Christian Weise
Kurtzer Bericht vom Politischen Näscher
wie nehmlich dergleichen Bücher sollen gelesen / und von andern aus gewissen Kunst-Regeln nachgemachet werden

Erklärung des Kupfer Tituls

Erklärung des Kupfer Tituls.

  • Titelkupfer

Was ist ein lustig Buch? ein hellpolirter Spiegel:

Nachdem der Anblick ist / nachdem ist auch das Bild:

Ein weisser Engel steht in Perlen len eingehüllt:

Ein schwartzer Belial zeigt seine Drachen-Flügel.

Man findet was man sucht: man sieht sich selber an.

Wer Englisch leben wildem fehlen keine Lehren:

Wil jemand seine Brust durch Gri und Neid verseeren /

So trifft er manches Blat das er verfolgen kan.

Wolan es fehlet nicht. Ein jeder wird sich kennen /

Ob er ein schwartzes Kind / ob er ein Engel ist:

Er schaue sich nur an wen er im Buche list:

Ein Engel muß vor Lieb' / ein Feind vor Eifer brennen.

Und also wird das Wort die beste Losung seyn:

Den Schlimmen bin ich schlim / den Reinen bin ich rein.

Geliebter Leser

[1] Geliebter Leser.

Es sind numehr fast acht Jahr verflossen / seit man etliche Bücher / als die drey klügsten Leute / die Ertznarren / die Haupt-Verderber / und endlichden Politischen Näscher / der Welt zu Kauffe angeboten hat: und daß dergleichen Art zu schreiben bey unterschiedenen Liebhabern müste gebilliget seyn /solches hat der vielfältige Nachdruck am besten erwiesen. Hingegen ist auff der andern Seite gleichfalls kein Mangel gewesen / da man die unschuldigen Bücher entweder verachtet / oder auch fast biß auf die Galeen verdammet [1] hat. Ja die Liebhaber selbst haben das gantze Wesen nur von aussen angesehn / und weil sie / jhrer Meinung nach / etwas poßirliches zum Zeitvertreib in Händen hatten / ist offtmahls ein Klunckermutz / oder sonst eine liederliche Schrifft / bey dem Buchbinder in einen Band darzu gebracht worden.

Alldieweil nun der Auctor hin- und wieder bekandt genug ist / und seine itzige Gelegenheit nicht zulassen wil / daß man ihm ärgerliche und verderbliche Schrifften beymessen solte: Vornehmlich da er sonst bey der Jugend / die mit solchen Büchern am liebsten umgeht / sich eines hohen Ergernüsses schuldig geben müste: Als wil von nöthen seyn / etwas ausführliches von dieser lustigen Schreib-Art aufzusetzen / und hiedurch etliche Censores [2] zu berichten / wie man mir guten Gewissen solche Bücher selbst schreiben / auch anderweit kauffen und lesen / und im Fall der Noth zur Ausfüllung einer kleinen Haus-Bibliothec vor sich oder seine Kinder auffheben könne: Ja wie sich ferner ein curieuser Kopff anstellen müsse / wen er etwan dergleichen Schrifften unter seinen Nahmen / oder zum wenigsten unter einem erdichteten Rätzel / in den Franckfurter Catalogium bringen wolte.

Und also wird sich das gantze Werck in zwey Haupt-Fragen abhandeln lassen. Erstlich ob es recht sey / wenn man solche Bücher schreibet? zum andern / was man im Schreiben vor Kunst-Stücke brauchen müsse?

Die erste Frage muß der Auctor mehrentheils seinetwegen beantworten. [3] Den weil er wegen anderer Verrichtungen auf diese lustige Philosophie nunmehr keine Nebenstunden spendiren kan / es wäre denn noch eine Comœdie mit der gesa ten Jugend vorzustellen; als hat er Gelegenheit alle gute Freunde zu bitten / sie möchten ins künfftige die Bücher von solchen Tituln nicht vor seine Arbeit halten / noch viel weniger die Sachen selbst zu seiner Verantwortung ausstellen. Er hat in diesem Stücke so viel gethan /daß ein ander / der es besser machen wil / leicht die Wege finden wird. Und wie sich alle sieben Jahr die Inclination eines Menschen sehr mercklich zu verändern pfleget; also ist es kein Wunder / wen er auch die Lust zu vieler Zeitvertreibenden Weitläufftigkeit verlohren hätte.

[4] Die andere Frage wird seinen Nachfolgern zum Unterrichte dienen / welche sich vielleicht einbilden / es wäre nur umb die Müh daß man die Feder ansetzte /so müste der Politische Näscher alsobald mit Kupferstich und Titulbogen fertig seyn. Ja wenn das Kunst-Stücke nun am Tage liegen wird / so möchte die Art zuschreiben etwas gütiger æstimiret, und etwas furchtsamer / oder doch mit bessern Bedachte imitiret werden. Wiewohl es ist Zeit / das zu der Sache geschritten wird.

Die erste Frage

1.
I.

Diese Frage habe ich zwey mahl aussühren wollen /und bin wegen anderer Verhinderung allezeit abgehalten worden. Erstlich / als die Disputation De Moralitate Complimentorum in Weissenfels gehalten war /so hatte ich bald darauf eine andere unter der HandDe Moraliate Facetiarum, da ich so wol die Fontes aller anmuthigen Reden / als auch zufördest die gebührende Masse untersuchen wolte. Nach diesen solte der Politische Redner mit einem Anhange / das ist mit dem lustigen Redner vermehret werden: Darinn ich durch gewisse Reguln gezeiget hätte / [6] nicht wie man sich im Reden als ein närrischer Pickelhering anstellen / oder wie man ungeschickte Reden / zu eiteler und recht ungeschickter Belustigung des Lesers / wiederhohlen und durchhecheln solte; sondern wie man als ein anmuthiger Redner bey allen Fällen / vornehmlich bey traurigen Zusammenkunfften / den Zuhörern lauter annehmliche / fröliche / und anständige Sachen vortragen und / also zu reden / die ernste Invention mit liebreichen Zucker bestreuen könte. Ob aber nun das Buch jemahls an das Licht kommen werde / davon zwar die meisten Exempel ausgearbeitet / auch die Fontes an sich selber etlicher massen eingetheilet sind; solches kan ich so viel weniger versprechen / jemehr ich alle Tage meiner Arbeit etwas neues zuwachsen sehe. Und derohalben wird auch die vollkommene Erörterung der gedachten Frage mit dem Buche zurücke bleiben.

2.
[7] II.

Weil es aber numehr an diesem Orte geschehen sol /so müssen wir zuförderst bedencken / was durch lustige Bücher verstanden wird? gewiß nicht dieselbigen / welche mit hohen Ergernüsse der Jugend / oder mit Verdrusse aller rechtschaffen Leute gelesen werden. Und also nenne ich dieses keine Lust / wen unzüchtige Sauzoten mit eingemischet werden. Den gesetzt es wäre ein Epicurisches Weltkind / welches sich eine Ergetzligkeit darbey einbildete; so hat es doch mit den Wercken der Finsternüß eine solche Beschaffenheit / daß sie gerne im Dunckeln verrichtet /und in listiger Verschwiegenheit vertuschet werden. Dannenhero scheut man sich dergleichen Händel offentlich zu lesen / so geneigt als man ist dieselbigen heimlich zu vollbringen. Ja wer an diesem Orte am meisten / (wie man zu reden pfleget) zurissen ist / der suchet wol eine Entschuldigung hierinn / daß [8] er die Schriffen von solcher Gattung desto eifriger vorda en hilfft. Was ist es nun vor eine Torheit / daß man etwas schreiben wil / darüber GOtt erzürnet / die Jugend zu ärgerlichen Exempeln angewiesen / alle verständige Leute von jhrer Gunst und Beförderung abgehalten / ja endlich die Personen selbst / denen der meiste Gefallen geschehen sol / zu schimpfflichen Urtheile angereitzet werden.

3.
III.

So ist es auch keine Lust / wenn man viel unflätige Redens-Arten oder andere säuische Erzehlungen anführet / und die kothigen Sachen in den Mund nimt / welche niemand gerne an den äußersten Absatze seines Schuches erleiden mag. Den ob gleich etliche aus dem groben und gemeinen Pöbel in solchen Sprichwörtern etwas sonderliches suchẽ wollen / also daß auch ein Quacksalber mit seinem Pickelheringe die Bauren nie besser zum lachen bewegen kan / als[9] wenn er solche Reden frey heraus fahren lässet / darbey wir in erbarer Conversation das Wort / mit Gunst / mit Urlaub / Salvo honore, mit Züchten zu reden /und dergleichen vorzusetzen pflegen: Jedennoch wird dieser Lumpen Gattung wegen kein Buch geschrieben; und wenn es auch auff solche Leser eingerichtet würde / so müste doch Anfangs eine Erinnerung ergehen / daß sich erbare Leute vor der Unfläterey zu hüten wüsten. Inmassen ich einmahl den Rath gegeben / man möchte bey einen anitzo ungenanten Buche die Unkosten daran wagen / und ein Kupfer darzu bestellen / da sich eine Sau in jhren gewöhnlichenAmbra herum weltzete / mit der Uberschrifft: CUI NON EST BALSAMUM; HUIC NON EST PHARMACUM. Das ist / wer diese Materie vor keinen Balsam hält / der mag sich davon keine Artzney wieder die lange Weile bestellen.

4.
[10] IV.

Wiewol im Schreiben muß unterweilen eines unzüchtigen oder unflätigen Werckes gedacht werden / wofern die Erzehlung nicht unvollkommen und verstümmelt bleiben sol. Und da ist unverboten daß man durch weitgesuchte Rätzel eine Sache höfflich und nachdencklich beschreibet. Den ein Verständiger verwundert sich über die Scharffsinnigkeit: ein unverständiger weiß nicht was darunter verborgen lieget /und hat keine Gefahr vom Ergernüsse. Hr. Opiz ist noch nie getadelt worden / daß er etliche schlimme Verse dahin verdammet / da man die Wand mit dem blossen Rücken anstehet. Und nicht vor langer Zeit / bat einer die Würtzkrämer / sie möchten in die Verse keinen Pfeffer thun / den sie gehöreten zu einem Dienste / da der Pfeffer schlimme Händel machen dürffte. Ins [11] gemein heisset es der Sache ein Mäntelgen umgeben / und ist also denn zugelassen /wen man / wie oben gedacht / eines solchen Werckes nothwendig erwehnen muß / und wen unter den Reden etwas nützliches und erbauliches gesuchet wird.

5.
V.

Doch weiter fort zufahren / so ist es keine Lust / wen aus der Bibel oder sonst aus Geistlichen Gesängen oder Gebeten ein Possen gesucht wird / da es entweder auff eine öffentliche Gotteslästerung /oder zum wenigesten auf ein solch Ergernüß hinauslaufft / dessen man die Zeit des Lebens nicht kan loß werden. Ich gestehe es gerne / ich habe vor langer Zeit einen und den andern Spottvogel anhören müssen / und GOtt behüte mich in Gnaden davor / das ich solche unverantwortliche Possen wiederhohlen solte: doch wen [12] die Lieder oder Sprüche vorkommen / so wüste ich mich auch bey Verlust meines Lebens der Gedancken nicht zu entschlagen / und ich muß den höchsten Verdruß darbey empfinden / wen die Andacht entweder verstört / oder doch aus dem ordentlichen Concepte gebracht wird. Und in solcher Betrachtung giebt es schlechte Lust / wen man erstlich lacht / und die gantze Zeit des Lebens / also zu reden /einen Dorn in dem Fusse behält. Wer die Collectanea der Römischen Pasquille gelesen hat / der findet wie gantze Reden aus der Versione vulgata mißbrauchet sind: doch weil diese Version bey uns nicht sehr getrieben wird; so scheint das Ergernüß desto schlechter. Immittelst wäre es doch zu wünschen / sie hätten die Manier behalten / da / meines Behalts / zu Pii V. Zeiten gewisse Verse aus dem Virgilio und Horatio auf die gesa ten Cardinäle höhnisch genug applicirt worden. Den bey diesen Heiligen wäre die Sünde noch zu [13] verbeten. Ich wil nur ein Exempel geben /welches verhoffentlich von keinen unter die Ergernüße gezehlet wird. Den es fraget einer was die Nase hiesse? und giebt zur Antwort: Qvod parasti ante facîem omnium populorum. Ob nun wol alles in der deutschen Bibel anders klingt: welchen du bereitet hast vor allen Völckern; so ist gleichwol dieses Wort von dem HErrn CHristo 'geredet / und wird auch in vielen Kirchen noch so Lateinisch gesungen; daß also mancher von der Andacht abweichet / und sich um die grossen oder kleinen Nasen bekümmert. Wäre es nun nicht besser / daß man solche Schertzreden etwas genauer einschrenckte / und vornehmlich die Bachanten / bey der also genanten Deposition mit dergleichen Fragen verschonete.

6.
VI.

So ist es ferner keine Lust / wen abgeschmackte Lügen vorgebracht [14] werden / wie fast Lucianus mit seiner Schiffahrt auff diese Kurtzweil gezielet hat. Da wissen etliche von kalten Ländern zu sagen / da die Worte vor dem Maule gefrieren / und da bey dem nachfolgenden Thauwetter ein Geschrey entstehet /davor man sein eigenes Wort nicht hören kan. Da hat einem Reiter der Schutz Gatter am Thore das halbe Pferd weggeschlagen / und er ist mit der zweybeinigten Möhre noch biß in das Wirthshaus geritten. Da ist gedörrter Schnee vor Saltz verkauft worden: und was man sonst mit grosser Unlust hören muß. Doch ein verständiger Leser schämt sich der Possen / die keinen Nachdruck haben; und weil eine Fabel die bestegrace hat / weñ sie der Warheit in etwas ehnlich ist /so ist es kein Wunder / wenn bey solchen Leuten die Annehmligkeit gar sparsam zu erfolgen pfleget.

7.
[15] VII.

In diese Classe gehören auch die Fantasten / welche aus ungeschickten / und alberen Redens-Arten /einen Possen erzwingen wollen / davor sich alle Welt in vollem Gelächter / wie die Soldaten mit jhrem Gewehren / præsentiren sol. Wenn sich jemand setzet / so heisset es / er hat die Wichtigkeit des Ober Leibes durch zuthuung des Mittelgestelles auf den breternen Eckstein verschraubet. Wen man isset / so hat man die Landstrasse der Beredsamkeit aus jhren Falten geschoben / und per posta einen verliebten Brieff in die Residenz des Obristē Hungers hinunter geschickt. Wen sich jemand zu Bette leget / so hat er in dem Schatten des Wollen weichen Federmarcktes / die unermäßlichen Wolthaten des Gänßlichen [16] Geschlechts in genaue Observanz ziehen wollen: und was sonsten vor rare Stückgen köntē abgemahlet werden / wofern sich jemand mit dieser Phraseologia bemühen wolte. Denn vor eins sind solche Reden allzuweitläufftig / und führen den Leser von dem Verstande des Werckes selber ab; vors andere sind sie von aller klugen Manier so weit abgesondert / daß sie unter den alten Scribenten keinen zu nennen wissen / welcher sich / nur zum Schertz / solcher Werckstücke bedienet hätte. Endlich siehet man daraus / wie desperat ein Schreiber seyn müsse / der in Mangel derer Realien solche Eitelkeiten ergreiffen /und alles / nicht nach der Sache / sondern nach den Zeilen und Blättern abtheilen wil.

8.
VIII.

Endlich suchen etliche jhre Lust in dem / das sie einen andern mit höhnischen Stichelreden durchziehen / und ein Meister-Stücke aus [17] Scioppii BucheDe Arte cavillandi ablegen. Es ist auch nicht ohne /wen die Welt eine Thorheit erzehlen hört / so werden die wenigsten mit jhren Lachē / gleich als mit den Applausu bey den Comœdianten / langsam seyn. Doch wer mit dieser Lust nicht behutsam handelt / der kan sich leicht alle Lust und aller Wolfahrt auf einmahl verderben. Indem ich selbst offtmahls darbey gewesen bin / da sich einer durch solches Schreiben zu Feindschafft Haß und Verfolgung gleichsam genöthigt hat. Und eben deswegen habe ich die jungen Magistros niemahls loben können / welche nur darum disputiren wollen / daß sie einen andern offentlich prostituiren und jhren Gedanckē nach / dem Auditorio ein kleines Possenspiel bringen können: denn die Auditores haben alles in wenig Tagen vergessen; und wen ja davon geredet wird / so denckt niemand / daß er demComœdianten einen Birnstiel vor die Lust spendieren wolte: da hingegen der andere / [18] der Subjectum patiens gewesen / bey vielen ein Mitleiden verdienet /oder auch selbst die Zeit seines Lebens auff einen Wiedergelt bedacht ist. Und solches um so viel desto leichter / alldieweil niemand lebt / der nicht einem Stücke wider könte ausgehechelt werden.

9.
IX.

Immittelst wer in abstracto bißweilen von einem übelanständigen Laster redet / und eigentlich auf keine gewisse Person gehet / auch keine Umstände darbey gebrauchet / daher sich jemand der Sache öffentlich annehmen darff; der ist hierinne nicht gemeinet: sondern gleichwie die Philosophia Satyrica jhren Nutzen hat / daß sich mancher heimlich über etwas schämen muß / der sich mit Nahmen nicht gerne würde nennen lassen; also werden alle rechtschaffene Leute von solchen Büchern gar ein gütiges Urtheil zu fällen wissen.

10.
[19] X.

Doch ich halte mich auf. Es ist Zeit das ich die rechtschaffene Lust eines anmuthigen Bücherschreibers vorstelle / weil ich viel verworffen habe / damit sich die Welt ungebührlicher massen zu kützeln pfleget. Und also spreche ich / das ist eine rechte Lustigkeit / dadurch das Gemüthe erfreuet / das Leben erbauet / oder zum wenigsten ein zuläßlicher Zeitvertreib ohne Ergernüß gefunden wird.

11.
XI.

Ich sage das Gemüthe soll erfreuet werden. Das ist / es soll etwas vorko en / welches eine Verwunderung / und ein annehmliches Nachdencken verursachet. Zwar der Schertz ist zweyerley: Etlicher wil bey den Zuhörer ein Gelächter erwecken / und dieses ist eben Dictio ludicra, oder wie die Frantzosen [20] sprechen Brules qve dawieder unlängst ein Frantzösischer Jesuit ein gantz Buch geschrieben hat: Etlicher hingegen erwecket eine lustige Verwunderung / und möchte Dictio amœna heissen / dabey man keines weitläufftigen Lachens bedürfftig ist: und dieser wird an gegenwärtigen Orte meistens gemeinet: dessen Fontes wolte ich auch in dem lustigen Redner gerne abgetheilet haben / wenn ich bey meiner damahligen Musse wäre gelassen worden.

12.
XII.

Nur mit wenigen etwas zu wiederhohlen / so bestehet alle Anmuth im Schreiben entweder in einer lustigen Sache / oder in lustigen Worten / damit die Sache vorgebildet wird. Die Sache oder die Erzehlung vor sich selbst / darff zu einem gantzen Buche nicht so kurtz seyn / wie man sich etwan bey einem Epigrammate vergnügen kan / gesetzt daß [21] vier oder fünff Worte zu der gantzen Invention genung sind: sondern es müssen so viel Umstände darzu erfunden werden /darbey man sich einer Materie von vielen Bogen versichern kan.

13.
XIII.

Dannenhero ist es am besten / wen man sich entweder auf Historien / oder auff Historisch-erzehlte Fabeln / und hiernächst auf annehmliche Gespräche gefast machen kan. Die Historien sind uns lieblich / weil das Menschliche Gemüthe immer etwas neues wissen wil: und es erscheinet alsobald an den jungen Kindern / wie sich die Ammen und Muhmen durch einfältige Fabeln hey jhnen so gar wunderlichinsinuiren können. Die Gespräche sind eben deswegen anmuthig / weil sich das Menschliche Gemüthe gern um fremde Händel bekümmert; welches daher abzunehmen ist / daß die meisten jhre nothwendigste Verrichtungen liegen lassen / [22] wenn sie nur auch ein paar schlechte Personen in einem Discurse behorchen sollen. Ich hatte auff der Universität einen guten Freund / der bediente sich alle Tage vor der Mittags und Abend-Mahlzeit eines dunckeln Gitters am Haus Fenster: den weil es ein Eckhaus war / und der Weg aus zwey Gassen vorüber gieng / fügte sichs gemeiniglich / das Weiber und Magde gleich bey dem Fenster stehen blieben / und nach dem Maße jhres Verstandes eine halbe Stunde oder noch was mehr mit schwatzen zubrachten: Also kundte er alles hören /und niemand durffte sich vor einem Verräther fürchten: Immittelst genoß er einer bessern Lust / als wenn er die artigste Comödie besucht hätte. Und was sind die Comödien selbst anders / als zusammen gesetzte Gespräche darbey sich der Zuschauer als ein Richter über frembde Worte belustigen sol.

