß in wald hinein; so stund die zell an einem felsen, darauß sprang ein lustiger brunn. Lewfrid gedacht: ›Ich mag den gůten brůder nit weiter bemühen; ich will weiter in wald hineinreiten zů der kolhütten. Villeicht sind die koler in ihr dorff gangen, so find ich dannocht stallung für mein pferdt und hew, damit es die nacht nit gar über auff leren bauch stohn dörffe.‹ Also trabt er gemachsam durch den wald.

Als er aber nit lang geritten was, sicht er ein hellen glast durch die beum herscheinen, davon er sich nit wenig verwundern ward. ›Nun bin ich,‹ sagt er, ›noch nit bei der kolhütten, was feur oder liecht mir doch hie entgegenschein; so hat mich auch niemans können verrhaten; dann kein mensch weyßt von meinem anschlag. Sind es aber meines herren diener, so vileicht die nacht auff dem gejäd verharren, damit sie des morgens desto früer anbinden, wes soll ich mich do halten? Es möchten villeicht etlich under in sein, so auch ir wartgelt auff mich hetten, damit sie mich erschlagen solten. Nun getrew ichs keinem under in allen. Wolan, es sey im wie es wöll, so můß es doch gewagt sein.‹

44. Wie des jegers geyst zu Lewfriden kompt und sich seer übel gehub

44.
Wie des jegers geyst zů Lewfriden kompt und sich seer übel gehůb, im alle sach grüntlich zů verston gibt, was für ein anschlag vorhanden gewesen, so über in gemacht.

Lewfrid nam seinen weg volles für sich, ließ seinem gaul [379] vollen gewalt, wo er in hintragen wolt. Als er nun dem schein und glast neher kam, fing sein roß fast an zů schnuffen, schnarhen und zittern; es lag im auch der schweiß auff allem seinem leib. So fing dem jüngling auch an der grausen zů thůn; dann die har stigen im zů berg. Er machet das creutz über sich, sagt zů im selb: ›Nun hab ich manche far bestanden zů wasser und land, bin aber dermassen nie geengstiget worden. Es sey was es immer wölle, will ich dannocht in dem namen gots fürfaren.‹ In dem fing sein pferdt an gar zůruck zaufen, stampffet und stalpret fast mit seinen füssen. Lewfrid fasset eines mannes můt, sprach seinen gaul dapffer zů, gab im die sporen, sprenget mit gewalt dem glast und schein zů. Do erhört er gar ein jemerlichs geschrey und klagende stimm, dabey er abnam, das es ein gespenst was.

In dem kam er gantz nahend darzů. Da fieng das gespenst und geyst an und sagt: ›O wee und ach, du theurer jüngling, wie wird ich umb deinentwillen so hart gepeinigt! Weh mir, Lewfrid, das ich dir all meine tag ye übels understund zůzůfügen, dieweil dir niemant sunst widerwertig was dann der graff! Warumb ließ ich in nit selb sein heyl an dir versuchen!‹ Lewfrid sagt: ›Du arme creatur, wer du bist, weyß ich nit; ich möcht dir aber meinethalben wol günnen, das du zů rhůen werst.‹ Lewfrid ward von disem gesicht so verstocket, das er nit mer gedacht des jegers, so in umbracht haben wolt. Darumb fing er ernstlichen an zů fragen: ›Sag mir doch, wer du bist, damit ich die ursach deiner hartsamkeyt verstohn und wiß, warumb du von meinentwegen in disen jamer kommen seyest!‹

Das gespenst antwort und sagt: ›Ach leyder, allerglückseligster jüngling, nit lang ist, do wolt ich durch schenck und gaben, so mir darumb versprochen wurden, dich umbracht haben. Das aber mocht mir nit gerahten, ward also von deinem lewen umbbracht, dieweil ich in einem solich bösen fürnemen was unnd aber mir der weil nit ward, das ich got den allmechtigen umb verzeihung het gebetten. Darumb můß [380] ich ewigklich in solchem ellend bleiben, und mag mich niemant darvor gefristen.‹ Lewfrid, wiewol im unverborgen was, von wem im sollich spil zůgericht, noch dannocht fragt er den geist, von wem er soliche verheissung angenommen. Antwort das gespenst: ›Lewfrid, es ist nit not dir solche ding zů erzalen; dann du deren dingen zůvor gantz sat bericht bist. Ich weyß auch, von wem dir die warnung geschehen, als namlich von dem schildtbůben. Sonst hettest du dich keines argen zů mir versehen.‹ Erst verschwand der geyst mit grossem und jemerlichem geschrey, schlug also die feurflammen von im, das Lewfrid nicht anderst meynet, der gantz wald wird sich entzünden.

In dem sahe er den mon wider durch die beum herglasten, reit also in grossem schrecken für sich. ›Ach got,‹ dacht Lewfrid, ›ist im also, das diser jeger ewig verdampt můß sein, dieweil er in einem solchen bösen fürnemen durch den tod hingenommen, wie wil es dann manchem kriegsman und räuber gon, die keiner anderen sach halben außziehen, dann das sie rauben, brennen, todtschlagen, witwen und weysen machen! Ach, wie mancher stürbt oder würt erschlagen in solcher schweren sünd, das er weder got noch seiner heyligen gedencken thůt. Was bringt sie anderst darzů dann der verflůcht und schandtlich geitz, das dann disen jeger auch dohin gefürt hat! Was sag ich von denselbigen! Es sterben doch leyder vil in iren heuseren am bet; ist nit genůg, das sie ire tag in grossem wůcher, geitz arm leut geschunden und ir gantz leben in solchen lastern hinbracht haben, sonder wann sie jetz durch kranckheit angegriffen werden, gedencken sie wenig, wie sie ir seel artzneyen wöllen, damit sie die ewig freud erlangen. Bald aber můß man lauffen nach dem artzet, der braucht alle seine kunst an dem krancken, damit er den stinckenden körpel mög hie behalten; von demselbigen went der kranck kein aug ab; wohin der artzet goht, sicht im der kranck in alle winckel nach. Kompt aber etwan ein seelenartzet, bringt mit im die recht pflasterbüchs, sagt dem krancken von gedult, von verzeihung, und das er sich jetzund schick, das creütz zů tragen, so im auffgelegt ist, das mag er gar nit hören, went sein haupt von im, fragt wider [381] nach weltlichen geschefften, hebt an zů reden von seinem gůt, kinden und gsind. Ach, wie mancher stürbt also dahin, das er von got nit mag hören reden. Dem verzih got; dann im stat das urtheil zů.‹

In solchen gedancken reit Lewfrid lang in dem wald. Zůletst hort er ein menschliche stim von ferren singen und frölich sein. Lewfrid gedacht: ›Nach disen gedön will ich reitten; mag mir mer kurtzweil geberen dann der armůtselig jeger.‹ Er reit ein kleine weil, so kompt er auff ein getribnen platz und weg, er sicht von weitem die kolhütten. Deß ward er seer fro; dann ihm die nacht fast lang gewesen was.

45. Wie Lewfrid zu den kolern in dem wald kam in finsterer nacht

45.
Wie Lewfrid zů den kolern in dem wald kam in finsterer nacht, wie früntlich sie mit im geredt haben, im alles, was in der rifier von im außgeschollen, sagten.

Lewfrid kam zů den kolern; die waren streng an irer arbeit, sie sungen und waren leichtsinnig. Er sprach in früntlich zů, grůßt und fragt sie, ob er nit die nacht zů vollem über möcht bey in herberg haben. Sie empfiengen ihn seer früntlich und sagten, so er für gůt mit ihn haben, wolten sie gern ir bestes thůn. ›Deß bin ich content,‹ sagt Lewfrid. Er saß von seinem pferd ab; daß namen sie von im, fůrten das in ein hütten, gaben im gersten unnd hew, machten ihm auch eine gůte strewin. Sie fragten Lewfriden, ob er hunger hett, sie wolten ihm zů essen bringen. Er antwort, deß wer er wol zůfriden. Also brachten sie ihm gůt gesaltzen fleysch unnd brot und ein frischen krůg mit bier. Er saß nider und zechet, biß er gantz satt ward, stund darnach bey den kolern, sahe ihn zů, wie sie arbeytteten. Einer under in, ein gůter fatzman, fragt ihn, von wannen er kem und wer im solchen [382] gůten wirt gewisen hett. Leuwfrid, demnach er ein gütiger jüngling was, antwort im schimpfflich: ›Sicher,‹ sagt er, ›es staht zů des wirts gefallen, wie er mich halten wöl. Wann ich aber die warheyt bekennen soll, so bin ich in langem keines wirts nie so fro gewesen; so hatt mir auch speiß unnd tranck seer wol geschmacket.‹

Der, so in also hat angeredt, in zum offternmal ansehen ward, stetigs gedacht: ›Diser jüngling ist gwißlichen Lewfrid nach welchem der graff so ernstlichen fragen laßt. Wißt ich das, ich wolt morgen ein gůtes bottenbrot verdienen und in meinem herren anzeigen.‹ Das mercket Lewfrid mit fleiß, unnd fiel ihm gleich in seinen sinn: ›On allen zweifel sihet mich diser schwetzig vogel nit umbsonst so streng an. Wie wer im, wann er mich morgen verkundtschafft? Dann so wird mein letster anschlag erger dann der erst. Ich will mich an im versuchen, ob er mich kenne oder nicht.‹

Er fing an und sagt: ›Lieben koler, ich bitt euch, sagend mir, wie lang habt ihr jetzund kolen in diser rifier gebrant?‹ Im antwurt einer under ihn: ›Es ist yetzund in die zehen wochen, das mir alle zeit tag und nacht gearbeyt; keiner nie an kein ander bet kommen, dann wie mir sie alhie under den beumen von laub gemacht haben und in unser hütten getragen hand. So ir mit den für gůt nemen wölt, müßt ir die nacht ungeschlaffen sein.‹

›Deß bin ich wol gewont,‹ sagt Lewfrid, ›gůt leben zů haben, wie man gemeinlich sagt, über nacht harvor zů sein. Seind ir so lang in disem wald gewesen, lieber, so sagend mir, ist nit etwan ein junger reuttersman her zů euch kommen selbander und hatt mit im einen lewen gefürt?‹ – ›Sicher nein,‹ sagt der vorig, ›ich hab dich warlich darumb angesehen und nit anders gemeynt, dann du seiest der jüngling gewesen, so an meines herrn hof alweg mit dem lewen gangen. Ich hab mich sein zum theil gefrewt und verhofft, morgen ein gůte schenck von meinem herren zů kriegen, so ich im anzeiget, das du noch in leben werest. Dann seer groß verlangen zů hof nach dem jüngling ist.‹

›Das weyß ich fast wol,‹ sagt Lewfrid, ›dann ich bin auch einer meines gnedigen herren hoffgesind und reit yetzund manchen [383] tag, umb Lewfriden zů suchen, kan aber nichts anderst von im vernemmen; dann verschinen dreien nechten bin ich bei einem glaubwirdigen wirt zů herberg gewesen, derselb hat mir für gantzen glauben gesagt, meines gnedigen herren post sey dritthalben tag vor dem, eh dann ich darkommen sey, bei im zů herberg gewesen und hab Lewfriden brieff von meinem gnedigen herren gon Salamanca bracht, do sey er sampt dem lewen; solichs hab der wirt auß des botten mund für war sagen hören. Ob aber dem also sey, wil ich, eh dann es morgens umb neün uhren wirt, wol erfaren.‹

›Wolan,‹ sagt der koler, ›solt ich mein gůt verwet haben, ich hets daran gesetzt, du werest Lewfrid gewesen.‹ – ›Das nimpt mich nit wunder,‹ sagt Lewfrid, ›dann ich manigmal für in angesprochen worden bin.‹

Also liessen sie alle sach gůt sein, vertriben die nacht zů vollem mit andrem geschwetz. Lewfrid halff in holtz scheitern und tragen, damit ihm die nacht desto kürtzer were. Sobald aber die nacht hinüber und der tag anbrach, schanckt Lewfrid den kolern ein letze, deß sie im seer grossen danck sagten. Also saß er uff sein pferdt, nam urlob von den kolern unnd reit wider zů des waldbrůders zellen.

46. Wie Lewfrid morgens zu dem waldbruder kompt

46.
Wie Lewfrid morgens zů dem waldbrůder kompt, den fand er vor seiner zellen sitzen in dem wald, wie in der brůder empfangen hab.

Gar grosse begird hat Lewfrid, das er zů dem beghart oder waldbrůder keme. Er het auch sein seer gůte kundtschafft; so wußt er auch, das er nit von im außgeschlagen wird. Als er nun zů der zellen kam, fand er den brůder zůnechst darbei an einem lustigen ort bei einem brunnen sitzen. Er grüßt in gar früntlich, hielt auff seinem pferdt ein wenig still. Der brůder dancket im, sahe in gar ernstlichen an, verwundert sich ab seiner zůkunfft, dieweil er von etlichem [384] hoffgesind vernomen hat, wie das er verritten und wißt auch niemant, wo er zů finden wer.

Als er in aber gantz wol erkant, sagt er: ›Lewfrid, mein lieber fründ, bistu es, oder betreugt mich mein gesicht? Ich meyn nit, das du so verwegen seyest, demnach und ich gehört hab, das du dich in meins gnedigen herren land reitest. Bistu aber Lewfrid, darfür ich dich dann halt, so bitt ich, wöllest dich eilens auß dem land machen. Ich sorg, soltest du meinem herren under augen kommen, du möchtest dein leben nit bewaren, es sey dann sach das mein herr eines anderen bedacht sey dann vor einem monat.‹ Lewfrid zog sein gleit, so im der graff under seinem secret zůgeschickt hat, harfür und sagt: ›Reichart, lieber brůder, ich bit, wöllest diß offen geleyt lesen, so mir von meinem herren ist zůgeschickt worden und gon Salamanca bracht worden.‹

Reichardus, alsbald er den brieff gelesen, hat er gesagt: ›Deß freuw ich mich in grundt meins hertzens; dann mich dein hinscheiden seer bekümmert hat. Nun sag mir, bistu schon zů hoff gewesen oder bistu erst willens gon hoff zů reiten?‹ – ›Des bin ich, lieber brůder Reichart, noch unbedacht, kum auch darumb zů dir, das ich hierinn deines rahts pflegen will.‹ – ›So weyß ich dir,‹ sagt der brůder, ›in disem fal gar nicht zů rahten. Wann ich aber deß jetzigen herren sinn und gemüt so wol erkant als seines vatters, so vor lang mit todt abgangen, wolt ich dir wol wissen zů rahten; dann was er mit mund versprach und zůsagt, hielt er gantz getrewlich, wiewol ich von disem auch anderst nie gehört hab. Darzů bistu von jugent auff umb mein gnedigen herren gewesen, darumb du in billich baß dann ich kennen soltest.‹

