William Shakespeare
Was ihr wollt
[728] Personen
Orsino, Herzog von Illyrien
Sebastian, ein junger Edelmann, Violas Bruder
Antonio, ein Schiffshauptmann
Ein Schiffshauptmann
Valentin,
Curio, Kavaliere des Herzogs
Junker Tobias von Rülp, Olivias Oheim
Junker Christoph von Bleichenwang
Malvolio, Olivias Haushofmeister
Fabio,
Narr, in Olivias Dienst
Olivia, eine reiche Gräfin
Viola
Maria, Olivias Kammermädchen
Herren vom Hofe, ein Priester, Matrosen, Gerichtsdiener, Musikanten und andres Gefolge
Die Szene ist eine Stadt in Illyrien und die benachbarte Seeküste
[728]Erster Aufzug
Zweite Szene
Dritte Szene
Was zum Henker fällt meiner Nichte ein, daß sie sich den Tod ihres Bruders so anzieht? Es ist ausgemacht, der Gram zehrt am Leben.
Auf mein Wort, Junker Tobias, Ihr müßt abends früher zu Hause kommen. Eure Nichte, das gnädige Fräulein, hat viel Einrede gegen Eure unschicklichen Zeiten.
Besser kleiden? Ich brauche mich nicht besser zu kleiden, als ich hier bin. Dieser Rock ist gut genug, um darin zu trinken, diese Stiefeln auch, sonst können sie sich in ihren eignen Riemen aufhängen lassen.
Das Bechern und Trinken wird Euch zu Grunde richten. Mein Fräulein sprach noch gestern davon, auch von einem albernen Junker, den Ihr einmal abends als einen Freier für sie mitgebracht habt.
Er wird es aber wohl nur auf ein Jahr mit allen seinen Dukaten bringen: er ist ein großer Narr und ein Verschwender.
Pfui, daß Ihr so reden könnt! Er spielt auf der Baßgeige, und spricht drei bis vier Sprachen Wort für Wort aus dem Kopfe, und ist mit vielfältigen guten Naturgaben versehn.
Ja wahrhaftig, auch mit einfältigen. Denn bei seiner Narrheit ist er obendrein noch ein großer Zänker, und hätte er nicht die Gabe der Zaghaftigkeit, um seine Zanklust zu dämpfen, so meinen die Vernünftigen, ihm würde bald das Grab zur Gabe werden.
Freilich, auf meiner Nichte Gesundheit. Ich will so lange darauf trinken, als es mir durch die Kehle läuft und Getränk in Illyrien ist. Ein Hase und ein Lumpenhund, wer nicht meiner Nichte zu Ehren trinkt, bis sich sein Gehirn [733] auf einem Beine herumdreht wie ein Kräusel. Still, Mädel! Castiliano volto! denn hier kommt Junker Christoph von Bleichenwang.
Wo du sie so davon gehn läßt, Junker Christoph, so wollt' ich, du dürftest nie wieder den Degen ziehn.
Wo Ihr so davon geht, so wollt' ich, ich dürfte nie wieder den Degen ziehn. Schönes Frauenzimmer, denkt Ihr, Ihr hättet Narren am Seile?
Nun, Herr, Gedanken sind zollfrei: aber mich deucht, Ihr könntet sie immer ein bißchen in den Keller tragen.
Ich habe es schon an Euern Fingern abgezählt, daß Ihr keine drei zählen könnt. Nun lasse ich Euch gehn. Ab.
In Euerm Leben nicht, glaub' ich, außer wenn mich der Sekt heruntergebracht hat. Mir ist, als hätt' ich manchmal nicht mehr Witz, als ein Christensohn oder ein gewöhnlicher Mensch hat. Aber ich bin ein großer Rindfleischesser, und ich glaube, das tut meinem Witz Schaden.
Was ist pourquoi? Tu's, oder tu's nicht? Ich wollte, ich hätte die Zeit auf die Sprachen gewandt, die mir das Fechten, Tanzen und Fuchsprellen gekostet hat. Ach, hätte ich mich doch auf die Künste gelegt!
Prächtig! Es hängt wie Flachs auf einem Spinnrocken, und ich hoffe noch zu erleben, daß eine Hausfrau dich zwischen ihre Kniee nimmt und es abspinnt.
Wahrhaftig, ich will morgen nach Haus, Junker Tobias. Eure Nichte will sich ja nicht sehn lassen; und wenn auch, es ist zehn gegen eins, daß sie mich nicht will. [Der Graf selbst, hier dicht bei an, freit um sie.]
Sie will den Grafen nicht; sie will keine größere Partie tun, als sie selbst ist, weder an Rang, Jahren, noch Verstand. Das habe ich sie eidlich beteuern hören. Lustig! Es ist noch nicht aus damit, Freund.
