Zweite Szene
Bury. Ein Zimmer im Palast.
Ein paar Mörder kommen eilig herein.
ERSTER MÖRDER.
Lauft zu dem Lord von Suffolk, meldet ihm,
Daß wir den Herzog nach Befehl befördert.
ZWEITER MÖRDER.
O wär' es noch zu tun! Was taten wir?
Hast jemals wen bußfertiger gesehn?
Suffolk tritt auf.
ERSTER MÖRDER.
Da kommt Mylord.
SUFFOLK.
Nun, Leute, habt ihr's abgetan?
ERSTER MÖRDER.
Ja, bester Herr, er ist tot.
SUFFOLK.
Nun, das ist schön. Geht, macht euch in mein Haus,
Ich will euch lohnen für die dreiste Tat.
Der König und die Pairs sind hier zur Hand;
Habt ihr das Bett zurecht gelegt? und alles
In Ordnung so, wie ich euch angewiesen?
ERSTER MÖRDER.
Ja, bester Herr.
SUFFOLK.
Fort! Packt euch!
Die Mörder ab.
König Heinrich, Königin Margareta, Kardinal Beaufort, Somerset und andre treten auf.
KÖNIG HEINRICH.
Geht, ladet unsern Oheim gleich hieher;
Wir wollen Seine Gnaden heut verhören,
Wiefern er schuldig ist nach dem Gerücht.
SUFFOLK.
Ich will sogleich ihn rufen, gnäd'ger Herr.
Ab.
KÖNIG HEINRICH.
Lords, nehmt euch Plätze. – Und ich bitt' euch alle,
Verfahrt nicht schärfer gegen unsern Oheim,
Als er auf wahrhaft Zeugnis, guter Art,
In seinen Taten schuldig wird erkannt.
KÖNIGIN.
Verhüte Gott, daß irgend Tücke walte,
Die schuldlos einen Edelmann verdammt!
Gott gebe, daß er von Verdacht sich löst!
[637] KÖNIG HEINRICH.
Margreta, habe Dank! Dies Wort erfreut mich sehr –
Suffolk kommt zurück.
Nun, warum siehst du bleich? Was zitterst du?
Wo ist mein Oheim? Was ist begegnet, Suffolk?
SUFFOLK.
Herr, tot in seinem Bett; Gloster ist tot.
KÖNIGIN.
Verhüt' es Gott!
KARDINAL.
Das sind die heimlichen Gerichte Gottes!
Ich träumte diese Nacht, stumm sei der Herzog,
Und nicht im stand, ein einzig Wort zu sprechen.
Der König fällt in Ohnmacht.
KÖNIGIN.
Was macht mein Fürst? – Helft, Lords! Der König stirbt.
SOMERSET.
Man richt' ihn auf, man kneip' ihn an der Nase.
KÖNIGIN.
Lauft, geht, helft, helft! – O Heinrich, schlag' die Augen auf!
SUFFOLK.
Er lebt schon auf; seid ruhig, gnäd'ge Frau.
KÖNIG HEINRICH.
O großer Gott!
KÖNIGIN.
Wie fühlt sich mein Gemahl?
SUFFOLK.
Getrost, mein Fürst! Getrost, mein gnäd'ger Heinrich!
KÖNIG HEINRICH.
Wie will Mylord von Suffolk mich getrösten?
Sang er nicht eben mir ein Rabenlied,
Des grauser Ton die Lebenskräfte hemmte;
Und denkt er nun, daß des Zaunkönigs Zirpen,
Indem es Trost zuruft aus hohler Brust,
Den erst vernommnen Laut verjagen kann?
Birg nicht dein Gift in solchen Zuckerworten,
Leg' nicht die Händ' an mich: ich sage, laß!
Wie Schlangenstiche schreckt mich ihr Berühren.
Unsel'ger Bot', aus dem Gesicht mir fort!
Auf deinen Augen sitzt in grauser Hoheit
Mörd'rische Tyrannei, die Welt zu schrecken.