›Sicher,‹ sagt Lewfrid, ›hab ich in gegen nieman kein gewalt nie brauchen sehen, sonder alzeit als ein frummen und milten herren erkant. Ich aber will mich dannocht nit so gar weit bloß geben, ich habe dann zůvor mit meiner liebsten junckfrawen in eygener person geredt. Wie ich das underston will zůwegen zů bringen, solt du wissen, mein lieber brůder. Ich hab mir zů Lißbona lassen heimlichen machen ein rock, mantel und kappen, auch einen gantz contrefetischen bart, damit ich mich in gleicher gestalt eins einsidels verkleiden mag. [385] Sodann hab ich meiner liebsten junckfrawen zůgeschriben bey meinem lieben und vertrewten brůder Waltern von Salamanca, das ich auff künfftigen sonnentag zůr kirchen sein wölle; aldo werd sie mich in eines begharts oder einsidels gestalt vor der kirchen sehen und persönlich mit mir reden; ich wöll ir auch mit meiner hand ein schönes büchlin presentieren, darin sie beschriben finden wirt mein geburt und gantzes leben biß auff dise gegenwertige zeit, auch was ich mir endtlichen fürgenommen hab weiters zů thůn oder mein leben darob zů verlieren, als namlich das ich ein zeit lang an des künigs hoff dienst suchen, mich dermassen bei dem künig anbringen, also das ich hoff in kurtzer zeit ritter geschlagen zů werden, damit ir vatter nit teglich an mein schlecht herkommen, sonder auch an mein leben und mannliche thaten gedencken thů.‹

Reichart der brůder sagt: ›Lewfrid, lieber fründ, bistu dann des vorhabens, so můstu fleißig mit der sach umbgon, damit dir nit begegne mit dem bůch, als dir mit dem ring und brieff gangen ist, so du meyntest, der junckfrawen solt sollichs werden, das es irem vatter zůhanden kem. Deß ich dann alles gůte erfarnüß hab von einem schildtbůben, so mir teglich mein kost von hoff in disen wald bringt; dann derselbig sagt mir auch in beichtweiß, wie er deines heils ein ursach wer, dich vor dem falschen jeger gewarnet het.‹

›Ach gott,‹ sagt Lewfrid, ›möcht ich disen bůben sehen! Der wirt mir in allem meinem anschlag der allerfürnembst helffer sein.‹ – ›Deß biß getröst,‹ sagt Reichart, ›es sey dann das er in diser nacht verscheiden, so wirt er, eh dann gar zwo stund verschinen sind, bey mir in disem wald sein. Darauff magstu dich wol bedencken, was du mit ihm zů reden so habest.‹

Lewfrid sprach: ›Mein lieber Reichart, was sagt dir doch der bůb in verschinen zweien tagen? Hat er meinen brůder nit zů hoff gesehen?‹ – ›Nein, gar nichts,‹ sagt Reichart, ›dann mir sind in dreyen tagen deinenthalben gar nit zů red worden.‹

›Nun bin ich gantz gewiß,‹ sagt Lewfrid, ›das mein gesell auff dißmal zů hoff ist.‹ Also hatten sie mancherley gesprech mitnander biß auff die zeit, das jetzund der knab mit dem brot kommen solt.

47. Wie der schildtbub mit dem essen kam

[386] 47.
Wie der schildtbůb mit dem essen kam, was grosser freuden der schildtbůb gewann, als er Lewfriden ersehen hatt.

Es was in dem wald eins roßlauffs weit von dem ort, do Reichart sein zellen hat, ein seer hoher stein auff einer glatten seulen. Auff denselbigen ward dem brůder allen morgen sein genante speiß bracht von dem schildtbüben oder einem andern an dem hoff. Der stein was oben gemachet wie ein kasten, darüber mocht man einen anderen dinnen stein decken, damit die vögel und andre gschwinden thier dem brůder inn seinem abwesen die speiß nit mochten hinwegnemen. Dann also was die ordnung, so man den brůder bey dem stein nicht fand, legt der das essen darein, so es dar bracht, ritt demnach widerumb sein straß. Geschahe auch offtermals, das er das essen auff zwen tag zůsammenkommen ließ; so dann, der das essen dar bracht, das alt noch in dem stein fand, nam er dasselbig herauß und stalt das frisch hinein. Solichs geschah allein darumb, das man den brůder an seiner andacht unnd gebett nit verhinderen solt.

Reichart sampt dem jüngling gingen zů dem stein. Lewfrid aber hat auch sein kappen angethon, damit, so ein anderer dann der bůb kem, er nit erkant wird. Sie aber sind nit lang bey gemeltem stein gesessen, do ist der knab mit der speiß kommen. Reichart hatt in seiner gewonheyt nach freundtlich empfangen unnd gefragt, was für new geschrey zů hoff sey. ›Ich hab,‹ sagt der bůb, ›fast gůte bottschafft gehört. Dann ungefohrlich in vier tagen sind meinem herren brieff kommen von dem theuren jüngling Lewfrid, der soll yetz zů Lysabona sein an des künigs hoff. Dann sein geschworner brůder Walter hat mir das alles selb gesagt.‹

›Ach,‹ sagt Reichart, ›mein lieber son, dir habs gesagt, [387] wer da wöll, so sag ich dir für ein gantze warheyt, das er zů Lißbona nit ist, weißt auch kein mensch in Lißbona, war er kommen sey. Des bin ich satt bericht; dann sobald Walter und der bott von Lißbona hinweggeritten sind, ist Lewfrid an dem hoff verloren worden.‹ – ›Ach das erbarm got,‹ sagt der knab, ›so sorg ich, das er durch heimliche practick, so mein herr auff ihn gemacht, villeicht gefangen oder aber gar zů grundt gangen.‹ Fing damit kleglichen an zů weinen.

Als nun Reichart unnd Lewfrid sein getrew hertz gespürt, hatt der brůder angefangen unnd gesagt: ›Die warheyt, lieber son, hab ich dir gentzlichen gesagt. Das im auch also sey, so nim war, hie ist Lewfrid!‹ Damit zog er im die kappen von seinem haupt. Der jung vor freuden nit mehr auff dem pferdt bleiben mocht, erbeisset von stund an zů der erden, empfing Lewfriden mit grossen freuden unnd sagt: ›O Lewfrid, solt mein gnedige junckfrauwe jetzund wissen dich so nahend sein, ich glaub, sie von grossen freuden in ein kranckheyt fallen wird; dann ihr verlangen nach dir ist nit außzůsprechen. Aber sich hatt ihr kummer, so sie gehabt, zům theil in trost verwendet. Dann sobald dein brůder Walther für mein gnedigen herren kommen und mein herr dein brieff verlesen, hatt er denselbigen in dem fůßstapffen mit Walthern, deinem brůder, seiner tochter zůgeschickt, damit sie on allen argwon glaub dich noch in leben sein. Es hat auch Walter mein gnedige junckfraw aller sach bericht, wie ich euch beidsamen bey nechtlicher weil vor dem mörderischen verrähter gewarnet habe, deß mir dann mein junckfraw von der stund an vil gůts bewisen hatt. So ist auch auff den heütigen tag alles hoffgesind in ser grossen freuden; das gantz frawenzimmer ist jetzund in grossem jubilieren, dieweil sie dich wissen noch frisch und gesundt sein. Dann wir alle in gemeiner schar habend von deinentwegen grossen kummer unnd leyd gehabt; jetzund aber wissend sie allsamen dein wolfart.‹

Diser red frewt sich Lewfrid gar fast, gab auch erst dem schreiben, so im von dem graven zůkommen, gentzlich gelauben; jedoch beharret er auff seinem fürhaben, nit eh am hoff zů wonen, er het dann zůvor dem künig etliche zeit an seinem hoff gedienet. Er bat den knaben mit allem fleiß, er solte [388] ihn weder gegen Waltern noch keinem anderen menschen vermelden, damit seinem fürnemen desto stattlicher möchte nachkommen. Das versprach im der bůb, und nachdem es in zeit bedaucht, saß er wider auff sein pferdt, reit gohn hoff; dann es war eben umb die zeit, das man zů hoff zů dem tisch leuten solt, wie dann brauch ist.

48. Wie Lewfrid an einem sonnentag vor der kirchen stund

48.
Wie Lewfrid an einem sonnentag vor der kirchen stund, und wie in Angliana zůhand erkennen thet, ime ein almůsen befalhe zu geben.

Auff nechstkommenden sonnentag vermumbt sich Lewfrid in sein kappen unnd mantel, macht für sich seinen langen bart, ging durch den wald den nechsten dem hoff zů, hat ein groß paternoster in einer handt, in der andern hand ein kleines crucifix auff einem stab. Als er nun an die porten deß vorhoffs kam, ward er on alle rechtfertigung hineingelassen; dann der portner meynet nit anderst, dann es wer Reichart der einsidel. Lewfrid stund für die kirchen, wartet, wann man zůr kirchen gon solt; dann die kirch stund in dem vorhoff. Als es nun umb die zeit ward, kam das hoffgesind nach ordnung einander nach; der graff aber kam dasselb mal nit zůr kirchen, dann er was nit so gar bey im selbs. Es hatt aber Angliana die stund kaum erwarten mögen; sie hat sich gar köstlich angethan, auch allen iren junckfrawen befolhen, ire hochzeitlichen kleider anzůlegen. Darumb ein gemeiner argwon under den junckfrawen ward, Lewfrid wird gen hoff kommen; aber keine under in allen wußt, in welcher gstalt Lewfrid seinen anschlag hat, allein Florina unnd Cordula, denen hatt Angliana alle sachen zů verston geben.

Als man nun zů dein ampt laut, kam Angliana mit ihrem frawenzimmer dahergohn in solicher schönen gestalt, anzůsehen [389] was, als wann ein schar der engeln dahergangen were. Alsbald sie nun für die kirch kummen ist, hatt sie iren liebsten brůder ersehen, der ir dann mit grosser reverentz entgegengangen. Alsbald hat im Angliana ein kostlich kleinot geben sampt einem par händschůch, darinnen auch ein brieff verborgen was. Sie sagt: ›Brůder, ich bitt, wöllest mein bey disem almůssen ingedenck sein.‹ – ›Das seind on zweifel, gnedige junckfraw! Bit auch, eüwer gnad wölle diß betbüchlin von mir in gnaden empfahen und mit flyß durchlesen; dann ir darinn finden werdt, so euch wolgefallen wirt.‹ Also hat die junckfraw das büch empfangen von dem brůder unnd den nechsten ir junckfrawen Florina befolhen zů verwaren. Florina aber unnd Cordula habend nit können für den brůder gen, sie haben ihm durch ir wincken zů verston geben, das sie in erkennen. Aber die anderen junckfrauwen in gemeyn haben sich deß brůders verwundert, wer er doch sein mög oder von wannen er doch käm, das ihr junckfrauw sich sein sovil angenumen. Jedoch ist gmeinlich die red under dem gantzen hoffgesind, es sey brůder Reichart auß dem wald einmol zů hoff kummen.

Demnach nu das ampt auß gewesen ist und man zů tisch gelütet, ist jederman wider auß der kirchen gangen. Hat sich der vilgemelt schiltbůb zů Florina gefügt: ›Ach gnedige junckfrauw,‹ sagt er, ›mag ich nit mit gunst verschaffen, das disem gůten brůder etwas gůts auß der küchi werd? Dann er ist mir seer wol bekant; ist auch nit lang verschinen, ich ihn in einer anderen gestalt sahe.‹ Die junckfrauw verstund deß knaben wort wol, darumb sagt sie: ›Junger, gang hin in die kuche unnd sag zů dem meysterkoch, das er dir gnůgsamme speiß unnd etwaß gůts geb für dich unnd den brůder! Für ihn etwann in ein portstuben und biß frölich mit ihm! Nach dem ihmbiß so kumm zů mir in mein gemach! So will ich dir ein histori anzeigen und geben, welche du dem brůder bringen solt, damit er sein zeit in dem wald kürtzen mag.‹ Diß ward alles nach der junckfrawen befelch außgericht.

Als nun Lewfrid das mal genommen, hatt er dem bůben befolhen, des morgens die histori mit ihm zů bringen, ist demnach in grossen freuden wider zů wald gangen, hatt den brieff, [390] so er von Angliana empfangen hat, gelesen. Darinnen sie im den schiltbůben zům trewlichsten befehlen thet, dieweil er ihn durch sein warnung vor dem todt bewart hett, im auch under andren zů wissen gethon, wie Walter in so grossen ehren bey dem graffen gehalten wirt. Sie bat ihn auch, wann er hinwegscheiden wolt, das er zůvor wider in seiner angenommen kleydung zů hoff kommen, damit er von ihrem vatter auch gesehen wird; semlichs möcht ihm über nacht zů grossem statten kommen. Diß alles thet Angliana auff ein sonderen list; dann sie verhoffet, dardurch Lewfriden an dem hoff zů behalten. Aber es war umbsonst; dann er einmal dem versprechen unnd zůschreiben, so er dem graffen gethon, nachkommen wolt.

49. Wie Angliana nach Waltern schicken thut, im alle sachen offenbaren

49.
Wie Angliana nach Waltern schicken thůt, im alle sachen offenbaren, wie Lewfrid vorhanden, auch was sie inn eygener person mit im geredt hab.

Lewfrid war jetzund wider bei seinem freund und vertreweten brůder in dem wald. Angliana hat fleißiges nachgedencken, durch was mittel sie zůwegen bringen möcht, daß Lewfrid von seinem fürnemen abstünd, als das er nit wider von ir verreiten solt, sonder an dem hoff bleiben; dann sein hinscheiden was ir gantz beschwerlich.

Alsbald sie von dem tisch auffgestanden, hat sie nach Waltern geschickt, das er unverzogenlichen zů ihr keme. Walther ist der junckfrawen befelch gehorsam gewesen, eilens zů ir kommen. Angliana hat ihn gar früntlich und mit grossen freuden empfangen und mit lachendem mund also zů ihm geredt: ›O Walter,‹ sagt sie, ›so du auff den heütigen tag bey mir gewesen werest, du hettest deinen lieben brůder Lewfriden in eygener person gesehen und mit im reden mögen.‹ Walter sagt: ›Gnedige junckfraw, das kan ich gar nicht verston, [391] wie ir es gemeynen. Dann ich ye nicht meyn noch gedenck, das Lewfrid so nahend kommen sey und sich vor mir verborgen haben; dann wo ein semlichs geschehen wer, wird michs nit wenig an in verschmohen.‹ Darauff antwort Angliana: ›Diß solt du, mein lieber Walter, in keinen weg gedencken auß mißtrawen oder auß argem geschehen sein. Das Lewfrid mit mir geredt, ist in verborgener und verenderter gestalt geschehen. Dann er mit mir geredt vor allen meinen junckfrauwen, aber keine under allen ihn erkant hatt; dann er in eines waldbrůders kleydung heut zů hoff ist gewesen. Das er sich aber vor dir verhalten, ist darumb geschehen, das er gesorgt hat, du wirdest entweders so gar erschrocken oder so gar frölich worden sein, das an diner geberd abzůnemmen wer gewesen, das Lewfrid in diser verborgnen kleidung stackte. Er aber hat mir ernstlich verschriben, das du auff den mornigen tag mit dem schiltbůben zů ihm kummen solt. Dann der bůb weyßt das ort wol, do sich dein brůder auff dißmol halten thůt, als namlich bey Rycharten, dem waltbrůder im forst.‹

Do diß Walter von der junckfrawen vernam, von freüd und angst gieng ihm sein har gen berg, wiewol er kein sorg deß graven halben mer haben dorfft. Dann er teglich umb den graven was und aber anders nichs von ihm marckte, dann allein das er ein gůten willen und hertz zů Lewfriden trůg.

