20.
Wie ein grosser tag in der statt Vladißlavia ward, Fridbert und Felix werden als commissarien von irem herren dohin gesant. Wilibaldus kumpt von ungeschicht in die herberg, dorin sie liegen, singt vor dem tisch in sein sackpfeiff. Fridbert bitt in, das er nit mer pfeiff, allein das liedt noch einmal sing; des würt im Wilibaldus zů willen.
Wan das glück einen stürtzen will, kan er zů hoch nit sitzen, es wirfft in zů boden; will es dann einen erheben, mag er so dieff im kot nit ligen, es kan im haraußhelffen. Also wirt es dem gůten Wilibaldo jetzundt auch gon, wie ir hören werdt.
Dann es fügt sich auff ein zeit, das ein mechtiger landttag zů Vladißlavia gehalten ward; dahin schicket der hochmeister beide, Fridbertum und Felixen, als commissarien. Als sie nun ein gůte zeit da lagen, begab sich eines tags, das sie frölich waren bey andren grossen herren und gsanten, zů tisch sassen; kumpt der gůt einfeltig spylmann mit seiner sackpfeiffen unnd singt sein liedlein. Der Fridberten noch Felixen nit erkant, dergleich sie ihn; sie beid aber mercketen gar eben auff sein gedicht.
Als er nun außgepfiffen, sagt Fridbert: ›Mein lieber spylmann, [65] sag mir, hast du diß lied von einem andren gelert, oder ist es von dir selb gemacht?‹ Antwort Wilbaldus: ›O mein lieber herr, ir solt mir glauben, was ich in disem lied sing, semlichs alles ist mir unnd noch vil ergers zůhanden gangen. Dann ich jetzund mehr dann zehen jar in grossem ellend umbgezogen bin; ich solt, demnach ich von jugent auff erzogen bin, einem stein erbarmen. Mir gedenckt wol, das ich ein gar lieb kind was, kond nimmer unrecht thůn; wer mich schalt und strieff, den hasset mein liebe můter. Das aber hat mir nit grossen nutz brocht, sunder in alles mein ellend, darin ich gewesen bin, gesetzet.‹
Fridbert sagt: ›Lieber spylmann, von wannen bistu lands her?‹ Antwort im Wilbaldus: ›O lieber herr, das zimpt mir nit zů sagen; dann sich meine älter mein schammen müßten.‹ Spricht Fridbert: ›Ich bitt, wöllest uns dein liedlein noch einmal singen. Sodann soll dir von mir und disem gůten herren ein verehrung werden, die du zů grossem danck annemmen wirst.‹ Felix war des auch gar begirig zů hören.
Also fieng Wilbaldus an und sang mit lautklingender gůter stimm sunder die sackpfeiffen, damit sie in des bas verstan mochten; und wiewol er sein tauffnammen verendret hat, damit man in nit erkennen solt, hat er in doch in disem lied zů fordrist unnd an vil orten heinin geflicket. Darauff sie beyd ein sunder gemerck hatten; dann er an seiner gestalt nümmer het mügen erkant werden; so bleich, schwartz und mager was er von dem gůten läben worden, so er in der zeit gehabt hat. Er nant sich mit seinem nammen Heintz Ontrost; dabey namen sie ab, das er sich seines rechten namens verlucknet hat. Ir keiner aber thet dergleich, als wann er in erkennet; so kam im auch gar nit in seinen gedancken, das sie beid in so grossen ehren [und] wirdin solten sein. Dann er zůvor wußt, das sie von schlechten armen groben ältern geboren waren, gedacht nit: Darnach man stelt, darnach es felt; nach dem gerungen, nach dem gelungen.
Wilbaldus singt sein liedlein:
1.Will bald hie singen ein gedicht;
Wie mir beschicht,
[66]Mags noch manchem beschehen :,:
So dann in meinen orden trit,
Will volgen nit
Und niemans übersehen :,:
Ob schon das glück mit falschem blick
Ihm geben thůt so grosses gůt
Durch sein arglistigs brechen.
2.Will bald derselb ein juncker sein,
Setzt dapffer nein,
Sein gütlein hat kein dauren :,:
Verzert, verspilt sein hab und gůt,
Sucht im ein můt
Bey nassen knaben, lauren :,:
So aller schand kein schühens hand,
Groß speil unnd schwier ist ihr manier,
Fressen, sauffen on trawren.
3.Will bald ein end das gütlein han,
Fahend sie an
Heimlich rauben und stelen :,:
Etwann feinden sie iren wert,
Strick, hencker, schwert
Kan in gar höflich strelen :,:
Dann wirt zů spat dem gůten rhat
Zů volgen nach, den man vor floh;
All ihr anschleg thůnt fehlen.
4.Also giengs auch mir jungen mann;
Ein Lottar han
Ich gfolgt, das thůt mich reüwen :,:
Er leydet mir meins vatters leer
Unnd andrer mehr,
So mich meynten mit treüwen :,:
Lieff von ihn weit, hat kurtze zeit
Ein lichten můt; als nun mein gůt
Zergieng, thet man mich scheüwen.