Sieh mich nicht an! Dein Auge blickt verwundend. –
Und dennoch, geh nicht weg! Komm, Basilisk,
Und töte den unschuldigen Betrachter!
[638]Denn in des Todes Schatten find' ich Lust,
Im Leben zwiefach Tod, da Gloster hin.
KÖNIGIN.
Was scheltet Ihr Mylord von Suffolk so?
Wiewohl der Herzog ihm ein Feind gewesen,
Beklagt er doch höchst christlich seinen Tod.
Was mich betrifft, so sehr er Feind mir war,
Wenn helle Tränen, herzbeklemmend Stöhnen
Und blutverzehrend Seufzen ihn erweckte:
Ich wollte blind mich weinen, krank mich stöhnen,
Bleich sehn von Seufzern, die das Blut wegtrinken,
Und alles um des edlen Herzogs Leben.
Wie weiß ich, was die Welt von mir wohl meint?
Denn unsre hohle Freundschaft war bekannt,
Man glaubt vielleicht, ich hab' ihn weggeräumt.
So wird Verleumdung meinen Ruf verwunden,
Und Fürstenhöfe füllt mein Vorwurf an.
Dies schafft sein Tod mir. Ach, ich Unglücksel'ge!
Gekrönt, mit Schande Königin zu sein!
KÖNIG HEINRICH.
Ach! Weh um Gloster, um den armen Mann!
KÖNIGIN.
Wehklag' um mich, die ärmer ist als er!
Wie? Wendest du dich weg und birgst dein Antlitz?
Kein Aussatz macht mich scheußlich, sieh mich an.
Was? Bist du wie die Natter taub geworden?
Sei giftig auch und stich dein arm Gemahl.
Ist all dein Trost in Glosters Grab verschlossen?
Ja, dann war nie Margreta deine Lust;
Dann stell' ihn auf in Marmor, bet' ihn an
Und laß mein Bild ein Bierhaus-Schild nur sein.
War's darum, daß ich fast zur See gescheitert?
Daß unbequemer Wind von Englands Küste
Mich zweimal rückwärts nach der Heimat trieb?
Was deutet' es, als daß der Wind wohlmeinend
Zu warnen schien: »Such' kein Skorpionennest
Und fuße nicht an dem feindsel'gen Strand!«
Was tat ich, als den milden Stürmen fluchen
Und dem, der sie aus eh'rner Höhle ließ
Und hieß sie wehn nach Englands Segensstrand,
[639]Wo nicht, auf starren Fels das Steuer treiben?
Doch wollte Aeolus Kein Mörder sein,
Dir überließ er das verhaßte Amt.
Es weigerte die spielend hohe See
Mich zu ertränken, wissend, daß du mich
Am Lande würdest durch unfreundlich Wesen
In Tränen, salzig wie die See, ertränken.
Die Klippen senkten sich in flachen Sand,
Mich nicht an ihren Zacken zu zerschmettern,
Daß, härter noch als sie, dein Kieselherz
In deinem Schloß verdürbe Margareten.
So weit ich deine Kreidefelsen spähte,
Als uns der Sturm zurück vom Ufer schlug,
Stand in dem Wetter ich auf dem Verdeck;
Und als der Dunst um deines Landes Anblick
Mein emsig gaffend Aug' begann zu täuschen,
Nahm ich vom Hals ein köstliches Juwel
(Es war ein Herz, gefaßt in Diamanten)
Und warf's dem Lande zu; die See empfing es,
Und so, wünscht' ich, möcht' auch dein Leib mein Herz;
Und jetzt verlor ich Englands holden Anblick
Und hieß die Augen mit dem Herzen wandern
Und nannte blinde, trübe Brillen sie,
Weil ihnen Albions teure Küste schwand.
Wie oft versucht' ich Suffolks Zunge nicht,
Die Botin deines schnöden Unbestands.