Er aber sorget, wo der graff innen wird, das Lewfrid in solicher verkleidung an hoff kummen wer unnd aber ihm auff sein schreiben so gar abgeschlagen het zů kummen, der graff möcht ihm das zů grossem argen und üblen auffnemen und vilicht gedencken, Lewfrid het etwas heimlicher practic auff in gemacht. ›O gnedige junckfraw,‹ sagt Walter, ›dieweil Lewfrid willens gewesen ist här zů kummen, warumb ist er dann nit mit uns geritten, dieweil im mein gnediger herr so früntlich zůgeschriben und sicher geleit zůgesagt hat? Ach, was gedenckt er doch? Mit seiner weiß solt er mich auch gegen meinem herren in argwon bringen, als wann ich auch in keinem gůten härkummen wer.‹

Darauff sagt Angliana: ›Lieber Walter, biß in dem allem zůfriden! Dann ich hab ein weg vorhanden, dardurch wir allesammen [392] wider zů friden und rhůen kummen wend, wo mir anderst Lewfrid und du volgen wöllend. Aber vor allem dingen můstu dich zů Lewfriden fügen und ihm sagen, das er gedenck und nicht hinwegscheid, er habe dann zůvor, wie ich im befohlen, sich meinem vatter in semlicher kleidung lassen sehen.‹ – Also macht Walter seinen abscheid und versprach der junckfrawen Angliana eigentlich, uff den mornigen tag Lewfriden in dem wald zů suchen, ging mit urlob von ir, den schildtbůben suchend, machet auch sein entlichen bescheid mit im, das er morgens sonder alle geselschafft mit im zů Lewfriden reitten wolt, wie dann des morgens geschah.

50. Wie der schildtbub und Walter des morgens zu Lewfriden in dem wald kommen

50.
Wie der schildtbůb und Walter des morgens zů Lewfriden in dem wald kommen, was sie mit einander geredt haben.

Sobald nun der schildtbůb von Waltern verstanden, das im Angliana alle sachen geöffnet hat, ist er sein zůfriden gewesen und hat von stund an speiß und tranck gnůgsam zůwegen bracht für Reicharten und Lewfriden, damit sie morgens ungehindert in wald reitten möchten und dest früer auff sein. Als sie nun iren bescheidt gemacht, sind sie zů bett nidergangen und die nacht on alle sorg geschlaffen. Des morgens, alsbald der tag anbrach und die porten geöffnet, sind sie eilens dem wald zů geritten, Reicharten in seiner zellen an dem gebett funden, Lewfrid aber in einem hauffen laub und graß, so er im selb zůsammengeraspelt, funden schlaffen. Alsbald ist Walter zů ihm gangen, mit einem fůß in sein seitten gestossen und gesagt: ›Einem waldbrůder gezimpt nit also lang zů schlaffen; er solt vor lang an seinem gebett sein.‹

Lewfrid erkant zůstund die stimm seines gesellen, er wuscht uff in grosser scham und schrecken, dieweil er nit meinet, das [393] Walter seines heimlichen anschlags wissens trůg. Er sagt mit gantz demütiger stimm: ›O Walter, mein allerliebster brůder, ich bitt dich, du wöllest mir nit verargen, das ich mich also vor dir verborgen und heimlich erhalten hab. Dann warlich ist das in keiner untrew geschehen; dann ich alle freundtschafft und brüderlicher trew an dir gespürt hab. Diß aber ist allein darumb geschehen, das ich gesorgt, wo du mein fürnemen zůvor soltest gewißt, du wirdest mir nit gestatt haben, dem also nachzůkommen. Weyß auch, so du mich erkant hettest, als du vergangnen sontag mit dem hoffgesind bist für mich gezogen, du werest in allergrösten sorgen und engsten gewesen; derhalben ich dich gar nit hab bekümmern wöllen. Ich bitt dich aber früntlich, sag mir doch, von wem bin ich dir verkundtschafft worden.‹

Antwort Walter: ›Mich hat warlich, Lewfrid, nit wenig bekümmert, das du dich also heimlich vor mir verstolen hast. Wie ich aber solchs umb dich verschuldet hab, ist mir nit zů wissen. Mir wer auch dein zůkunfft noch verborgen, so ich das nit von Angliana erfaren het, die mir das auff den gestrigen tag geoffnet hat. Hastu nit gesorgt, dich möcht jemans gegen dem graffen verkundtschafft haben? Was meynest du, das er darauß gedacht oder genommen haben würt, dann das du im heimlichen nachstaltest? So müßt ich unschuldiger gwißlichen auch darob gelitten haben, dieweil ich andere brieff von dir bracht het, die dann deinem jetzigen wesen gar ungleich lautend, ja gewiß keinem ding so gleich sehen, als wann wir verrähterstuck hetten treiben wöllen. Derhalben ich mich billich über dich hab zů beklagen, würst mich auch nimmermer zůfriden setzen, es sey dann sach das du dich dem graffen zů erkennen gebest. Bistu mir noch in alter deiner trew und fründschafft verwant, so gewer mich des einigen, so ich dich bitten und an dich begeren will! Das ist namlich das erst, so dann Angliana auch an dich begeren thůt, als das du in deinem einsidelskleid gen hoff kommest, selb mit dem graffen sprach haltest und dich im gebst zů erkennen. Alsdann wird aller argwon bey im erlöschen.‹

›Das will mir nit gebüren,‹ sagt Lewfrid, ›und ob mich gleich mein herr gar nit mer hasset und mir laut seins schreibens [394] gar verzigen, so můß ich dannocht meinem brieff, so ich im zůgeschickt hab, statt thůn.‹ Darauff sagt Walter: ›Du hast im warlich fein stat gethon, dieweil du am sontag zů hoff gewesen bist, mit deiner junckfrawen in eygener person geredt. Wie wiltu das, wo es der graff erfaren wirt, verantworten? Nun darffest du dich doch glat nit vor im besorgen. Ich bin von dem tag an, als ich im deine schrifften geantwort hab, teglich umb in gewesen, alle zeit an seiner tafel sitzen müssen. Do wirt kein imbiß hinbracht, das er dein nit zům früntlichsten gedencket, ist auch noch in willen mich nach dir gon Lißbona zů senden. So du aber überein deinem versprechen thůn wilt, magstu dich in deiner kappen und verstelten kleidung zů dem graffen thůn, in erstlich umb verzeihung bitten, darnach im dein fürnemmen müntlich zů verston geben. Darbei wirt er wol abnemen, das du im nit mer mißtrawest, sunder seinem schreiben glauben geben habest. Alsdann zeig im an, du habest dise frembde kleidung allein darumb angezogen, damit du von dem hofgesind nit erkant wirdest und aber dannocht mit im in eygner person reden. Diß wirt dir gwißlichen grossen gunst bei im erlangen, und magst auch dester sicherer und mit mer frid und freuden an des künigs hoff wonen.‹

Diser raht gefiel Lewfriden nit übel, nam im auch gentzlich für, dem also nachzůkommen. Jedoch sagt er: ›Walter, auff dein vertrewen will ich deinem raht volgen, doch mit dem geding, das du zůvor dem graffen mein zůkunfft ansagest, dabey gantz vleißig warnemest, was er hierzů antworten wölle, was er für ein farb in seinem angesicht überkum, wie im seine augen im haupt schinen, ob er seine zeen nicht zůsamendruck und ein unbleiblichen stand annem. Gibt er dir antwort auß grossem zornigem hertzen, wirt in seinem angesicht gantz feurrot und bald darauff wider bleich, ist es ein zeichen verborgens zorns. Oder so er seine augen in dem haupt hin und wider wendet, mit seinen füssen stalpret unnd mit den henden zittert, soltu gewiß sein, das er seinen zorn noch harter dann nie gegen mir tragen thůt. Wo du dann dise zeichen an im warnimpst, soltu dich nit lang zů hoff saumen, sunder bereit auffsein sampt deinem diener und zů mir herkommen; wend [395] wir uns gleich bey nacht auffmachen und von hinnen reiten. Der mon ist jetzund in dem durchschein; so weyß ich weg und straß, damit uns niemant nachspüren mag, und mügen auß dem land kommen on menigklichs irrung.‹

Also ward diser anschlag von beiden jünglingen beschlossen. Walter reit wider gon hoff, und sobald er mocht, füget er sich zů dem graffen, erzalt im alles, so im Lewfrid befolen hat, nam mit fleiß aller ding war, ob er einich zeichen des zorns an im spüren möcht. Do aber was kein zorn mer, sonder alle freud. Dann sobald der graff vernam, das Lewfrid des mornigen tags gen hoff kommen solt, befalh er ein herrliche malzeit zů bereitten, verkündet das auch seiner tochter Angliana; dann im was noch nit bewißt, das Lewfrid zů hoff gewesen was. Als nun Walter solchen gůten willen an dem graffen spüret, schicket er von stund an Lewfriden botschafft beim schiltbůben, das er sich nit saumet und deß morgens gon hoff kem; dann alle sachen stunden gantz wol und recht.

Als Lewfrid diß vernam, ward er wol zů můt, erwartet mit freuden des künfftigen tags, an dem er sein liebste Angliana widersehen solt.

51. Wie Lewfrid zu dem graffen kam in einsidelsgestalt

51.
Wie Lewfrid zů dem graffen kam in einsidelsgestalt, und wie in der graff in sein gemach, mit im füret.

Deß morgens frü stund Lewfrid uff, nam urlob von seinem mitbrůder, dem einsidel; der wünschet im vil glücks zů seinem fürnemen, auch das er einen gnedigen herren haben möcht. Also macht sich Lewfrid eilens uff und kam für die porten, eh dann sie geöffnet ward. Er saß darvor, biß sie auffgienge. Do zoh er hinein, ging in die kirchen und wartet, wann sein brůder Walter kommen thet; dann er mit im dermassen abgeredt hatt, das er sein in der kirchen warten wolt.

[396] Es verging nit lang, Walter und der schiltbůb kamen mitnander. Sie waren seiner zůkunfft seer fro. Walter sagt im alles das, so er von dem graffen gehört hat. Davon gewan Lewfrid nit ein kleinen trost. In solcher weil stund der graff auch auff, legt sein gewand an, lag demnach an einem laden in seinem gemach, horte dem gesang der vögel zů, davon er sich dann größlich erlustiget. Der schiltbůb aber hatt den graffen an dem fenster ersehen, sagt das den beyden junglingen an. Walter saumet sich nit lang, füget sich für des graffen gemach, klopffet gantz seüberlichen an. Des graffen kammerbůb schloß zůhand das vordergemach auff, fraget Waltern, was sein geschefft wer. Walther sagt: ›Ist mein herr auff, so wöllest mich im ansagen; dann ich hab etwas nötigs bei ir gnaden außzůrichten.‹ Der knab saget es dem graffen.

Sobald er nun Waltern ersehen hat, gedacht er im von stund an, Lewfrid wer vorhanden. Walter thet dem graffen sein reverentz, wunscht im ein glückseligen morgen. Der graff dancket im gar früntlich, fragt in und sagt: ›Walter, was bedeutet dein frües anklopffen? Sag, ist etwas newes vorhanden?‹ – ›Gnediger herr,‹ sagt Walter, ›der einsidel, von dem ich ewer gnaden auff den gestrigen tag gesagt hab, der ist schon vorhanden.‹ – ›Das hör ich gern,‹ sagt der graff, ›sag mir, Walter, wo ist er?‹ – ›Gnediger herr,‹ sagt Walter, ›er sitzt in der kirchen und wartet, was im ewer gnad für ein bescheydt geben wölle.‹ – ›So gang hin,‹ sagt der graff, ›und sag im, das er zů mir hinden an meinem gemach in den garten komme! Da wend wir uns nach aller notdurfft mitnander ersprachen.‹ – ›Das soll eilens geschehen,‹ sagt Walther. Er ging eilens hin zů Lewfriden, sagt im des graffen befelch.

Lewfrid fügt sich von stund an in den garten, do fand er seinen herren gantz einig sonder alle diener. Lewfrid fiel dem graffen zů fůß und sagt: ›Ach gnediger lieber herr mein, ich armer diener bit euwer gnad durch gott, mir zů verzihen; dann ich gar größlichen wider euch gesündiget hab.‹

Der graff sagt: ›Lewfrid, stand auff und biß getrost! Dir ist alles vergeben, so du je wider mich gethon hast, wiewol ich dir solchs nie vertrewt hab. Dieweil aber das gelück dir dermassen so gar günstig ist, kan ich je nit darwider fechten. [397] Ich sihe, das alle menschlichen ratschleg wider den willen des allmechtigen nichts vermögen außzůrichten. Darumb so laß ich es alles faren, und wirt jetz nichts nöters sein, dann das wir ratschlagen, wie doch der sachen zů begegnen sey, damit ich dannocht nit von anderen rittern unnd graven getadlet werd. So wer mein erster raht unnd entliche meynung, du zügest an des künigs hoff und beklagtest dich meiner ungnaden. So weyß ich den künig dir dermassen so günstig und genedig, das er nit lassen wirt und mir eylens zůschreiben, das ich dich in gnaden auffneme. Sodann mag ich mich gegen menigklich entschuldigen und sagen: Der künig hat es also mit mir geschaffet, den hab ich je nit dörffen erzürnen. So du aber ein geschicktern und füglichen weg weyßt, magstu mir denselbigen anzeigen.‹

Lewfrid sagt: ›Gnediger herr, ich bit, eüwer gnad wöll mir nit verargen und mir vergünnen zů reden. Ich hab mir gentzlichen fürgenummen, dem künig ein zeit lang zů dienen, damit ich in ritterlichen thaten auch etwas geübt und erfaren werd. Ich bin bericht worden von etlichen des künigs hoffgesind, wie das der künig etlich reysiger mustern werd, dieselbigen dem künig auß Castilien zů schicken; dann er gar gewaltiklich von dem auß Gallitien überzogen wirt. So dann semliche reyß fürgon solt, wer es gar ein gelegene sach für mich. Ich wolt mich auch für ein reisigen lassen bestellen unnd mich dermassen underston in den handel zů schicken, das ich nicht kleine ehr und rhům darvonbringen wolt. Welchs ist mein entliches vorhaben, will und meynung, wird auch sunst kein rů haben weder tag noch nacht, meinem willen sey dann ein genügen geschehen. Damit mag ich mich vor affterred bewaren, das nit etwann meiner mißgünstigen einer sagen möcht: Was hat doch Lewfrid gesehen, in welichen scharmützel oder schlacht ist er gewesen, und bricht sich dannocht so hoch harfür! Diß zů fürkummen, weyß ich mir kein gewisseren weg, dann wie ich eüwer gnaden erzalt.‹

Solche meynung, so Lewfrid vor im hat, gefiel dem graven auß der massen wol, sagt auch Lewfriden zů, in auff das best mit roß und mit harnasch zů versehen, im auch einen bůben zů geben, damit im sein bstallung bey dem künig gebessert [398] würde. Wie sie also in dem garten in die zwo stund bey einander gewesen, fürt der graff Lewfriden mit im in sein gemach, gab im andere kleidung, hieß in den kotzen von im legen. Jedoch erfůr er zůvor von ihm, was ihn doch in sollich kleyd zů schlieffen verursachet hat, das alles im Lewfrid nach der lenge erzalet.