14.
[23] XIV.

Wenn aber die Erzehlung oder das Gespräche recht lustig heraus kommen sol / so pfleget man stracks im Anfange auff gewisse Affecten zu gedencken / welche bey dem Leser müssen erwecket werden. Den wo keine Bewegung vorläufft / da ist alles einen todten krafftlosen Wercke zu vergleichen. Nun befinde ich bey dem Menschen vier sonderliche Affecten, durch derer Anreitzung die meiste Lust im Gemüthe erwecket wird. Erstlich wünscht man sich das beste Glücke. Zum andern / ist man Curieus und wil allzeit was neues wissen: Zum dritten / bildet man sich grosse Klugheit ein und wil an frembden Sachen was zu tadeln / oder zu verbessern finden. Zum vierdten / wolte man gern ein Richter werden / und nachdem sich die Barmhertzigkeit / oder im Gegentheil der Zorn erreget hat / [24] nachdem belustigen wir uns an des andern Glücke / und an des andern Straffe. Und gewiß / wer die Erzehlung angreifft ehe er sich eines solchen Affects darbey getrösten kan / der mag nur kühnlich dencken / daß er an seiner Müh Hopffe und Maltz verliehren möchte.

15.
XV.

Ich sage zwar nicht daß diese Affecten allemahl zu loben sind. Den was GOtt dem Menschen zu gute eingepflantzet hat / dasselbe wird hernach zu dem schändlichen Mißbrauche / gar wieder Schöpffers Intention gezogen. Was ist ehrlicher auff der Welt / als der Durst / der Hunger / und das Verlangen nach einem Weibesbilde? doch worinn pflegen auch die Menschen mehr zu sündigen / als eben in diesen hochnöthigen Begierden / welche zu erhaltung des Menschlichen Geschlechtes geordnet sind: Derowegen ist die Curiosität nicht böse: den darum haben wir eine vernünfftige Seele / daß [25] wir viel lernen: die Begierde zu censiren ist auch gut / weil hiedurch viel böses kan verhütet werden. Endlich die Barmhertzigkeit und Zorn sind so notwendig / daß mancher hohe Sünde thut / welcher sich zur unzeit solcher Affecten eussern wil. Und wer dieses bedencket / der entschuldiget die Redenskunst gar wol / wen sie manchen Grieff nach den Affecten einrichtet: den der Mißbrauch wird nicht mit eingeschlossen. Und muß ein Bereiter / ein Jäger / ein Vogelsteller sich nach der Natur und nach dem eingepflantzten Affecten der unvernünftigen Thiere zu richten wissen / wen er in seiner Profession nicht wil betrogen werden: warumb soll nicht ein Mensch / der seinen Nächsten zu etwas gutes abrichten wil / die genaue Beschaffenheit des innerlichen Gemüthes erlernet haben? doch wir müssen eines nach dem andern vornehmen.

16.
[26] XVI.

Der erste Affect ist / da man sich alles gutes wünschet. Und derentwegen gefallen uns die Erzehlungen / da von grosser Beforderung / von Reichthum / yon Ehre / und andern Gewerbe viel dicentes gemachet werden / ungeacht daß mehrentheils eine fremde Glückseligkeit darin zu betrachten ist. Den wir behalten doch zum wenigsten diesen Trost / weil es bey andern möglich gewesen / so könne es auch bey uns möglich werden. Die Menschliche Gebrechligkeit lässet uns gemeiniglich zu keiner glückseligen Hofnung kommen / und also bilden wir uns immer das ärgste ein: wen nun irgend ein lustiges Exempel uns vor Augen kömmet / so vergessen wir aller Furcht / und bringen in der süssen Einbildung / gleich als in einem Traume / etliche Stunden zu / da wir uns alles Glücke mehr als möglich vorstellen. Und wen auch unser unvollkommener Zustand der Gedancken Lust wiedersprechen [27] wil / so haben wir doch an diesen heimlichen Selbstbetruge ein solches Vergnügen / daß wir uns bey der nächsten Gelegenheit gar gern wieder fangen lassen.

17.
XVII.

Und eben aus dieser Ursache werden die Liebs-Historien so begierig gelesen / absonderlich von jungen unverheyratheten Personen / welche sich in dem künfftigen Ehestande desto mehr Glücke versprechen / je mehr Lustigkeit durch ein fremdes Exempel ist möglich gemacht worden. Wer auch in seinen Schrancken bleibt / wie Barclajus in seiner Argenis, und ein Frantzose in seiner Ariana sehr moderat verfahren sind / der hat deswegen im Schreiben keine Sünde begangen; sondern er hat ein Kunststücke gefunden /damit sich die Gemüther zu immerwährender Attention gewinnen lassen.

18.
XVIII.

Der andere Affect ist / da man sich aus hefftigerCuriosität um [28] etwas neues und sonderliches bekümmert: den man sucht gemeiniglich eine grosse Ehre darinn / daß man mehr als ein ander wissen wil. Und ich halte / es würde mancher mit seiner Heimligkeit eher hinter dem Berge halten / wen er sich nicht vor dem Schimpffe fürchten müste / als möchte ihm eine Unwißēheit zugetrauet werden. Ja wie viel tausend Thaler würde dem allgemeinen Postwesen ein Jahrlang abgekürtzet werden / wen die Montags Zeitungen nicht um einen Ducaten besser wären / als wenn es mit der langsamen Gelegenheit erst an der Mittwoch / und zwar in gedruckten Zetteln gelesen wird / da hernach ein jedweder davon reden kan.

19.
XIX.

Und diese Curiosität belustiget sich an neuen / an unerhörten / und an unverhofften Dingen. Vor eins mag die Sache nur neu seyn so wird sie mit Anmuth gehöret / und wol gar mit grosser Begierde[29] nachgesaget. Man erzehle nur bey dem Frauen Zimmer was vor eine facon von Zeuch oder Band mit der nechstē Post aus Frankreich ko en ist; ich wil wettenChrysostomus wen er auffstünde / und seine güldene Worte in deutsch übersetzen lernte / so würde er mit solcher Attention nicht gehöret werden. Und dieses Kunst-Stücke wissen etliche wol zu practiciren / welche die gemeinsten Sachen aus neuen und frembdenAuctoribus anführen / darbey sie den Applausum vor andern erhalten. Es ist wol ein Ding / ob ich meine kluge Sprüche aus dem Seneca gelernet habe / oder ob ich den Balzac zu rathe ziehe. Doch weil dieser nicht so alt ist / so lassen sich seine Worte viel anmuthiger vorbringen. Und worzu dienen die Inscriptiones der neuen Müntzen / die Inventiones von neuen Triumphbogen und Ehren-Pforten / oder was man sonst in offentlichen Reden zur recommendation bedarff; [30] äls daß sich ein Redner bey dencurieusen Zuhörer desto besser insinuiren wil.

20.
XX.

Die Sache mag auch unerhört seyn. Ich hätte bald gesagt sie mag einer halben Fabel ähnlich seyn. Ich besinne mich auff ein Exempel / welches im lustigen Redner zum Grunde einer Leichen Sermon gelegt wird. Den da sagt Cardanus in seinem Buche de vita propriâ, es wäre jhm sein Sohn gestorben; darüber hätte er sich dergestalt alterirt, daß er weder bey Tische / noch im Bette / ja so gar nicht in seiner Studierstube vor Angst zu bleiben gewust. Endlich hätte er im Traume eine Stimme gehöret / er solte nur den Smaragd vom Finger ziehen /und unter die Zunge nehmen / damit würde Ihm das Hertzeleid auff [31] einmahl vergehen. Solches wäre mit gutem Fortgange practiciret worden /also daß er auch nicht die geringste Bewegūg empfundē; doch wen er bey dem Essen / wegē der Speise / und auf der Catheder wegen des Discurses, den Ring als ein Hindernüs aus dem Munde genommen / so wäre der alte Schmertz wieder so hefftig dagewesen / biß der Ring unter der Zunge gelegen hätte. Der Mann schreibt es von sich selber /und wo er kein Testimonium mit bringt / daß er in der Zauberey etwas versirt gewesen / so weiß ich nicht ob ich es glauben sol: Indessen giebt es der Rede eine Anmuth / und bey den Zuhörern eine ungemeine Attention.

21.
XXI.

Zu den unerhörten Sachen wird auch dasselbe vornehmlich gezehlet / welches von unsern Landes-Gebrauchen in etwas abschreitet. [32] Angelus Politianus gedencket etlicher Völcker / da sich die Männer and Weiber statt in das Wochen-Bette legen: Der Jesuit Weberus schreibt der König in Monomotapa pflege niemahls zu niesen / das nicht die gantze Stadt über eine Meile hinaus auf jhre SpracheProfit sprechen müste: den die nechsten müsten solches mit hellem Halse ausruffen: welche es nun hörten / die schrien bey Lebens-Straffe nach / biß der Schall durch alle Gassen fortgepflantzet würde. Petrus della Valle ein Italiäner hat in den Morgenländern / sonderlich bey der Königin von Olala gemercket / das die Gemächer alle vierzehn Tage mit neuen grünen Kühmiste / der Gesundheit wegen / bestrichen werden. So ist aus den Americanischen Reisen bekand / daß bey den Völckern die nackend gehen /keine grössere Straffe vor [33] die Ehebrecher könne erdacht werden / als daß sie bey offentlichen Versamlungen jhr Corpus delicti mit einem Badeschürtzgen bedecken müssen. Den ob wol dergleichen Sachen eine Albertät bey sich führen /welche wir höhnisch verachten; so werden sie doch an den gedachten Orten mit vollẽ Ernste / und ohne alles Gelächter verrichtet; und daß wir uns darüber verwunden / solches geschieht darum / weil es vor unsern Ohren unerhört ist.

22.
XXII.

Ja diese Lust entstehet auch bey den ernhaftesten Sachen / wie ich mich besinne daß ich im lustigen Redner ein Exempel aus dem Gramondo gebraucht / da bey Krönung eines Königes in Franckreich viel Vogel aus jhren Gebauren heraus gelassen werden / und in der Kirche hin und wieder fliegen: item wie ein güldenes und silbernes Brod auf den Altar gleich als zum Opffer-Pfennige [34] gelegt wird; wie der König einen Ring zur Verehrudg anni t / und sich mit selbigen als ein Bräutigam an die gesamte Republic vermählet. Den ob wol diese Ceremonien ziemlich alt sind: dennoch können sie bey manchen der sich um Ausländische Dinge nicht viel bekümmert hat / unerhört heissen / und also den Effect bey seinem Curieusen Gemüthe erhalten.

23.
XXIII.

So mag anch die Sache unverhofft seyn / das ist / es muß in der Rede was vorgehen / oder es kan etwas erzehlet werden / dessen sich der Zuhörer nicht versehen hätte. Vom ersten habe ich ein Exempel im Polischen Redner / da ein guter Frennd in stürmischen Wetter abdancken solte / und alsobald seine Invention änderte / daß er sagte / er wüste aller Umstehenden jhre Gedancken: Ach wen es nur aus wäre / daß wir dürfften nach Hause gehen. Und noch einen artigen[35] Casum habe ich erzehlen hören / von Einem von Krosigk / Geheimen Rath am Hessen-Casselischen Hofe. Den als selbiger in wichtigen Expeditionen in Franckreich geschickt worden / gleich als im Deutschen Kriege das gedachte Hauß mit selbiger Crone in Bündnüs begrieffen gewesen / und numehr nach dem Friedenschlusse die alte Freundschafft solte continuiret werden: so fügte sichs / das er Zeitung bekam / die Fr. Landgräfin Æmilia wäre gestorben / und es würde von nöthen seyn / daß solcher Todes-Fall der Königin solenniter bekandt gemacht würde. Dannenhero wird eine Zeit zur Audienz bestimmet: die Königin erwartet seiner im Gemache / zwischen den vornehmsten Damen und Cavalliern: Alleine wie der Page von der Thüre den Tapet empor heben / und dem Abgesandten den Eingang eröffnen wil / ergreifft der unvorsichtige Mensch die Peruqve zugleich / das er in seinem Trauer-Habit / und im kahlen Kopffe vor der gantzen Versamlung [36] gesehen wird. Was hat dieser resolvirte Herr zu thun? Er empfängt die Peruqve von dem Pagen alsobald wieder: doch behält er sie in der Hand / und führet allerhand sinnreiche Discurse davon / was vor Zufälle dem Menschen begegnen / und wie leichtlich man seines Zierathes könne beraubet werden: hiermit appliciret er alles auf fein Vaterland / welches ebenfalls an dem Hanpte etwas wichtiges verlohren hätte /setzte also die Peruqve wieder auff / und so wol als man zuvor fast zum lachen geneigt war / so beweglich legte er die Notifications Complimente ab / welche desto mehr Nachdruck hatte / je unverhoffter das vorhergehende begegnet war.

24.
XXIV.

Doch solches bestehet erstlich bey dem Glücke / daß eben dergleichen Fälle sich ereignen / und den bey einer guten Resolution, daß man aus allen Umständen ex tempore was erdencken kan. Immittelst lassen sich unverhoffte [37] Dinge leicht vorbringen / derer sich der Zuhörer nie versehen hätte: und darauff sich gleichwol ein Redner zuvorher kan gefast machen. Zum Exempel kurtz vor meiner Abreise aus Weissenfels solte ich dem Seel. Hrn Ambts-Voigt Rüdinger die Leichabdanckung verrichten. So gebrauchte ich mich eben dieses unverhoften Kunstgrieffes. Den ich sagte / ich wäre ersuchet worden / so wohl denen Leichbegleitern Danck zu sagen / als auch einen Trost vor die Leidtragenden beyzufügen; Aber ich befände / daß keines von Beyden nöthig wäre. Nicht nötig wegen der Begleiter / weil sie den Dienst seiner Tugend wären schuldig gewesen: nicht nöthig vor die Leidtragenden / weil sie durch des Mannes Pietät, als durch ein tägliches Exempel zu einer Göttlichen Gelassenheit wären angewiesen / auch allbereit von der Cantzel zu Fortsetzung solches Osterglaubens erinnert worden. Hier kam alles vor / was man insgemein dem Verstorbenen zum Nachruhm / [38] und den Hinterbliebenen zum Troste ordentlich gedencken muß. Nur das unverhoffte Paradoxum, als wen die eingeführte Manir nicht nöthig wäre / muste dem alten Wercke ein neues Färbgen anstreichen.

25.
XXV.

Ingleichen habe ich im lustigen Redner ein Exempel auf den Todes-Fall einer Jungfer. Da ich an statt des Vortrages die Eltern gluckselig preise / welche jhren Kindern zu stattlichen Heyrathen verhelffen können /und weil in der Application gesagt wird / daß die selige Tochter im Himmel eine beständige Vermählung eingegangen wäre / so wird gegen die Begleiter nicht Danck gesagt / das sie einen Trauergang über sich genommen / sondern daß sie als Zeugen der unfehlbahren Verlöbnüs / gleichsam auff den Tag vor dem Hochzeit-Feste zu erscheinen beliebet hätten.

26.
[39] XXVI.

Wer die Music versteht / dem kan ich ein Gleichnüs geben. Gleichwie eine schlechte Arie, welche mit lauter Tertien und Qvinten fortgehet / und weder im Basse noch im Discante von den gemeinen Clausuln abweichet / gar seltē einige Grace bey einem curieusen Zuhörer verdienen kan; da hingegen der Klang noch einmahl so lieblich heraus kömt / wen unversehens eine fremde Cadence oder ein unverhoffter Accord die Ohren gleichsam zu einer Auffmercksamkeit anlocket: Eben also gehet es mit den Worten / welche in vielen Stücken sich nach den Musicalischen Thone / oder doch nach jhren Regeln / accomodiren müssen.

28.
XXVIII.

Und worin besteht das beste Kunststück in Comödien / als wen die Fabel oder die Historie mit solchen unverhofften Abwechselungen durchgeführet wird. Da der Zuschauer mitten in einem traurigen Auffzuge /straks [40] etwas lustiges zu vernehmen hat; da er vom Zorne zur Barmhertzigkeit / von der Freude zur Furcht / von der Hoffnung zum Schrecken / und allzeit von dem Gegenwärtigen auf etwas geleitet wird /dessen er sich nicht versehen hätte. Indem ich aber der Comödien gedencke / so besinne ich mich / daß in denen Nothwendigen Gedancken etwas von diesen Kunst-Stücken versprochen worden. Allein ich habe es nach der Zeit nicht vor nöthig befunden: Weil die Comödien so gar überflüßigen Nutz nicht haben / daß man jhre Manier so eigendlich in einem richtigen Buche beschreiben müste; und weil sie mehrentheils einen solchen Geist erfordern / der bey seiner Wissenschaft gute Naturalia, sonderlich ein hurtiges Judicium und einen lustigen Hunor gebrauchen kan. Doch ist dieses wol das vornehmste / daß man die Zuschauer allzeit betreugt / und wen sie etwas in diesen Affecte hoffen / den Ausgang auf andere Dinge zu spielen [41] weiß. Wie ich den auch deswegen nicht viel davon halte / wen der gantze Inhalt so deutlich im Cartel vorgeschrieben wird / daß hernach die Anwesenden alle inexpectata zuvorher sehen / und sich also in dem süssen Wechsel derer Affecten nimmermehr so annehmlich auffhalten können.

29.
XXVIIII.

Ich habe von denen Inexpectatis noch nicht genug gesagt; den ich muß auch den Grund sehen lassen / darauff sie beruhen. Erstlich kommen sie daher / wen man enie Ursache erdichtet / deren niemand wäre vermuthend gewesen: als zum Exempel / im lustigen Redner hab ich den Tod eines jungen und wolqvalificirten Ehmanns durch lauter unverhoffte Ursachen / oder wie es in Schulen genennet wird / per fallaciam non Causæ ut Causæ beschrieben. Er ward gebohren / daß er denen geliebten Seinigen einen sterblichen Gast [42] liefern möchte: Er ließ sich in der Aufferziehung wol an / damit er die Hoffnung groß / und seinen bevorstehenden Abschied desto schmertzlicher machen könte. Er kam zur vollkommenen Wissenschafft / daß man seiner desto langsamer vergessen solte. Er trat sein Ehren-Ampt an / daß er einen bessern Titul auf dem Grabstein hätte. Er ließ sich mit einer Tugendbelobten Person vermählen / damit er im Tode gewiß und ernstlich beklaget würde.

29. [1]
XXIX.

Vornehmlich giebet solches zu kurtzweiligen Erfindungen Anlaß: als wen man spricht: Der gute Mensch giebt seine Wort gar kurtz / er fürchtet sich gewiß er möchte im Zoll-Ampte angehalten werden / daß er von zehn Stücken sechs PfennigeAccise zahlen müste. [43] Oder. Der Mensch geht in seinen Sachen so leise und heimlich / er hat gewiß die Kunst vor einem Wochen-Bette gelernet / da man die Kinder nicht auffwecken darf; oder er gedencket noch mit der Zeit ein Epitaphium in einer solchen Kinder Stube zu werden.

30.
XXX.

Ferner kommen die Inexpectata sehr schön heraus /wen sie mit artigen und weitgesuchten Gleichnüssen zu thun haben. Es ist gemein daß die Liebe einem Feuer verglichen wird / oder daß man spricht / ein Fürste sey als ein fruchtbahrer Baum / als eine Seule /oder sonst als ein kostbahres Kleinot. Denn wem sind diese Gedancken nicht allbereit bekand? Aber wer die Liebe einer Kauffmannschafft / den Fürsten einerRaqvete vergleichet / wie etwan König Fridericus III. in Dennemarck / vor seinem Ende eben dergleichen gethan; der bringet gewiß [44] Sachen vor / darauff alle Anwesende nicht gedacht haben.

