[95] An meine Harfe
Für mich floß aus Peru's Schachten
Weder rothes Gold, noch Silber,
Auch ermangeln meine Wände
Jedes Glanzes seidner Hülle,
Meine Augen täuschen keine
Schildereien großer Meister,
Kein Tokaier schäumet perlend
Für mich im kristallnen Glase,
Auch verrathen würz'ge Düfte
Nicht des Mahles leckre Speisen,
Und mich wiegt kein sorgenfreier
Schlummer sanft in frohe Träume!
Weisheitsvoll entzogen alles
Dieses mir die guten Götter.
Aber dennoch sing' ich ihnen
Mit Entzückung frohe Lieder,
Denn sie gaben mir dich, meine
Hochgeliebte sanfte Harfe;
[96]Mit dir flieh' ich in den Kreisen
Ungeheurer Schöpfungs-Räume,
Vom Orion bis zur Sonne,
Bis zu ihren lezten Stralen,
Daß ich glüh' in ihrer Flamme,
Daß ich bebe laut vor Wonne,
Und die heißen Freudenthränen
Dem verklärten Blick' entströmen.
Selig froh greif ich in deine
Saiten, wenn der holde Frühling
Mir im Veilchenkleide nahet,
Oder, wenn in süßen Tönen
Filomelens einz'ge Lieder
Durch die Abendlüfte schallen.
Auch entschweben dir Gesänge
An der Seite edler Freunde!
Dankbarkeit und Liebe weinen
Thränen auf die goldnen Saiten;
Wenn die Schwermuth mir den Busen
Aengstlich preßt, und Schmerzgefühle
Mein gesenktes Auge trüben,
O wie tönst du dann so leise
[97]Trost in meine bange Seele!
Ruhiger blickt dann mein Auge
Auf in selige Gefilde,
Wo die Garben reicher Saaten
Jenem großen Tag' entgegen
Unter'm Palmensäuseln reifen.
Wenn auch mir die Stunde nahet,
Die zur ew'gen Ruhe winket;
Dann müß' ich, von deinen Tönen
Eingelullt, hinüber schlummern!
Und wenn ich am großen Morgen
Hoffnungsvoll und froh erwache,
O dann müsse dich mein Engel
Mir in Edens Palmenhainen
Jubelvoll entgegen tragen!