5.Der wirt jaget mich auß behend,
In dem ellend
Můßt ich mein zeit verzeren :,:
Leer, kunst, wyßheit hat ich veracht,
Treib nur mein pracht,
Zletz můst ich anders leren :,:
Můst hirtlein sein der kelber, schwein,
[67]Umb harte speiß brauchen gůt fleyß,
Das ich mich möcht erneren.
6.Im reiffen, rägen, wind unnd schnee
Gschach mir offt wee,
Meynet offt zů erfrieren :,:
Ein ledersack und hirtenstab
Was all mein hab,
Damit můst ich mich zieren :,:
Des nachts ich lag auff eim strosack,
Das wasser klar mein trincken war;
So kond mich Lottar fieren.
7.Dis leid ich als gern mit gedult,
Wann ich nur huldt
Beim vatter möcht erwerben :,:
Ach solt ich in seir wonung sein
Ein diener sein
Biß an meins endes sterben :,:
Von gott so seer bitt ich nit mehr,
Der helff mir bald semlicher gstalt;
Sonst můß ich gar verderben.
8.Will bald helffen der sehepffer mein,
So will ich sein
Beim vatter kurtzer stunden :,:
Dem geb gott in sein hertz und gmüt,
Das er in güt
Barmhertzig werd erfunden :,:
Dann so wolt ich gwiß schicken mich
Semlicher gstalt, das den Wilbald
Kein Lottar solt verfieren.
Als nun Fridbert der cantzler und Felix von Wilbaldo das liedlin von anfang bis zům end vernummen, hatten sie gar keinen zwifel mehr, Wilbaldus wer selb zůgegen, darumb sie sich dann des weinens kummerlich mochten entheben. Sie namen den gůten sackpfeiffer zů in an den tisch, hiessen, in nach allem seinem lust dapffer essen und trincken. Sollichs nam er zů grossem danck auff; niemant aber sunst an der tafell wust die ursach, warumb dise zween trefflichen mann sich des unachtbaren pfeiffers so hoch annamen. Fridbert, so [68] offt er Wilbaldum anschawet, leiß er alzeit einen schweren seüfzen von seinem hertzen gon. Des namen die andern herren offt war, jedoch wolt in niemant fragen. Wilbaldus aber achtet sein nicht; dann er müst den schlemmer singen.
Als aber nun das maal vollendet waß, Fridbert und Felix auffstunden, namen iren sackpfeiffer, furten in zů einem goltschmit, bestelten im zween schöner silbriner schilt zů machen und ir beider wapen dorin zů schmeltzen. Sie befalhen auch Wilibaldo, das er auff sie warten solt, solang sie in der statt Vladißlavia bliben, sie wolten im kein mangell lassen; so es im dann geliebt wer, das er mit ihn in ir heimnat ziehen, wolten sie im ein ehrlichen dienst schaffen oder ihm selb underschleiff geben. Das gefiel Wilibaldo fast wol; er wußt aber nit, wohin sie ihn füren wolten. Er hatt täglich sein auffrit bey inen, wartet auch gantz getreülich uff den dienst; dann sidher er in Brobant gewesen und selb juncker gesein, was es im nie so wol umb das maulfůter gestanden. Siner deckelsammen und geflißnen dienst konden sich Fridbert unnd Felix nit genůgsam verwunderen, sagten offt zůsammen: ›Warlich, Wilibaldus hatt einen besseren zucht- unnd leermeister gehabt, dieweil er nit zů Boßna gewesen ist, dann dieweil er bei seinem vatter was. Warlich, die armůt ist ein meisterin, verwente můtwillige kinder zů züchtigen. Hett im sein můter selig den zaum nit so weit gelassen, es wer ihm dohin nymmermeer kummen.‹
Sie hetten beid fast gern gewist, ob Wilibaldus wissen gehabt het, das sein můter mit todt abgangen was, wüsten aber die sach nit anzůgreiffen, dann sie je nit wolten, das er sie erkennen solt biß zů seiner zeit, wie ir dann hören werdet.
Uff ein zeit, als sie beid müßig unnd aller geschefft entladen, furten sie Wilbaldum zů dem goltschmit, lößten im sine schilt, wolten versůchen, ob er sie tragen wolt. Ach gott, der gůt arm zittell hatt jetzund alles seines adels vergessen. So man an in ein narrenkappen zů tragen gemůtet, er hett die mit willen getragen; so gantz wol hatt ihn die armůt, angst und not gebutzet. Als er nun die schilt angehenckt, fůrten sie in für die stattporten uff einen grünen anger, fiengend in an mit subtilen griffen anzůzepfen, kondten aber nichts von im [69] erfaren. Allein erzalt er in, wie es im von anfang ergangen was, als er von Antorff hat müssen weichen armůt und scham halben, dieweil er erstlichen so grossen pracht triben, auff dletz aber den wirt kummerlich bezalen mocht.