31.
XXXI.

Ich gehe vielleicht weiter / als die vorgegebene Frage verstatten wil. Doch weil ich die Lust legitimiren sol / so muß ich allerdings dieselbe in jhren Fundamente untersuchen. Und also wil ich ein Exempelaus dem lustigen Redner beybringen. Daß die Liebe einer Kauffmannschafft ähnlich sey / daß sieht man daher /indem eines dem andern sein Hertze verkauffet. DieAdvis-Brieffe sind die ersten Blicke: die Wechsel-Zettel sind die Verliebten Gespräche / welche niemahls mit protest zu rücke kommen. Das Wechsel-Geld ist die treue Auffwartung / welche in jhren Schrot und Korn richtig befunden wird. Die Zahlwoche gehet in der Hochzeit an / und lässet sich offtmahls an tägliche Termine / biß auff funfzig Jahr hinauß weisen. An Zinsen wird beyderseits nichts geschencket / noch viel weniger durch Compensation [45] abgerechnet / sondern ein jedwedes bezahlet das seinige; so hat man desto mehr einzucassiren, und desto mehr an den Correspondenten zu addressiren. der Gewinn findet sich endlich an lebendiger Wahre / die allzeit den gröstenProfit giebt / wen sie lang in dem Laden verbleiben sol. Kömt es auch so weit / daß man sich des Handels nicht ferner gebrauchen wil / so lebt man von Renten /und lässet andere neben sich auffwachsen / welche die nutzbare und fröliche Kauffmannschafft fortsetzen.

32.
XXXII.

Was sind auch die anmuthigen Rätzel anders / als solche zweydeutige Vergleichungen / welche durch den ersten Anblick nicht zuerrathen sind. Wie ich mich besinne / daß etwa vor 28. Jahren eine Zeitung von Jehna geschrieben ward / es giengen gewisse Propheten in Thüringen herum / die verstünden sich trefflich auff das Gewitter / trügen bundte Kleider / und was dergleichen mehr wahr; ja / sie solten auch [46] über der Fürstlichen Taffel zu Weimar gewesen seyn / aber nichts geredet haben. Doch endlich / wie man alles bey dem Lichte besahe / so waren es Hauß-Hähne /welche über der Taffel in der Schüssel gelegen / und allen vermuthen nach / gar wenig geredet hatten.

33.
XXXIII.

Eben ein solches Rätzel hab ich im lustigen Redner anbracht. Denn Thuanus schreibt / dem Könige in Franckreich wäre zu seiner Zeit ein wunderlicher Edelstein præsentiret worden von dieser Beschaffenheit: sein Glantz war unvergleichlich / nicht anders / als wenn er gantz angebrandt wäre / daß auch die umstehenden / kaum den schein ertragen kunten. Wenn er mit Erde bedecket ward / so drang er vor sich selbst in die Höhe heraus. In keinen engen Behältnüsse konte er verschlossen werden / und [47] also muste er an einem weiten Orte verwahret seyn. Er war schön und liedt keine Unreinigkeit. Die Gestalt war unbeständig und veränderte sich alle Augenblicke. Dem ansehen nach war er schöne / doch ließ er sich nicht gerne begreiffen. Ja wer sich zu gemein damit machen wolte / der hatte Schaden davon. Gesetzt auch /daß jemand etwas davon brach / weil er nicht allzuharte war / so blieb er doch so groß als zuvor. Und diese Erzehlung hat gedachter Thuanus von einem Medico, welcher unter diesen Rätzel das Feuer verstanden hatte / wie solches Hr. Conring in seinenNotis ad Præsationem Lampadii artig ausführet. Ich wil nicht sagen / wie ich es appliciret habe; die Um stände sind so klar / daß man bey einer Leichen-Rede ohne sonderbahre Mühe damit zu rechte kommen solte.

34.
[48] XXXIV.

Noch viel artiger kommen die kurtzweiligen Reden /welche daher genommen sind. Jener arme Mann sagte / es gienge bey ihm zu als wie im Himmel: den man hätte nichts zu essen noch zu trincken. Ein ander sagte / sein guter Freund / ein Poete / wäre wie eine Meerkatze: diese sähe aus halb wie Affe / halb wie Katze; Jener schiene halb klug / und halb ein Fantasie. Und ich weiß mich von meiner Jugend her eines Spieles zuerinnern / welches ich auch mit guten Freunden und Stuben Gesellen zur Lust offt gebrauchet habe / das heisset die Gedancken vergleichen. Zum Exempel ich gedächte heimlich an ein Dintenfaß / und fragte den andern / wormit er das jenige das ich in Gedanken hätte vergleichē wolte? wen er nun spräche / er wolte sie mit einer Trödel-Frau vergleichen; so sagte ich hernach meine Gedancken / und er müste die Vergleichung in einem tertio anstellen / vielleicht also: [49] Gleichwie ein Dintenfaß beqvem ist / wen man das Papier beklicken wil; also dienet eine Trödel-Frau / die einfältigen Leute zu beschmutzen. Gewiß wen etliche rechtschaffene Kerlen beysammen sind / und dergleichen Fragen nacheinander lassen herum gehen / so muß man sich wundern / was vor possierliche und oftmahls lächerliche Händel auff die Bahne gebracht werden: und allein daher / weil ein unverhofft Gleichnüß darzwischen kö t.

35.
XXXV.

Letzlich werden allerhand Allusiones mit Exempeln /Sprichwörtern / Sinnbildern / Müntzen / und was sonst angenehm ist / auff unverhoffte Manier anbracht Als wen einer im Krieg gefangen wird / so heist es /er hat des Caroli V. Symbolum gebraucht / Plus ultra. Oder wen einer eine kleine Frau heyrathet / so sagt man / E duobus malis minus est eligendum: Also wen jemand den Korb auff seiner Heyrath bekömt / so kan [50] man sprechen: der Mensch mag auff die Pabst-Wahl in das Conclave gehen / hier ist das Jus excludendi gegen ihn gebrauchet worden.

36.
XXXVI.

Im lustigen Redner habe ich eine Hochzeit Sermon da wird die Invention von Könige Ludovico XIII. in Franckreich angeführet / welcher seine Gemahlin aus Spanien zwar 1615. erhalten / aber erst 1621.als eine Gemahlin bedienet hat. Erstlich erzehlet man die Seuffzer / die Wünsche / die Verdrießligkeiten welche bey dergleichen langen warten auszustehen sind. Hierauff lobt man die nachfolgende Vergnügung / welche durch das vorhergehende Verlangen jederzeit verdoppelt wird. In der Application spricht man / es wäre billich / daß man dem neuvermählten Paare eben eine solche Frist bestimmete: Doch besinnet man sich einer artigen Begebenheit aus der Ariana, da von derEpicharis erzehlet wird / [51] wie sie einen einfältigen Liebhaber versichert über zwey Jahr Hochzeit zu machen / doch mit dem Bedinge / wen er etwas angenehmes thun würde / solten nach Gelegenheit etliche Tage abgeschrieben / und wofern er was versehen oder sündigen möchte / solten jhm zur Straffe etliche Wochen darzu geschrieben werden. Und läufft also die endliche Application dahin / es wäre zwar billig /daß man dem Königlichen Exempel nachlebete: gleichwohl würden die angenehmen Diensterweisungen dermassen überhäuffet / daß noch diesen Tag ein grosses Theil möchte abgeschrieben werden. Hierauff ist es leicht die Glückwünschung gegen die neuen Vermählten / so dann auch die Dancksagung gegen die gesamten Gäste abzulegen.

37.
XXXVII.

Ich komme zu dem dritten Affect, welcher sich gleichsam in seine Klugheit verliebet / daß er an fremden Händeln was zu [52] censiren, daß ist / was zu tadeln oder zu verbessern finden wil. Und eben darumb belustiget man sich über andrer Leute Thorheit / weil man zugleich über seine bessere Klugheit erfreuet ist. Zum Exempel warum lacht man so über die alten Pritschmeister Verse / welche doch so elend und erbärmlich klingen / daß man darüber weinen /oder das kläglichste Lamento darüber setzen möchte? Gewiß aus keiner anderen Ursache / als daß einer die Verse seinen Gedancken nach besser machen kan /oder daß er doch mit Leuten bekand ist / von welchen er bessere gesehen hat. Ich kenne eine Frau / die allzeit gantz ernsthafftig daher gehet / und niẽmahls in Gesellschafften zu lachen geneigt ist: doch es galt bey guten Freunden eine Wette / ich wolte es zu wege bringen / daß sie hertzlich lachen / und die Sache hernach mit grosser Lust anderweit erzehlen solte. Hiermit gerieth ich mit jhr in ein Gespräche / und erzehlte / wie sich unlängst eine berühmte [53] Köchin angegeben /und wie schlecht sie in dieser Kunst bestanden wäre. Also brachte ich so viel absurda culinaria auff die Bahn / daß die Frau / welche von dieser Kunst fast Profession machen wolte / nothwendig in eine Betrachtung jhrer Klugheit / hierauff in eine Verwunderung der fremden Ungeschickligkeit; endlich in ein lautes Gelächter gelocket ward.

38.
XXXVIII.

Sol ich die Händel etwas genauer betrachten / darüber wir unsere Censur gern auslassen wollen / so ist es entweder eine rechte Narrheit / oder eine Einfalt /ein Versehen / ein ungereimtes Beginnen / oder endlich eine überflüßige Klugheit darinn man betrogen wird.

39.
XXXIX.

Uber die rechten leibhafftigen Narren / das ist über solche Leute / welche jhren Menschlichen Verstand fast umgekehret haben / und mehrentheils [54] eine beywohnende Hoffart blicken lassen / dadurch sie / absonderlich bey Hofe / vollends perfectionirt werden; Uber solche Narren / sag ich / belustiget sich mancher / der gerne lacht / aber wer ein Mittleiden mit der Menschlichen Schwachheit hat; der läst sich in anmuthigen Reden nicht gerne auf solche Exempel führen. Ein andere Bewandnüs hat es mit den drey Ertz-Narren / da man das Wort Narr / nicht in diesen engen Verstande / sondern wie es im Sprüchen Salomonis / und im Jesus Syrach genommen wird / etwas weiter auslegen muß / daß alle Menschen darunter begrieffen werden / welche sich die blinden Affecten zu einer verderblichen und schädlichen Lust verleiten lassen.

40.
XL.

Die Einfalt kömt in vielen Stücken der Narrheit nahe. Den wäre mancher nicht einfältig und leichtglaubig /so würde er etwas langsamer [55] in das Narren Register geschrieben. Doch dient es zu gar anmuthigen Reden. Lachte doch Johann Huß / da er auff dem Scheiterhaussen geführet ward / als ein Pfaffe ausrusste / wer ein Bund Holtz zutragen würde / daß der Ertzketzer desto leichter könte verbrannt werden / der solte es mit grosser Erleichterung in dem Fegefeuer zu geniessen haben; und hierauff ein armer Bauer aus gantzen Leibeskräfften zwey Bund mit einander brachte: und eben die Ursache sagte er darzu / indem er lachende sagte: O Sancta Simplicitas. Was ward zu Rom vor ein Gelächter / als Keyser Claudius die also genañtenLudos Seculares begieng / wen wieder hundert Jahr von Erbauung der Stadt Rom vorbey waren / und ein Soldate aus heiliger Andacht überlaut ruffete / wie etwan in andern Spielen gebräuchlich war: Sæpe Facias. Item als Keyser Nero in einer Comödie nach Inhalt des Spieles von etlichen Personen [56] muste überfallen werden / und ein Soldate solches vor lauteren Ernst hielt / daß er auch darzwischen sprang und seinen Herrn secundiren wolte / so muste er diese Einfalt zu grosser Lust der Zuschauer dienen lassen. Ja noch ein Exempel anzuführen / wer belacht die Einfalt etlicher Türckischen Bauren in der Insul Chio nicht /welche jhrem Keyser alle Jahr 1000. Ducaten geben /daß sie nur Bürger und keine Bauren dürffen genennet werden. Ich dürfte fast aus des Piccarti Ridiculis der alten Böhmen gedencken / welche keinen Löwen mit einem vermutzten Schwantze im Wappen haben wolten / biß sie der Keyser besänfftigte / und dem Löwen einen doppelten Schwantz anmahlen ließ.

41.
XLI.

Zu der Einfalt gehören die Historien / darinn erzehlet wird / wie sich viel Leute von Dieben / leichtfertigen Weibesbildern / und anderen Personen betriegen lassen. Oder [57] wen ein Politicus dem andern was versetzt / wie jener beym Gramondo, welcher alles nach der alten Mode recht scharff haben wolte / biß jhm der König ein Bißthum gab / da ward er fro und fand etliche Tage darauff an der Haus-Thüre geschrieben: Et homo factus est. Den wer es hört / der bildete sich ein / er hätte den Vexierungen etwas klüger begegnen wollen / und in solcher Philavtie muß jhm das fremde Unglück oder der fremde Schimpff / zur heimlichen Freude dienen.

42.
XLII.

Das Versehen nenne ich / wen ein kluger Mensch /der sonst in allen Verichtungen gar geschickt aussiehet / etwas verderbet / und / wie man zu reden pfleget / dem Glücke eine Thorheit schuldig ist. Gewiß man sol mit solchen Mitleiden haben. Doch ich frage alle aufs Gewissen / wen sie auch den [58] leibhafftigen Catonem im Kopffe stecken hätten / ob sie offentlich oder heimlich das Lachen lassen können /wen sie auff der Gasse / sonderlich im Winter auff dem Eise / einen andern fallen sehen? Wie vielmehr ist die Erzehlung nicht allerdings unangenehm /wen die Fälle etwas tieffer und etwas politischer geschehen sind? Und eben darum haben die Politici in jhren Staats-Kammern einen alten abgetragenen Mantel / der heisset Bona intentio, den sie alsodann pflegen umzunehmen / wen die Händel da und dorte versehen sind / daß sie nur zum wenigsten etlicher massen wollen bey ehren bleiben.

43.
XLIII.

Hieher gehören auch die Straffen / welche aus Versehen als ein Unglücke über etliche Leute kommen /daß hernach andere was lustiges zu lesen haben. Wie die Bürger zu Meyland als sie Keyser Friedrichs Gemahlin [59] zum Schimpff auff einen Esel gesetzt / und also zur Stadt hinaus gewiesen / hernachmahls entweder sterben / oder etwas unflätiges aus dem Esel beissen musten. Wie die Genueser vom Carolo V. gestrafft worden / daß sie jhren Weibern allzeit die Oberstelle geben / und also die Prævogativ des Männlichen Geschlechts gleichsam verleugnen musten. Wie etliche Polnische Edelleute zu Zeiten Königs Jagellonis unter die Banck kriechen / und als Hunde hervor bellen müssen und dergleichen.

44.
XLIV.

Ungereimte Händel sind / welche sich mit unserer hergebrachten Weise nicht vertragen wollen / wie ich einmahl in einem Actu Oratorio den weinenden Hercalitum und lachenden Democritum einführete / und im Programmate aller Facultäten erwähnete / wie selbige in jhren ernsten Qvæstionibus eine und andere lustige Materie antreffen könten. Zum Exempel man darf die Theologiam mythicam bey den Juden [60] den nur propriè verstehen / so hat man gnung zu lachen / wen sie sprechen im Paradiese würde ein grosser Vogel geschlachtet werden / der habe in einem See gestanden / darinne eine Axt kaum in sieben Jahren zu Boden fallen könte / und wäre jhm doch das Wasser kaum über den Fuß gegangen. Og der König zu Basan wäre so groß gewesen / daß Moses ein Mann 10. Elen lang / mit einer Stange von 10. Ellen / als er 10. Ellen in die Höhe gesprungen / jhn nur an den Fuß-Knöchel getroffen habe. Was haben die Juristen nicht vor Gesetze hin und wieder anzutreffen / darüber man lachen muß.Claudius gab ein Gesetze man solte die Weinfässer pichen / und wen jemand von einer Schlange gestochen würde / solte man nichts anders brauchen / als [61] Safft vom Eschenbaume. Wer es nicht that /der war schon reiff zur Straffe: einmahl war alles Getraide verdorben / un der befahl durch ein Gesetze /man solte das Korn wolfeil verkauffen. Die Politici dürffen nur zu Hofe die ordentlichen Ceremonien durchgehen / und die täglichen Absurda dargegen halten / so wird es klar werden / daß Haterius beym Tacito noch viel seines gleichen hat / welcher dem Kayser aus Höfligkeit die Knie küssen wolte / und jhn mit solcher Complimente zu Boden warff.

45.
XLV.

Es fehlet auch bey dem Medicis nicht an Fällen die sich mit keinem klugen Principiis rejmen wollen. Jener wuste daß Speck und Kohl einem Westpfälischen Schmiede vor das Fieber gut wäre: doch er hatte noch nicht erfahren / daß ein Niedersächsischer Schneider daran sterben muste. Und es ist [62] aus demMartiali bekandt / das ein Medicus mit hundert Studenten einen Patienten besucht / und als sie nach einander mit jhren kalten Fäusten dem armen Menschen nach der Pulse gefühlet / jhme hierdurch das kalte Fieber zuwege bracht. Von denen Philosophis darff man nicht viel sagen: weil es in betrachtung der Scholastischē Grillen zu Antwerpen so weit kommen ist / daß der Nahme Philosophus vor eine Injurie angenommen wird. Und ich besinne mich auch auff eine Tragœdie vom Tamerlan da sich der Pickelhering vor einen Philosophum ausgeben muß: nicht als wen sich die rechten Philosophi dessen anzunehmen hätten / von welchen Plato sagt: Resp. tum fore felices, si Reges philosopharentur: sondern in betrachtung der ungereimten Dinge / welche unter dem Deckmantel der Philosophie begangen werden.

46.
[63] XLVI.

In der Philologie mangelt es auch nicht. Was werden doch vor ungereimte Etymologien hervorgesucht Als wie jener bey Limnæo welcher das Wort Grave oder Richter / halb aus dem Englischen / halb aus dem Lateinischen herführt. Den Englisch heist der Friede Grith / und auf Lateinisch heisset Weh Væ. Nun macht ein Richter aus den Gesetzen Friede / wen jemand dem Vaterlande wil weh thun / oder wie es in der tröstlichen Grundsprache lautet: Qvi Patriæ faciunt væ. Ja was werden anitzo vor unschuldige Bogen von den Sprachverderbern verklicket / die mit jhren wunderlichen Einfällen dem gedruckten Deutschlande wieder auf einen festen Fuß helffen / und die alsogenannte Helden-Sprache zu einem Mittel wieder alles Unglücke setzen wollen. Wiewol ich möchte die meisten an ein kurtzes Tractätgen weisen / das im Titul heisset: der deutsche Pickelhering auf dẽ Französischen [64] Schavot / da ein Kerle recht zierlich durch gehechelt wird / der sich an des Jarrigii Jesuitam in ferali pegmate gemacht / und die recht noble Lateinische Ubersetzung in seine Helden-Sprache versprachwechseln wolte.

47.
LXVII.

Doch wer wil alle Gattungen der ungereimten Händel auff einmahl nennen. Nur dieses wil ich noch erwähnen / daß in solchen Redensarten der Stylus etwas höhnisch geführet wird. Und darum giebt es eine sonderbahre Anmuth / wen bey einer Rede etwas heimlich abgebildet wird damit gewisse Personen vexieret werden. Als die Jungfern sind bey iederman in der Opinion daß sie gerne Männer hätten. Hierauff habe ich im lustigen Redner einen sachten Schertz bey einer Begräbnüß Rede appliciret. Ich erzehle wie der Groß-Fürst in Moscau seine Heyrath [65] anstellet. Er verschreibt die schönsten Jungfern / aus dem gantzen Lande / und wen sie beysammen sind / läst er sie in gewissen Gemächern bleiben / darein er heimlich sehen / und jhrer Reden / Minen und Affecten kundig werden kan. Wen jhme eine vor andern recht gefället /so wird ein Tag zum Beylager ausgesetzet. In der Kirche wird alles zu der Trauung / zu Hofe alles zu einem Hochzeitlichen Panqvet angestellet / und niemand weiß / welche Braut isi. Endlich kommen die Jungfern in einen grossen Saal / und stellen sich auf beyden Seiten. Der Groß-Fürst gehet unterschiedene mahl durch sie hin / biß er der rechten ein Schnuptuch überreichet / und sie hiermit zu seiner Gemahlin erkläret. Hier kan durch eine artige Beschreibung gedacht werden / wie den Jungfern mus das Hertze geklopffet haben / wie eine nach der andern auff das hohe Glücke gewartet / und wen der Fürst vorbey gegangen / fast nach dem Schnuptuche [66] gegrieffen hat. Biß die Application alles zu einem vollen Ernste dirigirt: Den das Schnuptuch welches der Hi lische Bräutigam einer Jungfer in dieser Welt überreichet /ist das Leichen-Tuch. Die Blicke die er nach jhr thut /sind die Vorboten des Todes. Und gleichwie jene Moscowitische Jungfern dencken / Ach wen er doch auf dich sehen wolte! also dencket auch eine Christliche Seele / ach wen doch die Zeit da wäre / daß du vor andern das Verliebte Tuch empfangen soltest.

