William Shakespeare
König Heinrich IV.
Erster Teil
[180] Personen
König Heinrich IV.
Heinrich, Prinz von Wales
Prinz Johann von Lancaster, Söhne des Königs
Graf von Westmoreland
Sir Walter Blunt, Freunde des Königs
Graf von Worcester
Graf von Northumberland
Heinrich Percy, mit dem Beinamen Heißsporn, sein Sohn
Edmund Mortimer, Graf von March
Scroop, Erzbischof von York
Archibald, Graf von Douglas
Owen Glendower
Sir Richard Vernon
Sir John Falstaff
Poins
Gadshill
Peto
Bardolph
Lady Percy, Gemahlin des jungen Percy und Mortimers Schwester
Lady Mortimer, Glendowers Tochter und Mortimers Gemahlin
Frau Hurtig, Wirtin einer Schenke zu Eastcheap
Herren von Adel, Beamte, Sheriff, Kellner, Hausknecht, Küfer, zwei Kärrner, Reisende, Gefolge usw.
[180]Erster Aufzug
Zweite Szene
Dein Witz ist so feist geworden, durch Sekttrinken, Westenaufknöpfen nach Tisch und nachmittags auf Bänken schlafen, daß du vergessen hast, das eigentlich zu fragen, was du eigentlich wissen möchtest. Was Teufel hast du mit der Zeit am Tage zu schaffen? Die Stunden müßten denn Gläser Sekt sein, und Minuten Kapaunen, und Glocken die Zungen der Kupplerinnen, und Zifferblätter die Schilder von liederlichen Häusern, und Gottes Sonne selbst eine schöne hitzige Dirne in feuerfarbnem Taft; sonst sehe ich nicht ein, warum du so vorwitzig sein solltest, nach der Zeit am Tage zu fragen.
Wahrlich! da triffst du es, Heinz. Denn wir, die wir Geldbeutel wegnehmen, gehn nach dem Mond und dem Siebengestirn umher, und nicht nach Phöbus, – »dem irrenden Ritter fein«. Und ich bitte dich, Herzensjunge, wenn du König bist, – wie du, Gott erhalte deine Gnaden! – Majestät sollte ich sagen, denn Gnade wird dir nicht zu teil werden –
Nun gut denn, Herzensjunge: wenn du König bist, so laß uns, die wir Ritter vom Orden der Nacht sind, nicht Diebe unter den Horden des Tages heißen: laß uns Dianens Förster sein, Kavaliere vom Schatten, Schoßkinder des Mondes; und laß die Leute sagen, daß wir Leute von gutem Wandel sind, denn wir wandeln, wie die See, mit der Luna, unsrer edlen und keuschen Gebieterin, unter deren Begünstigung wir stehlen.
Gut gesprochen, und es paßt auch gut, denn unser Glück, die wir Leute des Mondes sind, hat seine Ebbe und Flut, wie die See, da es, wie die See, unter dem Monde steht. Als zum Beispiel: ein Beutel mit Gold, der Montag nachts auf das herzhafteste erschnappt ist, wird Dienstag morgens auf das scherzhafteste durchgebracht; gekriegt mit Fluchen: »leg' ab!« und verzehrt mit Schreien: »bring' her!« Jetzt so niedrige Ebbe, wie der Fuß der Leiter, und gleich darauf so hohe Flut, wie der Gipfel des Galgens.
Beim Himmel, du redest wahr, Junge. Und ist nicht unsre Frau Wirtin von der Schenke eine recht süße Kreatur?
Wie der Honig von Hybla, mein alter Eisenfresser. Und ist nicht ein Büffelwams ein recht süßes Stück zum Strapazieren?
Nu, nu, toller Junge! Hast du einmal wieder deine Faxen und Quinten im Kopfe? Was zum Kuckuck habe ich mit einem Büffelwams zu schaffen?
Ja, und anderswo auch, soweit mein bares Geld reichte, und wo es mir ausging, habe ich meinen Kredit gebraucht.
Ja, und ihn so verbraucht, daß, wenn du nicht vermutlicher Thronerbe wärst, so würde vermutlich – Aber sage mir, Herzensjunge, soll ein Galgen in England stehen bleiben, wenn du König bist? Soll die Tapferkeit von dem rostigen Gebiß des alten Schalksnarren Gesetz eingezwängt werden, wie jetzt? Häng' du keinen Dieb, wenn du König bist!
Du sprichst schon ein falsches: ich meine, du sollst die Diebe zu hängen haben und ein trefflicher Henker werden.
Gut, Heinz, gut! Auf gewisse Weise paßt es auch zu meiner Gemütsart, so gut wie bei Hofe aufwarten, das sage ich dir.
Ja, um befördert zu werden, was der Henker nicht nötig hat, weil er selbst befördert. Blitz, ich bin so melancholisch wie ein Brummkater, oder wie ein Zeiselbär.
Du hast die abschmeckendsten Gleichnisse von der Welt und bist wahrhaftig der vergleichsamste, spitzbübischste, niedlichste junge Prinz. – Aber, Heinz, ich bitte dich, suche mich nicht mehr mit Eitelkeiten heim! Ich wollte, du und ich, wir wüßten, wo ein Vorrat von guten Namen zu kaufen wäre. Ein alter Herr vom Rate schalt mich neulich auf der Gasse Euretwegen aus, junger Herr, aber ich merkte nicht auf ihn; und doch redete er sehr weislich, aber ich achtete nicht auf ihn; und doch redete er weislich, und obendrein auf der Gasse.
Oh, du hast verruchte Nutzanwendungen im Kopf und bist wahrhaftig imstande, einen Heiligen zu verführen. Du hast viel an mir verschuldet, Heinz, Gott vergebe es dir! Eh' ich dich kannte, Heinz, wußte ich von gar nichts, und nun bin ich, die rechte Wahrheit zu sagen, nicht viel besser als einer von den Gottlosen. Ich muß dies Leben aufgeben, und ich will's auch aufgeben. Bei Gott, ich bin ein Schuft, wenn ich's nicht tue; ich will für keinen Königssohn in der Christenheit zur Hölle fahren.
Wo du willst, Junge, ich bin dabei; wo ich's nicht tue, so nennt mich einen Schuft und foppt mich nach Herzenslust!
Je, Heinz! 's ist mein Beruf, Heinz; 's ist einem Menschen nicht zu verargen, daß er in seinem Berufe arbeitet.
Poins! – Nun werden wir hören, ob Gadshill was ausgespürt hat. Oh, wenn die Menschen durch Verdienst selig würden, welcher Winkel in der Hölle wäre heiß genug für ihn? Dies ist der überschwenglichste Spitzbube, der je einem ehrlichen Manne »Halt!« zurief.
Guten Morgen, lieber Heinz. – Was sagt Monsieur Gewissensbiß? Was sagt Sir John Zuckersekt? Sag, Hans, wie verträgt sich der Teufel und du um deine Seele, die du ihm am letzten Karfreitage um ein Glas Madera und eine Kapaunenkeule verkauft hast?
Sir John hält sein Wort, der Teufel soll seines Handels froh werden; er hat noch nie ein Sprichwort gebrochen; er gibt dem Teufel, was des Teufels ist.
Aber, Jungen! Jungen! morgen früh um vier Uhr nach Gadshill. Es gehen Pilgrime nach Canterbury mit reichen Gaben, es reiten Kaufleute nach London mit gespickten Beuteln; ich habe Masken für euch alle, ihr habt selbst Pferde; Gadshill liegt heute nacht zu Rochester, ich habe auf morgen abend in Eastcheap Essen bestellt, wir können es so sicher tun wie schlafen. Wollt ihr mitgehn, so will ich eure Geldbeutel voll Kronen stopfen; wollt ihr nicht, so bleibt zu Haus und laßt euch hängen!
Hör' an, Eduard: wenn ich zu Hause bleibe und nicht mitgehe, so lass' ich euch hängen, weil ihr mitgeht.
Es ist keine Redlichkeit in dir, keine Mannhaftigkeit, keine echte Brüderschaft; du stammst auch nicht aus königlichem Blut, wenn du nicht das Herz hast, nach ein paar Kronen zuzugreifen.
Sir John, ich bitte dich, laß den Prinzen und mich allein, ich will ihm solche Gründe für dies Unternehmen vorlegen, daß er mitgehen soll.