Als er ihn nach der lenge erzelet sein ellend und trübsall so er erlitten, hat Fridbert angefangen sagen: ›Es ist in verscheiner wochen ein edelmann in unser herberg gelegen, der uns vil langer weil vertreiben und mit seinen gůten schwencken und historien gekurtzt hat; so ich recht behalten hab, ist er in der statt Boßna an dem hoff. Under anderem erzalt er uns ein histori von eines ritters son; demselben ist es gleich gangen wie dir armen sackpfeiffer, und fürwar wann du dich mit nammen hettest genant wie gemelter rittersson, glaub ich gentzlich, du derselbig werest.‹
Wilbaldus einen grossen seüfftzen von seinem hertzen gon ließ: ›Ach mein herr,‹ sagt er, ›ich bitt, ir wöllen mir dieselbig histori erzalen, damit ich vernim, das noch mehr armůtseliger vögel seind dann ich.‹ Er aber begert das nit darumb zů hören, das solche histori von einem andren sagt; dann er an allen worten wol abnam, das er eben des ritters wolgeratner son was, von dem Fridbert gesagt hat; allein begert er heimlich zů erfaren, wie sich sein vatter und můter nach seinem abscheid gehalten.
Fridbert hat auch keinen zweiffel mehr, dann das er eben der Wilbaldus wer, von dem er sagen wolt; darumb sprach er: ›Nim war, mein lieber sackpfeiffer! In der statt Boßna, nach laut des edelmanns sag, wonet ein ritter mit nammen Gottlieb, ein fümäm mann an des hochmeisters hoff, der hat in seinem betagten alter ein schon zuchtig edel reich weib genummen, bey welchern er ein einigen son geboren und erzucht hat. Denselbigen genant er Wilbaldus, welchen er mit grösser liebe aufferzogen, einen jungen knaben im zů gefallen und geselschafft von einem bawren genummen, in gleichem fleyß bey einem zuchtmeister erhalten, bey welchem sie in gleichen tugenden zůnamen, biß so lang der jungling Wilbaldus an ein bößen lockvogel sich henget, seines vatters und zuchtmeisters straff vernicht und gar in den wind schlůg. Zůletz, als der vatter seins sones groß verderben sehen, ward er ihn seinem [70] zuchtmeister in scherpffere straff bevelhen. Als ihn nun derselb bei üppiger bößer geselschafft fand, understund er in mit der růten zů züchtigen. Wilbaldus aber von seiner bößen gselschafft dermaß abgericht, wolt solche straff nit leiden, sunder stach sein zuchtmeister mit einem messer durch ein sehenckel und wundet in gar hart. Solcher ursach halben dorfft er für sein vatter nit mehr kummen, lieff also mit einem seinem gesellen, so ein außerleßner diebischer schalck was, wiewol von frummen eltern, darvon, hielt sich ein zeit lang nit weit von der statt Boßna bei einem wirt, dohin im sein můter groß gelt schicket, biß er zůletst weiter kummen, do er von seiner můter nit meer mocht erfaren werden. Als aber der vatter die můter offt darumb schalt, das sie dem son so weich was gewesen und darzů sie iren son nit mehr erfaren kond, ist sie auß grosser kummernüß in ein tödtliche kranckheit gefallen und bald darnach gestorben. Der ritter aber soll sich noch in seiner behausung mit seins gemelten sons gesellen halten, der jetzund ein schon jung reich weib hat. Wo aber Wilbaldus im land sey, mag sein vatter nit wissen. Diser gemanet mich an dich; dann wol möglich ist, es gange im gleich so trübselig als dir.‹
Damit beschloß der cantzler Fridbert sein red. Wilbaldus aber manchen tieffen und schweren seüfftzen von seinem hertzen gon ließ, und sunderlich, als er seiner lieben můter todt vernummen hat, mocht er sich des weinens nit mehr erhalten. Jedoch was er so gantz geheb, das er nicht schnellen wolt, allein sagt: ›Gott verzieh dem son, das er ein ursach ist an dem todt seiner můter! Ich aber warlich sorg meiner můter gar seer.‹
Als aber Fridbert und Felix an im verstunden, das er sich so lenger so weniger zů erkennen geben wolt, seind sie wider in die statt gangen in ir herberg und zůsammen allein in einen sal gesessen, aldo mitnander sich zů beraten, durch was mittel sie doch den Wilbaldum möchten gen Boßna bringen. Fridbert sagt: ›Es ist ein sorg, wann er sich selb erkennet, das er in seinem vatterland ist, würt er gewißlich nit dem vatter under augen kummen. Darumb so wir etwas nahe zů der statt kummen als auff zwo oder drey meil, wend wir [71] uns annemen, grosse unnd ehaffte geschefft treiben uns bey nacht zů reiten. So mir dann zů der porten kummen, schließt man uns die bey der nacht auff. So reiten wir mit im in unserer schwiger behausung; do würt er sich nit erkennen mögen.‹ Das ward also von in beyden beschlossen.