52. Wie Lewfrid mit dem graven zum imbis geht

52.
Wie Lewfrid mit dem graven zům imbis geht, darab sich alles hoffgesind größlichen verwundern thůt.

Als nun Lewfrid und der graff lang gnůg mittnander gespracht hatten und es jetzund umb den imbiß worden ist, hat mann die hoffglocken angezogen; meniglich zů hoff kummen, ein jeder an sein verordnete dafel gesessen. Der graff aber Lewfriden und Waltern mit im inn den großen saal bracht hatt. Darab sich alles hoffgesind größlichen verwundern thet; dann niemans wußt, wie oder wann Lewfrid zů hoff kummen wer, wiewol ihm niemans under allem hoffgesind des glücks vergünnet, sonder grosse freud ab seiner zůkunfft hatten.

Als man nun das wasser genommen und zů tisch gesessen, hat man das essen angetragen. Der imbiß ward mit lust unnd freuden volbracht, und was Lewfriden schon aller sein unmůt verschwunden; allein mangelt im, das er sein liebe Angliana nit bey im an dem tisch haben mocht. Jedoch thet er in keinen weg desgleichen, sonder erzeygt sich mit weiß und geberd gantz frölichen. Nit minder freud hat Walter, das er sahe seinen liebsten brůder unnd gesellen bey seinem herren an seinem tisch sitzen, so er doch ein sollichs gantz unmüglich geschetzt hatt.

Nun was es jetzund eben in dem halben imbiß, so kompt ein künigische post eilens reitend, ein brieff in der hand füren. Sobald er nun von seinem pferdt gestanden, ist er eilens in den grossen saal gangen, dem graffen den brieff von dem künig geantwort. Des inhalt was, das der graff unverzogenlichen [399] in dreyzehen tagen an des künigs hoff erscheinen solt und sich auch mit aller nodturfft, so im von nöten were, versehen, als namlich mit harnasch und wehr, so best er möcht; dann des künigs meynung was, in (den graffen) zů einem obersten zů machen über sein reysigen zeug. ›Auf mein trew,‹ sagt der graff, ›Lewfrid, mich duncket, wir haben den krieg schon vor der thüren. Darumb laß dich nur nit seer darin belangen! Ich gedenck, wir sollen sein all genůg überkommen.‹ – ›Das frewet mich in meinem hertzen,‹ sagt Lewfrid, ›es sagt mir auch mein eygen hertz, mir werd gentzlich inn künfftigem krieg gelingen.‹

Nun was junckfrawen Angliana gantz nichts darvon zů wissen, das der jüngling vorhanden und mit ihrem vatter zů tisch seß. So het ir semlich der schildtbůb gern zů wissen gethon, er kundt aber der zeit nit weichen. Alsbald aber jetzund das mal vollendet was und die tafeln auffgehaben, der schiltbůb mit grösten freuden zů der junckfrawen kommen ist, daß bottenbrot an sie begeret, ir auch alles, so sich verloffen hat, zů wissen gethon. Davon ir hertz in unmeßlichen freuden sich erhebt, hat dem bůben ein reiches bottenbrot gegeben, des er dann auch wol zů můt ward. Also hat sich Angliana an ein fenster gestelt, do sie gewißt, das ir vatter mit dem jüngling fürgon werde, das dann bald geschehen ist. Bey unnd neben ir sind gestanden ihre junckfrawen und zů allernechst Florina und Cassandra.

Als nun der graff sampt seinen dienern auß dem sal gangen unnd Lewfrid zůnechst bey ihm, hatt Angliana gesagt: ›Liebe Florina, sag mir, wer ist der schon jüngling, so mit meinem vatter auß dem saal goht?‹ Florina, die sein vormals nit wargenommen, hat jetzund Leuwfriden erstmals ersehen, von freuden gentzlich inn ihrem angesicht erröttet unnd gesagt: ›O junckfraw, jetzund mügend ir wol frölicher sein, dann junckfrauw auff erden je ward. Dann ihr seind gantz sicher, das Lewfrid in allen gnaden bei ewerem herren und vatter ist. Jetzund bedörffend ihr niemans mehr, der euch tröste, dieweil ewer trost wieder zů gnaden kommen und on alle sorg an dem hoff wonen darff.‹

›Nun wißt ich gern,‹ sagt Angliana, ›wie doch die sach [400] zůgangen unnd wer die ding so bald gehandelt het. Dann ich weyß, das Lewfrid am nechstverschinenen sontag des noch gar nit gesinnet gewesen ist; sunst het er sich in die scheützlich kleidung nit verstellen dörffen. Wolan, ich weyß die sach wol an Walthern zů erfaren.‹

53. Wie Angliana mit iren junckfrawen in den garten spatzieren ging

53.
Wie Angliana mit iren junckfrawen in den garten spatzieren ging; der graff sampt Lewfriden und Waltern auch in den garten kam, seiner tochter den brieff, so ihm von dem künig zůkommen, zů lesen gab.

Angliana gedacht in ir selb: ›Wie magstu doch mit glimpff zů dem jüngling kummen?‹ Sie nam ire zwo liebsten junckfrawen Florinam und Cassandram, gieng hinden zů irem gemach hinauß in den garten; dann sie wol wußt, nit lang stan wird, ihr vatter nach seiner gewonheit wirt auch in den garten kummen, das dann auch geschah. Sobald nun der graff sein tochter ersehen, hat er sich zů Lewfriden und seinem gesellen gewendt und mit lachenden mund gesagt: ›Fürwar, Lewfrid, du hast ein gůten botten, der dir so schnel postiert hat.‹ Lewfrid gantz schamrot dem graven antwurt und sagt: ›Gnediger herr, ich weyß sicher von nichts.‹

Damit ist der graff zů seiner tochter kummen. ›Angliana,‹ sagt er, ›du bist warlich eines klůgen verstands. Dann ich erst wolt Waltern nach dir geschickt haben, so bistu vor mir in dem garten. Ich kan dir, liebe tochter, nit verhalten die botschafft, so mir von dem künig kummen ist. Darumb so wöllest disen brieff selb lesen und mir darnach auff mein frag dein gůtbeduncken zů verston geben.‹ Angliana empfing den brieff von irem vatter, lase den biß zům end, davon sie nit wenig betrübt ward und fing gar kleglichen an zů weinen, dieweil sie wol bedencken kund, das ir vatter ein alt betagt man was, des kriegs nit mer geübt, sunder gůter [401] rhů gewonet. So wußt sie auch wol, das Lewfrid nit lassen wird mit irem vatter zů ziehen; derhalben ir zwifach sorg und leyd zůhanden gieng.

›Liebe tochter,‹ sagt der graff, ›ich bit, wöllest deinen gůten und kintlichen raht mit mir teylen. Du sihst, wie ich gefaßt bin. Mein jungen und frölichen tag sind dohin, ich wird nit mer stercker, sunder alle zeit schwecher; dann es ist mit mir weit über mittentag. Noch dannocht wil mir gebüren meinem herren, dem künig, gehorsam zů sein. Ich bin auch gantz vertrewens zů im, er werde mich nit mit schwereren last beschweren. So vertröste ich mich auff Lewfriden, der ist jung, frech unnd starck; den wil ich mir zů meinem leib vorbehalten, das er allein auff mich warten soll. Darauff, liebe tochter, wöllest mir dein gůtbeduncken auch zů verston geben.‹

Angliana, welche vor jamer nit reden noch irem vatter antwurt geben kund, zůletst sich aber erholen thet, anfing und sprach: ›O mein hertzliebster herr und vatter, mir ist in sollichem fal nit müglich wenig oder vil zů rahten. Dann ich weyß wol, wann ich euch schon meines hertzen willen und meynung zů verston gib, also das ich euch raht doheim zů beleiben (das mir dann die allergröst freud auff erden wer), so weyß ich, das ir mir des orts nit volgen. Solt ich euch dann rahten, in den krieg zů ziehen und des künigs gebotten gehorsam zů sein, will mir noch vil weniger unnd gar nit gebüren. Darumb, hertzlieber herr und vatter, will ich gott alles mein anligen empfohlen haben, in auß grund meines hertzens bitten, euch in alle weg zů bewaren. Gott wolt, mir müglich were disen krieg zů wenden, damit ir, mein liebster herr und vatter, in ewerem land bleiben möchten, auch ander vil zů rhů und frid weren, vil witwen und weysen unbeleidet bleiben! Das wer mein höchste freud auff erden.‹

Antwort der graff: ›O Angliana, mein liebe tochter, mir zweifelt gar nit, dein hertz unnd mund reden gleich. Jedoch bin ich sonder zweifel, das dich noch eine sach nit wenig betrübt, wiewol du mir die nit entdecket hast. Ich aber weyß, das dich nit wenig betrübt der abscheid Lewfrids, dieweil du gehört hast, das ich in mit mir nemmen und für meinen lieutenant [402] haben wil. Das aber soll dich gar nit beschweren; dann ich bin gůter hoffnung, alle sein wolfart stand in disem krieg. Wo er sich anderst ritterlicher sachen (deß ich nit zweifel) annemen thůt, so mag er jetzund am füglichsten den orden der ritterschafft erlangen. Alsdann wirt mir dest minder verwißlich sein, das ich dich ime zů einem weib geben hab. Wer wolt darnach nit sagen, Lewfrid het mit seiner hand unnd nit durch gunst den orden der ritterschafft erlanget, darvon er dich dann billich zů weib haben solt.‹

Als nun die junckfraw Angliana dise wort von irem vatter vernam, gedacht sie wol, das im nit anderst wer, dann wie ihr herr und vatter gesagt hatt, sprach also: ›Dieweil es dann, mein allerliebster herr unnd vatter, keinen andren weg haben mag, wolan so můß ich auß einer solichen not ein tugend machen. Bit euch aber umb aller liebe willen, ihr wöllend euch auff das allerbest verwaren unnd dem glück nit zů vil vertrauwen; dann es sich zů vilmalen seer freüntlich erzeiget, hat aber hinder im – tausentfeltige far verborgen.‹ Dise und derengleichen gesprech hat der graff mit seiner tochter.

Als aber nun Angliana zeit daucht, nam sie urlob von irem herren vattern und gieng sampt iren beiden junckfrawen in ihr gemach zům theil betrübt unnd zům theil frölich, als sie jetzund ungezweifelt erkant, das ir liebster Lewfrid bey ihrem vatter in höchsten gnaden was.

54. Wie der graff sein gantzen hoff zusamenrüffen ließ

54.
Wie der graff sein gantzen hoff zůsamenrüffen ließ, inen sein vorgenomen reyß zů wissen thůt, dabey in allen gar befilcht, sich auffs förderlichst zů rüsten, und wie Angliana dem Lewfriden ein lybery gibt.

Deß andern tags gab der graff befelch, das man alles sein hoffgesind, sie weren gleich vom adel oder nicht, zůsammenberüffen solt. Das ward nach seinem willen eillens volnzogen. Als sie nun gemeinlich beynander waren, ließ er den küniglichen brieff vor ihn allensammen lesen, sie demnach auff das früntlichest ermanet, damit sich ein jeder nach dem [403] besten gerüst machet, damit er bey dem künig nit als ein hinleßiger möcht angesehen werden. Sagt auch darbey, welichen am roß, harnasch oder anderem zeüg abgangen wer, der solt das dem rüstmeister anzeigen, damit er nach dem besten möcht versehen werden.

Dise bottschafft vernamen sie allzůmal mit grossen freuden; dann ir jeder meynet ehr und gůt in disem zug zů bekommen. Der graff ließ alles sein hoffgesind von fůß auff new kleyden mit einer gleichen farben und lyberey. Angliana aber sticket ihrem vatter, desgleichen Lewfriden einem yeden ein schöne libery von perlen und gold seer künstlich.

Als die nun gearbeit was, schicket sie nach Lewfriden, gab im die beiden libereyen und sagt: ›Nimm hin, mein theurer jüngling, von mir dise liberey, die eine für dich, die ander für meinen lieben herren und vatter. Du aber wöllest bey der deinen mein zů aller stund und zeiten eingedenck sein, dich desto mannlicher und ritterlicher beweisen, darneben auch gewarsamlich handlen, keinen kleinen feind verachten; dann zů vilmalen geschicht, das ein kleiner einen grossen und gewaltigen überwindet, wie ich das in vilen alten historien find. Ich bit dich auch, liebster Lewfrid, wöllest ein getrewes uffsehens auff meinen herren und vatter haben, damit im nichts args widerfaren thü. Dir ist sein alter und schwacheit unverborgen, darumb wöllest dir in befolhen lassen sein. Ich wünsch auch nicht mer, dann das ich meinen vatter in diser libery unnd kleidung widersehen mög, und das du, mein liebster Lewfrid, den orden der ritterschafft in der deinen erlangest und mir die als ein strenger ritter wider zů gesicht bringest. Ach, wie möcht mir inn disem zeitlichen leben mehr freud und glücks zůhanden gon!‹

›Allerliebste junckfraw,‹ sagt Lewfrid, ›mit grossen freuden hab ich dise ewere gab von euch empfangen, versprich euch auch bey der hertzlichen und grossen liebe, so ich nun lang zů euch getragen habe, euch nit mehr under augen zů kommen, so mir anders verreiten, als ich guter hoffnung bin, ich habe dann des gůte unnd warhafftige zeugnüß, das ich eine [404] oder mehr dapfferer unnd ritterlicher stuck begangen hab. Hoff mich auch bey euwerem vatter dermassen verdient zů machen, das er mir selb bey dem künig umb den orden der ritterschafft werben sol.‹ – ›Das wöll gott,‹ sagt Angliana, ›dann also was auch unser erst fürnemen und unser letster abscheidt.‹

Nachdem sie nun etlich stund mit seer früntlichem gesprech bei einander verharret hatten, Leuwfriden zeit daucht, nam er ein früntlich urlob von seiner liebsten junckfrauwen, damit er sich auch nach notdurfft versehen möcht. Kam also zů seinem herren, dem graffen, bracht ihm die libery von seiner tochter. Davon der graff nit wenig freud nam; er schicket auch nach seinem rüstmeister, befalhe im, Leuwfriden in aller maß mit roß, harnasch und wehr zů versehen, wie er in eigner person reitten wolt. Diß alles ward nach deß graffen befelch außgericht. Also macht sich alles sein volck in wenig tagen gar wol gerüst, so das kein fürst sollicher maß mit wolgerüstem unnd baß geordnetem volck an des künigs hoff erschinen thet. Davon er dann von andren graffen und herren hoch geprisen ward; sie günneten im auch wol der ehren, das er ein oberster über die reysigen sein solt.

55. Wie der graff mit seinem volck hinweg scheid

55.
Wie der graff mit seinem volck hinweg scheid, wie Lewfrid sein liebste Angliana in grossem leyd hinder im verlaßt, dann sie seer krank ward, und wie Walter zů hoff bleib, seinem vatter ein bottschafft zůschickt.

Als nun die zeit verliff und der tag sich nehert, das jederman zů Lißbona solt erschinen, hat der graff auff einen bestimpten tag in seinem land lassen umblasen, das meniglich, so in die reyß verordnet was, solt erscheinen an seinem hoff. Do ist kein hindersehens gewesen, sonder alle gar auff bestimpte zeit auff einen tag zů hoff geritten kommen. Aldo [405] hat der graff ein fürstlich malzeit gehalten, alle burger früntlich geladen und sich mit in geletzt, darbey gebetten, in seinem abwesen sich burgerlich und früntlich mit einander zů halten; das sie im dann alsammen mit willen zů thůn versprachen.