Gut, mögest du den Geist der Überredung und er die Ohren der Lehrbegierde haben, damit das, was du sagst, fruchten und das, was er hört, Glauben finden möge, auf daß der wahrhafte Prinz, der Erlustigung wegen, ein falscher Dieb werde; denn die armseligen Mißbräuche der Zeit[188] haben Aufmunterung nötig. Lebt wohl, ihr findet mich in Eastcheap.
Nun, mein bester Zuckerprinz, reitet morgen mit uns: ich habe einen Spaß vor, den ich nicht allein ausführen kann. Falstaff, Bardolph, Peto und Gadshill sollen diese Leute berauben, denen wir schon aufpassen lassen; Ihr und ich, wir wollen nicht dabei sein; und haben sie nun die Beute, Ihr sollt mir den Kopf von den Schultern schlagen, wenn wir beide sie ihnen nicht abjagen.
Wir wollen früher oder später aufbrechen und ihnen einen Platz der Zusammenkunft bestimmen, wo es bei uns steht, nicht einzutreffen; dann werden sie sich ohne uns in das Abenteuer wagen, und sobald sie es vollbracht, machen wir uns an sie.
Ja, doch es ist zu vermuten, daß sie uns an unsern Pferden, an unsern Kleidern und hundert andern Dingen erkennen werden.
Pah! unsre Pferde sollen sie nicht sehen, die will ich im Walde festbinden; die Masken wollen wir wechseln, wenn wir sie verlassen haben, und hör' du! ich habe Überzüge von Steifleinen bei der Hand, um unsre gewohnte äußre Tracht zu verlarven.
Ei, zwei von ihnen kenne ich als die ausgemachtesten Memmen, die je Fersengeld bezahlt haben; und was den dritten betrifft, wenn der länger ficht, als ratsam ist, so will ich die Waffen abschwören. Der Hauptspaß dabei werden die unbegreiflichen Lügen sein, die uns dieser feiste Schlingel erzählen wird, wenn wir zum Abendessen zusammenkommen: wie er zum wenigsten mit dreißigen gefochten, was er für Ausfälle, für Stöße, für Lebensgefahren bestanden; und daß er damit zu schanden wird, ist eben der Spaß.
Gut, ich will mit dir gehen: sorge für alles Nötige und triff mich morgen abend in Eastcheap; da will ich zu Nacht essen. Leb wohl!
Dritte Szene
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Ohe! Wenn's nicht schon um viere ist, will ich mich hängen lassen. Der Wagen da droben steht schon über dem neuen Schornstein, und unser Pferd ist noch nicht bepackt. He, Stallknecht!
Hörst du, Thoms, schlag' mir Hansens Sattel zurecht, steck' ein bißchen Werg unter den Knopf! Das arme Vieh hat sich am Widerrist gedruckt wie nichts Gutes.
Erbsen und Bohnen sind hier so mulstrig wie die Schwerenot, und das ist das rechte Mittel, daß so 'n armes Luder die Würmer kriegt. Das Haus ist um und um gekehrt, seit der alte Fritz tot ist.
Ich glaube, es gibt kein so niederträchtig Haus auf der ganzen Londner Straße mit Flöhen. Ich bin so bunt gestochen wie 'ne Schleie.
Wie 'ne Schleie? Sapperment, kein König in der Christenheit kann's besser verlangen, als ich gebissen bin, seit der Hahn zum erstenmal gekräht hat.
Ja, sie wollen uns niemals einen Nachttopf geben, und da schlagen wir's in den Kamin ab, und die Kammerlauge, die heckt euch Flöhe wie ein Froschlaich.
Gotts Blitz! die Truthähne in meinem Korb sind ganz ausgehungert. – He, Stallknecht! – Daß dich die Schwerenot! Hast keine Augen im Kopfe? kannst nicht hören? Wenn es nicht eben so gut wäre, wie einmal zu trinken, dir den Kopf einzuschmeißen, so will ich ein Hundsfott sein. – Komm an den Galgen! Bist ganz des Teufels?
Ja, wann geschieht's? Rat' einmal! – »Leih mir deine Laterne«; so? – Ei ja doch, ich will dich erst am Galgen sehen.
Zeit genug, um bei Licht zu Bette zu gehn, dafür stehe ich dir. – Kommt, Nachbar, wir wollen die Herren wecken; sie wollen mit Gesellschaft fort, denn sie haben groß Gepäck bei sich.
Das paßt so gut, als: »bei der Hand«, sagt der Hausknecht. Du bist vom Beutelschneider nicht mehr verschieden, als Anweisung geben vom Arbeiten. Du machst die Anschläge.
Guten Morgen, Meister Gadshill! Es bleibt dabei, was ich Euch gestern abend sagte: es ist hier ein Gutsherr aus der Kentschen Wildnis, der führt dreihundert Mark in Golde bei sich. Ich hört's ihn gestern abend zu einem aus der Gesellschaft sagen, einer Art von Kammerrevisor, einem, der auch eine Last Gepäck bei sich hat, Gott weiß was. Sie sind schon auf und verlangen geröstete Eier, sie wollen gleich fort.
Ne, ich mag ihn nicht, der gehört für den Schinder; denn ich weiß, du bedienst Sankt Niklas so ehrlich, als ein falscher Kerl nur immer kann.
Was sprichst du mir vom Schinder? Wenn ich hänge, so mache ich ein paar Galgen fett, denn wenn ich hänge, so muß der alte Sir John mithängen, und du weißt, der ist kein Hungerleider. Pah! es gibt noch andre Trojaner, wovon du dir nichts träumen läßt, die Spaßes halber sich gefallen lassen, dem Gewerbe eine Ehre anzutun, die, wenn man uns ein bißchen auf die Finger guckte, ihres eignen Kredits wegen alles würden ins Gleiche bringen. Ich halte es mit keinen Fuß-Landstreichern, keinen Langstäben und Buschkleppern; nicht mit solchen tollen, schnurrbärtigen, kupferfarbigen Bierlümmeln: sondern mit Herrschaften und Barschaften; mit Bürgermeistern und großen Kapitalmännern; Leuten, die es an sich kommen lassen; Leuten, die lieber schlagen als sprechen, lieber sprechen als trinken, und lieber trinken als beten. Doch das ist gelogen; denn sie beten beständig zu ihrem Heiligen, dem gemeinen Wesen, oder vielmehr, sie nehmen es ins Gebet: denn sie gerben ihm das Leder und machen sich Stiefeln draus.
Ja wohl, ja wohl, die Gerichte haben sie selbst geschmiert. Wir stehlen, wie in einer Festung, schußfrei; wir haben das Rezept vom Farrnsamen, wir gehen unsichtbar umher.
Nu, meiner Treu, ich denke, ihr habt es mehr der Nacht als dem Farrnsamen zu danken, wenn ihr unsichtbar herumgeht.
Laß gut sein! Homo ist ein Name, der allen Menschen gemein ist. – Sag dem Pferdeknecht, daß er meinen Wallach aus dem Stalle bringt! – Leb wohl, du Drecklümmel!
Zweite Szene
Komm, tritt unter! tritt unter! Ich habe Falstaffs Pferd bei Seite geschafft, und er knarrt, wie gesteifter Samt.
Er ist oben auf den Hügel hinaufgegangen, ich will ihn suchen. Stellt sich, als wenn er Poins suchte.
Ich bin behext, daß ich in Gesellschaft mit dem Diebe rauben muß: der Schurke hat mein Pferd weggeschafft und festgebunden, ich weiß nicht wo. Wenn ich nur vier gemeßne Fuß weiter zu Fuße gehe, so muß ich platzen. Nun, ich hoffe bei alle dem noch eines ordentlichen Todes zu sterben, wenn ich nicht gehängt werde, weil ich den Schuft umbringe. Ich habe seine Gesellschaft diese zweiundzwanzig Jahre her stündlich verschworen, und doch bin ich mit des Schuftes seiner Gesellschaft behext. Wenn der Schurke mir [203] nicht Tränke gegeben hat, daß ich ihn lieb haben muß, so will ich gehängt sein; es kann nicht anders sein, ich habe einen Trank gekriegt. – Poins! – Heinz! Daß euch die Pest – Bardolph! Peto! – Ich will verhungern, eh' ich einen Schritt weiter raube! Wenn es nicht eine so gute Tat wäre, wie zu trinken, ein ehrlicher Kerl zu werden und diese Schufte zu verlassen, so bin ich der ärgste Lumpenhund, der je mit Zähnen gekaut hat. Acht Ellen unebner Boden sind für mich zu Fuß so gut wie ein Dutzend Meilen, und das wissen die hartherzigen Bösewichter recht gut. Hol's der Henker, wenn Diebe nicht ehrlich gegen einander sein können!