48.
XLVIII.

Das Letzte / darüber wir gern censiren wollen / istdie überflüßige Klugheit / dabey mancher betrogen wird. Warum lässet sich mancher auslachen / wen jhm eine Respublica Platonica im Kopffe steckt / da alles recht und gleich zugehen sol; als eben darum /weil solche Grillen zwar im Kopffe können ausgesonnen / nicht aber im Wercke selbst geliefert werden.[67] Das heist / der Herr war gar zu klug; der gegenwärtige Zustand kan solche überflüßige Weißheit nicht ertragen. Ach wer nur die Judicia in Schul-Sachen zusammen lesen solte / der würde manchen Klüglinge /der seine Philosophie auf eine Qvartblat bringen wil /in die Ohren zischeln / wie dort Apelles dem Alexandro, der auch als ein König viel von der Mahlerey wissen wolte: Er schweige doch stille / sieht er nicht /wie meine Jungen / die noch Farbe reiben / darüber lachen müssen. Den dieses Unglück müssen die Leute in Schulen noch über jhre tägliche Arbeit erdulden /daß alle / welche kaum jhre Nahmē absq; vitiis Lateinisch schreiben können / so viel Klugheit zu verschencken haben / darbey sie in einen halben Tage zwey Universitäten und ein halb Schock Gymnasia die gemeinen Schulen ungedacht / ex fundamento reformiren könten. Und da sich niemand einen Schuster / einen Leinweber oder gar einem Feuermauerkehrer[68] in seiner Arbeit zu tadeln unterstehet / so muß die Schule so gering seyn / daß ein jedweder was darinn verbessern uñ klügeln wil. Doch eben solche Gedancken dienen hernach den Leuten die es verstehen / an statt eines perfecten Possen-Spieles.

49.
XLIX.

Allein wir Gelehrten / wie wir genennet werden /haben auch offt von dieser überflüßigen Einbildung etwas eingenommen / daß wir unsere Sachen gar zu gut und köstlich machen wollen / und nicht bedencken / wie lächerlich es einem andern zu lesen ist. Fürwar als ich des Chytræi Delicias mit meinen Untergebenen durchgieng / habe ich etliche Grabschrifften unter lächerliche Titul bracht / weil sie gar zu nachdencklich lauten. Laurentius Valla hat auf seinem Leichenstein den Ruhm / Jupiter hätte jhn nicht mögen in den Himmel nehmen / weil er sich vor dessen Censur gefürchtet hätte; Auch Pluto wäre numehr[69] verzagt ein Lateinisch Wörtgen zu reden. Zu Neapolis stehet bey einer Fürstin Grabe / man solte die Schrifft sachte lesen / damit die schlaffende nicht auffgeweckt würde. Zu Padua ist einen Jungen Doctori Medicinæ das Lob beygeschrieben worden / der Tod hätte jhn deßwegen dahin gerissen / damit er jhm nicht schaden / und in seinem täglichen Handwerke Eintrag thun möchte / das ist / daß er jhm nicht weniger Leichen verstatten möchte. Ja zuAnjou in Franckreich hat sich ein Bischoff selbiges Ortes ein Begräbnüß machen lassen / und auff solchen unterschiedene Sprüche / als von MOSE, Priamo, Aristotele, Horatio, Ovidio, Cicerone, PAULO, Diogene, Usediæ, Catone, Juda Maccabæo, Seneca, Solone, Platone; HIOBO, etc. untereinander schreiben lassen.

50.
[70] L.

So hat man auch im Politischen Leben viel Complimenten die etwas sonderliches bedeuten sollen / und doch mit lächerlichen Glossen zurücke kommen. Wer kan sauer sehen / wen er bey dem Camdeno lieset /der Pabst hatte die Königin Maria von Schottland /durch ein Handschreibẽ versichert / er wolte sie unter seinen Schutz nehmen / wie eine Henne jhre Küchlein unter jhre Flügel. Oder wie jener Jude /der in Engelland sterben solte / im Hinausführen / der Königin zu verstehen gab / er hätte sie so lieb als den Herrn Christum. Und was sonst vor zweifelhaffte Formuln sind / welche sich besser schicken solten /wen ich die Disputation de Complimentis noch einmahl heraus geben möchte.

51.
LI.

Es ist Zeit daß ich den Vierdten Affect betrachte / da man gern etwas zu richten hat / und da [71] man sich in solche Fälle verliebt / die nach unsrer Freundschafft oder Barmhertzigkeit wol abgelauffen sind. Wie froh wird doch das Frauen Zimmer wen ein Verächter jhres Geschlechtes irgendwo schlecht abgewiesen worden: Und wie süsse scheint die Erzehlung /wen ein treuer Liebhaber am Ende mit einer rechtschaffenen Gegenliebe erfreuet worden. Es geht auch in aller Conversation fast nicht anders her. Einer verliebt sich in die Frantzosen / daß man leicht etliche Kannen Wein verdient / wen ihm was glückliches davon zu Ohren gebracht wird. Hingegen ein ander spendiret nicht eher ein Nössel Wein auff seinen Leib / als wenn die Frantzosen in den offentlichen Zeitungen geschlagen worden. Drum ist auch so viel daran gelegen / daß ein Politicus sich u die unterschiedenen Gemüther bekümmert / was zum Exempel / ein Fürst / ein Staatsmann / ein Gelehrter / ein Soldat /ein Kauffmann / ein [72] Bauer vor bewegungen an Haß und Freundschafft bey sich fühlet; indem er also leicht etwas lustiges / nach eines jedweden Humor daher schwatzen / und alle Welt mit leichter Mühe zu Freunden behalten kan.

52.
LII.

Und so viel von den lustigen Sachen. Noch mehr Lust kö t darzu / wen die Worte auch beystimmen / und wie etwan ein schönes Lied durch die Melodey noch schöner wird; also gleichfals bey der angenehmen Sache die Redens-Art nicht unangenehmer zu lesen kömmet. Inmassen hiervon etwas schon bey den Gleichnüssen gedacht ist.

53.
LIII.

Die beste Kunst ist / wen alles mit lebhafften und gebräuchlichen Worten abgebildet wird. Den wie es schlechte Lust giebet / wen eine Soldaten-Historie sol erzehlet werden / der nicht einmahl weiß / was Qvartier / Runde / Proviant / Kraut [73] und Loth / Officirer und Mußqvetierer vor Dinger sind; also ist es eben so kläglich anzuhören / wen jemand diese Nahmen durch einen Sprachwechsel entweder undeutlich oder ungewöhnlich anzudrücken bemühet ist. Ich frage auch den Unpartheiyschen Leser / welche Rede sich vor die Ohren eines rechtschaffenen Zuhörers am besten schicken möchte / wen ich die vergebene Hoffnung eines betrogenen Politici beschreiben wolte: ob diese: Er ließ sich bey dem Patron anmelden / und wuste sich mit allerhand Ceremonien hervor zu thun: Allein es mochte jhm entweder an der rechten Stunde fehlen / oder die beste Recommendation von Doctor Schencken war vergessen worden / daß er mit leeren Complimenten davon ziehen muste. Oder diese: Bey dem hohen Beförderer seinen demüthigsten Zutritt suchend / wurde [74] er mit liebreitzender Lustseligkeit aus sich selbst gesetzet / als jhm ein betriegender Augenbliks-Comet die Freyheit in die Hände spielete / seine Wortge pränge glückwünschend bey seinem Hofnungs Alter auffzuopffern. Ich wil nicht die Kühnheit eines Richters auff mich nehmen / ob die mißgünstige Gelegenheit die Uhr der beglückten Erfolgung zu unrechter Zeit gestellet / oder ob vielmehr die Schwachheit seiner schreckenden Auffwartung / zu einem stetswierigen Warten / sey verstossen worden. Den gesetzt daß mancher solche Schwachheiten unter dem Nahmẽ einer hohẽ Schreib-Art bedecken wolte; so hat man doch nichts mehr davon / als einen Verdruß des Lesers / und ein Verderbnüs der besten Invention zugewarten.

54.
[75] LIV.

Und eben darum kan ich denen Ausländischen Worten nimmermehr so gar feind seyn / daß ich der Frau Mutter Sprache (wie jener Klügling sagte) einen Abbruch an jhrem Heldenmäßigen Ruhme zu thun gedächte / wen etwas von solcher Gattung mit eingemischet würde. Den weil die lustigen Sachen einen Stylum familiarem erfodern; und gleichwol die Gewohnheit etliche Wörter der massen angenommen / und wie sie in Franckreich reden / in das Jus naturalitatis gezogen hat / daß man sich einen bessern Klang auch wohl einen heftigern Nachdruk darbey einbildē muß: so heist es: rede mit der Welt / und lasse dir die neue Mode gefallen / sonst bleibstu ein kluger Mensch vor dich alleine. Es mag mir einer sagen was er wil / so klingt es vor den heutigen Ohren lustiger / Sie wird so gütig seyn / und nur die Affection erweisen: als / Sie wird mir die Gunst erweisen. [76] Item: Seinecourtoisie verbindet mich darzu / als Seine Höfligkeit verbindet mich. Ferner: Ich bin an einem angenehmen Orte engagirt, als / ich habe mich da eingelassen. u.s.w. Ich sage nicht daß alle Neulinge Recht haben: sondern ich spreche nur / ich und vielleicht alle meines gleichen / sind zu wenig / daß wir den Strom der allgemeinen Gewohnheit auffhalten sollen. Und warum reden wir nicht / nach dem es die Leute gern hören; wofern wir unsere Reden nicht so wol uns / als andern zu gefallen vorbringen. Wiewol von dieser Materi ist anderswo schon geredet worden.

55.
LV.

Nebenst diesem lassen sich die Sprichwörter mit guter Manier vorbringen / absonderlich dieselben /welche etwas spitzfindig eingerichtet / und darneben in der gemeinen Conversation nicht gar zu unbekandt seyn. Wie ich mich den offtmahls wundere / woher so ein allgemeiner Consens durch [77] gantz Deutschland entstanden ist / daß viel Sprichwörter an einem Orte so wol als dem andern im Schwange gehen. Den daß man zum Exempel spricht / mein Felix ist mir aus dem Donaten gerissen / darinn läst sich die Erfindung leicht errathen / weil dieses Buch in allen Schulen bekandt ist. So giebt es auch etliche Redens Arten / welche auff bekandten Gleichnüssen beruhen. Doch warum spricht man allenthalben. Es bekömt dir wie dem Hunde das Gras / und nicht / wie der Kuh die Schindel-Nägel; Die Arbeit geht dir als wie Pech vom Ermel / und nicht / wie Hartz vom Mantel: Du bestehst wie Butter an der Sonne / und nicht / wie Speck hinter dem Ofen. Der lacht wie ein Bauer der ein Huffeisen gefunden bat / warum nicht wie ein Weitze-Bauer / der den scheffel um 4. Thaler verkauft hat. Der ist lustig wie der Hund im Ziehborne / [78] warum nicht wie der Bauer im Thurme. Und daraus siehet man / daß man sich einmahl müsse in einer Sache vergliechen haben. Sonderlich wen die Allusion auf eine gewisse Historie gehet. Wer hat es an allen Orten äusbracht / daß einmahl ein Goldschmieds Junge ziemlich garstige Gedancken gehabt? Woher wissen alle Leute / daß einmahl dem Cantori an einem gewissen Orte die Fackel aus geleschet ist? Wie haben es alle erfahren / daß des Groß Vaters Hund einmahl ohne Schwantz wieder nach Hause kommen ist: und was sonst vor Historien sind / die ich an allen Orten durch solche Allusiones gehöret habe.

56.
LVI.

So viel ich errathen kan / so wird das meiste von den Soldaten und von den Studenten in die Welt gebracht. Die Soldaten verändern jhre Qvartiere offt / und da lassen sie gemeiniglich ein Gedächtnüß von etlichen Possen zurücke. Als vor dreyhundert [79] Jahren entstund ein Sprichwort: Es wird dir gehen wie den Schwaben vor Lucke: und bey vorigen deutschen Kriege ist das Formulgen entstanden / welches auch im gemeinen Complementir Buche angemercket ist: Der Kerl ist vor Bautzen geschossen worden. Die Studenten kommen aus allen Ecken zusammen / und bringen entweder was lustiges mit / oder finden etwas / das sie nach Hause tragen. Und dannenhero ist es auch manchen ein groß Unglück / wen er auf der Universität leben sol: alldieweil seine Thorheit die sonst an einem obscuren Orte gar leicht durchgelauffen wäre / fast in allen Städten / und conseqventer in vielen lustigen Schrifften zur Kurtzweil dienen muß. Ob die Kauffleute erwas darzu contribuiren, welche gleichfals auf viel Messen und Jahrmärckte unter vielerley Landsleuten herum reisen / daran zweifle ich nicht. Warum heisset in Schlesien und weiter ein Mutzrauffer / ein[80] Schmarützer der anderswo umsonst mit fressen und sauffen wil? Ich sehe es in Münsteri Cosmographie daß ein Kauffmann aus der Schweitz die Redens Art biß hierher muß gebracht haben: den es ist ein Ort daselbst / da geht es so scharff her mit den Schuldnern /daß sie erstlich erinnert und gemahnet werden / hernach setzt man ein Bild mit einem häßlichen Kopffe und mit grünen Reisern umwunden vor die Thüre /das heisset der Matz. Und also hat ein jeder Freyheit zu nehmen / was er finden kan. Alldieweil sich nun viel Leute darbey angeben / die von rechtswegen nichts zu suchen haben / und die sich in die Victualien an Brodt und Geträncke theilen / biß nichts mehr zu verschmausen da ist / so heist es / der hat auch ein Reisgen von Matzen ausgeraufft.

57.
LVII.

Es ist auch allerdings nicht zu verwerffen / wen bey der ungebundenen Rede etliche Lieder und Verse mit eingemischet werden / wie solches im [81] Politischen Näscher geschehen ist: den es steckt doch in den Reimen / und vornehmlich in den Liedern / die sich auf eine bekandte Melodey schicken / eine heimliche Ergetzligkeit: und solches um so viel desto mehr / weil die Abwechselung der Schreibart selbsten eine Lust macht / nach dem Sprichworte: Varietas delectat. Doch ist von nöthen / daß die Verse gantz ungezwungen gehen / und daß / wie allbereit in Nothwendigen Gedancken erfodert wird / alle Constructiones rechtnaturell, nicht anders als man in prosâ gewohnt ist /heraus fliessen. Den sonsten wird der Leser durch den harten Klang abgeschreckt / daß er sein günstiges Judicium etwas sparsamer verleihen muß.

58.
LVIII.

Im übrigen wil ich alle Figuras Rhetoricas allhier nicht ausschreiben / welche etlicher massen zu der anmuthigen Rede dienlich sind. Wer Lust hat / weiß sie schon zu finden. Die einzige Description, oder wie sie dem [82] ordentlichen und Griechischen Nahmen nach genennet wird / Hypotyposis, ist wehrt daß man jhrer gedencket. Den wer eine Historie erzehlen wil / der thut am besten / daß er die Personen mit solchen Umständen gleichsam abmahlet / als wen die Zuhörer in eine Comödie geführet würden / da sie alles auf dem Schauplatze mit leibhaftigen Augen anzusehen hätten. Und schickt sich hernach die Sermocinatio sehr wol darzu / daß die anmuthige Manier desto vollkommener ausgeführet wird.

59.
LIX.

Ich muß ein Exempel geben. Es ist eine gemeine Historie vom König Ludovico XI. in Franckreich / welcher einem Diener / der jhm ein bewustes Thiergen vom Kleide abgelesen / vor die Auffwartung 40. Kronen bezahlet / und daß hingegen ein ander / der sich gestellet als hätte er einen Floch gefunden / 40. Streiche mit einem dichten Prügel zu lohne empfangen. Aber [83] wie viel lustiger klinget sie / wen die Umstände etwan dergestalt observiret werden. Der König war gleich in einem Wercke begrieffen / darbey sich alle Hoffleute zusammen gefunden hatten: und wie ein solcher Herr von den meisten genau angesehen und betrachtet wird / so stund ein Diener / ich weiß nicht ob es ein Page oder ein Cammerdiener gewesen ist /und verwandte kein Auge von dem Baume / davon er täglich bessern Schatten verhoffete. Doch in dem er sich in dem Anblicke gar zu sehr vertieffet / siehe da so kreucht ein Thiergen auff dem Kleide herum / welches wir / der Jahres-Zeit zu ehren / da man die meisten antreffen mag / ein Margreten Würmgen heissen. Der gute Mensch ließ sich die Kühnheit zu Hertzen gehen / daß ein so verachtetes Creatürgen auff einen solchen Potentaten mit Füssen herum lauffen solte /und wuste gleichwol nicht / wie der kleinen Bestie ein Monitorium zu insinuiren wäre / daß sie jhr Nest an einem beqvemeren Orte [84] auffschlagen möchte. Er durffte seinen Herrn nicht erinnern / noch viel weniger durffte er seine Hand an das Kleid bringen; so wenig als jhm vergönnet war / dem Könige Ungelegenheit zu verursachen. Endlich als Furcht und Barmhertzigkeit / Liebe und Ehre lange mit einander gestritten hattẽ / so trat er auff die Zehen / und schliech so leise auf seinen Herrn zu / wie ein Kätzgen nach der Fleischkammer / und erwischte das Thiergen mit der eussersten Finger-Spitze / und warss es ohne Gepolter auff den Boden dahin / daß er in guter Sicherheit lebte / es würde so wohl vor dem Könige selbst / als auch vor den Umstehenden verborgen bleiben. Doch was geschicht? der König siehet sich um / und wil mit einer recht ungnädigen Mine wissen / was er an seinem Kleide hätte zu suchen gehabt? der getreue Diener wuste nicht was vor eine Antwort die beste seyn möchte. Und so ungerecht es schiene / wen er seinem Herrn eine Rede schuldig bliebe; so unhöfflich kam es jhm [85] vor / wen er jhn vor allen Hofeleuten beschämen solte. Er fieng an zu zittern als ein Espenlaub / und jemehr ihm zugesetzet ward / desto weniger Blut behielt er im Angesichte. Nach langen Fragen ward seine Kühnheit so groß / daß er bekandte / es wäre ein verlauffnes Würmgen gewesen / welches einen richtigen Wegweiser zu seiner Herberge bedurfft hätte. An statt aber daß er mit einiger Straffe wäre angegrieffen worden / so hörte er die tröstliche Antwort / diese Dingergen wären bey dem Menschen am liebsten und dahero könte sich ein König erinnern daß er ein Mensch sey / doch solte er vor diese Dienstleistung vierzig Kronen zum Recompens haben. Ein ander sahe / wie sich der liebe Herr im spendieren vertieffet hatte / und gedachte auff einen Fund / der jhm auch zum wenigsten viertzig Kronen eintragen möchte: und so bald es Gelegenheit gab / daß der König am selbigen Orte in einem wichtigen Geschäffte begrieffen war / kam er mit leisen Tritten hinzu [86] [89]und nahm nichts weg / daß man etwas von jhm forschen solte. Und wer jhm die Hand bey dem ersten Angrieffe visitiret hätte / dem würde es gegangen seyn / als wie bey jenen Bauer / der zwey Finger in Klingelbeutel steckte / und doch nichts darzwischen hatte. Der schlaue König machte sich bald die Rechnung / es würde wieder was abzuzahlen seyn / und damit stellete er sich gantz ernsthafftig / und fragte jhn ebenfalls / wer jhm die Macht gegeben hätte / das Königliche Kleid anzurühren? er solte stracks bekennen / wodurch er zu dieser Freyheit wäre bewogen worden. Der Kerle stelte sich halb erschrocken und halb schamhafftig / irgend wie die jungen Mädgen / wen sie um das Jawort gefraget werden; und jemehr er sich wegerte / desto lieber wolte er noch einmahl gefraget seyn. Ja er furchte sich / der König möchte des Nachforschens üdrüßig werden / und seiner Antwort nicht verlangen; drum eilte er auch mit der Nachricht / und sagte kurtz und [89] gut /es hätte jhm ein Floh auff der Kappe gesessen / und wieder solche Gäste dürffte man nicht säumig seyn /wen sie dem Herrn zu nahe kommen. Wer war froher als der Diener? die Boltzen waren verschossen / / und er sahe immer darnach / ob er nicht einem Juncker die Schlüssel zum geheimsten Schatzkästgen vertraute /welcher das Gẽld in lauter Geburts-Tags-Müntze heraus hohlen solte. Allein ach wie erbärmlich war der Ausgang! der König fuhr jhn mit harten Worten an /was! sagte er / du Ertzvogel / wilstu mich zu einem Hunde machen? vor solche Leichfertigkeit solstu vierzig Streiche mit einen harten Eichenen Prügel zum Trinckgeld haben. Da stund der Fantaste mit seiner schönen Erfindung / wie ein Spielmann der den Tantz verderbet / und weil er gedachte: Je später daran /desto langsamer davon; so buckte er nur geduldig über / und ließ sich vor vierzig Kronen ein Maß zu einem paar Hosen nehmen / damit er sich biß auf weitern Bescheid behelffen kunte.