Als aber Angliana jetzund den ernst ersehen thet, so das kein hindersichsehens mehr da war, (dann der gantz hoff was erfüllet mit dem thon der trommeten und hörbeucken, so was in allen ställen ein groß rühelen von pferden, an allen orten kleppert das harnasch, und lieff je einer umb den andren, darbey Angliana gentzlichen abnam, das ir liebster herr und vatter sampt Lewfriden hinscheiden müsten) ist sie in grosses trauren gefallen, hat jetzund nichts üblers besorget, dann Lewfrid wird vor seinem abscheid nit mehr zů ir kommen.

Und als sie aber ein kleins nach dem verzogen, ist ir vatter sampt Lewfriden in gantzem küriß angethon dohergetretten. Der graff sagt: ›Angliana, mein liebe tochter, es ist schon alles mein volck vorhanden, haben sich alle gar nach dem dapffersten außgebutzet; darumb wil mir lenger nit gebüren zů verharren. Ich bit, du wöllest dir unser hinscheiden nit lassen schwer sein. Dann ich getrew got dem herren, wir wöllend unser sach bald auff ein ort gemachet haben, damit wir bald wider zů hauß kommen. Ich will dir den Waltern hie lassen; dem hab ich befelch an meinen hoff geben, er wirt dir ein getrewer haußfogt sein in meinem abwesen. Und darbei laß ich dir meinen schildtbůben; derselbig von und zů dem hauffen reiten sol, damit du jeder zeit erfaren magst, wie alle sachen standen. Deßgleich solt du mir auch alwegen zůschreiben, wie dirs gang. Fürwar so hab ich kein grösser creutz, dann allein das ich nit allen tag dich vor mir sehen solle. Hiemit, liebe tochter, befilhe ich dich got dem herren, der wölle deiner pflegen in langwiriger gesundtheit. Gehab dich wol, mein liebe tochter!‹

Semlichs geredt ging der graff von seiner tochter; dann er das zehern nit mer verhalten mocht.

Angliana gebar auch seer kläglich, das sie wol zů erbarmen was. Lewfrid jamert das fast ser, also das er auch gewölt het, das er von ihr gewesen were. Er bodt der junckfrawen [406] sein handt und sprach: ›Ach mein liebste junckfrauw, ich bit, wölt euch nit so hart bekümmeren. Sunst macht ihr euwern herren vatter sein reyß gar vil schwerer, dann sie im sunst gewesen wer. Seind getröst, ir sollend gewiß allen monat zům wenigsten post von uns haben. Gott gesegne euch, mein liebste junckfraw! Ich hoff, wir wend einander in kurtzer zeit mit grossen freuden widersehen.‹

›O Lewfrid,‹ sagt Angliana, ›wie lasest du mich in so grossem jamer! Ich sorg, mein hertz werd mir vor leyd zerbrechen; dann jetzund sihe ich dich und meinen lieben vatter hinreiten ewren feind entgegen, der dann mit grossen grimmen und gewerter hand euch begegnen wirt. Wann unnd so offt ich semlichs gedencken wird, wie mag ich ymmer frölich werden!‹ – ›Seind getröst,‹ sagt der jüngling, ›mein allerliebste junckfrauw! Wir hoffen, glück werd auff unser syten sein, domit mir unsere feind ritterlich erlegen, mit grossen triumph wider zů land kummen.‹ Domit umbfieng er die junckfrauw, schied in grossem unmůt von ir.

Angliana vor schmertzlichen weynen kein wort mer gesprechen kund, bleib also bey iren junckfrawen in grossem leyd sitzen, biß man jetzund auffbließ, jederman sich zů roß schicket. Inn dem der graff auffsaß, seinem volck allensammen genadet, zů dem schloß außreit durch die statt. Ihm reit Lewfrid zůnechst auff dem fůß nach, demnach aller sein adel, so er im land hat, fast wol geburtzt mit allem, das in von nöten was. Da geschah ein jemerlichs klagen und weynen von dem gemeinen volck, als wann man iren herren gleich zů grab tragen wolt.

Angliana hat sich zů obrist in irem gemach in ein fenster gestelt, domit sie dem zeüg lang nachsehen mocht. Sie wunscht in vil glück und ein fröliche heimfart nach. Unnd als sie aber jetzund niemand mer hat sehen mögen, ist sie in ihr gemach gangen, den tag gar nicht anders gethon dann seüftzen, klagen und weinen, gar kein speiß noch dranck gebraucht, biß der ander tag erschinen ist.

Walter aber ist die erst tagreiß mit Lewfriden geritten, sich gnůgsam mit im underredt, wes er sich derzeit halten solt. Er gab auch Lewfriden einen brieff, den solt er zů [407] Lißabona verschaffen, damit er gon Salamanca seinem vatter geantwurt wird, so möcht sein vatter wissen, was seine geschefft weren. ›Sunst weyß ich wol,‹ sagt Walter, ›wird mein vatter in grossen sorgen meinethalben ston.‹ Also blieb Walter die nacht bey Lewfriden. Morgens namen sie urlaub von einander, und reit ein jeder seines wegs. Walter wider gon hoff, und Lewfrid mit dem graven gon Lißbona reit, do sie dann von dem künig gar herlichen empfangen wurden. Dann sie mit einem schönen züg geritten kamen, davon ihm der künig nit kleine freüd nam.

Es ward auch in kurtzer zeit alle ordnung gemacht und geben, damit ein jeder wissen mocht, was sein befelch war. So kam dem künig auch tegliche post von seinem volck, wie der künig von Castilien täglichen grossen schaden thet; darumb so begerten sie hilff und entschüttung an ihm, und wann die hilff schon nit seer groß were, wolten sie dannocht dem find in kurtzer zeit ein abbruch thůn und dermassen abkeren, das in in Portugal nit mer glusten solt; dann sie hatten den find dermaß erfaren, das nichs hinder im were; dannocht aber weren sie gar zů schwach, so wer kein reysiger züg vorhanden, so sie möcht entschütten. Sobald der künig dise botschafft vernam, sein volck auch schon bey einander hat, ließ er verordnen, das man des morgens auffblasen solt und den nechsten anziehen. Das alles geschach nach befelch des künigs.

56. Wie der könig auß Castilien von des königs volck in der nacht überfallen ward

56.
Wie der könig auß Castilien von des königs volck in der nacht überfallen ward und gar hart geschlagen.

Mit grossen freuden ist des künigs volck außgezogen, habend auch ir kundtschafft gar gůt gehabt, wo sie des feinds wachten möchten uffheben. Sie hatten ire schiltwachten gestelt in das gebürg, darin aber wußten sie nit sovil gelegenheit [408] und heimlicher weg als die Portugaler. Als aber der künig von Portugal alle kundtschafft erfaren, hat er sein fůßvolck über alle rühe der gebirg gefürt, sein reysigen zeüg aber hat er vor dem gebürg lassen halten; ist also in gantzer stille die gantze nacht über gezogen und hinder der feind leger kommen, hat auch zůvor allem landvolck befelch geben, das sie ein sonderen hauffen gemacht, mit welchem sie den find auff der lincken seiten haben angreiffen sollen. Sodann hat er sein hauffen in zwen theil zertheilet, den einen verordnet, mit dem feind auff der rechten seiten zů treffen. So haben sich auch gar ein grosse menge der Portugaler bauren inn den welden mit schlenckern und flitschenbögen versteckt gehabt, des alles der find gar kein wissens gehabt hat.

Als nun der könig durch losung und heimlich kreid verstendigt worden, das aller sein fürgenommner an schlag nach seinem willen angangen, hat er in allen heuffen befolhen, ein grausames geschrey anzůschreyen, die hörtrommen und trommeten starck gon lassen und mit sollchem geschrey den find auff dreien orten anzůgreiffen, das dann auch also volzogen worden ist. Dem reysigen zeug aber hat er befolhen, gar in stiller hůt zů bleiben, so lang sie den feind under augen sehen über das gebürg kommen. Als nun aber seine anschleg gantz glücklich außgangen, hand die Portugalöser mit eim grossen und grausamen geschrey angegriffen, davon der feind nit kleinen schrecken empfangen hat. Auff welche seiten er sich wendet, so schlůgen als die andren zwen heuffen hinden in in; můst also mit gewalt die flucht geben über das gebürg. Aldo kamen sie erst under die bauren, so sich versteckt hatten; die wurffen starck mit steinen zů in, deßgleich schussen sie grausam mit pfeilen auff sie. Do was kein gegenwehr, allein begert ein jeglicher zů fliehen, so fast er mocht.

Als sie nun über das gebürg hinüberkamen, understunden sie sich erst wider zů samlen und ihrem feind widerstand zů thůn. Das was aber auch umbsonst; dann der reysig zeug brach erst mit gantzem gewalt in sie. Davon wurden sie erst so gar verzagt, das sie nichts anderst dann der gnaden begerten, wurffen ihre wehren von ihn, gaben sich gantz gůtwilligklichen gefangen. Also was von disem hauffen gar [409] keiner über bliben, so nit erschlagen, verwundt oder gefangen ward.

Des ihm dann der künig nit ein klein hertz fasset; er versamlet sein volck eilens zůsammen, damit er dem anderen grossen hauffen auch ein abbruch thůn möcht. Als er sein volck zimlich gespeiset het, ließ er den gantzen hellen hauffen zůsammen in einen ring berůffen. Als sie nun gemeinlich zůsammenkummen seind, hat in der künig zům fordristen grossen danck umb ir mannlichen und ritterlichen sig gesagt, demnach ir fürsichtigkeit fast geprisen, sie zůletst ermant, das sie nit verdrossen sein solten, sonder dem find noch weiter abrechen und nachhangen; dieweil der schrecken noch in ihnen wer, möcht man gar groß außrichten; dann solt man lang verziehen, wer zů besorgen, das sich der find wider stercket; alsdann můßten sie gar große far beston, dann so sie jetz gleich den rucken darhinder thetend.

Also ward mit einheiliger stimm dem raht des künigs gefolget, und eylens dem find entgegenzogen. Der künig von Castilien aber was in eygener person bey dem hauffen, fůrt den auch in gar gůter ordnung, also das die Portugaler ein hartere nuß mit in můßten krachen dann mit dem andren hauffen; und so der Castilier nit so gar wenig gewesen, die Portugaler hetten große far beston müssen. Als nun die hauffen zůsammenkummen seind, haben sie sich nit lang bedocht, einander dapfer angriffen. Dann sie zů beider seit wußten, das ein jedes heer seinen künig bey im hat, darumb sie dann dester mannlicher fachten. Der reysig zeug traff zů beider seit gar wol. Die Castilier aber, wie oben gemelt, hatten keinen nachtruck, wurden gantz mat von langem und embsigem streiten, zůletst understunden sie in ir wagenburg zů weichen. Das nam Lewfrid vor allen andern war, unnd mit etlichen reysigen fürrant er in die wagenburg, trib die find also mit gwalt wider zů dem streit.

Do das der künig von Castilien ersahe, wol abnemmen mocht, das seines folcks gar zů wenig was, understund er zů fliehen. Den ranck aber kam im der graff für, eylet mit dem gantzen reysigen hauffen auff ihn. Als nun der künig sahe, das ihm die flucht auch gefelet, eilet er behend der [410] wagenburg zů, vermeynt do hineinzůkommen. Lewfrid aber sonder alle geselschafft mit ingelegtem sper so starck auff den künig rant, das er roß und mann zů hauffen rennet.

Do nun der künig befand, das er überwunden was, begert er der gnaden und gab sich Lewfriden in sicherheit und gefangen und begert von stund an, das der friden angeblasen wirt; dann er sorget seines getrewen kriegsvolck. Also ward friden geblasen und der streit mit grossem schaden der Castilier geendet. Lewfrid kam mit seinem gefangnen künig für den künig auß Portugal, überantwort im den in seinen gewalt. Also nam er ihn in gelübdt, deßgleichen als sein volck. Die ließ er gantz werloß abziehen, den künig aber, und was sein räht waren, fůrt er mit im gon Lißbona und zog also mit kleinem verlust, aber mit grosser beut wider heim.

57. Wie Lewfrid zu ritter geschlagen ward

57.
Wie Lewfrid zů ritter geschlagen ward in gegenwertigkeyt des künigs auß Castilien, und wie der schiltbůb der junckfrawen Angliana die botschafft bringt.

Mit grossem triumph und frolockung reit der künig von Portugal ein; dann er seinen feind sampt allen seinen rähten mit im gefangen bracht, davon das gantz künigreich zů rhů und friden kommen was. Der künig, sobald er in seinen palast kam, ließ er Lewfriden für sich bringen, deßgleichen den könig von Castilien sampt allen seinen gefangnen rähten. Als sie nun alsamen zůwegen stunden, fieng der künig an und erzalt vor ihnen allen Lewfridens gantzes wesen, wie er so wunderbarlich in můterleib von Lotzman dem lewen erkant worden wer, auch was er biß zů der zeit für dapfferer und küner thaten begangen, disen streit auch durch sein mannlich und fürsichtig gemüt zů end bracht, darumb er dann billich den orden der ritterschafft tragen solt; schlůg ihn alsbald vor inen allen zů ritter, darab im Lewfrid und sein schweher, [411] der graff, nit wenig freud nam. Es gab im auch der könig wapen und schilt mit schöner und lobwirdiger blasimierung. Also ward Lewfrid auff einen tag geadelt und zů ritter geschlagen.

Alsbald der schildtbůb semlichs erfaren, ist er eilens zů seinem herren gangen, in auff das früntlichest gebetten, er wolt in einmal heimreiten lassen, damit er junckfrawen Angliana alle verloffnen eschichten zů wissen thet. Des der graff gar wol zůfriden was, ließ zůhand ein brieff an sein tochter schreiben und schickt ir den bey dem bůben. Der saumet sich nit lang auff der strassen; dann er sorget stetigs, es möcht im ein andrer den taw abschlagen und das bottenbrot bey der junckfrawen erwerben, dieweil er wol wußt, das sie mit grossem seüfftzen und verlangen geüffet, wann ir doch einmal von irem vatter und Lewfriden bottschafft keme. Er kam in kurtzen tagen an deß graffen hoff. Sobald er von seinem pferdt abgestanden was, hat er eilens nach Angliana der junckfrawen geforschet.