Mich zu bezaubern, wie Ascanius tat,
Wann er der irren Dido all die Taten
Des Vaters machte kund seit Trojas Brand!
Schwärm' ich nicht so wie sie? Bist du nicht falsch wie er?
Weh mir, ich kann nicht mehr! Stirb Margareta!
Denn Heinrich weint, daß ich so lang' gelebt.
Draußen Getöse. Warwick und Salisbury treten auf.
Das Volk drängt sich zur Türe herein.
WARWICK.
Es will verlauten, mächt'ger Oberherr,
Der gute Herzog Humphrey sei von Suffolk
Und Kardinal Beaufort meuchlerisch ermordet.
[640]Das Volk, wie ein erzürnter Bienenschwarm,
Der seinen Führer mißt, schweift hin und her
Und fragt nicht, wen es sticht in seiner Wut.
Ich stillte selbst die wilde Meuterei,
Bis sie den Hergang seines Todes hören.
KÖNIG HEINRICH.
Sein Tod ist, guter Warwick, allzu wahr;
Doch wie er starb, Gott weiß es, Heinrich nicht.
Geht in sein Zimmer, schaut den Leichnam an
Und macht die Deutung seines jähen Tods.
WARWICK.
Das will ich tun, mein Fürst. – Bleib', Salisbury,
Beim rohen Haufen, bis ich wiederkehre.
Warwick geht in ein inneres Zimmer, und Salisbury zieht sich zurück.
KÖNIG HEINRICH.
O du, der alles richtet, hemm' in mir
Gedanken, welche mein Gemüt bereden,
Gewaltsam sei an Humphrey Hand gelegt!
Wenn falsch mein Argwohn ist, verzeih' mir, Gott!
Denn das Gericht gebühret einzig dir.
Gern möcht' ich seine bleichen Lippen wärmen
Mit tausend Küssen und auf sein Gesicht
Einen Ozean von salzen Tränen schwemmen;
Dem tauben Körper meine Liebe sagen
Und die fühllose Hand mit meiner fühlen;
Doch all umsonst ist diese Leichenfeier,
Und so sein tot und irdisch Bild beschaun,
Was wär' es, als mein Leid nur größer machen?
Die Flügeltüre eines innern Zimmers öffnet sich, und man sieht den Gloster tot in seinem Bett; Warwick und andre stehn umher.
WARWICK.
Kommt her, mein gnäd'ger Fürst, seht diese Leiche!
KÖNIG HEINRICH.
Das heißt, wie tief mein Grab gemacht ist, sehn;
Mit seiner Seele floh mein weltlich Heil,
Ihn sehend, seh' ich nur im Tod mein Leben.
WARWICK.
So sicher meine Seele hofft zu leben,
Bei jenem furchtbar'n König, der auf sich
[641]Den Stand der Menschen nahm, uns zu befrein
Von dem ergrimmten Fluche seines Vaters,
Glaub' ich, es ward gewaltsam Hand gelegt
An dieses hochberühmten Herzogs Leben.
SUFFOLK.
Ein grauser Eid, und feierlich geschworen!
Was führt Lord Warwick an für seinen Schwur?
WARWICK.
Seht, wie sein Blut sich ins Gesicht gedrängt!
Oft sah ich einen zeitig Abgeschiednen,
Aschfarb von Ansehn, mager, bleich und blutlos,
Weil alles sich ums Herz hihabgezogen,
Das in dem Kampf, den mit dem Tod es hält,
Es an sich zieht zur Hülfe wider seinen Feind,
Wo's mit dem Herzen kalt wird und nicht rückkehrt,
Die Wangen noch zu röten und verschönen.
Doch sein Gesicht ist schwarz und voller Blut,
Die Augen mehr heraus, als da er lebte,
Entsetzlich starrend, dem Erwürgten gleich,
Das Haar gesträubt, die Nüstern weit vom Ringen,
Die Hände ausgespreizt, wie wer nach Leben
Noch zuckt' und griff und überwältigt ward.