Pfüt! Hol' euch alle der Henker! Gebt mir mein Pferd, ihr Schelme! Gebt mir mein Pferd und geht an den Galgen!
Still, du Dickwanst! Leg' dich nieder, leg' dein Ohr dicht an die Erde und horch, ob du keine Tritte von Reisenden hörst!
Habt ihr Hebebäume, mich wieder aufzurichten, wenn ich einmal liege? Blitz, ich will mein Fleisch nicht wieder so weit zu Fuß schleppen, für alles Geld, was in deines Vaters Schatzkammer ist. Was zum Henker fällt euch ein, daß ihr mich so pferdemäßig arbeiten laßt?
Geh, hänge dich in deinem kronprinzlichen Hosenbande auf! Wenn sie mich kriegen, so will ich euch dafür anklagen. Wo ich euch nicht alle in Gassenlieder bringe und lasse sie auf niederträchtige Melodien absingen, so will ich an einem Glase Sekt umkommen. Wenn ein Spaß so weit geht, und obendrein zu Fuß, – das hasse ich in den Tod.
Die Gesichter zu! Die Masken heraus! Es kommt Geld für den König den Hügel herunter, es geht in des Königs Schatzkammer.
Leute, ihr viere sollt euch in dem engen Hohlwege an sie machen; Poins und ich, wir wollen weiter hinuntergehen: wenn sie eurem Anfall entwischen, so fallen sie uns in die Hände.
Hör' du, Hans, dein Pferd steht hinter der Hecke; wenn du es nötig hast, da kannst du es finden. Leb wohl und halte dich gut!
Kommt, Nachbar, der Junge soll unsre Pferde den Berg hinunter führen: wir wollen ein Weilchen gehn und uns die Füße vertreten.
Schlagt zu! Macht sie nieder! Brecht den Buben die Hälse! Ei, das unnütze Schmarotzer- Pack! Die Speckfresser! Sie hassen uns junges Volk. Nieder mit ihnen! Rupft sie!
An den Galgen, ihr dickbäuchigen Schufte! Seid ihr ruiniert? Nein, ihr fetten Schnauzen! Hättet ihr nur das Eurige bei euch! Fort, ihr Schweinebraten, fort! Was Hundsfötter? Junge Leute müssen auch leben. Ihr seid Obergeschwor ne, nicht wahr? Wir wollen euch unterschwören, meiner Treu!
Die Diebe haben die ehrlichen Leute gebunden: wenn wir beiden nun die Diebe berauben könnten und uns lustig nach London aufmachen, es wäre eine Komödie auf eine Woche, was zu lachen auf einen Monat, und ein guter Spaß auf immer.
Nun, meine Freunde, laßt uns teilen, und dann zu Pferde, ehe es Tag wird! Und wenn der Prinz und Poins nicht zwei ausgemachte Memmen sind, so ist keine Gerechtigkeit auf Erden mehr. Der Poins hat nicht mehr Herz im Leibe als eine wilde Ente.
Dritte Szene
– »Allein was mich selbst betrifft, ich könnte es wohl zufrieden sein, mich dabei zu finden, in Betracht der Liebe, die ich zu Eurem Hause trage.« Er könnte es zufrieden sein; warum ist er es denn nicht? In Betracht der Liebe, die er zu unserm Hause trägt, – er zeigt dadurch, daß er seine eigne Scheure lieber hat als unser Haus. Laßt mich weiter sehn: »Das Unternehmen, das Ihr vorhabt, ist gefährlich.« – Ja, das ist gewiß: 's ist gefährlich, den Schnupfen zu kriegen, zu schlafen, zu trinken; aber ich sage Euch, Mylord Narr, aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit. »Das Unternehmen, das Ihr vorhabt, ist gefährlich; die Freunde, die Ihr genannt, ungewiß; die Zeit selbst unpaßlich; und Euer ganzer Anschlag zu leicht für das Gegengewicht eines so großen Widerstandes.« Meint Ihr? meint Ihr? So meine ich wiederum, Ihr seid ein einfältiger feiger Knecht, und Ihr lügt. Welch ein Einfaltspinsel! Bei Gott, unser Anschlag ist so gut, als je einer gemacht ward; unsre Freunde treu und standhaft; ein guter Anschlag, gute Freunde und die beste Erwartung; ein trefflicher Anschlag, sehr gute Freunde! Was ist das für ein frostig gesinnter Bursch? Lobt doch Seine Hochwürden von York unsern Anschlag und die ganze Anordnung des Unternehmens. Blitz! wenn ich jetzt bei dem Schurken wäre, so könnte ich ihm mit seiner Frauen Fächer den Kopf einschlagen. Ist nicht mein Vater, mein Oheim und ich selbst dabei? Lord Edmund Mortimer, der Erzbischof von York und Owen Glendower? Ist nicht endlich der Douglas dabei? Habe ich nicht Briefe von allen, daß sie mich am Neunten des nächsten [207] Monats bewaffnet treffen wollen? Und sind nicht einige von ihnen schon ausgerückt? Was ist das für ein ungläubiger Schurke? Ein Heide! Ha, ihr sollt nun sehen, aus wahrer, aufrichtiger Furcht und Engherzigkeit wird er zum Könige gehn und ihm alle unsre Anstalten vorlegen. Oh, ich könnte mich zerteilen und mir Maulschellen geben, daß ich einen solchen Milchbrei zu einer so ehrenvollen Unternehmung habe bewegen wollen. Zum Henker mit ihm! Er mag's dem Könige sagen: wir sind gerüstet. Ich will noch diese Nach aufbrechen.
Vierte Szene
Mit drei bis vier Ochsenköpfen zwischen drei bis vier Dutzend Oxhöften. Ich habe den allertiefsten Ton der Leutseligkeit angegeben. Ja, Mensch, ich habe mit einer Rotte von Küfern Brüderschaft gemacht und kann sie alle [210] bei ihren Taufnamen nennen, als: Thomas, Fritz und Franz. Sie setzen schon ihre Seligkeit daran, daß ich, obschon nur Prinz von Wales, der König der Höflichkeit bin, und sagen mir gerade heraus, ich sei kein stolzer Hans, wie Falstaff, sondern ein Korinthier, ein lustiger Bursch, ein guter Junge. – wahrhaftig, so nennen sie mich, und wenn ich König von England bin, so sollen alle wackre Bursche in Eastcheap mir zu Befehl stehn. Tüchtig trinken heißt bei ihnen sich rot schminken, und wenn Ihr beim Schlucken Atem holt, so rufen sie: »frisch!« und ermahnen Euch, keine Umstände zu machen. Kurz, ich habe es in einer Viertelstunde so weit gebracht, daß ich lebenslang mit jedem Kesselflicker in seiner eignen Sprache trinken kann. Ich sage dir, Eduard, du hast viel Ehre eingebüßt, daß du nicht mit mir in dieser Aktion gewesen bist. Aber, süßer Eduard, – und um diesen Namen zu versüßen, geb' ich dir dies Pfennigstütchen voll Zucker, das mir eben ein Unterkellner in die Hand drückte; einer, der in seinem Leben kein andres Englisch gesprochen hat als: »acht Schilling und sechs Pfennige«; und: »Ihr seid willkommen«, mit dem gellenden Zusatze: »Gleich, Herr! gleich! Eine Flasche Muskat im Halben Monde angekreidet!« oder dergleichen. – Aber, Eduard, um die Zeit hinzubringen, bis Falstaff kommt, geh, bitt' ich dich, in eine Nebenstube, während ich meinen kleinen Küfer befrage, zu welchem Ende er mir den Zucker gegeben hat, und laß die ganze Zeit nicht ab, »Franz« zu rufen, damit er nichts als »Gleich!« vorbringen kann. Tritt beiseit, und ich will dir den Hergang zeigen.
Fünf Jahre? Wahrhaftig, eine lange Mietszeit, um mit zinnernen Kannen zu klimpern. Aber, Franz, hättest du wohl das Herz, gegen deinen Kontrakt die Memme zu spielen, die Beine auf die Schultern zu nehmen und ihm durchzugehen?