Deren ist der bůb angesagt worden durch iren kemerling. ›Ach,‹ sagt die junckfraw, ›wo der bott anderst dann gůte bottschafft bringet, sollet ir in für mich nicht kommen lassen.‹ Antwort der kemerling: ›Warlich, gnedige junckfraw, ich kan nichts anderst an in spüren, dann das er seer frölich unnd wol zů můt ist.‹ – ›So bringend ihn on verziehen für mich, damit ich mög erfaren, wie es umb meinen lieben herr vatter ein gestalt habe, desgleichen umb sein volck!‹

Zůhand ist der jung mit grossen freuden für die junckfraw bracht worden, die in gar mit frölichem angesicht und früntlichen worten empfangen hat. Der bůb aber, sobald er ir sein reverentz gethon, hat er zůstund angefangen und gesagt: ›Gnedige junckfraw, ir sind mir von rechts wegen ein reiches bottenbrot schuldig; dann ich verkünd euch frölicher bottschafft, dann euch man auff erden jemals verkünd hat. Nemend war, ewer herr und vatter ist gantz frisch und gesundt. So ist der krieg gentzlich vollendet; dann ewer allerliebster Lewfrid den künig auß Castilien selbs gefangen und unserm herren dem künig überantwort, der in zů grossen ehren gefürdert. Dann er hatt ihn auff einen tag geadelt unnd zů [412] ritter geschlagen zů Lißbona auff dem küniglichen palast. Des werdt ir in disem brieff gar grüntlichen bericht empfangen.‹

Als Angliana dise bottschafft von dem jungen vernommen hat, darff niemans fragen, ob sie auch frölich worden sey. Das aber mag ein yeder bey im selbs warnemmen; so einer seines gůten freunds wolfart sehen thůt, ist es im ein hertzliche freud. Ich geschweig der freuden, so die junckfraw do empfacht; erstlich vernimpt sie, das ir herr unnd vatter noch in leben sind, auch das gantz land zů friden und rhůen bracht ist; und daß noch mehr ist, so erfart sie, das der, welchen sie für alle reichthumb der welt liebet, sich so ritterlich hat gehalten, den orden der ritterschafft erlangt unnd zů solchen grossen ehren kommen ist. Sie nam den brieff, schloß den auff und fand darinn alles das war sein, wie ihr der bůb das angezeigt hatt. Sie schloß auff einen schönen kasten, nam darauß zehen ducaten, verehret die dem knaben, so ir das bottenbrot unnd botschafft bracht hat.

58. Wie Angliana nach Waltern sendet, im den brieff zu lesen gab

58.
Wie Angliana nach Waltern sendet, im den brieff zů lesen gab, so der knab von irem vatter bracht hat, was grosser freuden er davon empfing.

In grossen unseglichen freuden was Angliana; mit ir erfrewten sich auch alle ire junckfrawen, in sonderheit Florina und Cassandra. Sie schicket auch nach Waltern. Der kam eilens; dann er meynt, der junckfrawen were etwas übels widerfaren. Sobald er nun in ir gemach kam, ging sie im mit grossen freuden entgegen, empfing in gar früntlich weder andere mal. ›O Walter,‹ sagt sie, ›ich můß dich der grossen freuden auch theilhafftig machen; dann uns gar gůte botschafft von meinem vatter kommen ist.‹ Damit gab sie im den brieff. Den laß Walter von anfang biß zům end; davon im sein hertz in grossen freuden schwebet. ›O Angliana, ich sag [413] euch sicherlich,‹ sprach Walter, ›diser brieff erfrewt mich mehr, dann mich der fordren nächt ein traum erfrewen thet.‹ – ›Wie was der?‹ sagt Angliana.

›Mir traumet,‹ sagt Walter, ›wie ich meinen liebsten brůder und gesellen Lewfriden in einem grossen gedreng unnd scharmützen inmitten under seinen feinden ersehen thet. Die alsamen mit krefften zů im schlůgen und schussen seer vil tödtlicher vergiffter pfeil auff ihnen. Er aber mit grosser macht und geschwinden streichen sich under seinen finden arbeitet, zůletst aber verschwand mir Lewfrid vor meinen augen, unnd was der streit schon geendet. Bald syhe ich einen jüngling, dem was sein haupt entblößt, hat nichts darauff dann einen schönen krantz von lorberzweigen gemacht; in seiner lincken hand fůrt ein gebunden und gefangen, derselb was mit gar köstlichem vergultem küriß bekleidet, sein haupt mit einem gleysenden helmlin bedecket, das fysier fürgeschlagen, also das in niemans erkennet. Der jüngling in dem lorberkrantz fůrt in seiner rechten hand ein bloß schwerdt allenthalben mit menschlichem blůt besprenget. Ich sahe in mit gantzen ernsten under sein angesicht, was mir gentzlich, wie ich in solt kennen, het in auch fast gern angesprochen. Sein angesicht aber was seer erschrockenlich anzůsehen, deshalb ich underließ mit im zů reden. Also gieng er fürüber mit dem gefangnen und überantwort in dem künig. Als mich aber solich gesicht gar angsthafft inn meinem schlaff machet, thet ich zůletz gentzlich erwachen, lag die übrig nacht in schweren gedancken, stetig bedencken thet, wie mir Lewfrid also auß meinem gesicht verschwunden were. Nun aber bin ich wol zůfriden; dann mir ist schon des traums deutung durch disen brieff auffgelöset. Dann das ich Lewfriden auß meinem gesicht verloren, ist anders nichts, dann das er mir vormals nie anderst erkandt gewesen ist dann ein schlechter reutersman, und aber jetzund durch sein schwert und mannliche hand den orden der ritterschafft erlanget hat. Semlichs gibt mir anzeigung der lorberkrantz, so er auff seinem haupt trůg. Darumb, liebste junckfraw, mich dise bottschafft billich erfrewet.‹

Als sie nu ir zeit mit mancherley gesprech kürtzten, dieweil lieff der schiltbůb allenthalben an dem gantzem hoff umb, [414] Waltern zů sůchen, damit er auch ein bottenbrot von ihm belonen möcht. Letst ward im gesagt, wie er in dem frawenzimmer bei junckfrawen Angliana wer. ›So ist mein anschlag umbsunst,‹ sagt der knab. Erst fing er an dem andren hoffgesind die botschafft zů verkündigen. Das geschrey kam auch in die statt under die burger, die wurden mit grossen überschwencklichen freuden umbgeben. Als sie vernamen, das ir liebster herr noch frisch und gesund was, warden allenthalben in der statt freudenfewr gemachet; auch kleideten sich alle burger in ein gleiche farb, damit sie irem herren mit freuden und zierlich möchten entgegenreiten und zů fůß ein feinen hauffen ins feld fieren.

Als nun der künig einen stethen und ewigen pundt mit dem künig von Castilien auffrichtet, hat er auch allen kriegskosten außrichten und bezalen müssen. Alsdann hat ihn der könig widerumb in sein land ziehen lassen, und ist auch alles kriegsvolck wider geurlobt worden, der graff mit seinem volck auch wider heimzogen.

59. Wie der graff mit allem seinem adel wider zu land kompt

59.
Wie der graff mit allem seinem adel wider zů land kompt, mit grossem frolocken empfangen ward von seinen burgern, deßgleichen von seiner tochter.

Ir hand oben gehört, was grosser freuden des graffen volck gehabt, als sie vernommen haben, das ir herr noch frisch und gesundt was. Sie haben sich fast köstlichen außgebutzt und mit einem auffrechten fenlin irem herren entgegengezogen. Es haben aber die überentzigen, so pferdt gehabt haben, ein schon geschwader von reysigen pferden auch allsam in einer kleidung geritten, sind irem herren entgegen. Darab ime der graff nit wenig lust und freud genommen, dann er die liebe seines volcks darbei gespürt; sind also mit freuden und frolocken in die statt kommen.

[415] Als nun Angliana vernam, das ir lieber vatter sampt irem allerliebsten ritter kommen ist, hatt sie sich mit ihrem gantzen frauwenzimmer auff das allerzierlichest geschmucket; ihrem vatter entgegengestanden, als er zů hoff ist eingeritten, den sie gar freundtlich und mit seer grossen freuden empfangen hatt. Ritter Lewfrid ist ihme zůnechst auff dem fůß nochgeritten fast frölicher geberd. Als er sein liebste junckfraw hat erblicket, ist er von grossen freüden gantz in sei nem angesicht errötet; nit minder ist Angliana von seinem anblick erfreuwet worden.

Alsbald seind sie von iren pferden abgestanden, in den grossen saal gangen, darin haben sie ir harnasch von in gelegt und sich gantz entwapnet. Bald sein ein große zal der taflen gedeckt, yeder nach seiner wirde zů tisch gesetzt worden. Da ist ein fürstlich malzeit bereit gewesen; dann Angliana hat alles nach dem köstlichsten und scheinbarlich angeschicket, darab der graff ein groß wolgefallens gehabt hat. Es ist auch nit minder auff allen trinckstuben in der gantzen stat große freud gewesen. Dann alle burger sampt iren weibern haben ir essen zůsammengetragen, so früntlich und frölich mitnander gelebt, das der graff ein groß wolgefallen darab gehabt; hat auch mit allerhand gaben und schencken die gemein burgerschafft verehret, damit sie dest lichtsinniger hand mögen in freuden leben.

Zů hoff ist etlich tag ein groß jubiliren gewesen und groser hoff gehalten worden; dann der graff alle seine ritterschafft ein zeit lang beynander behalten hat. Und als aber die wol anßgerhůwet hand, seind sie mit urlub des graffen ein jeder wider zů hauß geritten. Doch so hat der graff die nechsten umbsassen gebetten, das sie ungeforlich in acht tagen wider zů hoff erschinen wolten; dann er ein gar nötigs geschefft zů verrichten het. Das ward im von in allen versprochen.

Also ritten sie von hoff. In der zeit aber schicket sich der graf mit allem, das zů einer solichen hochzeit von nöten was, als mit kleidung, speiß und gedranck, wiewol niemans wissen mocht, was er sinns were, allein Angliana und Lewfrid der ritter.

[416] Nu was ein freyherr nit weit von dem graven in einer andern stat gesessen, derselbig was auch in der reyß gewesen und was ein wittwer, fast reich an gůt, land und leuten, so das er den graven an reichtumb übertraff; darneben aber was er ein ungetrewer und zornweher man. Als nun menigklich von hoff gescheiden was, belib er noch lenger in der stat in einer herberg; auff den nechstkünfftigen tag ließ er ein werbung an den graffen langen umb sein tochter Angliana. Das im der graff gentzlich abschlagen thet, im darbey zů verston gab, wie er sein tochter einem ritter versprochen het, demselbigen wolt er sein zůsagen leisten; darumb ließ er im seiner ehrlichen werbung grossen danck sagen. Als semlichs dem freyherren gesagt ward, erzirnet er sich onmassen hart, nam sich aber gar keines zorns an, damit er sich an dem graffen möcht gerechen.

Als er nun erfaren hat durch ander practick, wer der ritter was, welchem Angliana versprochen war, hat er mit ernst dem ritter nach seinem leben getracht, heimliche halten auff ihn gemachet, damit er in möcht in sein gefenckniß bringen. Diß aber ist Lewfriden durch ein gůten und getrewen fründt anzeigt worden, domit er sich möcht vor im verwaren. Lewfrid der ritter hat semlichs zů oren gefaßt, nit mer für die statt geritten, er hab dann sein gůt harnasch an; hat sich auch ab solichem auffsatz gar nit besorget, wo er nicht mit hinderlisten angerandt und ungewarnetter sachen überfallen wird.

60. Wie der graff sampt dem Walter

60.
Wie der graff sampt dem Walter und anderen seiner diener von dem freyherren angerandt ward, zwen des groffen diener erstochen, Walter gefangen und der graff an einen baum gebunden, aber von dem Lewfrid wider erlößt ward.

Lewfrid der ritter ließ semlicher warnung gar nit mercken, domit im das nit für ein verzagnüß zůgemessen wird. [417] Eines tags begab sichs, das der graff mit ettlichen seinen dieneren auff ein schloß reiten thet, auff welchem er lang nit gewesen was. Er aber ward durch einen denmarckischen roßteuscher dem andren freyherren verkundtschafft, welcher vormals umb sein tochter Angliana geworben hat; demselbigen ward auch für gantz gewiß angesagt, wie Lewfrid der ritter auch mit seim schweher, dem graffen, reitten wird. Der freyherr versamlet bald ein geschwader reütter; denen befalch er, sich eilens wol beritten zů machen, deßgleichen sich mit harnasch und wehr wol zů verwaren; dann sie můßten ein mannlich reuterstuck begohn. Diß alles ward nach seinem befelch außgericht, bracht inn einer eil auff zehen pferd zůsamen.

Der graff, Lewfriden schweher, versahe sich gar nit; dann ihm von keinem feind gar nicht zů wissen was, dieweil er mit allen seinen umbsassen inn gůtem friden war. Er nam zů ihm vier seiner diener, deßgleichen Leuwfriden unnd Walthern, also das er nur selbsibend auß seiner gewarsame reitten thet. Nun wolt sich unglück machen; dann als sie auff ein halbe meil geritten waren, fiele dem graffen ihn, wie er etlich brieff, an welchen ihm vil gelegen was, daheimen vergessen hett. Er wolt semliche brieff keinem diener befelhen zů reychen; dann er sorget, die sach möcht nit nach seinem willen außgericht werden. Darumb befal er dem ritter Lewfriden, die sach zů versehen. Nun was keiner under in allen in sein harnasch angethon dann der ritter Lewfrid. Der reit schnel und behend wider zůruck.

Er aber was nit gar ein halbe meil von seinem schweher, dem graffen, kommen, do hat sie der freyherr in einem wald auff einer wegscheiden angefallen, und ehe dann sie gewarnet worden, hat er im zwen seiner diener erstochen und mit lauter stimm gerůffen: ›Es sey dann sach das ir euch allsampt gefangen geben, sonst můßt ir heut den todt von uns leiden.‹

Der graff, welcher sich ab einem so schnellen überfal größlichen entsetzet, dann er den schnellen todt seiner diener [418] vor augen gesehen, so was niemans mer bey im dann zwen seiner diener und Walter, die waren auch gantz erschrocken; so was sich auch do nit lang zů bedencken, dann sie waren mit gewapneten reysigen gantz umbringet. Derhalben begereten sie der stangen. Der freyherr eilet allein auff den Walther; dann er in gleicher form was wie Lewfrid der ritter, darumb meynet in entlichen Lewfriden sein. Er nam allein den Walter und beyde des graven diener, fůrt die mit im. Den graffen aber befalhe er an einen baum zů binden und sagt: ›Dieweil ihr disen baurenson mir haben fürgesetzt und im ewer tochter vor mir geben, wil ich euch zů einer schmach also ston lassen.‹ Die andren seine diener fůren mit den gefangnen darvon.

In disem schimpff kompt der ritter Lewfrid geritten und ersicht in dem ersten anblick seinen herren an dem baum gebunden ston und den freyherren noch bey im halten. Ritter Lewfrid sahe an der gestalt seines herren wol, das seine sach nit recht geschaffen was; so hat im auch der freyherr zůvor getrawen. Darumb macht er wenig umbstend, sunder zucket von stund an sein gůtes schwert und sagt: ›Gnediger herr, wer hat euch soliche schmach bewisen? Das zeigend mir an! Ich wil das mit meinem ritterlichen schwert rechen oder mein leib und leben darob verlieren.‹

Der freyherr, welcher ein stoltz und gar neidiger man was, den ritter zůstund an seiner sprach erkandt und sahe wol, das er nit den rechtschuldigen angriffen und gefangen hat. Er sagt auß grossem hochmůt zů Lewfrid: ›Du beürischer ritter, dir solle auff disen tag kein anders noch bessers widerfaren. Darumb so saum dich nur nit lang!‹ Der ritter zucket behend sein scharpffes und gůtes schwert, hewe damit gantz krefftiglich nach dem freiherrn. Der zucket sein haupt auß dem streich, also das Lewfrid sein verfelen thet und hiewe seinem roß ein grossen teil von seinem haupt hinweg. Darvon das pfert gantz ergrimmet und in grossen schmertzen und zorn hin durch den walt gantz schnell lauffen thet.

