9. An Lais
Im Juli 1773.
Weil noch leicht, wie ein Traum, welchen der Nektar zeugt,
Dir die gaukelnden Tag' entfliehn;
Weil noch Hebe den Mund glühend wie Morgenrot,
Rosenwallend die Wange malt;
Weil noch täglich dein Blick, hell wie der Abendstern,
Aber treffend wie Sirius,
Die hintaumelnde Schar deiner Gefangnen mehrt:
Darum trotzest du, Thörichte?
Wird dir ewig die Glut schmachtender Jünglinge,
Dir die Blässe der Eifersucht
Ewig frönen? Auch dich werden die Grazien,
Jede siegende Kunst wird dich
Einst verlassen! Dein Lenz schwindet auf neidender
Weste Fittich! bald hauchen sie
Deine Blüten herab! dann wird die buhlende
Lais seufzen. Ihr rosigen
Tage, kommet zurück! Aber die rosigen
Tage flohen! Verhülle dich,
[43]Lais! daß der Triumph deiner Gespielen dich,
Die Moral der Matrone dich
Nicht verfolge, der Hohn deiner Entfesselten
Dich nicht treffe! denn eisern war
Deine Herrschaft! dein Stolz freute der Thränen sich,
Und der blassen Verzweifelung!
Nun sind Thränen der Schmuck dieser verwelkenden
Wangen! Seufzer erheben nun
Ungeheißen die Brust! jeden verlöschenden
Schimmer deiner gefeierten
Augen waffnet die Wut! Lais, verhülle dich!
Dein ist Schande! Denn eisern war
Deine Herrschaft! Dein Stolz freute der Thränen sich
Und der blassen Verzweifelung!