Du meine Zeit, Herr! Ich will auf alle Bücher in England schwören, ich könnte es übers Herz bringen –
Gleich, Franz? Nein, Franz; aber morgen, Franz; oder auf den Donnerstag, Franz, oder wahrhaftig, Franz, wann du willst. Aber, Franz –
Bestöhlest du mir wohl den mit dem ledernen Wams, krystallnen Knöpfen, gestutztem Kopf, agatnen Ringen, schwarzen Strümpfen, zwirnenen Kniegürteln, spanischem Tabaksbeutel –
Nun, so geht Euch kein Getränk über den braunen Muskat; denn seht, Franz, Euer weißes leinenes Kamisol wird schmutzig werden: in der Barbarei, mein Freund, kann es nicht so weit kommen.
Was? Stehst du still und hörst solch ein Rufen? Sieh nach den Gästen drinnen! Franz ab. Gnädiger Herr, der alte Sir John und noch ein halb Dutzend andre sind vor der Tür: soll ich sie hereinlassen?
So lustig wie Heimchen, mein Junge. Aber wie geschickt habt Ihr die Partie Spaß mit dem Küfer gespielt! Aber was soll nun geschehn?
Ich bin jetzt zu allen Humoren aufgelegt, die sich seit den alten Tagen des Biedermanns Adam bis zu dem unmündigen Alter der gegenwärtigen Mitternacht als Humore gezeigt haben. Franz kommt zurück mit Wein. Was ist die Uhr, Franz?
Wie nur der Geselle weniger Worte haben kann als ein Papagei, und doch ist er eines Weibes Sohn! Seine Geschäftigkeit ist trepp- auf und -ab, seine Beredsamkeit ein Stück Rechnung. – Ich bin noch nicht so gesinnt wie Percy, der Heißsporn des Nordens, der Euch sechs bis sieben Dutzend Schotten zum Frühstück umbringt, sich die Hände wäscht und zu seiner Frau sagt: »Pfui über dies stille Leben! Ich muß zu tun haben.« – »O mein Herzens-Heinrich«, sagt sie, »wie viele hast du heute umgebracht?« – »Gebt meinem Rappen zu saufen«, sagt er, und eine Stunde drauf antwortet er: »Ein Stücker vierzehn; Bagatell! Bagatell!« – Ruf doch Falstaff herein, ich will den Percy spielen, und das dicke Vieh soll Dame Mortimer, sein Weib, vorstellen. »Rivo!« schreit der Trunkenbold. Ruft mir das Rippenstück, ruft mir den Talgklumpen!
Hol' die Pest alle feigen Memmen, und das Wetter obendrein! Ja und Amen! – Gib mir ein Glas Sekt, Junge! – Lieber als dies Leben lange führen, will ich Strümpfe stricken und sie stopfen und sie neu versohlen. Hol' die Pest alle feigen Memmen! – Gib mir ein Glas Sekt, Schurke! – Ist keine Tugend mehr auf Erden? Er trinkt.
Sahst du niemals den Titan einen Teller voll Butter küssen? Den weichherzigen Titan, der bei einer süßen Erzählung seines Sohnes schmolz? Wenn du es tatest, so betrachte diese Masse!
Du Schurke, in dem Glase Sekt ist auch Kalk; nichts als Schurkerei ist unter dem sündhaften Menschenvolk zu finden. Aber eine Memme ist doch noch ärger als ein Glas Sekt mit Kalk drin; so 'ne schändliche Memme! – Geh deiner Wege, alter Hans! Stirb, wann du willst! Wenn Mannhaftigkeit, edle Mannhaftigkeit nicht vom Angesicht der Erde verschwunden ist, so bin ich ein ausgenommener Hering. Nicht drei wackre Leute leben ungehangen in England, und der eine von ihnen ist fett und wird alt. Gott helf' uns! Eine schlechte Welt, sag' ich! Ich wollte, ich wär' ein Weber: ich könnte Psalmen singen, oder was es sonst wäre. Hol' die Pest alle feigen Memmen! sag' ich nochmals.
Ein Königssohn! Wenn ich dich nicht mit einer hölzernen Pritsche aus deinem Königreich hinausschlage und alle deine Untertanen wie eine Herde wilder Gänse vor dir hertreibe, so will ich mein Lebenlang kein Haar mehr im Gesichte tragen. Ihr ein Prinz von Wales!
Ich dich eine Memme nennen? Ich will dich verdammt sehen, ehe ich das tue; aber ich wollte tausend Pfund drum geben, daß ich so gut laufen könnte wie du. Ihr seid ziemlich grade gewachsen, ihr fragt nicht darnach, ob jemand [214] euren Rücken sieht: nennt ihr das ein Rückenhalt seiner Freunde sein? Hol' die Pest solches Rückenhalten! Schafft mir Leute, die mir ins Gesicht sehn! – Ein Glas Sekt! Ich bin ein Schelm, wenn ich heute was getrunken habe.
Ich will ein Schuft sein, wenn ich nicht ein paar Stunden lang mit einem Dutzend von ihnen handgemein gewesen bin. Ich bin durch ein Wunder davon gekommen. Ich habe acht Stöße durch das Wams gekriegt, viere durch die Beinkleider, mein Schild ist durch und durch gehauen, mein Degen zerhackt wie eine Handsäge: ecce signum! Zeit meines Lebens habe ich mich nicht besser gehalten, es half alles nichts. Hol' die Pest alle Memmen! – Laßt die da reden: wenn sie mehr oder weniger als die Wahrheit sagen, so sind sie Spitzbuben und Kinder der Finsternis.
Ja, du Schelm, sie wurden gebunden, alle, bis auf den letzten Mann, sonst will ich ein Jude sein, ein rechter Erzjude.
Alle? Ich weiß nicht, was Ihr alle nennt, aber wenn ich nicht mit ein funfzigen gefochten habe, so will ich ein Bündel Radiese sein. Wenn ihrer nicht zwei- bis dreiundfunfzig über den armen alten Hans her waren, so bin ich keine zweibeinige Kreatur.
Ja, da hilft nun kein Beten mehr. Ich habe zweien die Freude versalzen; zweien, das weiß ich, habe ich ihr Teil gegeben; zwei Schelmen in steifleinenen Kleidern. Ich will dir was sagen, Heinz, – wenn ich dir eine Lüge sage, so spei' mir ins Gesicht, nenne mich ein Pferd! Du kennst meine alte Parade: so lag ich, und so führte ich meine Klinge. Nun dringen vier Schelme in Steifleinen auf mich ein, –
Diese viere kamen alle in einer Reihe und taten zusammen einen Ausfall auf mich. Ich machte nicht viel Umstände, sondern fing ihre sieben Spitzen mit meiner Tartsche auf, – so.
So fingen sie an zu weichen. Ich war aber dicht hinter ihnen drein, mit Hand und Fuß, und wie der Wind gab ich sieben von den eilfen ihr Teil.
Wie ich dabei war, führte der Teufel drei abscheuliche Spitzbuben in hellgrünen Röcken her, die mich von hinten anfielen; – denn es war so dunkel, daß man nicht die Hand vor Augen sehen konnte.
Diese Lügen sind wie der Vater, der sie erzeugt, groß und breit, wie Berge, offenbar, handgreiflich. Ei, du grützköpfiger Wanst! du vernagelter Tropf! du verwetterter, schmutziger, fettiger Talgklumpen, –
Ei, wie konntest du die Kerle in hellgrünen Röcken erkennen, wenn es so dunkel war, daß man die Hand nicht vor Augen sehen konnte? Komm, gib uns deine Gründe an: wie erklärst du das?
Was? Mit Gewalt? Wär' ich auch auf der Wippe oder allen Foltern in der Welt, so ließe ich mir's nicht mit Gewalt abnötigen. Mit Gewalt Gründe angeben! Wenn Gründe so gemein wären wie Brombeeren, so sollte mir doch keiner mit Gewalt einen Grund abnötigen, nein!
Ich will dieser Sünde nicht länger schuldig sein. Diese vollblütige Memme, dieser Bettdrücker, dieser Pferderückenbrecher, dieser (riesenmäßige) Fleischberg, –
Fort mit dir, du Hungerbild, du Aalhaut, du getrocknete Rinderzunge, du Ochsenziemer, du Stockfisch, – o hätt' ich nur Odem, zu nennen, was dir gleicht! – du Schneiderelle, du Degen(scheide, du Bogen)futteral, du erbärmliches Rapier, –
Gut, hol' ein Weilchen Odem, und dann geh wieder dran, und wenn du dich in schlechten Vergleichungen erschöpft hast, so höre nur dies!