Schaut auf die Laken, seht sein Haar da kleben,
Sein wohlgestalter Bart verworr'n und rauh,
So wie vom Sturm gelagert Sommerkorn.
Es kann nicht anders sein, er ward ermordet;
Das kleinste dieser Zeichen wär' beweisend.
SUFFOLK.
Wer, Warwick, sollt' ihm wohl den Tod antun?
Ich selbst und Beaufort hatten ihn in Obhut;
Und wir, ich hoffe, Herr, sind keine Mörder.
WARWICK.
Doch wart ihr zwei geschworne Feinde Humphreys
Und mußtet, traun! den guten Herzog hüten.
Ihr pflegtet ihn als Freund vermutlich nicht,
Und, wie sich's kund gibt, fand er einen Feind.
KÖNIGIN.
So scheint's, Ihr argwöhnt diese hohen Lords
Als am unzeit'gen Tod des Herzogs schuldig.
WARWICK.
Wer findet tot das Rind und frisch noch blutend,
Sieht dicht dabei den Metzger mit dem Beil
Und argwöhnt nicht, daß der es abgeschlachtet?
[642]Wer find't das Rebhuhn in des Habichts Nest,
Der sich nicht vorstellt, wie der Vogel starb,
Fliegt schon der Geier mit unblut'gem Schnabel?
Ganz so verdächtig ist dies Trauerspiel.
KÖNIGIN.
Seid Ihr der Schlächter, Suffolk? Wo ist Eu'r Messer?
Heißt Beaufort Geier? Wo sind seine Klau'n?
SUFFOLK.
Kein Messer trag' ich, Schlafende zu schlachten;
Doch hier ein rächend Schwert, von Ruh' gerostet,
Das will ich dem im tück'schen Herzen scheuern,
Der mit des Mordes Purpurmal mich brandmarkt.
Sag, stolzer Lord von Warwick, wo du darfst,
Ich habe Schuld an Herzog Humphreys Tod.
Der Kardinal, Somerset und andre ab.
WARWICK.
Was darf, getrotzt vom falschen Suffolk, Warwick nicht?
KÖNIGIN.
Er darf nicht seinen Schmähungsgeist bezähmen,
Noch abstehn von der übermüt'gen Rüge,
Und trotzt ihm Suffolk zwanzigtausend Mal.
WARWICK.
Still, gnäd'ge Frau! Ich sag's mit aller Achtung:
Denn jedes Wort, zu Gunsten ihm gesprochen,
Bringt Eurer königlichen Würde Schimpf.
SUFFOLK.
Stumpfsinn'ger Lord, unedel im Betragen!
Wenn je ein Fräulein den Gemahl so kränkte,
Nahm deine Mutter in ihr sträflich Bett
Einen groben, unerzognen Bauer auf
Und impfte auf den edlen Stamm das Reis
Von einem Wildling, dessen Frucht du bist,
Und nimmer von der Nevils edlem Stamm.
WARWICK.
Nur daß die Schuld des Mordes dich beschirmt,
Und ich den Henker brächt' um seinen Lohn,
Von tausendfacher Schande so dich lösend;
Und daß mich meines Fürsten Beisein sänftigt:
Sonst wollt' ich, falsche mörderische Memme,
Dich auf den Knie'n für die geführte Rede
Verzeihung bitten und dich sagen lassen,
Du habest deine Mutter nur gemeint
Und seist nach Bastardweise selbst erzeugt;
[643]Und, nach der ganzen Huldigung aus Furcht,
Gäb' ich den Sold dir, schickte dich zur Hölle,
Blutsauger, der die Schlafenden vertilgt!
SUFFOLK.
Wann ich dein Blut vergieße, sollst du wachen,
Wagst du mit mir aus diesem Kreis zu gehn.
WARWICK.
Fort alsobald, sonst schlepp' ich dich hinaus!