60.
[90] LX.

Es ist mit willen geschehen daß ich ein recht gemein Exempel genommen habe / welches in allem Schimpf-und Ernst-Büchern gelesen wird; nur damit man erkennen sol / was dergleichen Descriptiones bey den Erzehlungẽ vor eine sonderbahre Wirckung haben. Und dieses mag auch genung seyn / vor einen der etwas ausführlich wissen wil / was zu einer lustigen Rede erfodert wird.

61.
LXI.

Ob nun dergleichen Schrifften und solche Rhetorische Annehmligkeit manchmahl können mißbrauchet werden / davon wil ich nicht sagen. Ich beziehe mich auff §. X. da ich die Lustigkeit alsdenn erst lobe / wen das Gemüthe erfreuet / das Leben erbauet / und ohne Ergernüß ein zuläßlicher Zeitvertreib gesuchet wird: den wo die letzteren Reqvisitæ nicht aussen bleiben / da hat man auch wegen der Lust wenig zuver antworten.

62.
[91] LXII.

Ich sage das Leben sol erbauet werden. Das ist /man sol nichts schreiben / da nicht eine Tugend dem Leser eingepflantzet / oder zum wenigsten ein Laster mit durchdringenden Beweiß verdammet wird. Es sol alles zur Ehre GOttes geschehen. Nun weiß man daß GOtt seine Ehre nicht allein darinn suchet / wen ein Mensch die erste Gesetz-Taffel in acht nimt; sondern das ander Gebot ist dem gleich / daß man seinen Nächsten lieben sol. Und / O wie hoch möchte sich mancher Ausflügling bedancken / wen er aus solchen Schrifften seine eigene Thorheit verlassen / und klug werden wolte. Etliche Philosophi haben mit blossen Sprüchen / etliche mit Gleichnüssen oder Bildern / etliche mit Fabeln und Erzehlungen die unverständigen Leute auf den rechten Weg bringen wollen. Doch die Lehren sehen der kützlichen Welt zu sauertöpfisch aus; die Bilder wollen zu unser Zeit [92] in kostbare Kupffer gegraben / und derohalben wegen des theuren Kauffes / den armen und sparsamen Leuten verborgen seyn. Was ist nun zu thun? Ich meine die lustigen Historien / welche sich mit leichter Mühe durchlesen lassen / werden zum wenigsten so gut seyn / als ein gebratener Apffel / oder eine Ungerische Pflaume /darinn man die bittern Pillen unvermercket hinein schlucken kan.

63.
LXIII.

Gesetzt auch / daß etliche Reden so eigentlich des Nechsten Nutz nicht beförderten / so ist es genung daß er eine Erqvickung des Gemüthes / und eine lustige Ruhe von seiner Arbeit daher empfinden kan. Den solte dieses dem Nechsten nicht nützlich seyn / welches jhn zu der künfftigen Arbeit desto munterer macht? oder hat man ein grösser Gotteslohn verdient /wen einem faulen unnützen Schelmen vor der Thür ein Groschen in die Jacke geworffen wird / oder wen ein ehrlicher [93] Mann nach seiner Mühwaltung etwas neues und lustiges zu lesen bekömt / daß er in den nachfolgenden Stunden / vor viel tausend Groschen /dem Vaterlande / oder sonst dem gemeinen Wesen nutzen kan? Und aus diesen Ursachen habe ich die Lust also restringirt, daß man auf der andern Seite nichts verderben / und wegen eines Ergernüsses die Lust zur Unlust machen sol.

64.
LXIV.

Ich weiß wol / wie mancher / der im Leben viel Exempel aus dem Politischen Näscher / oder wol gar aus den drey Ertz-Narren agirt hat / vielleicht darum böse wird / daß er wieder des Auctoris Intention sein eigenes Bildnüs antreffen muß / weil er auch mit Sprüchen aus der Schrifft u sich werffen wil. Doch der Sache kan auch ohne Beleidigung des heiligen Buches gerathen werden. Den es sind zwey sonderbahre und nachdrückliche Erinnerungen / welche bey dieser Begebenheit anzuführen sind. Eine [94] steht Ephes. 5. v. 4. da der Apostel verbietet Schandbare Wort / Narrentheidung und Schertz / welche den Christen nicht geziemen. Die andere ist noch wichtiger /Matth. 12. 36. da unser Heyland selbst zuvorher saget / daß die Menschen sollen Rechenschafft geben von einem jeglichen unnützen Worte / das sie geredt haben.

65.
LXV.

Nun sol ein Mensch billig erzittern / wen er an die Rechenschafft vor dem Göttlichen Richter-Stuhl gedencket. Doch halte ich davor / daß allhier nicht die Fehler der Menschlichen Schwachheit / sondern vielmehr die unnützen Worte aus eigenwilliger und vorsetzlicher Boßheit verstanden werden. Den wo wolte auch der beste Prediger seine Sermon legitimiren, wen selbige vor der strengen Gerechtigkeit GOttesexaminiret würde? Ist es möglich daß ein gebrechlicher Mensch so einen Eifer / so einen Ernst / [95] und so eine Heiligkeit / der Erbsünde zu trotze bey sich empfinden kan / darbey er sich / wie etwan die Qvacker pralen / ohne Sünde wissen möchte? Gewiß ein jedweder / in welchen Stande er lebet / wen er seine Künste am besten anbracht hat / so ist er nicht einmahl wehrt ein unnützer Knecht zu heissen: weil dieser Titul auff die jenigen zielet / die alles gethan haben / was jhnen befohlen ist; sondern er wird sich auch zum Uberfluß so vieler unnützer Worte schuldig geben müssen / darbey er zu nichts als zur Göttlichen Barmhertzigkeit seine Zuflucht nehmen könte.

66.
LXVI.

Es ist mir leid / daß unsere Druckerey noch bey dem Schrifftgiesser auff das Griechische warten muß /sonst wäre aus der Betrachtung des Grund-Textes die Antwort gar leicht abzufassen. Das unnütze Wort heisset eigentlich / ein solches Wort / daraus kein gutes Werck zu erfolgen pfleget / oder / daß ich noch deutlicher rede / welches [96] auff kein gutes Werck / und auff keine Glaubens-Frucht abzielet. Und weil dannenhero der liebste Heiland offtermahls die faulen Bäume zu dem Feuer verdammet / weil sie keine lebendige Glaubens-Früchte tragen wollen; eben also wird aus solchen unnützen faulen und recht unglaubigen Worten diese schwere Rechenschafft / undconseqventer, wo keine Busse erfolget / eine noch schwerere Verdamnüß zu erwarten seyn.

67.
LXVII.

Dannenhero wen der Apostel die Eutrapeliam verdammen wil / so gebraucht er sich einer nachdenklichen Limitation, welche nehmlich den Christen nicht geziemet. Was ist ein Christe? ein Mensch der an CHristum gläubet. Was geziemet jhm? daß er den Glauben durch die Heiligkeit seines Lebens kundbar machet / und daß er durch kein unnütze Wort seinen Glauben wissentlich verleugnet.

68.
[97] LXVIII.

Nun ist die Frage / ob aus den lustigen Büchern kein Nutz / und noch deutlicher zu reden / keine Glaubens-Frucht / und keine Liebe des Nächsten erkennet werde? Was meine Gedancken sind /davon habe ich schon oben gnug gesaget. Und ich spreche noch / wer seinen Nechsten zur rechten Zeit erfreuet / der thut jhm einen besseren Liebesdienst /als wen er jhm güldene Aepffel in silbernen Schalen vorsetzte: wie vielmehr wird solche Liebe zu æstimiren seyn / wen er an fremden und verblümten Unglück die Mittel zeiget / dem vorstehenden Schaden zu entgehen. Ein Schadenweiser ist auch ein Freund /ob gleich ein Vorsorger etwas besser ist. Gesetzt auch daß der Leser allemahl nach des Auctoris Intention die Lehren zu seinem Nutze nicht anwenden möchte; so muß jhn doch die hergebrachte Entschuldigung vertreten / daß man die Schrifften nicht nach der Besserung [98] des Lesers / sondern nach dem guten Gemüthe des Verfassers urtheilen soll.

69.
LXIX.

Was sol ich sagen? Ich weiß wol / es hat sich mancher an den Uberflüßigen Gedancken geärgert /dem ich solchen Eifer wol hätte schencken mögen. Doch / ob ich wol / ein Scriptum anonymum so eigentlich zu defendiren nicht auff mich nehme / so muß ich nur beyläufftig gedencken / daß überflüßig nicht alsobald unnütze genennet wird. Manche Complimente / mancher Glückwunsch / manche Solennität im Proceße / mancher Spantziergang / ja manches Exordium bey der Predigt ist überflüßig: aber der müste ein ungereimter Mensch seyn / der solchen wolgemeinten Uberfluß unnütze heissen / daß ist / der jhn von allen guten Wercken / vnd von der Pflicht eines gläubigen Christen ausschliessen wolte Und solches hat ein bekandter Freund in einer mir dazumahl unbewusten [99] Præfation etlicher massen erkläret / daß ich so eigentlich nicht sehe / was man darbey zu erinnern hätte. Nur dieses sage ich vor aller Welt: Ist es war /was mich etliche bereden wollen / daß ich der Jugend was nütze bin / und daß ich noch solche Worte im Vorrathe habe / darbey mich meine Untergebene verstehen / und sich selbst zu einer guten Nachfolge erbauen können; so habe ich das meiste meiner grünen Jugend zu dancken / wel che sich an statt des müßigen Spatzierns / und anderer ungesunden Zeitvertreibungen / mit den überflüßigen Gedancken ergetzet hat. Ich wil es auch allen Jungen Leuten vorher gesaget haben /werden sie jhr Gemüthe durch keine lustige Erfindungen bey den müßigen Nebenstunden erqvicken / so werden sich [100] die Nothwendigen Gedancken ziemlich schwer und verdrießlich einstellen.

70.
LXX.

Ich komme wieder auff ein Gleichnüs von der Musick. Was scheinet unnützer als wen ein Scholare bey dem Organisten eine Alemande, Sarabanda, Giqve und dergleichen lernen sol? Doch wo nähmen wir Leute her / die uns in der Kirche das Fundament zu den deutschen Liedern / und zu dem Glauben spieleten / wen sie nicht durch solche Eitelkeiten wären zu bessern Künsten angeführet worden. Man laffe es nun sein / daß sich ein junger Kerl in eine Alemande, das ist in eine überflüßige Grille; in eine Courante, das ist in eine lustige Erfindung; in eine Sarabande, das ist in eine freymüthige Verachtung aller Dinge; endlich in eine Giqve, das ist in ein höhnisches Urtheil der Weltlichen Thorheiten / oder auch wohl gar in ein verliebtes Lamento vertieffet hätte: was [101] liegt daran /wen er sich hierdurch / auch wol gar in Geistlichen Dingen / desto geschickter und gewisser bey der Lust bleibet / davon sich ein junger Mensch gar zu leichtlich abführen lasset.

71.
LXXI.

Wer von dieser Frage mehr wissen wil / der schlage nur die Commentatores über die obgedachten Sprüche auff / und sehe was so wohl die Patres, als auch die Recentiores von der lustigen Art zu schreiben geurtheilet haben. Ich beschliesse hiermit: Hat uns GOtt dergleichen Affecten eingepflantzet / welche zu lustigen Erfindungen geneigt sind: hat er uns auch eine Geschickligkeit gegeben solche Kurtzweil auszuführen: so muß eine Gelegenheit zuvermuthen seyn / da man die Sachen anbringen mag. Den es heist: Deus & Natura nihil faciunt frustra, oder das ich das Zweydeutige Axioma deutsch gebe:[102] Was Gott der Creatur verleihet / das muß zu etwas nütze seyn / und dasselbige muß zu gewisser Zeit ehrlich und ohne verletzung des Gewissens gebrauchet werden.

Die andere Frage

1.
I.

Wer die lustigen Bücher von aussen ansiehet / der meinet vielleicht / es sey nur um die Mühe / daß man die Feder ansetzte / und allerhand lächerliche Fälle aus der vergangenen Zeit zusammen schriebe / sie möchten nun gleich die Länge oder die Qvere eingerichtet seyn. Und ich halte / daß auch kluge und gelehrte Leute oftmals nicht anders davon judiciren, aus Ursach / weil das Artificium ziemlich versteckt [103] / und durch eine äußerliche Confusion aus den Augen des Lesers gerücket wird. Doch wen ich etliche Blätter werde zurücke haben / so wird sich verhoffentlich mancher wundern / wie ordentlich / wie nachdencklich / ja wie beschwerlich und arbeitsam dieses Werck müsse angegrieffen werden.

2.
II.

Ich rede aber eigentlich von solchen Büchern / welche gewisse Moralia bey sich führen / und zu Erbauung oder zur Warnung des Lesers geschrieben werden. Die man sonst mit einem bekandten Nahmen Satyrica heisset. Und da ist es um drey kurtze Wörtgen zu thun / die man bedencket: das ist / man sol es 1. Heimlich / 2. Ordentlich / 3. Nützlich anfangen und ausführen.

3.
III.

Heimlich soll man es anfangen / den weil sich niemand gern die Warheit vorfiedeln lässet / und mancher die Fiedel zu Lohne auff seinem eigen [104] Scheddel zerbrechen siehet / der sich mit dieser Music gar zu gemein machen wil; so begehet man eine sonderliche Thorheit / dergleichen ich oben schon verworffen habe. Inmassen ich alsobald darbey sagte / es wäre rathsam daß die Vitia nicht so wol in Concreto und in den Personen / als nur in abstracto berühret würden. Nun aber lässet sichs in abstracto nicht so bloß hin treffeu / wen absonderlich die Erzehlung in etlichen Fabeln oder Historien Gespräche bestehen sol / da man ohne allen Zweifel gewisser Personen von nöthen hat.

4.
IV.

Dannenhero hat man gar ein köstliches Exempel an den alten Fabeln Æsopi, welche vielleicht in bessern Ehren wären / wen sie nicht in der Kinder Schule gar zu gemein würden / wie etwan der gelehrte Grotius sich ebenfalls wegen der Officiorum Ciceronis beklaget. Den ob er sagte Crœsus war mit seinem Königreicht nicht [105] zu frieden / und wolte ein bessers haben / darüber er betrogen / und seiner gantzen Gewalt verlustig ward; oder ob er sagte / der Hund hatte ein Stück Fleisch im Munde / und lieff über den Steg / da er den Schatten im Wasser sahe /und meinte es wäre das Stücke Fleisch unten noch einmahl so groß / damit ließ er das seinige fahren / und schnappte nach dem Schatten; so ist es gewiß in erwegung der nachfolgenden Lehre einerley /und beyderseits wird dieser Schluß gemacht: Behalt was du hast / und dencke ein Sperling in der Hand ist besser als zehen Lerchen auff dem Felde.

5.
V.

Und was hat der also genante Reinicke Fuchs anders in acht genommen? der ehrliche Mann / der die Invention heraus gegeben / war zu anfang [106] des vorigen Seculi bey einem Fürsten am Rheinstrom / ich weiß nicht ob zu Jülich oder zu Cleve Cantzler / und muste von seinen Wiederwärtigen sehr viel Neid / Haß und Drangsal ausstehen / biß er auch seine Dimission erhielt / und hernach als ein Privatus vor sich lebte. In solcher Einsamkeit hatte er Zeit auff das Vergangene zu gedencken / und stellte sein bißheriges Glücke in lauter Bildern vor / darunter der Fuchs allezeit lose Händel gemacht / und dennoch im Ausgange an den besten und nützlichsten Minister des Reichs gehalten worden. Gewiß die es gelesen haben / denen hat es zwar an einer heimlichen Erinnerung nicht gemangelt / daß sie möchten getroffen seyn: doch sie waren nicht genennet. Solten sie viel Wesens darüber gemacht haben / so würde sich der Auctor wegen der guten Auslegung bedancket haben: daß eben der Hund geschrien hätte / den er unter dem Haussen mit den Prügel getroffen. Also geht es hin / wen es gleich die Leute heimlich verdriest / [107] wen sie nur nicht offentlich dürffen böse seyn.

6.
VI.

Doch weil man heute zu Tage mit den Fabeln wenig Ruhm erjagen möchte / so weiß ich einen Weg / da auch der Leser nicht darff böse seyn / biß er in derApplication sich heimlich schämen muß / daß er eineAction verdammet / damit er gleichfals behaftet ist. Der Prophet Nathan gebrauchte es gegen seinen König / und sagte jhm etwas vom Reichen Manne /der dem armen sein einziges Schäfgen mit Gewalt entzogen hatte / also daß er Anfangs nicht die geringste Muthmassung haben kunte / als würde der Pfeil eben seines Gewissens wegen gefiedert. Hiermit ward er desto eher gefangen / und an statt daß er über eine deutliche Erinnerung würde gezürnet haben / so stacke er in seiner Scham und Schande / und ließ sich ohne alle Müh gewinnen.

7.
[108] VII.

Es ist war / die beste Mode lustige Sache zu schreiben ist wol / wen man auff die Thorheiten zurücke siehet / welche einem auf der Welt begegnet sind. Doch was zum Exempel ein grosser Mann thut das muß so lange ein Kauffmann gethan haben; was einPoliticus fehlet / das erzehlet man von einem Bauer. Ich möchte fast die neuliche Comödie vom Bäurischen Machiavello anführen / darinn ich nichts als Kleinstädtelische Personen auff das Theatrum kommen lasse / welche sich wegen einer verledigtenCharge trefflich grossen Kummer zu machen wissen. Doch wer etwas darbey gewesen ist / da man einander von dem Dienste abstechen muß / dem werden leicht etliche Exempel beyfallen / die sich gar naturell hieher schicken. Also mögen sich einfältige Leser an der Schale / das ist an den eusserlichen Possen begnügen / und wer seinen Kopff spitzfündigen [109] Händeln angewehnet hat / der mag den Kern suchen / und weiter dencken. Plura enim proponuntur cogitanda qvàm scribenda.

8.
VIII.

Hier fällt mir ein artiges Scriptum bey / welches 1659. vermuthlich / wie es die Mundart und der Druck ausweiset / in Hessen oder um Franckfurt heraus kommen: darinne werden zwey Berathschlagungen enthalten / wie von den Podagrischẽ Standẽ jhre enervirte und abgemattete Republic. wiederum auf festen Fuß zustellen / und hernach wie jhr Estat Honorabel und Formidabel zu machen sey. Nun geht das eusserliche Absehen auff lauter Possen /welche um so viel desto angenehmer sind / weil inActis publicis unterschie-Redens-Arten vorkommen /die in eigentlichen Verstande niemand weniger zu gehören / als den Podagrischen. Da wollen sie zum Exempel / jhre Republic [110] auff einen festen Fuß stellen / und darauff trachten daß jhr Estat vor weitererDismembration und Zergliederung verwahret /hingegen möglichst fulcirt, corrobirt, und in Auffnehmen gebracht werde. Sonderlich bey diesen weit auß sehenden Läuften. Da wird deliberirt, ob man sich bey itzigen turbis moviren solle! und beschlossen / das Stillsitzen wäre das beste / und solte bey Leibes-Straffe verboten seyn / von keinem fremden Herren / Lauffgeld auff die Hand zu nehmen / und was der lustigen Formuln mehr sind /welche ohne Lachen schwerlich können gelesen werden: dennoch lasse ich mir die Gedancken nicht benehmen / weil der Stylus zu nachdencklich ist / und keiner auff solche Invention gerathen wird / der nicht bey dergleichen Consulationibus herkommen ist; derAuctor muß ein Absehen auff [111] etliche Personen haben / die bey unmöglichen und desperaten Dingen noch grosse Zusammenkünffte und Berathschlagungen vorgenommen. Sie mögen nun hoch oder mittelmäßig /oder auch gar aus dem niedrigsten Stande seyn /davon wil ich nicht urtheilen.