Wir zweie sahen euch viere über viere herfallen; ihr bandet sie und machtet euch ihres Gutes Meister. – Nun merkt auf, wie eine ganz simple Geschichte euch zu nichte macht! – Wir zweie fielen hierauf euch viere an und trotzten euch, mit einem Worte, die Beute ab, und haben sie, ja, und können sie euch hier im Hause zeigen; und Ihr, Falstaff, schlepptet Euren Wanst so hurtig davon, mit so behender Geschicklichkeit, und brülltet um Gnade, und lieft und brülltet in einem fort, wie ich je ein Bullenkalb habe brüllen hören. Was bist du für ein Sünder, deinen Degen zu zerhacken, wie du getan hast, und dann zu sagen, es sei im Gefecht geschehen? Welchen Kniff, welchen Vorwand, welchen Schlupfwinkel kannst du nun aussinnen, um dich vor dieser offenbaren Schande zu verbergen?
Beim Himmel, ich kannte euch so gut wie der, der euch gemacht hat. Laßt euch sagen, meine Freunde: kam es mir zu, den Thronerben umzubringen? Sollte ich mich gegen den echten Prinzen auflehnen? Du weißt wohl, ich bin so tapfer wie Herkules: aber denke an den Instinkt: Der Löwe rührt den echten Prinzen nicht an. Instinkt ist eine große Sache, ich war eine Memme aus Instinkt. Ich werde Lebenslang von dir und mir desto besser denken: von mir als einem tapfern Löwen, von dir als einem echten Prinzen. Aber beim Himmel, Bursche, ich bin froh, daß ihr das Geld habt. – Wirtin, die Türen zu! Heute nacht gewacht, morgen gebetet! – Brave, Jungen, Goldherzen! alle Titel guter Kameradschaft sei'n euch gegönnt! He, sollen wir lustig sein? Sollen wir eine Komödie extemporieren?
Ei, Herr, da ist ein angesehener Herr vom Hofe vor der Tür, der Euch sprechen will: er sagt, er kommt von Eurem Vater.
Nun, ihr Herren! Beim Himmel, ihr habt schön gefochten, – Ihr, Peto, und Ihr, Bardolph, – ihr seid auch Löwen, ihr lieft aus Instinkt weg; ihr wolltet den echten Prinzen nicht anrühren, bei Leibe nicht. O pfui!
Nun, er zerhackte ihn mit seinem Dolche und sagte: er wolle Stein und Bein schwören, um Euch glauben zu machen, es wäre im Gefecht geschehen, und er überredete uns, das Gleiche zu tun.
Ja, und unsre Nasen mit scharfem Grase zu kitzeln, um sie bluten zu machen, und dann unsre Kleider damit zu beschmieren und zu schwören, es sei das Blut von ehrlichen Leuten. Ich habe so was seit sieben Jahren nicht getan; ich wurde rot über seine abscheulichen Einfälle.
O Spitzbube, du stahlst vor achtzehn Jahren ein Glas Sekt und wurdest auf der Tat ertappt, und seitdem wirst du immerfort ex tempore rot. Du hattest Feuer und Schwert an deiner Seite, und doch liefst du davon; welch ein Instinkt bewog dich dazu?
Da kommt der magre Hans, da kommt das Beingerippe Nun, meine allerliebste Wulstpuppe? Wie lange ist es her, Hans, daß du dein eignes Knie nicht gesehn hast?
Mein eignes Knie? Als ich in deinen Jahren war, Heinz, war ich um den Leib nicht so dick als eine Adlersklaue, ich hätte durch eines Aldermans Daumenring kriechen können. Hol' die Pest Kummer und Seufzen! Es bläst einen Menschen auf wie einen Schlauch. – Da sind hundsföttische Neuigkeiten los: Sir John Bracy war hier von Eures Vaters wegen, Ihr müßt morgen früh an den Hof. Der bewußte tolle Kerl aus dem Norden, Percy, und der aus Wales, der den Amaimon ausprügelte und Luzifer zum Hahnrei machte und den Teufel auf das Kreuz eines wäl'schen Hakenspießes den Vasalleneid leisten ließ, – wie zum Henker heißt er doch?
Owen, Owen, eben der; und sein Schwiegersohn Mortimer, und der alte Northumberland, und der mutige Schott' der Schotten, Douglas, der zu Pferde einen Berg steilrecht hinanrennt.
Das gebe ich zu, aus Instinkt. Gut, der ist auch da; und ein gewisser Mordake, und sonst noch an die tausend Blaumützen. Worcester hat sich bei Nacht weggestohlen; deines Vaters Bart ist vor Schrecken über die Nachricht [220] weiß geworden. Land ist nun so wohlfeil zu kaufen wie stinkende Makrelen.
Nun, wenn ein heißer Junius kommt und diese einheimische Balgerei fortdauert, so sieht es darnach aus, daß man Jungferschaften schockweise kaufen wird, wie Hufnägel.
Potz Element! Junge, du hast recht: es kann sein, daß wir in dem Punkte guten Handel haben werden. – Aber sage mir, Heinz, fürchtest du dich nicht entsetzlich? Da du Thronerbe bist, könnte die Welt dir wohl noch drei solche Gegner auslesen, als den Erzfeind Douglas, den Kobold Percy und den Teufel Glendower? Fürchtest du dich nicht entsetzlich? Rieselt's dir nicht in den Adern?
Nun, du wirst morgen entsetzlich ausgeschmält werden, wenn du zu deinem Vater kommst; wenn du mich lieb hast, so sinne eine Antwort aus!
Soll ich? topp! – Dieser Armstuhl soll mein Thron sein, dieser Dolch mein Szepter, und dies Kissen meine Krone.
Dein majestätischer Thron wird nur für einen Schemel geachtet, dein goldnes Szepter für einen bleiernen Dolch, und deine kostbare reiche Krone für eine armselige kahle Krone.
Gut, wenn das Feuer der Gnade nicht ganz in dir erloschen ist, so sollst du nun gerührt werden. – Gebt mir ein Glas Sekt, damit meine Augen rot aussehen; man muß denken, daß ich geweint habe, denn ich muß es mit bewegtem Gemüt sprechen, und ich will es in des Königs Kambyses Weise tun.
Still, gute Bierkanne! still, Frau Schnaps! – Heinrich, ich wundre mich nicht bloß darüber, wie du deine Zeit hinbringest, sondern auch, in welcher Gesellschaft du lebest; denn wiewohl die Kamille, je mehr sie getreten wird, um so schneller wächst, so wird doch die Jugend, je mehr man sie verschwendet, um so schneller abgenutzt. Daß du mein Sohn bist, dafür habe ich teils deiner Mutter Wort, teils meine eigne Meinung; hauptsächlich aber einen verwünschten Zug in deinem Auge und ein albernes Hängen deiner Unterlippe, das mir Gewähr dafür leistet. Wofern du denn mein Sohn bist – dahin zielt dies eigentlich – warum, da du mein Sohn bist, wirst du das Ziel des Gespöttes? Soll die glorreiche Sonne des Himmels ein Schulschwänzer werden und Brombeeren naschen? Eine nicht aufzuwerfende Frage. Soll der Sohn Englands ein Dieb werden und Beutelschneiden? Eine wohl aufzuwerfende Frage. Es gibt ein Ding, Heinrich, wovon du oftmals gehört hast, und das vielen in unserm Lande unter dem Namen Pech bekannt ist; dieses Pech, wie alte Schriftsteller aussagen, pflegt zu besudeln: so auch die Gesellschaft, die du hältst. Denn, Heinrich, jetzt rede ich nicht im Trunke zu dir, sondern in Tränen; nicht im Scherz, sondern von Herzen; nicht bloß in Worten, sondern auch in Sorgen. – Und doch gibt es einen tugendhaften Mann, den ich oft in deiner Gesellschaft bemerkt habe, aber ich weiß seinen Namen nicht.
