Papiernot

Gewiß – es ist nicht immer schön gewesen
das aberwitzige Echo unsrer Zeit:
man konnte rechtsrum, konnte linksrum lesen
und war zum Schluß meist ebenso gescheit.
Die Presse schmückte stets mit neuen Funkelthesen
ihr Morgen-, Mittags- und ihr Abendkleid . . .
Und doch: ein Quentchen blieb – es war nicht viel,
ein Stückchen Bürgerfreiheit – kurz: ein Dampfventil.
Doch jetzt, im Krieg, schwillt des Geheimrats Weste,
er liebt die Einfachheit für die Nation,
und hilflos spricht er: »Es ist wohl das beste:
Ein Volk, Ein Heer, Ein Fölljetohn.
Spart nur Papier!« Doch mit empörter Geste
erhebt sich brüsk die Zeitungskonfektion:
»Der Fortschritt ist bedroht! das Volk! der Staat!«
Dahinter, riesengroß: das Inserat!
Das ist der deutsche Zustand. Und du, Zeitung,
du kleener Freiheitshut, wie stehst du da?
Noch hast du Platz – zum Beispiel zur Verbreitung
von Kintopschwatz für ganz Christiania.
Es strömt bei Arras. Die Annoncen-Leitung
pflegt eifrig Gasthaus-Personalia . . .
Ob ihr genug Papier habt oder keins:
Ihr helft dem Land nicht!
Es ist alles eins.

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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1917. Papiernot. Papiernot. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5F98-4