[98] An den Herrn Kabinetsrath Jost
Wie durch dunkler Nächte schwarze Schatten
Schwermuthsvoll die Seele blickt empor,
Wenn kein Fünkchen Licht das Dunkel mildert,
Schreckgestalten riesenmäßig droh'n,
Freund! so blickt' ich einst auf meine Kinder
An der Urne ihres Vaters hin,
Mit zerrißnem, halbgebrochnem Herzen,
Wünscht' ich sie und mich in's stille Grab.
In der Zukunft sahen meine Blicke
Ungebildet sie und einsam stehn;
Sklavisch sah' ich sie den Rücken beugen,
Wie der edle Mann ihn niemals beugt.
Da erschienst Du, wie ein Bote Gottes,
Von dem Thron des Ewigen gesandt,
Reichtest mir die Rechte; eine Thräne
Bebte in dem seelenvollen Blick.
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»Trockne, meine Freundinn, deine Thränen!
Deiner Kinder Retter der bin ich;
Wohl mir, daß ich diesen Schmerz kann lindern,
Daß ich diese Sorgen scheuchen kann.«
Dankbar hob mein Blick sich in die Wolken,
Dann zu Dir, mein edler guter Freund,
Wellen schlug Dir laut mein Herz entgegen,
Und ich sank gerührt an Deine Brust.
Von dem Tag' an nennt Dich meine Seele
Ihren Retter, ihren liebsten Freund;
Ewig dauernd ist sie die Empfindung,
Die in diesem Busen für Dich glüht!