Ein wackrer, stattlicher Mann, in der Tat, und wohlbeleibt; er hat einen heitern Blick, einnehmende Augen und ein sehr edles Wesen, und ich denke, er ist so in den Funfzigen, oder wenn's hoch kommt, gegen sechzig; und jetzt fällt es mir ein: sein Name ist Falstaff. Sollte der Mann ausschweifend sein, so hintergeht er mich; denn, Heinrich, [222] ich sehe Tugend in seinen Blicken. Wenn denn der Baum an den Früchten erkannt wird, wie die Frucht an dem Baume, so muß – das behaupte ich zuversichtlich – Tugend in diesem Fallstaff sein. Zu ihm halte dich, die andern verbanne! Und nun sage mir, du ungezogner Schlingel, sage, wo hast du diesen Monat gesteckt?
Mich absetzen? Wenn du es halb so gravitätisch und majestätisch machst, in Worten und Werken, so sollst du mich bei den Beinen aufhängen wie ein Kaninchen oder einen Hasen beim Wildhändler.
Alle Wetter, Herr, sie sind falsch! – Ja, ich will Euch den jungen Prinzen schon eintränken, meiner Treu.
Fluchest du, ruchloser Knabe? Hinfort komm mir nicht mehr vor die Augen! Du wirst der Gnade gewaltsam abwendig gemacht; ein Teufel sucht dich heim in Gestalt eines fetten alten Mannes; eine Tonne von einem Mann ist deine Gesellschaft. Warum verkehrst du mit dem Kasten voll wüster Einfälle, dem Beuteltrog der Bestialität, dem aufgedunsenen Ballen Wassersucht, dem ungeheuren Fasse Sekt, dem vollgestopften Kaldaunensack, dem gebratnen Krönungs-Ochsen mit dem Pudding im Bauche, dem ehrwürdigen Laster, der grauen Ruchlosigkeit, dem Vater Kuppler, der Eitelkeit bei Jahren? Worin ist er gut, als im Sekt kosten und trinken? Worin sauber und reinlich, als im Kapaunen zerlegen und essen? Worin geschickt, als in Schlauigkeit? Worin schlau, als in Spitzbüberei? Worin spitzbübisch, als in allen Dingen? Worin löblich, als in gar nichts?
Aber wenn ich sagte, ich wüßte mehr Schlimmes von ihm als von mir selbst, daß hieße mehr sagen, als ich weiß. Daß er leider Gottes alt ist, das bezeugen seine weißen Haare; aber daß er, mit Respekt zu vermelden, ein Hurenweibel ist, das leugne ich ganz und gar. Wenn Sek und Zucker ein Fehler ist, so helfe Gott den Lasterhaften! Wenn alt und lustig sein eine Sünde ist, so muß mancher alte Schenkwirt, den ich kenne, verdammt werden. Wenn es Haß verdient, daß man fett ist, so müssen Pharaos magre Kühe geliebt werden. Nein, teuerster Herr Vater, verbannt Peto, verbannt Bardolph, verbannt Poins; aber den lieben Hans Falstaff, den guten Hans Falstaff, den biedern Hans Falstaff, den tapfern Hans Falstaff, um so tapfrer, da er der alte Hans Falstaff ist: den verbanne nicht aus deines Heinrichs Gesellschaft – den verbanne nicht aus deines Heinrichs Gesellschaft: den dicken Hans verbannen, heißt alle Welt verbannen.
Der Sheriff und die ganze Wache sind vor der Tür, sie kommen, um Haussuchung zu halten: soll ich sie herein lassen?
Hörst du, Heinz? Nenne mir ein echtes Goldstück niemals eine falsche Münze; du bist in Wahrheit falsch, ohne es zu scheinen.
Ich leugne dir den Maior ab; willst du mich dem Sheriff ableugnen, gut; wo nicht, so laß ihn herein! Wenn ich mich auf einem Karre nicht eben so gut ausnehme als ein andrer, so hol' der Teufel meine Erziehung! Ich hoffe, daß ich eben so geschwind als ein andrer mit einem Strick zu erdrosseln bin.
Geh, versteck' dich hinter die Tapete, – die übrigen müssen hinaufgehn. Nun, meine Herrn, ein redlich Gesicht und ein gut Gewissen!
Oh, ungeheuer! Nur für einen halben Pfennig Brot zu dieser unbilligen Menge Sekt! – Was du sonst noch gefunden hast, bewahre auf, wir wollen es bei beßrer Weile lesen. Laß ihn da schlafen, bis es Tag wird. Ich will früh morgens an den Hof; wir müssen alle in den Krieg, und du sollst einen ehrenvollen Platz haben. Diesem fetten Schlingel schaffe ich eine Stelle zu Fuß, und ich weiß, ein Marsch von ein hundert Fuß wird sein Tod sein. Das Geld soll reichlich wieder erstattet werden. Triff mich morgen bei Zeiten; und somit guten Morgen, Poins!
Dritter Aufzug
Erste Szene
Komm, Käthchen, du verstehst dich aufs stille liegen; komm, geschwind! geschwind! daß ich meinen Kopf in deinen Schoß lege.
Dann solltet Ihr ganz und gar musikalisch sein, denn Ihr werdet ganz von Launen regiert. Lieg' stille, du Schelm, und höre die Dame Wäl'sch singen!
Ihr nicht, gewiß und wahrhaftig! Herzchen, Ihr schwört ja wie eine Konditors-Frau. Ihr nicht, »gewiß und wahrhaftig!« und: »so wahr ich lebe!« und: »wo mir Gott gnädig sei!« und: »so gewiß der Tag scheint!«
Und gibst so taftne Bürgschaft deiner Schwüre,
Als wärst du weiter nie als Finsbury spaziert.
Nimm als 'ne Dame, Käthchen, deinen Mund
Mit derben Schwüren voll; und laß »fürwahr«
Und solche Pfeffernuß-Beteu'rungen
Den Sammet-Borten und den Sonntagsbürgern!
Komm, sing'!
Es führt auch gerade Weges dazu, Schneider zu werden oder Rotkehlchen abzurichten. Wenn die Kontrakte aufgesetzt sind, so will ich in den nächsten zwei Stunden fort; also kommt mir nach, wenn Ihr wollt! Ab.
Zweite Szene
Dritte Szene
Bardolph, bin ich seit der letzten Affaire nicht schmählich abgefallen? verzehr' ich mich nicht? schrumpfe ich nicht ein? Wahrhaftig, meine Haut hängt um mich herum, wie das lose Kleid einer alten Dame; ich bin so welk, wie ein gebratner Apfel. Gut, ich will mich bekehren, und das geschwind, solange ich noch einigermaßen bei Fleische bin; bald werde ich ganz mattherzig sein, und dann habe ich keine Kräfte mehr zur Bekehrung. Wo ich nicht vergessen habe, wie eine Kirche von innen beschaffen ist, so bin ich ein Pfefferkorn, ein Brauerpferd. – Gesellschaft, abscheuliche Gesellschaft hat mich zu Grunde gerichtet.
Ja, da haben wir's: – komm, sing' mir ein Zotenlied, mache mich lustig! Ich war so tugendhaft gewöhnt, als ein Mann von Stande zu sein braucht – tugendhaft genug; ich fluchte wenig, würfelte nicht über siebenmal in der Woche, in schlechte Häuser ging ich nicht über einmal in einem Viertel – einer Stunde; Geld, das ich geborgt, bezahlt' ich wieder, drei- bis viermal; ich lebte gut und in gehörigen Schranken: und nun lebe ich außer aller Ordnung, außer allen Schranken.
Ei, Ihr seid so fett, Sir John, daß Ihr wohl außer allen Schranken sein müßt, außer allen erdenklichen Schranken, Sir John.
Beßre du dein Gesicht, so will ich mein Leben bessern. Du bist unser Admiral-Schiff: du trägst die Laterne am Steuerverdeck; aber sie steckt dir in der Nase, du bist der Ritter von der brennenden Lampe.
Nein, darauf will ich schwören. Ich mache so guten Gebrauch davon, als mancher von einem Totenkopf oder einem memento mori. Ich sehe dein Gesicht niemals, ohne an das höllische Feuer zu denken und an den reichen Mann, der in Purpurkleidern lebte; denn da sitzt er in seiner Tracht und brennt und brennt. Wärst du einigermaßen der Tugend ergeben, so wollt' ich bei deinem Gesicht schwören; mein Schwur sollte sein: »bei diesem flammenden Cherub-Schwerte!« Aber du liegst ganz im Argen, und wenn's nicht das Licht in deinem Gesichte täte, wärst du gänzlich ein Kind der Finsternis. Als du in der Nacht Gadshill hinaufliefest, um mein Pferd zu fangen, – wenn ich nicht dachte, du wärst ein ignis fatuus oder ein Klumpen wildes Feuer gewesen, so ist für Geld nichts mehr zu haben. Oh, du bist ein beständiger Fackelzug, ein unauslöschliches Freudenfeuer! Du hast mir an die tausend Mark für Kerzen und Fackeln erspart, wenn ich mit dir nachts von Schenke zu Schenke wanderte; aber für den Sekt, den du mir getrunken hast, hätte ich bei dem teuersten Lichtzieher in Europa eben so wohlfeil Lichter haben können. Seit zweiunddreißig Jahren nunmehr habe ich diesen Euren Salamander mit Feuer unterhalten; der Himmel lohne es mir!