9.
IX.

Wiewol es ist nicht allezeit von nöthen daß man auff gewisse Historien abzielet: sondern man gedencke nur / was einem rechtschaffenen klugen Menschen zu thun oblieget / und setze hernach das Wiederspiel / es mag einmahl geschehen seyn oder nicht / so wird genung zu censiren und zu lachen vorfallan. Was ist der also genannte Grobianus anders / als da ein spitziger Kopff alle Höfligkeiten die vornehmlich ber Mahlzeit gebräuchlig sind nacheinder bedacht / und hernach durch das Wiederspiel beschrieben hat. So ist auch unlängst der Poëtische Hans Wurst sehr lustig und nachdencklich gedruckt worden / da der Verfasser [112] viel Exempel genung vor Augen gehabt / darauff er hätte zielen können. Doch er hat nur Ideam boni Poëtæ, welche jhn nicht unbekand seyn kan / im Gedancken durchgehen / und eines nach dem andern umgekehrt setzen dürffen / so ist materia genug vorhanden gewesen.

10.
X.

Nur diese Caution darff nicht aussen bleiben / daß man keinen beleidiget / der sich durch solche unbesonnene Rede getroffen findet. Ich meine etwan einen hohen und vornehmen Patron / welcher dem Auctori aus bösen Verdacht schaden könte: den wer ohne Bedacht in die Laster hinein stürmet / der ist wie ein voller närrischer Mensch / der mit dem blossen Degen Lufft-Streiche thut / und hernach unversehens einen beleidiget / dem er gewiß nichts böses zugedacht /oder gegönnet hätte. Das ist war; Die Laster werden darum getadelt / daß sich jemand der Censur annehmen sol. Doch muß [113] man mit einem Laster seuberlicher eingehen / als mit dem andern. Zum Exempel wen ich zu Leipzig etwas schriebe / so mag sich jemand in Hamburg oder Dantzig des Handels annehmen: er wird doch schwerlich so unbesonnen handeln / das er mich als einen unbekandten eines specialen Absehens beschuldigen wolte: Aber wen ich auff das jenige gar zu scharff mit der spitzigen Feder loß gienge / welches an dem Orte da ich lebte / oder da auch die Schrifft gedruckt würde / an kundbaren Personen erst begegnet / und demnach in frischen Andencken noch enthalten wäre; so möchte ich mich entschuldigen wie ich ich wolte / die Præsumption wäre da / ich hätte eben hierauff gezielet: Gesetzt daß auch die heilige Innocentia selber vor mich eine Intercession einlegen / und mir ein Privilegium Inconsideratæ Scriptionis zuwege bringen wolte / wie etwan dort die Lacedæmonii, welche ausruffen liessen: Liceat Cluzomeniis ineptè facere.

11.
[114] XI.

Also muß die Schreib-Art heimlich geschehen / oder wen die obengedachte Abtheilung etwas deutlicher klingen sol / sie muß heimlich das ist Politisch / ordentlich / das ist künstlich / nützlich das ist Christlich eingetheilet werden. Und weil von der heimlichen und Politischen Intention genung gesaget ist / wofern sich jemand an die kurtze Regel halten wil; so fragen wir nun / worin die Ordnung oder die Kunst stecket.

12.
XII.

Nun sind die Titul / und dergestalt auch die Themata selbst entweder propriè oder allegoricè zu verstehen: Ja die Allegorischen Titul können nicht eher erkläret werden / als biß man dẽn eigentlichen und richtigen Verstand gefunden hat. Zum Exempel ich wolte ein Buch schreiben / und solches im Titul den Politischen Qvacksalber nennen / so würde gewiß [115] die meiste Müh vergebens seyn / wen ich nicht zuvor bedacht hätte / was ich durch einen solchen Qvacksalber wolle verstanden haben. Ja wen die Beschreibung nur richtig wäre / so müste man auch wissen / ob dessentwegen ein Mensch mit einem Marckschreyer könte vergliechen werden. Uberdieß wen hernach der Politische Leyermann / oder gar eine Politische Trödel-Frau erfodert würde / so müste man etwas neues finden / daß in dem Qvacksalber nicht wäre gedacht worden.

13.
XIII.

Ich bleibe bey einem leichten und fast lächerlichen Exempel / damit die Meinung desto sicherer zu begreiffen ist. Und was ist ein Qvacksalber / eine Person die von geringen und betrieglichen Sachen grosse dicentes macht / und die mit solcher Pralerey die Leute des Nuzens wegen an sich locken wil / [116] und welcher doch am Ende von rechtschaffenen Leuten verspottet / ja wol gar mit seiner Auffschneiderey zu schanden wird: wen er nicht bey Zeiten ein Loch in die Welt lauffet / dadurch man seiner nicht weiter gewahr werden kan. Nun sehe ich daß ein Politischer Qvacksalber heissen wird /Eine Person die sich durch solche Auffschneiderey zu grosser Beförderung / oder wen die Promotion erfolget ist / zu einem Vorzuge gegen andere seines gleichen / und conseqventer zu einem bessern Profit dringen wil / ungeacht die That selbst das Wiederspiel ausweiset. Mit einem Worte sagte ich: der Eigennützige Auffschneider.

14.
XIV.

Ein Politischer Leyermann müste also verstanden werden. Ein [117] Leyermann ist ein Kerl der mit eitlem Klange / und mit einer recht närrischen Music denen Leuten eine Lust erwecken / und sich dadurch etliche Groschen erwerben wil: ob schon die Music verständigen jhren Spott damit treiben / und zum wenigsten etliche einfältige Bauren durch solchen Orpheus-Gesang bezaubert werden. Nun wird ein Politischer Leyermann seyn / welcher sich mit schlechten Sachen hervor thut / davon doch die Welt keinen Nutzen hat / und daran endlich die wenigsten jhre Vergnügung erlangen. Man wolte den die Leyer also auslegen / wie selbige auf einer Seite herum zu fahren pfleget / also könne sich mancher in Politischen Leben auff keine Novität und Verbesserung verstehen / und müste nur / wie das Sprichwort lautet / bey der alten Leyer verbleiben.

15.
[118] XV.

Eine Trödel-Frau ist endlich eine Person / die mit alten verlegenen Wahren auffgezogen kömt / und nach eines jeglichen Verlangen das alte Gerumpel in der gantzen Stadt zusammen suchet. Also wird ein Mensch im gemeinen Leben gar wol einer Trödel-Frau zuvergleichen seyn / welcher sich üm alle Zeitungen bekümmert / der sich zu geringen Vergleichen / Kauff-Contracten, Heyraths-Handlungen und so ferner gebrauchen läst / und der an allen Orten von der Leute Thun und Lassen genaue Nachricht einzeucht.

16.
XVI.

Allein was ist nun zu thun? diese blosse Wissenschafft wird mir schlechte Vergnügung geben / wen ich nicht sehe / wie ein jedwedes Thema zu disponiren [119] ist. Ich gebrauche mich dieser Manier / und gleichwie ich eine Disputation zuvor gantz ordentlich abtheile / ehe zu der richtigen Ausarbeitung geschritten wird; also muß ich gleichfals alle Realien gar genau beysammen haben / wen ich mit einem lustigen Buche wil zu rechte kommen. Nur dieser Unterscheid ist / wie oben gesagt / das ich hernach das Artificium verberge / und das förderste klüglich zum hintersten /das mittelste zum fördersten kehre.

17.
XVII.

Wolan ich wil zur Probe die obgedachten Themata einrichten / damit ich mein Bedencken desto verständlicher beyfügen kan. Inmassen ich mich absonderlich eines sehr artigen und nachdencklichen Buches besinne / welches Herr Placcius zu Hamburg De Medicina Morali heraus gegeben / wie man nehmlich die Kranckheit der anklebenden Laster gebührend erforschen / genau unterscheiden / [120] und durch bewehrte Mittel curiren solle. Den eben auff diesen Schlag wird man die Laster / so man vorstellen wil erstlich in gewisse Sorten eintheilen / und bey einem jeden auff gute Artzneyen oder Lebens-Regeln bedacht seyn. Dahero leicht zu schliessen ist /wer also eine Special-disciplin verfertigen / und in einem sonderlicher. Buche von einer Sache aus dem Fundamente handeln wil / der müsse sich zuvor in den Büchern umgesehen / und den Methodum der in solchen Dingen gebrauchet wird / von andern gelernet haben.

18.
XVIII.

Drum wen ich vom Politischen Quacksalber ein Buch machen solte: so frage ich / wie schriebe ich eine Disputation von der Eigennützigen Auffschneiderey? Erstlich würde die Frage kommen / wie sol dergleichen Laster oder Gemüths-Kranheit beschrieben[121] werden? darnach in was vor Classen werden die Aufschneider eingetheilet? da geschiehet nun die Auffschneiderey von unterschiedenen Leuten / da sind Auffschneider untern den Gelehrten / unter den Soldaten / unter den Kaufleuten: Ja wol gar unter solchen Personen / die man deswegen offentlich nicht nennen darff / weil sie keine Information von uns verlangen. Da geschiehet die Auffschneiderey bey unterschiedenen Leuten: manche gehen nach Hofe und legen jhre Wahre da auß / manche suchen junge Kerlen / manche alte Weiber / da sie am besten wollen gehöret seyn; manche dencken bey der Geistligkeit /manche bey Weltlichen Patronen was grosses auszurichten: Manche lassen sich an gemeinen Admiratoribus begnügen. Da geschiehet die Auffschneiderey in unterschiedenen Sachen. Einer rühmet seine Wissenschafft und Geschickligkeit / ein [122] ander sein Glücke / das ist den Adel / das Reichthum / die Freunde / die Ehre; der dritte macht sich mit seinen Thaten groß /die allbereit sollen am Tage liegen. Wen nun diese Abtheilung / mit guten Bedacht jhre Richtigkeit erlanget haben / so fraget man auff die letzt / wie ist dem übel zu steuren? da man vielerley Medicamenta zu gebrauchen hat. Erstlich wen man die nachfolgende Gefahr / den Schimpff und die Verachtung ausführet /die aus solcher Pralerey nothwendig herfliessen muß; darnach daß man durch gewisse Tugend -Reguln weiset / wie sich die Mediocrität erhalten lasse / das man in seinem Ruhme keinen Excess begehet / uñ gleichwol nichts unterlässet.

19.
XIX.

In einer Tabelle liesse sich alles dergestalt abfassen. Und ich bitte wer sich nicht zuvor in solche Ordnung einlässet / der bleibe nur davon / und vermenge sich nicht mit dem Büchermachen.


[123] JACTANTIÆ, cujus impræsentiarum consideratio reqviritur, observanda.


DEFINITIO. Jactantia est deprædicatio propriæ præstantia in excessu peccans, ac propositam sibi habens utilem aliorum amicitiã.

DIVISIO

respectu Subjeti, s. hominis jactabundi, qvi esse solet

Eruditus
Miles
Mercator
Oeconomus etc.
respectu Objecti personalis s. hominis qvem decipere conamur. & vero decipimus.
Superiorem,
Æqvalem,
Inferiorem.
Et ex ejusmodi Personis
Publicam vel privatam.
Virum vel Fœminam. etc.
[124] respectu Objecti realis s. rei qvam jactamus: qvæ vel est.
Eruditio,
Prudentia,
Nobilitas,
Opulentia,
Amicorum copia,
Honor,
Res gestæ.
Imo apud malos, audacia & occasio peccandi.
respectu Formæ s. Excessus.
Aliqui minus excendunt, qvi magis jactãt ea qvæ minus adsunt.
Aliqvi magis excedunt qvi mentiendojactãt qva planè absunt
respectu Modi, cujus interventu excedimus.
Aliqvi suis verbis se magnifaciunt.
Aliqvi subornant debuccinatores.
Aliqvi vel editis libellis vel ostensis Adulatorum epistolis tentant honoris aucupium.
Pertinet huc fallacia, sub virtutum larva qvodvis flagitium vel excusans, velprobans
[125] respectu Finis s. Amicitiæ utilis.
Aliqvi cupiunt promoveri.
Aliqvi post acqvisitam promotionem altius extolli.
Aliqvos vel delicatum prandium, vel accidens qvoddam lucellum allicit.

MEDICINA.

ANTECEDENS qvæ morbi naturam aperit his regulis

1. Jactantia reportat ludibrium eorum, qvi deprehendunt vanitatem.

2. Reportat odium eorum, qvi suam præstantiam intelligunt impugnari.

3. Reportat periculum & damnum, erumpentibus odiis: nec tamen meretur commiserationem, commune alioqvi miseriæ solatium.

CONSEQVENS, quæ expellendi morbi, restituendæq; sanitatis media suppediat, qvæ sunt Generalia.

[126] 1. Omnia sunt dona Naturæ & Fortunæ, seu ut Philosophus Christian 9 loqvitur, dona Dei: cur igitur ea jactemus tanqvam nostra?

2. Fudamentum jactantiæ vel vanitas est vel mendacium: cur igitur nostram fortunam credamus rei minus constanti?

3. Vivimus in statu imperfecto: Qvamobrem siqvis nimiam sibi tribuat perfectionem, simplicitatis arguitur qvæ ulterius pergere nititur, qvam pemittit conditio humana.


Specialia

Qvæ diriguntur ad singulas Circumstantias actionum & Personarum. e.g. Cur jactabundus es in Aulâ, siqvidem Aulici superbis delectantur maximè, qvod proximum habent gradum ad statum Morionis? Cur jactabundus es Doctor apud tuos Auditores, cunc [127] isti ad annos discretionis progressi, tuam execraturi sint vanitatem? etc.

20.
XX.

Die Tabelle ist nicht vollkommen: doch ist so viel daran geschehen / daß man leicht weiter nachsinnen /auch eines nach dem andern erweitern kan. Nun wir wollen darzu thun / daß der Politische Leyermann auch seine richtige Tafel bekommen soll. Das Laster hiesse an sich selber Sordidum & ineptum placendi Studium. Sordidum weil es auf einen schlechten Gewinn hinaus läufft / Ineptum weil es durch alberne und verächtliche Mittel gesuchet wird. Das übrige wurde so außgeführet.


COMPLACENDI STUDIUM qvale qvidem nunc considerandum suscepimus, cognoscitur qvoad DEFINITIONEM. Est Obseqvium alterius hilaritati obnoxium cum. Jacturâ honoris lucri sordidissimi causâ susceptum.


[128] DIVISIONEM

respectu subjecti s. hominis in obseqvio excedentis.
nam qvo majorem qvis honoris curam habere jubentur, tanto deformior hic est excessus.
Fuit Magistratus,
Fuit Juventutis informætor,
Fuit Ecclesiastes. etc.
respectu Objecti Personalis s. hominum qvos delectamus.
sunt homines nobis obnoxii, subditi, Auditores, Liberi, Servi,
sunt homines a nostris studiis alieni: Studiosus delectar Militem, Miles Mercatorem.
Sunt homines patriæ nostræ infensi. Germanus delectat Polonum. Hispanus Gallum.
respectu Objecti realis, seu rerum qvæ delectationis faciunt argumentum, qvæ sunr

vel moraliter malæ, h.e. violant Deum & honestatem, ac inclinant in scurrilitatem

[129] vel civiliter ineptæ. Si tristibus læta, severis ludicra, senibus puerilia objiciamus, qvæ propendeant ad Stoliditatem.

respectu Formæ s. Excessus. Qvi judicatur e Circumstantiis
Ubi? lusit, cum agenda essent seria.
Qvado? lusit ea tempore, qvod a lusibus erat alienum.
Qvomodo? gestibus, sermonibus, omniq; cultu id egit, ut aliorum hilaritati videretur inservire,
respectu Finis, seu lucri sordidi. Nam aliqvi
se putant felices, si deprædicentur ob virorum clariorum conversationem.
vel si stoliditatis causà reliqvis dicantur superiores, & velut excellentiores
vel si levissimo donario demulceantur,

MEDICINA

ANTECEDENS qvæ morbi naturam aperit

[130] 1. Plerumq; lusus amatur, ludens contemnitur.

2. Magis contemptum est, qvod lucri sordidi s. alienæ liberalitatis causa fieri solet; cum præsertim ipse excessus pariat hilaritatis nauseam.

3. Pertinent huc exempla ludibriorum, qvibus hinc inde laboraverunt sordidi homunciones.

CONSEQVENS.

1. Pulchrum est serváre honorem & Auctoritatem.

2. Satius est alios ridere, qvam rideri ab allis.

3. Pertinent huc qvæ de usu rectæ rationis, de studio Severitatis, ac de conversatione honestâ inculcantur a Philosophis.

21.
XXI.

Ich habe mich zu sehr im Lateinischen vertieffet /welches vielleicht manchem Leser nicht gefallen möchte. Aber es bleibt darbey / wer seine Künste[131] nicht aus dem Lateinischen sucht / der kan im Deutschen hernach gar selten zu rechte kommen. Nun wäre die Ordnung richtig / und wie leichte ließe sich hernach das Werck untereinander werffen. Zum Exempel wie lustig solte der Politischen Qvacksalber in dieser versteckten Disposition zu lesen seyn.

22.
XXII.

Ein Grafe zu Lorindo, das heisset an einem erdichteten Orte / da man nicht schuldig ist / alle Circumstantias zu legitimiren / er mag nun Catholisch oder Lutherisch gewesen seyn. Doch es sey ein Graf zu Lorindo, legte eine neue Stadt an / und als er die Gemeine in ziemliche Ordnung gebracht hatte / also / daß ihm weder Burgermeister noch Stadtschreiber fehlete / so war er um einen Historicum bekümmert / der ihm den Ansang ordentlich registriren / und zu Continuation der Chronicka einen guten Grund legen möchte. Als er nun wuste / daß auf einer benachbarten Messe viel Leute von allerhand [132] Gattung erscheinen würden / so schickte er zwey kluge Bedienten dahin / die im Wirthshause etwas stille liegen / und nach einemqvalificirten subjecto nachforschen solten. Nun haben sie bald im Weinkeller / bald im Buchladen / bald in anderer Conversation eine und andern Gattung von obengedachten Leuten gesehen: Sie haben auch von andern Anwesenden die Lehren angehört / wie die Ruhmräthigen Praler sind verspottet / und zu bessern Nachdencken angewiesen worden.

23.
XXIII.

Oder man sprache. Ein Vater hätte seinen Sohne ein stattliches Erbtheil verlassen / doch mit diesem Bedinge / dieweil er sein Studieren schon ziemlich weit gebracht / solte er in einer bekandten Stadt ein Jahr im Wirthshause zu Tische gehen / und alle pralende Fantasten / die sich täglich einstellen würden / in ihren discursen observiren. Und hiermt wäre dasJournat sehr leicht zu machen / wie sich die Anleitung aus der obgesetzten disposition darzu fügte.

24.
[133] XXIV.

Kürtzlich an ein solches Exempel zu gedencken / das eben von dergleichen Gattung ist / so weiß ich / daß einmahl ein guter Freund bey mir anhielt ich möchte doch ein Buch schreiben / und solches in Titul das Politische Podagra heissen. Und da war meine Antwort: Monsieur, ein Titul ist leicht erdacht / da darff man gar wenig rothe Dinte darzu: aber wer sich darnach bedencken soll / ut nigrum rubro respondeat, der muß etwas längere Bedenckzeit bitten. Indessen gab ein Wort das ander / daß ich gleichwohl / der Politischen Kranckheit etwas nachdachte. Denn ich sagte / heute will jemand von mir wissen / wie das Politische Podagra zu curiren ist: morgen möchte mir jemand das Politische Zahnweh / oder wie es in Schlesien heißt / den Politischen Bauer-Wetzel /das Politische Fieber / das Politische Reissen in Leibe / und so fortan zu curiren bringen. Und also[134] würde ich bey einer Kranckheit die Vergleichung so anstellen müssen / daß ich in der andern was neues zu tadlen / oder zu curiren hätte.

