c.

In einem Hause zu Varel war das Mittagessen beendet und die Familie saß noch im Gespräch um den Tisch. Da gingen zwei Töchter in die Küche und setzten sich an das Feuer, kamen aber gleich darauf erschrocken und zitternd wieder hereingelaufen und versicherten, in der Stube an der Küche, in welcher doch niemand war, sei so eben laut geweint worden, und mehrere Stimmen hätten laut durcheinander gesprochen. Niemand wußte das Geschehene zu erklären. – Nun geschah es, daß gegen den Herbst hin das kleinere der beiden Mädchen, ein Kind von neun Jahren an der Schwindsucht erkrankte und bis in den Winter hinein elend litt. Endlich war die Krankheit aufs Höchste gestiegen. Das Kind rang mit dem Tode, konnte aber durchaus nicht zur Ruhe kommen, sondern verlangte beständig, in die erwähnte Stube neben der Küche gebracht zu werden. Da es aber starkes Frostwetter war und gerade der Ofen dort nicht gebraucht werden konnte, so durfte der Kleinen nicht gewillfahrt werden. Als sie aber immer und immer wieder davon anfing, mußte man sich endlich entschließen, sie mit Bett und Bettstelle an den gewünschten Ort zu bringen. Kaum war sie da, so wurde sie ruhig und starb. Darüber erhoben Mutter und Geschwister ein Schluchzen und Weinen, und alle Anwesenden sprachen klagend und tröstend laut durcheinander. Später beteuerte die älteste Schwester der Verstorbenen, daß dies Weinen und Durcheinandersprechen genau dasselbe gewesen sei, wie sie und die Verstorbene es im Sommer vorher gehört hätten.

Unsere Magd trat eines Morgens aus ihrer Kammer und klagte, sie habe eine unruhige Nacht gehabt, in dem leeren [139] Zimmer neben ihrer Kammer sei ein Jammern und Stöhnen gewesen, daß sie kein Auge habe zutun können. Mein Vater lachte darüber. Als am selben Tage der Dachdecker kam, um über dem Zimmer, aus dem das Weinen und Jammern gekommen, das Dach auszubessern, rief er ihm zu: »Paß auf, daß du nicht herunterfällst, unsere Minna hat in verflossener Nacht was gehört.« Die Arbeit ging ohne Unfall von statten. Einige Monate später erkrankte unser Vater und starb. Kurz vor seinem Tode wollte er vom Bett herunter, wurde auf ein Sofa gebettet und gab dort seinen Geist auf. Wir trugen die Leiche dann in jenes Zimmer, in welchem die Magd früher die Jammerlaute vernommen. Dort wurde der Entseelte aufgebahrt, während wir Kinder und das übrige Hauspersonal dabei standen und laut klagten und weinten. (Lutten.)

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Vierter Abschnitt. Vorgeschichten. 155. [Nicht immer kündigen sich die kommenden Ereignisse so an, wie sie]. c. [In einem Hause zu Varel war das Mittagessen beendet und die Familie]. c. [In einem Hause zu Varel war das Mittagessen beendet und die Familie]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-31C1-1