Ei, Sir John! Was denkt Ihr, Sir John? Denkt Ihr, ich halte Diebe in meinem Hause? Ich habe gesucht, ich habe gefragt, mein Mann hat es auch, Mann für Mann, Jungen für Jungen, Bedienten für Bedienten. Es ist sonst niemals eine Haarspitze in meinem Hause weggekommen.
Ihr lügt, Wirtin; Bardolph ist hier rasiert und hat gar manches Haar eingebüßt, und ich will drauf schwören, mir ist die Tasche ausgeleert. Geht mir, Ihr seid ein Weibsbild, geht!
Nein, Sir John! Ihr kennt mich nicht, Sir John; ich kenne Euch, Sir John: Ihr seid mir Geld schuldig, Sir John, und nun zettelt Ihr einen Zank an, um mich darum zu betrügen: ich habe Euch ein Dutzend Hemden auf den Leib gekauft.
Sackleinewand! Garstige Sackleinewand! Ich habe sie an Bäckerfrauen weggegeben, die haben Siebbeutel daraus gemacht.
Nun, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, holländische Leinewand für acht Schillinge die Elle! Ihr seid hier auch noch Geld für Eure Zehrung schuldig, Sir John, für Getränk und vorgeschoßnes Geld, an vierundzwanzig Pfund.
Was? Arm? Seht nur sein Gesicht an! Was nennt Ihr reich? Laßt ihn seine Nase ausmünzen, seine Backen ausmünzen, ich zahle keinen Heller. Was, wollt Ihr mich als einen Neuling zum besten haben? Soll ich keine Ruhe in meiner Herberge genießen können, ohne daß mir die Taschen ausgeleert werden? Ich bin um einen Siegelring von meinem Großvater gekommen, der vierzig Mark wert war.
Ei was, der Prinz ist ein Hanswurst, ein Schlucker; und wenn er hier wäre, so wollte ich ihn hundemäßig prügeln, wenn er das sagte.
Neulich Abend fiel ich hier hinter der Tapete in Schlaf, und da sind mir die Taschen ausgeleert. Dies ist ein schlechtes Haus geworden, sie leeren die Taschen aus.
Wirst du mir's glauben, Heinz? Drei bis vier Assignationen, jede von vierzig Pfund, und einen Siegelring von meinem Großvater.
Das sagte ich ihm auch, gnädiger Herr, und ich sagte, ich hätte es Euer Gnaden sagen hören; und er spricht recht niederträchtig von Euch, so ein lästerlicher Mensch wie er ist; und er sagte, er wollte Euch prügeln.
Du hast nicht mehr Treue, als gekochte Pflaumen; nicht mehr Redlichkeit, als ein abgehetzter Fuchs; und was Frauenschaft betrifft, so könnte Jungfer Mariane, die Mohrentänzerin, gegen dich die Frau des Aufsehers vom Quartiere sein. Geh, du Ding, du!
Ich bin kein Ding, wofür man Gottes Lohn sagt, das sollst du wissen. Ich bin eines ehrlichen Mannes Frau, und deine Ritterschaft aus dem Spiel, du bist ein Schuft, daß du mich so nennst.
Du bist ein unbilliger Mensch, daß du das sagst; du und jedermann weiß, wo ich zu haben bin, du Schelm, du.
Tausend Pfund, Heinz? Eine Million! Deine Liebe ist eine Million wert, du bist mir deine Liebe schuldig.
Je, Heinz, du weißt, sofern du nur ein Mann bist, untersteh' ich mich's; aber sofern du ein Prinz bist, fürchte ich dich wie das Brüllen der jungen Löwenbrut.
Den König selbst muß man wie den Löwen fürchten. Denkst du, ich will dich fürchten wie deinen Vater? Wenn ich das tue, so soll mir der Gürtel platzen.
Oh, wenn das geschähe, wie würde dir der Wanst um die Kniee schlottern! Aber zum Henker, es ist [244] kein Platz für Glauben, Treu' und Redlichkeit in dem Leibe da: er ist ganz mit Därmen und Netzhaut ausgestopft. Ein ehrliches Weib zu beschuldigen, sie habe dir die Taschen ausgeleert! Ei, du liederlicher, unverschämter, aufgetriebner Schuft! Wenn irgend was in deiner Tasche war als Schenkenrechnungen, Tagebücher aus schlechten Häusern und für einen armseligen Pfennig Zuckerkandi, dir die Kehle geschmeidig zu machen; wenn deine Tasche mit andrer Ungebühr als dieser ausgestattet war, so will ich ein Schurke sein. Und doch prahlst du; doch willst du nichts einstecken. Schämst du dich nicht?
Hörst du, Heinz? Im Stande der Unschuld, weißt du, ist Adam gefallen; und was soll der arme Hans Falstaff in den Tagen der Verderbnis tun? Du siehst, ich habe mehr Fleisch als andre Menschen, und also auch mehr Schwachheit. – Ihr bekennt also, daß Ihr mir die Taschen ausgeleert habt?
Wirtin, ich vergebe dir. Geh, mach' das Frühstück fertig, liebe deinen Mann, achte auf dein Gesinde, pflege deine Gäste: du sollst mich bei allen vernünftigen Foderungen billig finden; du siehst, ich bin besänftigt. – Noch was? Nein, geh nur, ich bitte dich! Wirtin ab. Nun, Heinz, zu den Neuigkeiten vom Hofe: Wegen der Räuberei, Junge, wie ist das ins Gleiche gebracht?
Ich wollte, es wäre eine zu Pferde. Wo werde ich einen finden, der gut stehlen kann? Oh, einen hübschen Dieb [245] von zweiundzwanzigen oder so ungefähr! Ich bin entsetzlich auf dem Trocknen. Nun, Gott sei gedankt für diese Rebellen! Sie tun niemanden was, als ehrlichen Leuten: ich lobe sie, ich preise sie.
Vierter Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Bardolph, mach' dich voraus nach Coventry, fülle mir eine Flasche mit Sekt! Unsre Soldaten sollen durchmarschieren, wir wollen heute abend nach Sutton-Colfield.
Nun, wenn sie das tut, nimm ihn für deine Mühe; und wenn sie zwanzig macht, nimm sie alle, ich stehe für das Gepräge. Sage meinem Lieutenant Peto, er soll mich am Ende der Stadt treffen!
Wenn ich mich nicht meiner Soldaten schäme, so bin ich ein Stockfisch. Ich habe den königlichen Aushebungsbefehl schändlich gemißbraucht. Anstatt hundertundfunfzig Soldaten habe ich dreihundert und etliche Pfund zusammengebracht. Ich hebe keine aus, als gute Landwirte, Pächterssöhne, erfrage mir versprochne Junggesellen, die schon zweimal aufgeboten sind; solche Ware von Ofenhockern, die eben so gern den Teufel hören, als eine Trommel; die den Knall einer Büchse ärger fürchten, als ein einmal getroffnes Feldhuhn oder eine angeschossene wilde Ente. Ich hob keine aus, als solche Butterbemmen, mit Herzen im Leibe, nicht dicker als Stecknadelköpfe: die haben sich vom Dienste losgekauft, und nun besteht meine ganze Truppe [251] aus Fähndrichen, Korporalen, Lieutenants, Dienstgefreiten, Kerlen, die so zerlumpt sind, wie Lazarus auf gemalten Tapeten, wo die Hunde des reichen Mannes ihm die Schwären lecken, und die in ihrem Leben nicht Soldaten gewesen sind, sondern abgedankte, nichtsnutzige Bedienten, jüngere Söhne von jüngeren Brüdern, rebellische Küfer und bankerotte Schenkwirte: das Ungeziefer einer ruhigen Welt und eines langen Friedens, zehnmal schmählicher zerlumpt als eine alte geflickte Standarte. Und solche Kerle hab' ich nun an der Stelle derer, die sich vom Dienste losgekauft haben, daß man denken sollte, ich hätte hundertundfunfzig abgelumpte verlorne Söhne, die eben vom Schweinehüten und Trebernfressen kämen. Ein toller Kerl begegnete mir unterwegs und sagte mir, ich hätte alle Galgen abgeladen und die toten Leichname geworben. Kein menschlich Auge hat solche Vogelscheuchen gesehn. Ich will nicht mit ihnen durch Coventry marschieren, das ist klar, – je, und die Schurken marschieren auch so mit gesperrten Beinen, als wenn sie Fußeisen anhätten; denn freilich kriegt' ich die meisten darunter aus dem Gefängnis. Nur anderthalb Hemden gibt es in meiner ganzen Kompagnie; und das halbe besteht aus zwei zusammengenähten Servietten, die über die Schultern geworfen sind, wie ein Heroldsmantel ohne Ärmel; und das Hemde ist, die Wahrheit zu sagen, dem Wirte zu St. Albans gestohlen, oder dem rotnasigen Bierschenken zu Daintry. Doch das macht nichts; Linnen werden sie genug auf allen Zäunen finden.