25.
XXV.

Ich dachte / es wäre an dieser Antwort genug. Doch wie die Erklärungen immer besser folgen solten / so kam es endlich dahin / daß ich sagte / Mein Herr / das Podagra ist im Fusse / und entstehet von dem Tataro, der sich an die Nerven leget / und dasselbe Glied mit grossen Schmertzen an seiner Bewegung verhindert. Nun wohlan / was ist der Politische Fuß? in Warheit das jenige / darauf sich der übrige Politische Leib gründet / das ist / das Fundament unserer Hoffnung / darauf wir unsre Beförderung und alle Wolfarth setzen wollen. Was ist der Tartarus? Das jenige / welches die Bewegung und den Fortgang solcher Beförderung verhindern will. Und also weiß ich nun /was das Politische Podagra ist: nemlich / eine Bekü ernüs [135] / welche daher entstehet / weñ das eingebildete Glücke will auf Steltzen gehen. Und da müste man sich besinnen / wie vielerley die Personen wären / welche sich den Lauff ihres Glückes gut eingebildet hätten; wie vielerley Verhinderungen sich begeben könten / und wie man solchen Tartarum entweder geduldig übertragen / oder klüglich aus dem Wege räumen solte.

26.
XXVI.

Was wird nun das Politische Zahnweh seyn? Die Zähne sind an dem Orre / welchen wir zum essen und zum reden gebrauchen; die Ursache entstehet von warmen oder kalten Flüssen / die sich an die subtilen Nerven setzen / welche dessentwegen sehr empfindlich seyn / alldiweil sie mit den Augen und mit den Gehirne gar zu nahe Nachtbarschafft halten. Denn ob ein armer Mensch in seinen Zahn-Schmertzen flugs Würmer bekömmt / die ihn das Zahnfleisch durchreiten / das mag ein Politicus beyseite setzen / [136] der sichtaliter, qvaliter, um ein Fundament vor seine Allegorie bekü ert. Nun das Politische Essen ist nichts anders als die Einnahme / das Politische Reden ist dieCorrespondentz. Wer nun in diesen Stücke entweder durch warme Flüsse / das ist / durch falsche Freundschafft / oder durch kalte Flüsse / das ist / durch offentliche Feindseligkeit verhindert wird / kriegt das Politische Zahnweh. Und davon / auch von nichts anders / dörffte einer schreiben / der sich einmahl diesen Titul hätte gefallen lassen.

27.
XXVII.

Wolte ich den Bauerwetzel appliciren / welcher also genennet wird / wenn einen der Backen nach den Zahnweh zerschwillet; so ist es nicht ohne / daß dieser affect ein ungestaltes Gesichte machet. Dahero müste man die jenigen / welche sich des obgedachten Schmertzens wegen etwas schimpfflich bezeigen /unter die Patienten von Politischen Bauer-Wetzeln rechnen.

28.
[137] XXVIII.

Das Fieber ist von einem vornehmen Medico den Schorsteine verglichen worden / der so lange brennet /biß noch ein stück Ruß vorhandẽ ist: hernach aber von sich selbst wieder aufhöret. Was wird nun in Politischen Leben dieser Kranckheit ähnlich seyn? ich halte / die Leute gehören hieher / welche sich in ihrem Affect, in der Liebe / in der übermässigen Affection gegen die Clienten / und sonst in andern Begierden nicht zähmen könnẽ; und die sich mit der Zeit alle die Begierde vergehen lassen. Wie auch kein Mensch gestehen wird / daß er gute Tage habe / als wenn er das Fieber bekömmt / da man endlich die Formul gebraucht / gestern war mein böser Tag / heute NB. ist mein guter Tag. So mag in diesen Politischen Fieber der gute Tag seyn / wenn sich von weiten eine Hoffnung erweiset / dadurch unsern Verlangen / wo nicht eine Hülffe / doch ein kurtzer Trost gemacht wird.

29.
[138] XXIX.

Letzlich / woher kömt das reissen im Leibe? Gewiß wen sich etliche unnütze Gäste welche sonsten spiritus sylvestres flatulenti heissen / nicht auff die rechte Strasse finden können / die es hernach machen / wie die Soldaten in Qvartiere / da der Wirth am meisten leiden muß. Nun was ist den flatibus ähnlicher / als der Hochmuth? und also / wer einen Schösser / einen Ambtmann / einen Cantzler / einen General oder sonst etwas im Leibe hat / dem hernach allerhand obstructiones entgegen kommen / der empfindet einen Schmertzen / das ist / in der Politischen Medicin so viel gesagt / er hat Reissen im Leibe.

30.
XXX.

Wiewol es ist nicht von nöthen / daß man allezeit ein Laster / oder ein Irrthum in den Titul nennet: sondern es kan wol eine Tugend oder sonst ein löbliches Werck angefuhret werden / da hernach die Satyrica gleichsam è [139] loco contrariorum qverfeld darzu ko ẽ. Inmassen ich an diesen Orte das Kunststücke nicht verschweigen kan / welches ich meinen Untergebenen zu guter Imitation sehr offt gezeiget habe.

31.
XXXI.

Denn so offt ich Claudiani wunderschönes Carmen de Laudibus Stiliconis erkläre / so sage ich / wie aus dem ersten Buche Idea boni Militis, aus dem andernIdea boni Aulici, oder noch besser zu reden / Primarii Ministri, könne gezogen werden. Und hierauff lasse ich mir unterschiedene Dispositiones machen /darinn zum Exempel Idea boni Sacerdotis, Consiliarii, Mercatoris und so fort abgebildet wird. Es liegt aber an einem kleinen Kunst-stücke / welches ein jedweder wissen muß / der nur einmahl in die Politicam geguckt hat. Denn erstlich frage ich / was hat der Mensch vor einen Finem? Zum andern / was wird vor eine Person darzu erfodert / welche zu solchem Fine capabel ist? Zum dritten / was hat man vor Mittel und kluge Anschläge / dadurch dieser [140] Zweck kan befördert werden? damit habe ich nicht allein gute Gelegenheit zu artigen Sententiis, sondern wofern ich dictionem amœnam gebrauchen wil / so giebt das Widerspiel allerhand lustige Gedancken.

32.
XXXII.

Es wird dem begierigen Leser nicht zuwieder seyn /wen ich das jenige beytrage / welches ich de Idea boni Studiosi gegeben habe.

I. Qvi considerare velit. Ideam BONI STUDIOSI, primò sit solicitus de FINE, postmodum de MEDIIS ad finem acqvirendum facientibus.

II. FINIS Studiosi vel est ultimus væl Intermedius.

III. Ultimus alio nomine vocatur GLORIA DEI, alio nomine JUSTA ERUDITIO. Ut n. qvilibet creatus est ad gloriam DEI: sic ipsum hunc finem rectissimè asseqvitur, si faciat officium ad qvod vocatus est. Et verò qvi sentit in animo suo discendi aptitudinem, tacitam, imo apertam DEI vocationem [141] excolenda Eruditionis audire se crodat.

IV. Cæterum Eruditio duplex est: PRIMARIA & SECUNDARIA.

V. Eruditio primaria est qvæ facit ad Amorem proximi, h.e. ad utilitatem tum Ecclesiæ, tum Reipublicæ.

VI. Ita falluntur, qvi propriis saltem commodis studia destinaverunt, qvos mercenarios vel cerdones dixeris; non eruditos.

VII. Eruditio secundaria est, qvæ facit ad commendationem, vel ad recreationem: hæc est JUCUNDA; illam dicimus GLORIOSAM.

VIII. Utriusq; non exigua cognoscitur necessitas.Commendatione indigemus, ut inveniamus locum, cui applicentur studia nostra utilia: Recreatione opus est deficiat industria Studiis utilibus debita.

IX. MEDIA ad hunc sinem pertinentia vel suntVIRTUTES, vel sunt CONSILIA.

X. E virtutibus primaria est PIETAS. Hæc, enim si est utilis ad prasentem [142] & futur am vitam; utilis futura est ad eruditionem, qvæ homines manuducit ad felicitatem in hâc vitâ retinendam, in alterâ inveniendam.

XI. Pietatis fugiendus defectus & excessus. Defectus est, si qvis velit laborare, non orare. Excessus superstitio sive hypocrysis est, si qvis orando velit negligere labores â DEO mandatos.

XII. Altera Virtus & ea qvidem Generalis, estSTUDIOSITAS, qvæ in excessu habet nimiam Curiositatem, in Defectu nimiam Oscitantiam.

XIII. Seqvuntur nunc Virtutes, qvæ qvidem Christiano semper sunt necessariæ; Studioso tamen non immediate sed mediate conducunt, h.e. non faciunt ad ipsa studia, benè tamen promovent studiorum media.

XIV. Habemus hic Mediocritatem inter Audaciam & Timiditatem: (sivelis dicere fortitudinem togatam,non repugnaverim) qvi enim nimiũ audet, aut inimi cos aut contemptores invenit potentioresqvi nocent promotioni: qvi parum audetvel [143] ipsa studia deserit, vel Patronis ac Viris clarioribus non innotescit.

XV. Porrò reqviritur Virtus huic sanè affinis h.e. mediocritas inter superbiam & timiditatem, qvam aliqvi dixerunt, studium inclarescendi. Nam qvi superbus est, contemptis aliis vult inclarescere: qvæ ipsa res tot affert difficultates, qvot superandi sunt æmuli. Ex adverso, qvi nimium humilis ac modestus est, aut sibi saltom discit, aut illis prærogativam concedit, qvi minus merentur.

XVI. Est etiam aliqva Virtus, Mediocritas in rebus ad curam corporis pertinentibus, ut in cibo, in potu, in somno ac si fortè sunt recreationes aliæ, tantum observet, qvantum ad servitium animi sufficit. Nam organon animi corpus est, qvod nec nimium negligi debet, nec nimium expoliri.

XVII. Maximè necessaria virtus est, Mediocritas in acqvirendis ac custodiendis pecuniis. Qvi nihil vult acqvirere, si pauper sit, unde vitam sustineat Academicam? qvi qvodvis acqvirendi medium arripuerit, ad sordidum qræstum [144] prolabitur. Ita nimium prodigus & luxuriam, ejusque comitem paupertatem acceler abit; tenax vicissim ipsos etiam benefactores ac Præceptores reddet alienas.

XVIII. Neque minorem Utilitatem habet Officiositas, qvæ mediocritatem servat inter nimiam prompti tudinem, & nimiam inserviendi morositatem.

XIX. Et officia qvidem per hanc virtutem dirigenda vel concernunt ipsa studia, vel actiones â studiis alienas. In ipsis studiis officiosus est, qvi in alterius gratiam vel certam sectam eligit, vel certam disciplinam. Et sanè favorem merentur apud Professores, qvi, præsertim in re controversâ ad eorum partes secedum: sed videndum, ne simul discedant â studiis utilioribus. Officiosi aliqvi sunt in sublevandis negotiis domesticis, & qvicqvid in vita communi alterius opem postulat, neque desunt Fautores: utinam si planè negligantur studia, non desint promotores.

XX. Et facile judicium est, illud officiorum genus arguere simplicitatem; ex hoc colligi libidinem otiandi: ut [145] sub velamento Officiositatis lateat defectus non exiguus.

XXI. Tandem non infimi pretii est mediocritas in qværendis amicitiis seu familiaritatibus. Multi Amici sunt fures temporis & pecuniæ; nullos vicissim qvi habet, nec in studiis agnoscit æmulum vel socium, nec in periculis adjutorinm.

XXII. Et ipsa hæc mediocritas tum proficiscitur â prudentia, cum & electio sibi constat, & eliguntur meliores, & interim non irritantur, qvi in amicitiâ admissionem non inveniunt, h.e. qvod dicitur: familaris paucis, civilis seu comis omnibus.

XXIII. Hæc de virtutibus. nunc de CONSILI IS, qvæ faciunt ad finem, h.e. Eruditionem. Et cum Eruditio dupliciter consideretur, vel qvatenus est acqvirenda, vel qvatenus est applicanda, h. e, qvatenus interventu promotioniis eadem ad gloriam DEI, proximique salutem adhiberi potest, duarum qvoque classium habebimus consilia.

[146] XXIV. Consilia qvæ concernunt Eruditionem acqvirendam, his comprehenduntur regulis: altiora nunqvam attingantur, nisi cautum sit de fundamentis inferioribus. Insignis enim miseria, tractare sublimia, cum perpetuo erroris metu?

XXV. (2.) Ea discantur, non qvæ valent apud extraneos, sed qvæ praxin ostendunt in patriâ. Sic aliqui mirantur Mathematicos in Belgio, Philologos imò & Curiosos in Angliâ: qvi tamen reversi in Patriam nihil didicisse judicantur.

XXVI. (3.) Nunqvam velit esse Autodidactus. Sive enim quis ex proprio ingenio divinare voluerit, singula, inversam & contrariam, ut solent novatores eruditionem referet; sive saltem è libris ac manuscriptis collegiis voluerit proficere, tandem deplorabit vivam Magistri vocem fuisse neglectam.

XXVII. (4.) In omnibus sit aliqvid h.e. studeat Polymathiæ; sed unum habeat, qvod præ cæteris, &ut loqvi [147] mur ex fundamento tractet. Alias enim in toto futurus est nihil.

XXVIII. (5.) Qvæ disci debent ex fundamento, prius addiscantur in compendio, qvàm in prolixis qvæstionibus: prius in thesi, qvam in anthitesi.

XXIX. CONSILIA, qvæ faciunt ad promotionemcertas itidem habent regulas, è qvarum numero liceat delibare paucas. Et generalissima quidem regula est: Facut sis eruditus, ac ut ultro seqvatur commendatio.

XXX. Prodeamus in lucem, nec studiorum nos patri credamus jacturam, si possimus interim Promotoribus innotescere.

XXXI. Nemo temerè judicet, nec quos tacitè agnoscit pro ineptis, apertè refutet. Fortaßis enim refutatur elle, quem habituri sumus Patronum.

33.
XXXIII.

Dieses wäre schon genug einen Tractat vom Rechtschaffenẽ Studenten zu schreiben: sonderlich wen man zu letzt allerhand Arcana mit anhenckte. [148] Wie ich den auf der Universität in so vielen Jahren / an mir und an andern / manchen Irrthum gemercket / daraus ich ein gutes Consilium nach dem andern fassen kunte / daß ich endlich willens war Statistam Academicum herauszugeben / und darinne Anleitung zu thun / wie man in erwehlung des Tisches / der Stube / der Freunde / der Information, der Patronen des Zeitvertreibs /und was dem anhängig / allen Schaden verhüten / und seine Besserung suchen solle. Wiewol ich bekam darnach andere Gedancken. Vor eins hätte ich keinen Irrthum beschreiben dürffen / man würde solchen fast mit Händen an mir oder an meinen guten Freunden gegriffen haben; ja es hätte ein Patron oder ein Præceptor einige Censur auff sich appliciren können. Ferner sahe ich / daß die Studenten-Reguln nicht durchaus von allen auff eine Manier erfodert werden. Ein Armer ein Reicher / ein Ignorant ein Fundamental Kerl / ein künfftiger [149] Philologus und einer der sich in seiner Haupt-Disciplin ad praxin zu begeben gedenket / die können gewiß nicht auff einerley Patronen / auff einerley Conversation, und so weiter / gewiesen werden. Ja die Arcana bleiben nicht Arcana, wen sie bekand sind. Ich wil nur eines gedencken /daraus von den andern mag judicirt werden. Ein guter Freund kam aus Holland / und gedachte wie sich ein Landsmann bey einem Professori trefflich insinuiret hätte / weil er jhm / bey schlechter Freqvenz des Auditorii, die Lectiones beständig besucht / und in der kurtzen Reihe nach verflossener Stunde / allemahl Gelegenheit gehabt mit jhm zu reden / und die Affection besser zu suchen. Und eben dieser sagte: wer dieselben Lectiones erwehlet / da sich etliche 100. Kerles um die Bäncke dringen / der hat von dem Professor wenig danck: den er hat so viel / daß er etliche Personen verschencken möchte. Allein wer sich dahin hält / ubi paucitas reddit visibiles, der [150] kan desto eher bekandt / auch desto leichter dem Gedächtnüße recommendirt werden. Nun wil ich nicht reden / was von dem Arcano zu halten ist. Doch wer es nicht heimlich hielte / der möchte sich nur deßwegen alle gute Hoffnung vergehen lassen. Und ich zweifle / daß ein Professor grosse Affection würde schuldig seyn /wen einer offentlich / oder auch wol gegen vertraute Freunde / wie man sie in diesen schweren Zeiten hat /sprechen wolte: Ich gehe nicht Lernens halben in die Stunde / ich suche nur in seine bekandtschafft / und wils GOtt / zu besserer Beförderung zu kommen. Also lasse ich solche Reguln nicht an das Tageliecht bringen: sondern wen ich einen Untergebenen sehe /der seine Fortun durch einen oder den andern Statistischen Kunstgrieff verbessern möchte; Dem gebe ich einen Vorrath / im Vertrauen / mit auf den Weg /und solch Viaticum ist so gut / als jenes Philosophi, der einen Hexameter vor 600. Cronen verkaufft hat.

34.
[151] XXXIV.

So viel von der Ordnung. Doch indem ich oben gedacht / es solte ein Buch von solcher lustigen Art auch nützlich seyn; als darff ich dieses nicht schuldig bleiben. Es heist aber so viel / der Leser sol etliche kluge und wolanständige Lebens-Regeln daraus zu mercken haben. Den weil die Philosophia moralis so wol durch Leges als durch Consilia ein gutFundament leget / daß hernach die siñreichen und klugen Sprüche desto leichter hervorzusuchen sind; so wird man bey dieser Gelegenheit eine gute Probe ablegen / wie weit man in der gedachten Disciplin kommen ist. Ach es fehlet noch viel / wenn man etliche krancke Definitiones daher beten kan / und darnach keine Geschickligkeit zum appliciren vorhanden ist. Was hilfft mich die Beschreibung der Gerechtigkeit /wen ich nicht weiß / wie ich selbst nach dieser Tugend leben / auch andern durch gewisse Persvasiones darzu anleiten [152] sol / oder wie die entgegengesetzten Laster vertrieben und vermieden werden. Ich muß auch offt bey mir lachen / wenn die gemeine Klage in der Welt geführet wird / es lebte niemand schlimmer als die Ethici welche jhre Affecten durchaus nicht zuguberniren wüsten. Denn vor eins giebt man auf solche Leute nur fleißig Achtung / daß also jhre Fehler nicht können verborgen seyn. Vors andern behilfft sich mancher mit jenem Magister, der solte ein Collegium disputatorium halten / und als etliche die Ethicam vorschlugen / so sagte er Ihr Herren / was wollet jhr in der Disciplin machen: qvæ maximè est sterilis: Ich glaube nicht daß wir dreißig Qvæstiones heraus klauben werden / die sich bey dem disputiren der Müh verlohnen. Und freylich wird man durch dieses elende halbe Schock nicht gebessert / wen es nicht etwas accurater gesucht / und recht practicè erlernet wird.

35.
[153] XXXV.

Und aus diesen Ursachen / ist in denen drey Ertz-Narren / ein Judicium hinten angefügt / daß man keine grössere Fantasten in der Welt antreffen würde / als wen jemand des Zeitlichen Gutes wegen / die Ewige Seligkeit; einer vergänlichen Lust wegen /seine Zeitliche Ehre / und einer eingebildeten Freude wegen seine Gesundheit in die Schantze schlagen wolte. In den Klügsten Leuten wird derEpictetus meistentheils übersetzt / damit also durch fremde Testimonia die Lehre zur Klugheit desto mehr Auctorität erlangen möchte. Endlich im Politischen Näscher ist so eine Beschreibung der wahren Glückseligkeit beygefüget / daran einer genug hat / der sich den Weg zu der rechten Ethica wil führen lassen. Daß dannenhero die Censur gar zur Unzeit angebracht ist /welche mit diesen unschuldigen Büchern / nicht anderes als mit einer Schrifft von lauter unnützen Worten /hat verfahren wollen.

36.
[154] XXXVI.

Den daß die Lustigkeit fast in keinem Capitel vergessen worden / solches geschiehet eventualiter des Nutzens wegen. Ach wie mancher würein solch Buch ungelesen lassen / wen es in dem Titul ein ernstes Catonis-Gesichte abgemahlet hätte. So wil man etwas suchen / damit auf der Reise / oder sonsten bey dem Müßiggange / nur ein ernstliches Zeichen eines Bücher-Fleisses solle erkennet werden: ja man wil sich erlustigen / und mitten in dem Zucker-Naschen wird die Artzney angebracht / welche wie ein Pfeil in das Hertze dringt / und nimmermehr so leicht wieder heraus gezogen / als hineingeschossen wird. Also bleibt es darbey / wer keine Pflaster schmieren kan / der werde kein Balbier; wer keine Purgation zu dispensiren weiß / der werde kein Leib-Medicus; und wer keine Special Lehren vor irrende Personen im Vorrathe hat / der begebe sich nicht auff das lustige Bücherschreiben.

37.
[155] XXXVII.