Lewfrid eylet im mit verhengtem zaum auff dem fůß nach, so lang das dem gaul anfing schwach zů werden und under im niderfallen thet. Ritter Lewfrid sagt auß grossem zorn: [419] ›Herr, ir müssend euch auff disen tag gefangen geben, und nur bald. Sunst můßt ir mir eüver leben in disem waldt lassen; davor wirt euch niemant gefristen.‹ Der freyherr understund sich mit gewalt zů weren, schrey domit seinen dienern zů; die aber waren zů weit von im. Ritter Lewfrid ergrimmet so gar über in, das er in nit mer begert gefangen zů nemmen, sunder schlůg mit gantzer seiner krefft zů; damit macht er den herren so gantz matt, das er sich nit mer wehren mocht. Alsobald begert er der stangen.

Also nam in Lewfrid gefangen; doch so můßt er im zůvor sein schwert überantwurten und von hand geben. Also fůrt er in behend wider zů seinem herren. Da ward er erst aller sachen bericht, wie es mit den zweyen dienern gangen was; do lieff im erst sein hertz von zorn über. Also můßt im der freyherr eylens geloben und schweren, ihnen beyden nachzůfolgen. Also fůrten sie in auff das schloß, das dann nit gar ein fierteil einer meylen von disem ort was.

Doselbs vermeynt Lewfrid seinen gesellen und andren zwen diener zů finden; dann er gedacht, sein herr het die von im gesandt und wer erst darnach mit den andern zweyen knechten angriffen worden. Als aber er vernemmen ward, das Walter gefangen was, schwůr er bey seinem ritterlichen orden, das er nimmer růwen noch rasten wolt, sein gesell wer dann seiner gefencknüß ledig und loß, und wo ein semlichs nit auff dieselbig nacht geschehe, so wolt er den landtherren mit seiner eygnen hand umbbringen. Dises alles sagt er dem freyherren under augen, davon er sich nicht wenig entsatzte. Er begert zůhand, das man im papeir und ein schreibzüg geben solt, so wolt er eylens einen brieff schreiben und denselbigen seinem burgfogt zůschicken, damit die gefangnen nit in harte gefencknus gelegt wirden. Diß ward gantz eylens volstrecket, wie er begert hat.

61. Wie Walter wider ledig worden

61.
Wie Walter wider ledig worden und Lewfrid groß gůt an den freyherren fordert von wegen der erschlagnen des graven diener.

[420] Als nun der freyherr den brieff geschriben, hat in Lewfrid nit wöllen lassen zůschliessen, er habe in dann zůvor gelesen; dann er besorget sich, der landherr möcht ein andre geschwinde practick anrichten, sein folck heimlich zůsammen manen und in underston mit gewalt zů entledigen. Als aber der brieff nach seinem gefallen geschriben, gab er ihn dem landherren. Der verschloß in zůhand, überschicket denselbigen bey Lewfriden seinem burgfogt.

Als aber Lewfrid yetzund nit gar ein meil in den wald geritten was, findt er des freyherren diener. Die waren von seiner zůkunfft fro; dann sie meynten, ir herr keme durch den dicken wald hertraben. Bald aber sehend sie, das er es nit ist, erschracken sie gar seer; dann sie waren eines theils von ihren pferden abgestanden und hatten Walthern unnd die beyden diener an die beum gebunden, ihr fatzwerck und gespey mit in getriben. Sie hattend auch ihr hauptharnasch von ihn gelegt.

Lewfrid der ritter nam sein gar eben war; dann er seinen liebsten brůder Walter schon erblicket hat. Er aber bedacht sich nit lang, sprenget mit verhengtem zaum under sie, strenget sie mit rauhen worten an und sagt auß gantzem zorn: ›Ihr ungetrewen und trewlosen straßreuber, sagen an, wie dörffen ihr einen sollichen frummen herren auff seinen grund und boden also mit gewalt und wider alles recht also mit grosser schmach fahen und anbinden, ihm auch seine diener, welche sich alles gůten zů euch versehen, so jemerlichen ermörden und umbringen? Ir müssend mir euch wie ewer herr disen tag gefangen geben oder alsampt von meiner ritterlichen hand sterben.‹ Damit zucket er sein schwerdt und schlůg mit gantzen krefften nach einem, welcher zů seinem hauptharnasch eilen wolt, und zerspielt im sein haupt biß auff sein halbes angesicht. Derselbig geschwind todt zůr erden fallen thet. Bald eilet ritter Lewfrid auff zween andere; dem einen schlůg er des ersten streichs sein haupt von der achslen hinweg, dem [421] andren stieß er sein schwerdt oben bey seinem halß zwischen dem harnasch hinin, das er auch gleich todt zů der erden sanck.

Als nun die anderen die streng und mannlich that an dem ritter sehen theten, erschracken sie dermassen so seer, das sie nit auff ihren beinen ston kundten, sunder fielen auff ire knye umb gnad bittend. Under disen sibnen was auch der burgfogt, wöllichem ritter Lewfrid den brieff von seinem herren bracht haben solt. Als der vernam, das sein herr auch gefangen was, erschrack er on massen gar seer, gab sich von stund an sampt den andren gefangen. Also nam Lewfrid sicherheyt von ihnen und ließ die andren diener reitten; den landfogt aber fůrt er gefangen mit ihm.

Walter und seine beiden mitgefangenen wurden beidsammen ledig gemacht. Sie sassen auff ire pferd, wurden größlich widerumb erfreuwet. ›O mein liebster Lewfrid,‹ sagt Walter, ›wie hastu uns so aus grossen engsten und nöten erlöset! Dann sunst wirden wir in schwere und harte gefencknüß kommen sein; dann uns diser burgfogt darauff hart getrawen hat.‹ Der ritter Lewfrid antwort: ›Also sol man den gesten rechnen, weliche die ürtin vor dem wirt machen. Disem burgfogt solt wol beschehen als einem, so feindtliche tieffe grůben gedolben hat und aber selb darein fallen thůt. Hat er ein semlichen hochmůt an euch, den unschuldigen, wöllen und understanden zů begon, solle im auch grössere barmhertzigkeit nicht widerfaren. Dann ich soll in in ein hartere gefencknuß verschaffen; dann er ein semlichs an euch wol verschuldet hatt.‹ Von disen worten dem burgfogt fast angst ward, entschuldiget sich, so best er mocht.

Mit disen worten sind sie kommen auff das schloß, darauff der gefangen freyherr was; zů welchem Lewfrid sagen thet: ›Herr, ir habend meinen gnedigen herren wider alle recht und landfriden sonder alles absagen in seinem eygenen land gefangen, ime auch zwen seiner diener, eh dann sie zů wehr kommen sind, erstochen. Dasselbig euch als einem landsherren nit wol angestanden, werden auch wenig rhůms davon erlangen, wo das ymmermer von euch gesagt. Es hatt aber gott semlichs nit mügen vertragen; dann er je kein übels ungestraffet laßt. Dann er mich darzů hat lassen kommen, das [422] ich mein liebsten herren ledig gemacht, euch hergegen an seiner statt gefangen hab. So ist mir auch mein liebster gesell von euch gefangen gewesen. Denselbigen sampt meines herren dieneren hab ich wider ledig gemachet, nit durch eweren geschribnen brieff, sonder durch mein ritterliche faust und gůtes schwert. Semlichs haben drey ewerer diener wol erfaren, die gleich so wol als meins herren diener in dem wald todt ligen. Die übrigen sind alle uff disen tag meine gefangnen, müssend sich auch nach gegebner irer sicherung auff ein gelegen tag stellen. Den burgfogt aber als den obersten hab ich in meiner gewalt und gefencknüß behalten wöllen, damit ich euch nach meinem gefallen rantzonen mög. Ir habend mich gehasset, umb das mich das glück vor euch beschert hat. Das solle euch von mir vergolten werden, will mich auch des vor küniglicher majestat hoch beklagen; der soll mich an euch rechen.‹

Von disen worten erschrack der freiherr gar seer, dieweil im unverborgen was die ritterliche that, so er in dem vergangenen krieg volnbracht hat, begab sich derhalben gantz willigklichen inn des ritters rantzon, was er ihm aufflegen thet, wolt er gern tragen und leiden, allein solt er in nit vor dem künig verklagen und zů schanden machen.

62. Wie der guaff den freiherrn mit ihm heymfurt sampt seinem burgfogt

62.
Wie der guaff den freiherrn mit ihm heymfůrt sampt seinem burgfogt, ritter Lewfrid sie beidsamen seiner liebsten junckfrawen übergeben thet, nach irem gefallen mit ihn zů leben.

Als nun Lewfrid und der graff bedachten, das schloß, darauff sie waren, nit so gar fest sein, sorgten sie, die knecht, so wider zů land kommen weren, möchten sie verkundtschafften und das landfolck gemeinlich in ein tumult bewegen, das sie understůnden iren herren mit gewalt zů ledigen. Darumb [423] habend sie sich nit lang gesaumbt, haben die zween gefangnen gantz gewarsamlichen gefieret und wider heim geritten. Sobald sie nun zů hoff kommen sind, hat sich meniglich der gefangnen verwundert; dann sich niemans keines unfridens oder lermans hat versehen. Diß geschrey ist bald für Angliana kommen. Die hat sich nit lang gesaumet, ist sampt irem frawenzimmer zů irem vatter gangen. Sobald hat ritter Lewfrid seine beiden gefangnen seiner liebsten junckfrawen übergeben, ir dabey alle ursach irer gefencknuß zů wissen gethon. Darvon sich die junckfraw größlich verwunderet, hat damit die beiden gefangnen befohlen auffs sicherst zů verwaren, biß sie sich mit irem vatter und dem ritter gnůgsam underreden möcht. Also hat man sie in einer sonderen stuben mit gewapneten mannen verhůten lassen. Demnach in zweyen tagen sind auch die andren knecht kommen und sich gestelt, wie sie dann dem ritter in dem wald zůgesagt; die sind gleicher gestalt mit iren herren in gemelter stuben verhütet worden.

Als nun Angliana mit irem vatter und dem ritter zů raht gangen, habend sie die anderen diener für ledig erkant, dieweil sie alles, so sie gehandelt haben, auß befelch ires herren haben thůn müssen. Den burgfogt aber von wegen seiner trawworten haben sie bey seinem herren bleiben lassen und ihm, dem herren, ein rantzon auffgelegt, als namlich tausent ducaten. Deßgleich so hatt er sich müssen gegen dem graffen gar hoch verschreiben, ewigen bund und friden mit im zů haben, in gar kein weg wider in noch die seinen zů handlen dann gütlich und warzů er fůg und recht hab. Den burgfogt haben sie umb fünfftzig ducaten gerantzonet. Kurtzlich ist die rantzon erlegt worden; unnd hatt sich der landtherr inn keinen weg gesperret, damit er vor dem künig nit verklaget wurde, hat sich auch demnach so gantz früntlich gegen und an dem graffen gehalten, deßgleichen an ritter Leuwfriden, das sich deß nit gnůg zů verwunderen gewesen ist. Und als alles außgericht gewesen, ist er sampt seinem burgfogt wider zů hauß geritten, hatt im erst nachgedacht, wie unbillichen er dem ritter auffsetzig gewesen ist. Also ist diser unwillen auch zergangen.

63. Wie die hochzeit mit Angliana gehalten worden ist

[424] 63.
Wie die hochzeit mit Angliana gehalten worden ist, was grossen freuden do fürgangen sey mit thurnieren und dantzen.

Als nun diser span ist verricht worden, hat im der graff mit fleiß nachgedacht, wann er lenger mit seiner tochter hochzeit verziehen solt, möcht im etwan ein andrer herr auffsetzig und nach seinem leben stellen, hat also, sobald im müglich gewesen, alle ding, so darzů von nöten, zůgerüst. Er hat in allen seinen wälden unnd forsten befolhen zů jagen, das dann auch beschehen ist. Seine underthanen, und was vom adel gewesen, haben sich mit gantzem fleyß darzů geschicket, so das in wenig tagen seer vil wiltprecht zůsammenkummen ist an des graffen hoff. Auch haben sie seer vil gefügel von fasanten, haselhünern, felthienern, pfawen, urhanen und andren wiltpret dem graffen überschickt.

Als der tag der hochzeit kummen, seind die, so darzů geladen gewesen, mit hauffen und gantz kostlichen erschinen sampt frawen und junckfrawen. Da ward jeder nach seiner wirde und adel empfangen, und ward die hochzeit mit grosser herlickeit angefangen. Davon ich aber von kürtze wegen nicht schriben wil; dann hie ward anders nicht sunders gehandlet, das hie von nöten zů schreiben sey, allein ward kein kosten hie gespart. Der spieleüt und schalcksnarren was ein grosse summen, so sich zů diser hochzeit versamlet und zůgeschlagen hatten. Da wurden auch mancherley schawessen und hoffessen fürgetragen, von fleysch und fischen gar onzalbar richten. Nachdem aber zů jeder zeit der imbiß volbracht, wurden köstliche und zeirliche dentz gehalten. Darzu wurden vilerley ander kurtzweilen angerichtet, als mit turniren, rennen und stechen. Ringen, springen und ander vilerley ritterspil wurden getriben den schonen frawen und junckfrawen zů gefallen. Dise hochzeit weret etlich tag, das an keiner kurtzweil noch [425] freüden mangel gespirt ward. Das wöllend wir also genůgsam beschreiben unnd gesagt haben, ein jeder mag selb errichten, was für freüd und kurtzweil fürgangen sey.

Als sich nun die hochzeit geendet, für jederman wider zů hauß. Angliana und Lewfrid aber lebten gar freündtlich mit einander. Dann Angliana sich in kurtz hernach schwanger befand; davon gar grosse freud an dem gantzen hoff entstund, insonders bey Leuwfriden unnd dem alten graffen.

Als sich nun ein gůte zeit verloffen und Angliana gar nach das halbe zeil erreycht hatt, ist Lewfrid in gar grossen freuden gewesen und gar offt an seinen lieben vatter und můter gedacht, was grossen freuden sie haben wirden, wo in sein wolfart zů wissen kem. Derhalben trachtet er tag und nacht, wie er zůwegen bringen kundt, das er seinen eltern semlichs entbieten möcht, ist also mit seinem liebsten gesellen zů raht gangen. Do hatt im Walther bewilliget, eygner person heim zů reiten, damit im alles nach seinem willen möcht außgericht werden.

Also hatt sich Walther auffgemacht, den nechsten heimwartz geritten, inn wenig tagen sein vorgehaben reyß volnbracht. Do darff niemans fragen, was grossen freuden Erichen dem meyer und seinem weib zůgestanden sind, als sie vernomen hand, das ir son mit so grossem glück umbgeben gewesen ist. Nit minder hatt auch der kauffman, des Walters vatter, unnd sein weib freud gehabt, hatt ihm auch entlichen fürgenomen, Leuwfriden selb zů sůchen und zů besehen, wie dann auch gar kurtz hernach geschehen ist, wie ir nachmalens vernemmen werdet.

64. Wie Lewfrid im vil kurtzweil nam mit seinem pracken und dem lewen Lotzman

64.
Wie Lewfrid im vil kurtzweil nam mit seinem pracken und dem lewen Lotzman, unnd wie er einem hirschen mit dem lewen nacheylet, von welchem er in einem schenckel verwundet ward.