Sieh da, Heinz? Wie geht's, du toller Junge? Was Teufel machst du hier in Warwickshire? – Mein bester Lord Westmoreland, ich bitte um Verzeihung! Ich glaubte, Euer Gnaden wären schon zu Shrewsbury.
Wahrlich, Sir John, 's ist höchste Zeit, daß ich da wäre, und Ihr auch; aber meine Truppen sind schon dort. Der König, das kann ich Euch sagen, sieht nach uns allen aus; wir müssen die ganze Nacht durchmarschieren.
[252]Freilich wohl, Rahm zu mausen; denn vor lauter Stehlen bist du schon ganz zu Butter geworden. Aber sage mir, Hans, wessen Leute sind das, die hinter uns drein kommen?
Pah! pah! Gut genug zum Aufspießen; Futter für Pulver, Futter für Pulver; sie füllen eine Grube so gut wie bessere; hm, Freund! sterbliche Menschen! sterbliche Menschen!
Mein' Treu',was ihre Armut betrifft, ich weiß nicht, woher sie die haben; und das Hungern, – ich bin gewiß, das haben sie nicht von mir gelernt.
Nein, das will ich beschwören; man müßte denn drei Finger dick auf den Rippen ausgehungert nennen. Aber beim Wetter, eilt Euch: Percy ist schon im Felde.
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Heinz, wenn du mich in der Schlacht am Boden siehst, so komm und stelle dich schrittlings über mich, so: – es ist eine Freundespflicht.
Er ist noch nicht verfallen, ich möchte ihn nicht gern vor seinem Termin bezahlen. Was brauche ich so bei [262] der Hand zu sein, wenn er mich nicht ruft? Gut, es mag sein: Ehre beseelt mich vorzudringen. Wenn aber Ehre mich beim Vordringen entseelt? Wie dann? Kann Ehre ein Bein ansetzen? Nein. Oder einen Arm? Nein. Oder den Schmerz einer Wunde stillen? Nein. Ehre versteht sich also nicht auf die Chirurgie? Nein. Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? Luft. Eine feine Rechnung! – Wer hat sie? Er, der vergangene Mittwoch starb. Fühlt er sie? Nein. Hört er sie? Nein. Ist sie also nicht fühlbar? Für die Toten nicht. Aber lebt sie nicht etwa mit den Lebenden? Nein. Warum nicht? Die Verleumdung gibt es nicht zu. Ich mag sie also nicht. – Ehre ist nichts als ein gemalter Schild beim Leichenzuge, und so endigt mein Katechismus. Ab.
Zweite Szene
Dritte Szene
Zu London kriegt' ich nicht leicht einen Hieb, aber hier fürchte ich mich davor. Hier kreiden sie die Zeche nicht anders an, als gleich auf den Kopf. – Sacht! wer bist du da? Sir Walter Blunt. – Ihr habt Euer Teil Ehre weg; das ist nun keine Eitelkeit. – Ich bin so heiß, wie geschmolznes Blei, und so schwer ebenfalls; Gott halte mir Blei aus dem Leibe! Ich brauche nicht mehr Last, als meine eignen Eingeweide. – Ich habe mein Lumpenpack hingeführt, wo sie eingepökelt sind: nur drei von meinen hundertundfunfzigen sind noch am Leben; und die sind gut für die Stadttore, ihr Lebenlang zu betteln. Aber wer kommt da?
O Heinz, ich bitte dich, laß mich ein Weilchen Atem schöpfen! Der Türke Gregor hat nie solche Kriegstaten vollbracht, als ich an diesem Tage. Dem Percy habe ich sein Teil gegeben, der ist in Sicherheit.
Nein, bei Gott, Heinz, wenn Percy noch am Leben ist, so kriegst du mein Schwert nicht; aber nimm mein Pistol, wenn du willst!
Gut, wenn Percy noch nicht erstochen ist, so will ich ihn anstechen. Er zieht den Kork von der Flasche und trinkt. – Kommt er mir in den Weg, je nun; tut er's nicht, und ich komme ihm freiwillig in den seinen, so soll er eine Karbonade aus mir machen. Ich mag nicht solche grinsende Ehre, als Sir Walter hat. Laßt mir das Leben! Kann ich's davon bringen, gut; wo nicht, so kommt die Ehre ungebeten, und damit aus. Ab.
Vierte Szene
[271]
Eingesargt! Wenn du mich heute einsargst, so gebe ich dir Erlaubnis, mich morgen einzupökeln, und zu essen obendrein. Blitz, es war Zeit, eine Maske anzunehmen, sonst hätte mich der hitzige Brausekopf von Schotten gar zum Schatten gemacht. Eine Maske? Ich lüge, ich bin keine Maske; sterben heißt eine Maske sein, denn der ist nur die Maske eines Menschen, der nicht das Leben eines Menschen hat; aber die Maske des Todes annehmen, wenn man dadurch sein Leben erhält, heißt das wahre und vollkommne Bild des Lebens sein. Das bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht, und mittelst dieses besseren Teils habe ich mein Leben gerettet. Wetter, ich fürchte mich vor dem Schießpulver Percy, ob er schon tot ist; wenn er auch eine Maske angenommen hätte und stünde auf? Ich fürchte, er würde seine Maske besser spielen. Darum will ich ihn in Sicherheit bringen, ja, und will schwören, daß ich ihn umgebracht habe. Warum könnte er nicht eben so gut aufstehen wie ich? Nichts kann mich widerlegen als Augen, und hier sieht mich niemand. Er sticht nach ihm. Also kommt, Bursch! Mit einer neuen Wunde im Schenkel müßt Ihr mit mir fort. Nimmt Percy auf den Rücken.
Ja, das ist gewiß, denn ich bin kein doppelter Mensch, aber wenn ich nicht Hans Falstaff bin, so bin ich ein Hanswurst. Da habt Ihr den Percy: Wirft den Leichnam nieder. Will Euer Vater mir etwas Ehre erzeigen, gut; wo nicht, so laßt ihn den nächsten Percy selbst umbringen! Ich erwarte, Graf oder Herzog zu werden, das kann ich Euch versichern.
So, wirklich? – Ach, großer Gott, wie die Welt dem Lügen ergeben ist! – Ich gebe Euch zu, ich war am Boden und außer Atem; das war er auch; aber wir standen beide in einem Augenblicke auf und fochten eine gute Stunde nach der Glocke von Shrewsbury. Will man mir glauben, gut; wo nicht, so fällt die Sünde auf deren Haupt, die die Tapferkeit belohnen sollten. Ich sterbe darauf, daß ich ihm diese Schenkelwunde versetzt habe; lebte der Mann noch und wollte es leugnen, so sollte er ein Stück von meinem Degen aufessen.
Ich will hinterdrein, nach Lohn gehn. Wer mich belohnt, dem lohne es Gott! Wenn ich zunehme, so will ich abnehmen, denn ich will purgieren, und den Sekt lassen, und säuberlich leben, wie sich's für einen Edelmann schickt.
Fünfte Szene
- Holder of rights
- TextGrid
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- TextGrid Repository (2012). Shakespeare, William. Historien. König Heinrich IV. Erster Teil. König Heinrich IV. Erster Teil. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0D3E-0