Unwürdig, wie du bist, besteh' ich dich,
Um Herzog Humphreys Geiste Dienst zu leisten.
Suffolk und Warwick ab.
KÖNIG HEINRICH.
Gibt's einen Harnisch wie des Herzens Reinheit?
Dreimal bewehrt ist der gerechte Streiter,
Und nackt ist der, obschon in Stahl verschlossen,
Dem Unrecht das Gewissen angesteckt.
Man hört draußen Lärm.
KÖNIGIN.
Was für ein Lärm?
Suffolk und Warwick kommen mit gezogenen Degen zurück.
KÖNIG HEINRICH.
Nun, Lords? Entblößt hier die ergrimmten Waffen
In unserm Beisein? Dürft ihr's euch vermessen?
Was gibt es hier für Schreien und Tumult?
SUFFOLK.
Der falsche Warwick und das Volk von Bury
Stürmt alles auf mich ein, erhabner Fürst.
Draußen Lärm von einem großen Gedränge.
Salisbury kommt zurück.
SALISBURY.
Halt! Eu'r Begehren soll der König wissen. –
Euch meldet, hoher Herr, das Volk durch mich,
Wird nicht der falsche Suffolk gleich gerichtet
Oder verbannt aus Englands schönem Reich,
So wollen sie aus Eurem Schloß ihn reißen
Und peinlich langsam ihn zu Tode foltern.
Sie sagen, daß der gute Herzog Humphrey
Durch ihn gestorben sei; sie sagen ferner
Sie fürchten Euer Hoheit Tod von ihm,
Und bloßer Trieb der Lieb' und treuen Eifers,
Von frecher, widerspenst'ger Absicht frei,
[644]Als wollten Eurem Wunsch sie widersprechen,
Geb' ihnen ein die Fod'rung seines Banns.
Sie sagen, für Eu'r hohes Wohl besorgt:
Wenn Eure Hoheit nun zu schlafen dächte
Und anbeföhle, niemand sollt' Euch stören
Bei Eurer Ungnad' oder Todesstrafe;
Doch, ungeachtet solches Strafgebots,
Würd' eine Schlange mit gespaltner Zunge
Hinschleichend zu Eu'r Majestät gesehn,
So wär' es unumgänglich, Euch zu wecken,
Auf daß nicht Euren Schlummer voller Harm
Das tödliche Gewürm zum ew'gen machte.
Und darum schrein sie, daß sie trotz Verboten
Euch hüten wollen, willig oder nicht,
Vor solchen Schlangen wie der falsche Suffolk,
Durch des verderblichen und gift'gen Stich
Eu'r lieber Oheim, zwanzigmal ihn wert,
Des Lebens schändlich, sagen sie, beraubt sei.
VOLK
draußen.
Bescheid vom Könige, Mylord von Salisbury!
SUFFOLK.
Sehr glaublich, daß das Volk, ein roher Haufe,
Dem Fürsten solche Botschaft senden konnte!
Doch Ihr, Mylord, nahmt gern den Auftrag an,
Um Eure feine Redekunst zu zeigen.
Doch aller Ruhm, den Salisbury erworben,
Ist, daß er Abgesandter einer Rotte
Von Kesselflickern an den König war.
VOLK
draußen.
Bescheid vom Könige, wir brechen sonst hinein!
KÖNIG HEINRICH.
Geh, Salisbury, und sag von meinetwegen
Für ihr so liebend Sorgen allen Dank;
Und wär' ich nicht von ihnen aufgefodert,
So hab' ich's doch beschlossen, wie sie bitten.
Denn, wahrlich, stündlich prophezeit mein Sinn
Von Suffolks wegen Unheil meinem Thron.
Und drum – ich schwör's bei dessen Majestät,
Des ich unwürd'ger Stellvertreter bin, –
Sein Atem soll nicht diese Luft verpesten
Mehr als drei Tage noch, bei Todesstrafe!
Salisbury ab.
[645] KÖNIGIN.