Als nun Lewfrid mit seiner liebsten Angliana inn grossen freuden lebet, darneben in aller gotsforcht sich beflissen, nam [426] im Lewfrid offt zů müßiger zeit für, mit seinem pracken und Lotzman dem lewen freud unnd kurtzweil zů sůchen in den lustigen grünen welden, darinn er manig stuck hochwild mit seinem lewen und pracken außspüret und erlegen thet.

Eines tags begab sich, das Lewfrid im wol gedacht, Angliana wird jetzund ir ziel schon erreycht haben. Darumb befliß er sich täglich mit seinem pracken und lewen, das hochwild in dem wald zů sůchen. Einsmals kam sein prack einen mechtigen haupthirschen an, dem satzt Lotzman der lew dapffer zů. Lewfrid sprang von seinem pferdt, zucket sein schwein-schwerdt, damit er den lewen möcht entsetzen; dann er sorgt, der hirsch möcht im schaden fügen. Der hirsch aber, sobald er das glantzend schwerdt ersehen, hatt er sich eilens zů Lewfriden und gentzlich von dem lewen gewendet, Lewfriden mit den fordersten enden seines scharpffen gehürns dermassen inn seinen rechten schenckel gewundet, das er gantz hefftig an hat gefangen zů blůten. Er ist behend von seinem lewen gerochen worden; der ergriff den hirschen gantz grimmig in einer seitten und riß im die gar weit auff, daß ihm sein geweid zůr erden fallen und eilens todt was. Lewfrid aber von dem grausammen blůt, so von im lieff, gar schwach ward, wider auff zů roß saß, wie er mocht, zů einem külen brunnen reit, sich ein wenig mit dem frischen wasser zů erquicken. Ab von seinem pferdt stundt, des wassers schöpffet und ein frischen trunck thet, ein wentzig wider zů im selb kam, seine wunden mit gůten heilsamen kreuteren verband und verstopffet.

65. Wie Lewfrid von seinem herren, dem kauffman

65.
Wie Lewfrid von seinem herren, dem kauffman, und Walthern bey einem brunnen ligend funden ward.

In dem begab es sich, das sein herr, der kauffman, sampt [427] seinem son geritten kam und eben die straß durch den wald nam, do der verwundet Lewfrid bei dem brunnen lag, der jetzund schmertzens halb nit mer ston, reiten noch gon kundt. Walter erkandt von stund an seinen gsellen, wußt aber nit, das es im so trübselig gangen was, biß das im Lewfrid alle sachen öffnet, was im mit dem hirschen begegnet wer. Er empfing seinen herren gar freundtlich, er kond aber vor grossem schmertzen nit mit im reiten, sonder bat Waltern, sie beid solten bald zů hoff reiten und verschaffen, das im ein roßbar bracht wird. Sie saumpten sich nit lang, ritten eilens zů hoff.

66. Wie Angliana von dem kauffman und seinem son Walther vernam

66.
Wie Angliana von dem kauffman und seinem son Walther vernam, das Lewfrid von einem hirschen tödtlich verwundt, und sie von stund an in den wald zů ihm lieff.

Das geschrey kam eylens für Angliana, wie das ihr liebster gemahel Lewfrid hefftig von einem hirschen verwundet were und in dem wald vor grossem schmertzen gar onmechtig lege, darab die Angliana grossen schrecken empfieng. Die nam vil gůter und krefftiger latwergen; sie wolt niemans erwarten, sonder eylet zů fůß hinauß auff die strassen zů dem brunnen. Aldo fand sie Lewfriden in grosser onmacht ligen; dann er sich gar hart verblůt hat. Angliana was mit grossem hertzenleyd umbfangen; dann sie ires liebsten herren in grossen sorgen stund. Wie fast sie im růffet, so wolt er ir gar kein antwurt geben; zůlest kam im von irem steten rieffen sein verschwundener gaist harwider. Er blicket sein liebste fraw mit einem grossen süffzen an und sagt: ›O du mein liebste gemahel, wie schwach und krafftloß bin ich an meinem hertzen!‹ Angliana, so fast sie mocht, ihnen trösten ward; sie erquickt in auch mit gůten krefftigen confecten, so sie mit ir genummen.

[428] In dem kam auch sein herr sampt Walthern mit einer roßbaren und brachten ein wundartzt mit in, so im erstlichen das blůt verstellet, darnach sein wunden verband. Darnach hůben sie in uff die roßbar. Angliana saß zů im hinauff, sein haupt in irer schoß ligen hat.

Bald sie nun zů hoff kummen seind, ist der alt graff der geschicht innen worden. Und als er eylens auß grossem schrecken ein steg hinablauffen wolt, seind im beide füß außgangen, und als er von leib ein groß und schwer man was, ist er gar hart die stegen hinabgesturtzt, also das man in für todt dannen trug. Davon ein newes leid zů hoff entstünd. Der graff ward von seinen dienern in ein sal getragen und auff sein schlaffbet gelegt. Alles, so müglich was, ward mit im versucht, aber gar umbsunst war. Da nun der graff befand, das sein end sich gar fast harzůnehet, schicket er sich gantz christlich zů sterben, ordnet seine sachen zům besten, so er in solcher zeit zůwegen bringen mocht. Am dritten tag aber verschied er gantz seligklichen und ward mit grossen trauren und klagen von den seinen zůr erden bestattet und hertzlichen beweinet. Es wurden aber solche geschichten Leuwfriden gar verhalten, biß er wider seiner wunden genesen thet, wie ir vernemen wert.

67. Wie Lewfrid groß leyd umb seinen schwäher trug

67.
Wie Lewfrid groß leyd umb seinen schwäher trůg, und wie er nach seinem vatter und můter, auch etlichen geschwisteren schicket; der kauffman sampt seinem son wider heim zů hauß ritten.

Die gůt pfleg und wartung, so Lewfriden täglich bewisen wurden, haben in in kurtzen tagen wider zů seinen verlornen krefften gebracht, so ist er auch seiner empfangnen wunden gantz genesen. Noch was im der todt seines schwehers gantz [429] verborgen, biß auff einen tag ward er sein haußfraw zů red setzen, was ursach doch semlichs hindert, das der alt herr in so gar nit in seiner kranckheit besucht het. Von disen worten Angliana gar hart betrübt ward, fing an kleglichen und bitterlichen zů weynen, erzalt damit Lewfriden alles, das sich der zeit verloffen hat. Da Lewfrid solichs vernam, gehůb er sich dermassen so übel, das meinigklich in sorgen stund, er wird sein in ein schwärere und grössere kranckeit vallen, dann die vor gewesen were. Derhalben in der kauffman und sein son, desglichen Angliana, so sie best mochten, trösten wurden. Lewfrid aber klagt nicht meer darumb, das er in vor seinem end nicht noch einmal het sehen mögen.

Zůlest nam er im für, nach seinem allerliebsten vatter zů schicken, desglichen nach seiner můter, so noch mit etlichen seinen geschwisterten uff vilgedachtem meyerhoff in grosser arbeit ir narung gewinnen můßten. Daruff machet Lewfrid sein ordnung geschwind, schicket zwen seiner vertrewtisten diener nach ihnen. Die kamen in kurtzen tagen dahin, wurden ir bottschafft gantz fleysig außrichten, davon die zwey alten menschen hertzlich erfrewt wurden. Sie verkaufften eilens, was sie hatten, viech, acker und wisen, hauß und hoff, machten das alles zů parem gelt. Da befand der gůt Erich erst, wie reich er was; dann er eine zimliche narung oder parschafft zůsammenbracht. Nam urlaub von seinen gůten fründen und nachbauren und reit mit grossen freüden mit seines suns dienern darvon. Als sie nun zů Lewfriden kummen, seind sie gar früntlich von im und seiner gemahel empfangen worden, desglichen von allem seinem hofgesind.

Gar kurtz darnach haben sich gemeine räht zůsammengeton und Lewfriden undersagt, dieweil der gůt alt herr also durch unvellichen zůval umbkummen were, hoch von nöten, das er im jetzund hulden und schweren ließ, dieweil im die gantz graffschafft von wegen seiner gemaheln zůgevallen were. Bald darnach ließ Lewfrid sein ordnung geben in allen flecken und stetten, satzt eim yeden sein tag an, auff welchen er kummen wolt, den eyd von inen empfahen; das dann in kurtzen tagen also volnzogen ward. Demnach ordnet Lewfrid [430] zů hoff alle sachen auff das allerbest, gebodt auch allem hoffgesind, das sie all in gemein seinem vatter und seiner můtter zucht und eer beweisen solten, sie in keinem weg dest geringer achten, darumb das sie einfeltige arme baursleüt weren; dann er hette dannocht fleisch und blůt von in empfangen; das im aber got zů solchem hohen stand geholffen, het er im größlich umb zů dancken; dann er het sunst auch in den ackern seine narung suchen müssen: ›Aber gott hat mich auß seiner gnedigen fürsehung dahin kummen laßen, so das ich meinem vatter und meiner můtter auch zů statten kummen mag. Des ich und ein jeder nach dem götlichen gesatz schuldig seind zů thůn, so mir anders lang leben wend in dem land, so uns der herr geben wirt, wie er selb in den zehen gebotten verheissen.‹ Diß und anders ward dem hofgesind fürgehalten. Sie kammen auch solchem befelch gantz geflissen nach. Es ward auch hirt Erich und sein weib von irer sunsfrawen Angliana in hohen ehren gehalten, deßglichen von irem sun Lewfriden; dann er in grossen freüden mit ihnen lebet.

Als nun der kauffman auff ein fierteil eines jars bey inen gewesen, nam er sampt seinem sun urlub von Lewfriden. Walter aber sagt im zů, in kurtzer zeit wider bey im zů sein. Dann es hat Angliana ein schöne junckfraw an dem hoff, so von gůtem adel geborn, sie aber war fast arm; derselbigen ward Walter fast günstig. Semlichs zeigt er seinem gesellen Lewfriden an. Davon gewan er ein sundere große freüd; darzů sagt er Waltern, wann er wider zů land kem, wolte er im die zů einer gemahel geben und in demnach zů seinem hofmeister annemen. Des Walter seer wol zůfriden was. Er reit mit seinem vatter heim, saumpte sich aber nicht lang, machet seine ordnung, damit er bald wider zů Lewfriden mögt kommen, seinem lieben brůder.

Da semlichs sein vatter und můter mercken wurden, gedachten sie wol, Walter wird nit mehr von Lewfriden kommen. Derhalben namen sie in gentzlichen für, alles ir gůt, so sie hatten, zů barem gelt zů machen und in Lewfriden graffschafft zů ziehen, wiewol sie irem son Waltern gar nicht darvon sagten. Aber Lewfriden schriben sie von disem anschlag, [431] davon er nit minder erfrewt ist worden, als da ihm sein liebster vatter und můter zů hauß kommen waren.

68. Wie der kauffman sampt seinem weib zu Lewfriden kommen sind

68.
Wie der kauffman sampt seinem weib zů Lewfriden kommen sind, und wie Walter die schön junckfraw zů eim weib nam.

Der kauffman besann sich nicht lang, machet seine sachen auff ein ort, und was er von schulden nit einziehen kund, das befalh er einem seinem gůten vertrewten freund, dem er ein vollen gewalt zůstellet. Als er sich gantz wegvertig gemacht, nam er sein weib und fůr mit freuden darvon. Sie saumpten sich gar nit auff der strassen, kamen in gar kurtzen tagen zů ihrem liebsten son und zů Lewfriden. Ir zůkunfft bracht ihn allen gar grosse freud, unnd ward ein zeitlang gar grosse freud und kurtzweil zů hoff volnbracht mit allerley kurtzweil.

Bald darnach bracht Lewfrid die sach dahin, das Walter der schönen junckfrauwen vermehelt ward, yedoch mit willen ihrer beiden elteren. Dann der junckfrauwen vatter was fast arm und aber von gůtem adel; so was Walter nit so ein geltnarr, wie man deren vil findt; allein begert er einer frommen unnd züchtigen tochter, die was ihm nach seinem wunsch und willen von gott bescheret. Dann semliche wirt niemandt zů theil, sie werd ihm dann von gott dem herren bescheret, wie Salomon klerlich davon schreibet. Also was Waltern ein bescheret.

Die hochzeit ward mit grossem kosten gehalten; das alles aber richtet Leuwfrid aus. Als aber die hochzeit auch zerging, wie dann alle weltliche freud ein end nimpt, satzt Lewfrid den Walther auff ein schönes schloß, so gar ein grosses einkommens hatt; das gabe er im zů einem lehen. Sein herren aber, des Walthers vatter, behielt er an seinem hoff für seinen hoffmeister unnd geheimesten rhat; dann er ein seer weiser man was, darbey gantz gůtig und ein vatter der armen. Darumb [432] er Lewfriden alle zeit dahin weisen thet, das er seine underthanen nit hart beschweret. Darauß erfolget, das er von allem seinen landvolck gar in grossen ehren, lieb und werdt gehalten ward.

Gott wolt, man fund solcher räht vil an den fürsten-und herrenhöffen, welche dem armen völcklin so geneigt und günstig werend! Aber man findt leyder der suppenfresser und federklauber vil mehr, so die herren ihre armen schefflin underston zů schären, sind sie hie, stifften, schiren und schalten, damit man den armen die haut gar über die ohren abzieh. Aber semlichen rhatgeben wirt auch zů zeiten der lohn darumb, gleichwie dem Achithoffel worden ist. Dann als dem sein schandtlichen rhat nit gefolgt ward, hat er sich auß grossem neid selbs erhencket. Also ging es auch dem künig Roboam mit seinen tyrannischen rähten; die riehten ihm, das er sein volck mit dornen unnd scorpionen züchtigen, so sein vatter Salomon mit růten gezüchtiget hat. Was geschah ihm aber? Es kam dahin, das er umb den merern theil seines reichs kommen thet und ward mit seinem jungen raht zů spot und schanden. Also müß es allen tyrannischen rhatsgeben gelingen.

Ir hand gehört, in was gestalt und maß Lewfrid sein regiment anfing, auch das er sonder weisen and gůten rhat gar nichts handelt; derhalben ihm all seine handlungen glücklichen und wol hinaußgiengen. Sein vatter und můter hat er, wie obgemelt, in grossen ehren. Den armen leüten bewiß er vil gůts und theilet groß almůsen auß, wo er sahe, das es die notdurfft erhiesch. Was er in der gütigkeyt abschaffen kondt, do vermitt er mit allem fleiß zanck und hader. Zům weidwerck hat er sonderen grossen lust und begird, darzů im dann sein lew und prack wol dienet. Fridsam und gantz früntlich lebt Angliana und Lewfrid mit einander; die kinder, so in gott beschert, zugen sie in grosser gotsforcht auff.

Darumb inen zů beiden seiten, jungen und alten, groß glück und sald zůhanden ging, biß sie gott auß disem jamerthal zů der ewigen freud und seligkeyt berůfft; zů deren alle die kommen werden, so in dem willen gottes leben; den [433] wil er die ewig glory geben. Darzů helff uns got der vatter, gott der son und gott der heylig geyst. Amen.

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TextGrid Repository (2012). Wickram, Georg. Romane. Der Goldtfaden. Der Goldtfaden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A60F-8