Alldieweil auch des Politischen Näschers wegen das meiste hier geschrieben wird / so muß ich etwas von dem andern Theile anführen / welches bey so vielen Verhinderungen schwerlich an das Tagelicht kommen / und vielmehr bey meinen Untergebenen durch privat-Reden hervorbrechen möchte. Den im ersten Theile hatte ich mehrentheils darauf gezielt / wie ein Mensch im gemeinen oder im Politischen Leben / das ist in der Menschlichen Gesellschafft / welche in der Policey angestellet wird / sich vor überflüßigen Begierden hüten / und allen daher entstehenden Schaden möglichst vermeiden solte: daher sind auch Exempel von Universitäten / oder gar von Privat-Personen angeführet worden. Doch numehr solte im andern Theile Crescentio an einen Hoff kommen / und daselbst erkennen wie sich ein unzeiti-Näscher das Maul schändlich zuverbrennen pflegte. Hat jemand Lust die [156] Müh auff sich zu nehmen / und die Ausarbeitung zu vollenden / so wil ich einen kürtzlichen Entwurff hieher setzen / absonderlich auf was vor eine Art ich diese Politische Hoff-Philosophe hätte anbringen wollen.

38.
XXXVIII.

Crescentio bekam bey einem Vornehmen Minister zu Hofe Dienste / daß er seinen Kindern als ein Informator oder Hofemeister vorstehen solte. Je mehr sich nun Personen bey diesem Herrn als bey dem Fac totum angaben / welche aus der Politischen Beförderungs Schüssel etwas naschen wolten / desto mehr sahe er Leute vor sich / die in das Register vom Politischen Näscher gehöreten. Vor eins fand er etliche die waren reich und durften jhres guten Lebens halben keinen Menschen zu gebote stehen / wen sie nicht eine Sehnsucht nach der Politischen Hofe-Suppen empfunden hätten. Er sahe etliche Fantasten die nicht einmahl capabel waren eine Ziege [157] zu hüten / oder nur in einer Dorff-Schule sechs Jungen eine Stunde lang from u. still zu halten: und dennoch lieber in dem vornehmsten Collegio eine Charge bekleidet hätten; sonderlich wo man die Accidentia durch seine / die Arbeit aber durch eines Secretatii Hände guberniren könte. Da kam ein Alter / da ein Junger / da ein Soldat / da ein Kauffmann / und alle hatten was grosses im Sinne / das ist / sie wolten mit gantzen Compagnien / aus einer Schüssel naschen / darinnen das Fleisch kaum auff Zehn Personen angerichtet ward.

39.
XXXIX.

Ferner sahe er / was vor poßierliche Mittel ergrieffen worden / daß einer allzeit einen Vortheil vor den andern haben wolte. Der gebrauchte sich der Calumnien, ein ander verließ sich auf die Weiber-Recommendation, der dritte auff das Spendieren /auff das höfliche Spielen / ich wil sagen auf das freywillige Verliehren / auff kostbare [158] Schmause; ein ander that kläglich und meinte durch Barmhertzigkeit viel zu erhalten. Im gegentheil kehrete mancher die trotzige Praler Seiten heraus / ob sich jemand schämen wolte / der jhm den Vorzug in der Beförderung mißgönnet hätte. Ja es kamen noch andere Dinge vor /davon keiner schreiben oder urtheilen kan / der es nicht mit eigenen Augen angesehen hat.

40.
XL.

Durch solche Anmerckungen ward er endlich so weitqvalificirt. daß jhm eine Reise in Franckreich angetragen ward / alldieweil ein Abgesandter dahin gieng /der einen geschickten Secretarium bedurffte. Und da sahe Crescentio was mancher auff der Reise durch grosses Geld erkauffte / davor er im Vaterlande nicht einen Pfifferling dargegen empsangen könte. Endlich bey der Zurückkunfft hatte er Hofnung zu einem Dienste. Allein es ward jhm durch Politische Künste so schwer [159] gemacht / daß er alle bißherige Observationes zusammen nehmen muste / ehe ehe er sich aus allen Händeln herauswicklen kunte. Hierauff gieng es auf eine Staats-Heyrath loß / die gleichfals gefährliche Nebenbuhler / und viel andere Ungelegenheit bey sich führte / daß er in manchen sauren Apffel beissen / und die verlangte Näscherey ziemlich theuer lösen muste /ehe der Priester durch das offentliche Aufgebot alleImpedimenta auff einmahl beylegte. Er hatte aber kaum die Fruchtbarkeit seiner Liebsten genossen /und wolte numehr das Wochenbette aus der Stube schlagen lassen / als er einem Patron zu Ehren eine Comödie auffsetzte / welche bey dessen Tochter Hochzeit solte præsentiret werden. Allein es ward auf etwas alludirt, welches bey dem Fürsten so übele Auslger hatte / daß alsobald Befehl ergieng / jhn bey dem Kopffe zu nehmen / damit er in dem schimpflichsten Gefängnüße vor solchen Frevel büssen möchte. Wiewol ein Freund [160] war noch so treu / der jhm die gefährliche Anordnung in guter Zeit entdeckte / daß er sich verborgener weise in einem Wein-Fasse zu dem Thore hinaus partirte.

41.
XLI.

Hiermit war er wol auf freyen Fusse / doch nicht in voller Sicherheit. Er hatte in Eil sein bestes Reichthum an Jubelen und Ducatẽ zu sich gestakt: doch muste er vor allen rauschenden Blättern erschrecken /aus Beysorge / daß ein Verräther darhinter möchte verborgen seyn. Also schrieb er an seine Liebste kürtzlich zurücke / sie solte nur gedultig seyn / und wen sie von Haus und Hoff gejaget würde / solte sie bey einer bekandten Muhme in der Nachbarschafft verbleiben / biß GOtt bessere Zeiten und neue Mittel bescheren würde. Er eilte zu der bestimten Stadt zu /ward aber von der Nacht überfallen / daß er sich nach einer andern Herberge umsehen möchte. Nun begegnete jhm eine erbare Matron / welche [161] gleich mit jihrem Sohne auff dem Felde gewesen: dieselbe hatte ein artiges Rittergut im Besitz / und lebte mit jhren einzigen Sohne von funffzehn Jahren gar vergnugt. Und wie sie vernahm / daß er um sein Nachtlager bekümmert wäre / so war sie gantz willig jhm guten Rath zu schaffen. Ja so bald sie hörete / daß er von Gelehrten Sachen einziger massen professiion machte / wolte sie von jhm vernehmen / was mit jhrem Sohne anzufangen wäre / der vor etlichen Wochen seinen treufleißigen Præceptor verlohren hätte / unwissend wie sein Fleiß numehr solte fortgesetzt werden; da er sich / aus vielen Ursachen aus den Armen seiner Mutter nicht begeben könte. Crescenrio sahe die Gelegenheit an / wie schön er die Correspondenz mit seiner Liebsten so nahe würde unterhalten können / und erbot sich zu allen Diensten / wofern sie Ihm nur die Höfligkeit erweisen / und an statt des Salarii, weder nach seinem Stande forschẽ / [162] noch seine Anwesenheit jemanden zu wissen thun wolten: den er würde sich mehrentheils auff der Stube halten / und aus solchen Ursachen / die mit der Zeit heraus brechen könten /die Gesellschafft der Leute etwas beyseite setzen.

42.
XLII.

Die Frau erschrack erstlich vor der nachdencklichen Bedingung / weil solche liechtscheuende Personen mehrentheils ein Bubenstücke auf dem Hertzen haben / welches sie von aller Gesellschafft desto weiter absondert. Doch seine sittsame Geberden / seine anmuthige und Gottselige Discurse, sonderlich sein Versprechen / den Sohn wol zu informiren, würckte so viel / daß sie noch denselben Abend mit einander richtig wurden. Und es mochte seyn / daß die Frau gedachte / man könte alle Tage auff einen Abschied bereit seyn / wofern sich die Person nicht allerdings legitimiren solte.

43.
[163] XLIII.

Hiermit grieff er die Information mit sonderlicher Klugheit an / und je mehr der Knabe zu allen Künsten fähig war / desto grössere Lust befand er bey sich /diesem schönen Ingenio auff zu helffen. Es erwuchs von Tage zu Tage eine Liebe gegen diesen jungen Menschen / und die Gegenliebe war nicht geringer /daß sie auch selten einen Augenblick ohn einander zubringen kunten. Nur in dem eintzigen Stücke wolte sich Crescentio nicht gewinnen lassen / daß er seinen Nahmen gesagt / oder auch bey verfliessung eines Jahres einig Salarium begehrt hätte / sondern als jhm gleichsam mit gewalt etwas obtrudirt wurde / so bat er / sie solten jhm alles auffheben / er wolte schon bey vorfallender Bedürfftnüs solches aus jhrer Verwahrung abfodern. Immittels machte er sich mit einer vertrauten Bauer-Frau im Dorffe so bekandt / das sie mit seiner Liebsten die heimliche Correspondenz unterhielt / auch zu gewisser Zeit / unvermerckte Zusammenkunfften anstellete.

44.
[164] XLIV.

Solches währte drey Jahr / da unterdessen der alte Haß zu Hofe noch immer neu blieb / und keine Hoffnung auch zur geringsten Aussöhnung erscheinen wolte. Ja es ward etlicher massen laut / wo der Vogel könte gefangen werden: daß Crescentio gute Ursache hatte seinen Stab weiter zu setzen / und etwas tieffer in das Land hinein zu rücken. Darum gab er bey seinen Untergebenen numehr von achtzehn Jahren vor /er wolte eine kurtze Reise auff drey Tage über sich nehmen / und verhoffte bey seiner Wiederkunfft alles in guten Stande anzutreffen. Der junge Mensch bot sich an / Gesellschafft zu leisten / und als jhm auch dieser Trost abgeschlagen wurde / fieng er bitterlich an zu weinen. Doch was wolte er thun? Das nahe wiederkommen machte / daß er die Schmertzen dieses Scheidens nicht so sehr empfinden durffte. Also machte sich Crescentio zu seiner Liebsten / setzte sich auf eine Kutsche / und [165] begab sich an einen Ort /da er das Glücke viel günstiger / und seine Wolfahrt viel reichlicher zu geniessen hatte.

45.
XLV.

Indessen ehe er sich völlig davon machte / hatte er allbereit vor einiger Zeit eine Schrifft auffgesetzet / welche er seinem geliebtesten Untergebenen versiegelte zu rücke schickte / ungefehr dieses Innhalts:


Liebster Freund.


Was ich vor Liebe und Treue gegen euch getragen /solches wird mein bißheriger Wandel sattsam bewiesen haben. Ich müste auch einer hohen Untreu schuldig seyn / wen ich eure Gegenliebe nicht mit allen möglichen Fleisse vergnüget hätte. Allein gleichwie mein Leben unbekandt gewesen ist / also muß auch mein Abschied verborgen seyn. Ich weiß diese Worte werden euch etliche Thränen heraus locken. Doch [166] bedenckt daß ich Zeit genung auff eure Liebe gewendet habe. Ihr seyd numehr in dem Stande / daß jhr meiner Handreichung nicht ferner von nöthen habet. Gehet nur der Strasse treulich nach / welche von mir ist gebähnet worden. Und wofern jhr gedencket / daß ich etwas möchte von euch zufordern habon / so thut mir folgende Stück zu gefallen; und bezahlet mich durch solchen Gehorsam vor meine Dienste. Erstlich bemühet euch nicht meine Reise oder meinen Zustand auszuforschen: den es wird euch unmöglich seyn; wen es auch einiger massen möglich werden könte / so seyd versichert / ich würde ein hohes Mißfallen / und nichts wenigers als Liebe daraus empfinden. Zum andern lasset euch diese innliegende Schrifft recommendirt seyn / und leset sie alle Tage mit guten Bedacht gantz durch. [167] Ihr wisset wie wir eine Stunde vor der Abend-Mahlzeit mehrentheils mit einander herumspatzirten / und bey allerhand Gesprächen die Zeit zum Essen erwarteetn. Wolan lasset mir dieselbe Stunde noch geschencket seyn / uñ wiederhohlet mein Gedächtnüs in dieser Schrifft / welche euch alsdann zu meinem vollkommenen Freunde machen wird /wen die Regeln an eurem Leben / das ist in der That selbst / bekleiden werden. Im übrigen sol euch das auffgehobene Lehrgeld / zum Zeichen meiner auffrichtigen Freundschafft geschenckt seyn. Ist es möglich daß jhr meinen Sohn dermahl eins was zu gute thun könnet / sol wil ich der Wohlthat nicht wiederstreben. Ihr sehet einen halben Ducaten schlangenweiß zerschnitten: wer euch mit der Zeit eine Helffte vorzeiget / die sich gleich in dem Schnitt füget / der ists / welchen ich anitzo recommendire. Gott helffe / daß auff beyden Theilen so viel Glück und Wachsthum erscheine / daß wir des Ausganges getrost erwarten können. Und hiermit zu tausend guter Nacht / mein liebstes Hertze. Last euch diesen Abschied nicht mißfallen. Vielleicht wird mein kleiner Sohn / der euch noch unbekand lebet / die Entschuldigungen erzehlen. Itzo wird die Frau Mutter danckbarlich und getreulich gegrüsset: Aber mein Hertzens Freund hat in diesem Briefe tausend Küsse / und noch so viel tausend Wünsche / von seinem

Allzeit unbekandten und doch mehr als zu bekandten

Freunde.

46.
[168] XLVI.

Was die Schrifft anlangt / derer im Briefe meldung geschehn / so weren unterschiedene Regeln darin abgefasset / wie man sich im Politischen Leben unter Freunden und Feinden / in Glück und Wiederwärtigkeit / bey Hohen und Niedrigen Personen verhalten müste / wofern man sein Glücke nicht verschertzen /sondern vielmehr alle Wohlfahrt bey der besten Gelegenheit ergreiffen wolte. Und eben dieses solte der Mittelpunct seyn / darauff sich die gantze Lehre von Politischen Näscher bezogen hätte. Die Historie an sich selbst / indem sie angenehme Affecten bey sich führete / so hätte sie dem Leser desto mehr Lust gegeben der Sache nachzudencken.

47.
XLVII.

Nun hier ist ein kurtzer Innhalt des andern Theils vom Politischẽ Näscher. Hätte man des Crescentio Sohn mit seinen halben Ducaten auch einführen / und also den dritten [169] Theil verfertigen wollen / so könte der rechtschaffene Student artig beschrieben werden. Gesetzt der Untergebene ware wol fortkommen / und endlich auff der Universität zu einem wichtigen Ampte employret worden: der junge Crescentio hätte sich als ein Tisch Pursche bey jhm aufgehalten / biß er Abschied genommen / und nechst freundlichen Gruß vom Herrn Vater den Gedächtnüß-Pfennig überliefert: da es den so weit gemittelt wordẽ / daß er noch eine Zeit zurücke blieben / und sich mit des Tischwirths Tochter versprochen: wodurch jhm die rückständigen und bißhero aufgehobenen Informations-Gelder reichlich / und mit gutem Interesse erstattet worden.

48.
XLVIII.

Wil mir jemand die Freundschafft erweisen / und diese geringe Disposition einer bessern Ausarbeitung würdigen / so werde ich davor dancken- Ich bin keinPhidias dessen Statue kein ander Künstler vollenden könne. Barclajus [170] hat zwar mit seiner Argenis das Unglück / das jhm einer den andern Theil angeflickt hat /der es wol hätte mögen anstehen lassen / und der einmahl aus grosser Armuth ein gantz Capitel aus Erasmi Colloqviis von Wort zu Wort ausgeschrieben hat. Doch mit diesem unvergleichlichen Manne darf sich niemand vergleichen / sonderlich wer alles mit einer flüchtigen und extemporalischen Feder / nicht anders als zur Ergetzligkeit / bey den Neben-Stunden auff das Papier auszuschütten pfleget.

49.
XLIX.

Derohalben mag schreiben wer da wil / auch so gut und so schlimm als er wil; nur das bitte ich / man gebe mich nicht als einen Auctor aus. Ist es gut / so wil ich einen andern seines Ruhmes nicht berauben: ist es schlim / so mag man mir verzeihen / daß ich gleichfals den Haß und die höhnische Censur mit jhm nicht theilen wil. Ich weiß wol / daß ich einmahl eines Buches [171] beschuldiget ward / also daß ein nicht allzugeringer Mann gefragt hatte / ob ich schon so weit bey Jahren wäre / und ob ich Alters halben schon Kindisch würde / daß ich auf die letzt mit dergleichen Albertaten auffgezogen käme: Aber ich hoffe es wird mir an Freunden nicht mangeln / welche sich mit einer gewierigen Entschuldigung werden einstellen. Zum wenigsten kan ich allen Fantasten weder das Schreiben / noch alle ungleiche Gedancken verbieten: und also muß ich in meiner Freymüthigkeit / und bey meinem guten Gewissen den Trost dargegen halten / das sie gleichfals über mich / und über meine Vergnügung nichts zu gebieten haben. Publica Fama ist ein wunderliches Ding / und man möchte wol lachen / daß manche Gelehrten so übermäßig darnach streben können. den dieser Ruhm bestehet in der Opinion. Sind viel Leute die sich etwas grosses bey jemand einbilden / so muß sein Nahme unsterblich heissen. Wie den auch eben darumb die jenigeu am [172] ersten einigenApplausum verdienen / welche mit guten Naturalibus, das ist mit einer guten Memorie / einer geläufftigen Zunge / einer geschwinden Feder / und so fortan begabet sind. Ich möchte fast sagen / im gemeinen Hauffen wären die wenigsten zu einem rechtschaffenen Urthel geschickt / und dannenhero gieng es nicht anders als in den alten Schauspielen / da auch der Aplausus mit gutem Rechte hieß / Consensus & Opinio hominum recto judicio carentium. Also gebrauchen wir der allgemeinen Einfalt / und wer so glückselig ist / daß er eine Compagnie Blinden antrifft / der kan sich mit seinen schielenden und blöden Gesichte dennoch vor einen König auffwerffen. Wol dem der in allen Verrichtungen mehr auff sein gutes Gewissen / als auff fremde Lobeserhebungen gegründet ist.

50.
L.

Ich vertieffe mich in einer Sache die nicht eigentlich hieher gehört: [173] drum ist es Zeit daß ich einlencke. Sonderlich weil mein Intent dem geneigten Leser also wird bekandt seyn / daß ich keine fernere Müh allhier bedürffen werde. Gestalt ich numehr in GOttes Nahmen mich zu diesem Abschieds-Liede beqvemen wil.


1.
Zu guter Nacht jhr süssen Schrifften /
Nehmt noch das letzte Denckmahl an;
Ich sol numehr was anders stifften /
Darbey ich nichts verseumen kan.
Und so verschwindet mir die Zeit /
Zu aller Lust und Eitelkeit.
2.
Ihr habet gnung von mir empfangen.
Wer immer schertzt / der thut zu viel.
Mein Früling ist hiermit vergangen /
Der Blühe-Monat hat sein Ziel.
Der späte Sommer kömt herein /
Und wil durch Früchte kundbar seyn.
3.
Bekümmert euch um andre Kielen /
Wo solche Bücher nöthig sind:
Und lasset eine Jugend spielen /
Die mich im schreiben überwindt.
Wer erstlich eine Bahne bricht /
Der scheut dem Uberwinder nicht.
[174] 4.
Deswegen schreib ich gute Lehren /
Daß ich wil überwunden seyn.
Ein ander mag das Werck vermehren.
Ich gebe mich geduldig drein.
Ein Lehrer hat den Zweck erreicht.
Wen er noch beßre Schüler zeucht.
5.
Nur suchet Tugendhaffte Seelen
Die nicht auf Schimpf und Schande gehn.
Gleich wie die duncklen Laster Hölen /
Nicht an der hellen Sonne stehn;
So schickt sich auch der Bücher Licht /
Vor keine schnöde Spötter nicht.
6.
Wievol jhr möget euch versorgen /
Ich habe nichts darbey zu thun.
Dru sol die Feder niemand borgen /
Sie mag auff diesem Blate ruhn /
Das sich noch um ein Abschieds Lied /
Als um die letzte Lust bemüht.
7.
Wolan ich bin vom schreiben müde.
Mein Zeitvertreib zu guter Nacht.
Du hast vor meinen Sorgen Friede /
Wen auch mein Leben frölich lacht.
Doch habe nochmahls schönen Danck
Vor den genoßnen Liebes-Zwang.
[175]

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Romane. Kurtzer Bericht vom politischen Näscher. Kurtzer Bericht vom politischen Näscher. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9891-2