O laß mich für den holden Suffolk reden!
KÖNIG HEINRICH.
Unholde Königin, ihn hold zu nennen!
Nicht weiter, sag' ich; wenn du für ihn redest,
Wirst du nur höher steigern meinen Zorn.
Ich hielte Wort, und hätt' ich's nur gesagt,
Doch wenn ich schwöre, ist's unwiderruflich.
Wenn nach drei Tagen Zeit man hier dich findet
Auf irgend einem Boden, wo ich herrsche,
So kauft die Welt dein Leben nicht mehr los. –
Komm, Warwick! Lieber Warwick, geh mit mir!
Denn Großes hab' ich mitzuteilen dir.
König Heinrich, Warwick, Lords u.s.w. ab.
KÖNIGIN.
Unheil und Kummer folg' Euch auf dem Fuß!
Und Herzeleid und bitterste Bedrängnis
Sei'n die Gespielen, die sich Euch gesellen!
Sind Euer zwei, der Teufel sei der dritte!
Dreifache Rache laur' auf Eure Wege!
SUFFOLK.
Halt inne, holde Königin, mit Flüchen:
Laß deinen Suffolk traurig Abschied nehmen.
KÖNIGIN.
Pfui, feiges Weib! weichherziges Geschöpf!
Hast du nicht Mut, zu fluchen deinen Feinden?
SUFFOLK.
Weh ihnen! Warum sollt' ich sie verfluchen?
Wär' Fluchen tödlich wie Alraunen-Ächzen,
So wollt' ich bittre, scharfe Wort' erfinden,
So rauh, verrucht und greulich anzuhören,
Durch die geknirschten Zähn' herausgetobt,
Mit so viel Zeichen eingefleischten Hasses,
Als wie der hagre Neid in ekler Höhle.
Die Zunge sollt' in heft'ger Rede straucheln,
Die Augen wie geschlagne Kiesel sprühn,
Mein Haar wie einem Rasenden sich sträuben,
Ja, alle Glieder mitzufluchen scheinen;
Und eben jetzt bräch' mein belastet Herz,
Wenn ich nicht fluchte. Gift sei ihr Getränk!
Gall', und was bittrer noch, ihr Leckerbissen!
Ihr bester Schatten ein Zypressenwald!
Ihr schönster Anblick grimme Basilisken!
[646]Eidechsenstich' ihr sanftestes Berühren!
Sei ihr Konzert wie Schlangenzischen gräßlich,
Und fall' ein Chor von Unglückseulen ein!
Der mächt'gen Hölle wüste Schrecken alle –
KÖNIGIN.
Genug, mein Suffolk, denn du quälst dich selbst,
Und diese Flüche, wie die Sonn' auf Glas,
Wie überladne Büchsen, prallen rückwärts
Und wenden ihre Stärke wider dich.
SUFFOLK.
Ihr heißt mich fluchen: heißt Ihr's nun mich lassen?
Bei diesem Boden, den der Bann mir wehrt!
Leicht flucht' ich eine Winternacht hinweg,
Stünd' ich schon nackt auf eines Berges Gipfel,
Wo scharfe Kälte keinen Halm läßt keimen,
Und hielt' es nur für 'ner Minute Scherz.
KÖNIGIN.
Oh, auf mein Flehn laß ab! Gib mir die Hand,
Daß ich mit traur'gen Tränen sie betaue:
Des Himmels Regen netze nie die Stelle,
Mein wehevolles Denkmal wegzuwaschen.
Küßt seine Hand.
Oh, prägt' in deine Hand sich dieser Kuß,
Daß, bei dem Siegel, du an diese dächtest,
Durch die ich tausend Seufzer für dich atme!
So mach' dich fort, daß ich mein Leid erfahre;
Derweil du noch dabei stehst, ahnd' ich's nur,
Wie ein Gesättigter an Mangel denkt.
Ich will zurück dich rufen, oder wagen,
Des sei gewiß, verbannt zu werden selbst;
Und bin ich doch verbannt, wenn nur von dir.
Geh! Rede nicht mit mir! Gleich eile fort! –
Oh, geh noch nicht! – So herzen sich und küssen
Verdammte Freund' und scheiden tausendmal,
Vor Trennung hundertmal so bang als Tod.
Doch nun fahr' wohl! Fahr' wohl mit dir mein Leben!
SUFFOLK.
So trifft zehnfacher Bann den armen Suffolk,
Vom König einer, dreimal drei von dir.
Mich kümmert nicht das Land, wärst du von hinnen:
Volkreich genug ist eine Wüstenei,
Hat Suffolk deine himmlische Gesellschaft.
Denn wo du bist, da ist die Welt ja selbst.
[647]Mit all und jeden Freunde in der Welt,
Und wo du nicht bist, hoffnungslose Öde.
Ich kann nicht weiter: leb' du froh des Lebens,
Ich über nichts erfreut, als daß du lebst.
Vaux tritt auf.
KÖNIGIN.
Wohin geht Vaux so eilig? Sag, was gibt's?
VAUX.
Um zu berichten Seiner Majestät,
Kardinal Beaufort lieg' in letzten Zügen.
Denn jählings überfiel ihn schwere Krankheit,
So daß er keicht und starrt und schnappt nach Luft,
Gott lästernd und der Erde Kindern fluchend.
Bald spricht er, als ob Herzog Humphreys Geist
Zur Seit' ihm stände; ruft den König bald
Und flüstert in sein Kissen, wie an ihn,
Der schwerbeladnen Seele Heimlichkeiten.
Und melden soll ich Seiner Majestät,
Daß er jetzt eben laut nach ihm geschrien.
KÖNIGIN.
Geh, sag dem König diese traur'ge Botschaft.
Vaux ab.
Weh mir! Was ist die Welt? Welch neuer Vorfall?
Doch klag' ich einer Stunde armen Raub,
Suffolk im Bann vergessend, mein Herz-Kleinod?
Was traur' ich, Suffolk, einzig nicht um dich,
Und eifr' in Tränen mit des Südens Wolken,
Das Land befeuchtend die, mein Leid die meinen?
Nun mach' dich fort: du weißt, der König kommt;
Es ist dein Tod, wirst du bei mir gefunden.
SUFFOLK.
Ich kann nicht leben, wenn ich von dir scheide;
Und neben dir zu sterben, wär' es mehr
Als wie ein süßer Schlummer dir im Schoß?
Hier könnt' ich meine Seele von mir hauchen,
So mind und leise wie das Wiegenkind,
Mit seiner Mutter Brust im Munde sterbend;
Da, fern von dir, ich rasend toben würde
Und nach dir schrein, mein Auge zuzudrücken,
Mit deinen Lippen meinen Mund zu schließen:
[648]So hieltest du die flieh'nde Seel' entweder,
Wo nicht, so haucht' ich sie in deinen Leib,
Da lebte dann sie in Elysium.
Bei dir zu sterben, hieß' im Scherz nur sterben:
Entfernt von dir, wär' mehr als Todesqual.
O laß mich bleiben, komme, was da will!
KÖNIGIN.
Fort! Ist die Trennung schon ein ätzend Mittel,
Sie dient für eine Wunde voller Tod.
Nach Frankreich, Suffolk! Laß von dir mich hören,
Denn, wo du seist auf diesem Erdenball,
Soll eine Iris dich zu finden wissen.
SUFFOLK.
Ich gehe.
KÖNIGIN.
Und nimm mein Herz mit dir.
SUFFOLK.
Ein Kleinod in dem wehevollsten Kästchen,
Das je ein köstlich Ding umschlossen hat.
Wie ein zertrümmert Schiff, so scheiden wir:
Ich sinke hier zum Tod hinab.
KÖNIGIN.
Ich hier.
Beide von verschiedenen Seiten ab.