So will ich einen Monat länger bleiben. Ich bin ein Kerl von der wunderlichsten Gemütsart in der Welt; manchmal weiß ich mir gar keinen bessern Spaß als Maskeraden und Fastnachtsspiele.
Mein' Seel', ich kann eine Kapriole schneiden, und den Katzensprung tu' ich aufs Haar so hoch, als irgendeiner in Illyrien.
Weswegen verbergen sich diese Künste? Weswegen hängt ein Vorhang vor diesen Gaben? Bist du bange, sie möchten staubig werden? Warum gehst du nicht in einer Gaillarde zur Kirche, und kommst in einer Courante nach Hause? Mein beständiger Gang sollte ein Pas à rigaudon sein; ich wollte mein Wasser nicht abschlagen, ohne einen Entrechat zu machen. Was kommt dir ein? Ist dies eine Welt darnach, Tugenden unter den Scheffel zu stellen? Ich dachte wohl, nach dem vortrefflichen Baue deines Beines, es müßte unter dem Gestirn der Gaillarde gebildet sein.
Ja, es ist kräftig, und in einem geflammten Strumpfe nimmt es sich leidlich aus. Wollen wir nicht ein Gelag anstellen?
Nein, Freund, es bedeutet Springen und Tanzen. Laß mich deine Kapriolen sehn: Hopsa! Höher! Sa! sa! – Prächtig!
Vierte Szene
Wenn der Herzog mit solchen Gunstbezeugungen gegen Euch fortfährt, Cesario, so könnt Ihr es weit bringen: er kennt Euch erst seit drei Tagen, und schon seid Ihr kein Fremder mehr.
Ihr fürchtet entweder Laune von seiner Seite oder Nachlässigkeit von der meinigen, wenn Ihr die Fortdauer seiner Zuneigung in Zweifel zieht. Ist er unbeständig in seiner Gunst?
Fünfte Szene
Nun sage mir, wo du gewesen bist, oder ich will meinen Mund nicht so weit auftun, daß ein Strohhalm hineingeht, um dich zu entschuldigen; mein Fräulein wird dich für dein Ausbleiben aufhängen lassen.
Eine gute hausbackne Antwort. Ich kann dir auch sagen, wo sich die Redensart herschreibt, der Trommel folgen.
Gut, Gott verleihe denen Weisheit, die welche haben; und die, so Narren sind, laßt sie mit ihren Gaben wuchern!
Ihr werdet doch aufgehängt, weil Ihr so lange ausgeblieben seid, oder weggejagt: und ist das für Euch nicht ebenso gut als hängen?
Gut gehängt ist besser als schlecht verheiratet, und das Wegjagen kümmert mich nicht, solange es Sommer ist.
Damit, wenn die eine reißt, die andre noch hält: wenn aber beide reißen, so fallen Eure Pumphosen herunter.
Geschickt, meiner Treu! recht geschickt! Nun, nur zu! Wenn Junker Tobias das Trinken lassen wollte, so wärst du so eine witzige Tochter Evas wie eine in ganz Illyrien.
Witz, so es dein Wille ist, so hilf mir zu einer guten Posse! Die witzigen Leute, die dich zu haben glauben, werden oft zu Narren; und ich, der ich gewiß weiß, daß du mir fehlst, kann für einen weisen Mann gelten. Denn was sagt Quinapalus? Besser ein weiser Tor, als ein törichter Weiser. Gott grüß' Euch, Fräulein!
Geht, Ihr seid ein trockner Narr; ich will nichts mehr von Euch wissen. Überdies fangt Ihr an, Euch schlecht aufzuführen.
Zwei Fehler, Madonna, denen Getränk und guter Rat abhelfen können. Denn gebt dem trocknen Narren zu trinken, so ist der Narr nicht mehr trocken. Ratet dem schlechten Menschen, sich zu bessern: wenn er sich bessert, so ist er kein schlechter Mensch mehr; kann er nicht, so mag ihn der Schneider flicken. Denn alles, was ausgebessert wird, ist doch nur geflickt. Tugend, die sich vergeht, ist nur mit Sünde geflickt; Sünde, die sich bessert, ist nur mit Tugend [739] geflickt. Reicht dieser einfältige Schluß hin: gut! Wo nicht: was ist zu machen? Wie es keinen wahren Hahnrei gibt, außer das Unglück, so ist die Schönheit eine Blume. – Das Fräulein wollte das Narrengesicht weggeschafft haben, darum sage ich noch einmal: Schafft das Fräulein weg!
Ein ganz gewaltiger Mißgriff! – Fräulein, cucullus non facit monachum; das will soviel sagen: mein Gehirn ist nicht so buntscheckig wie mein Rock. Gute Madonna, erlaubt mir, Eure Narrheit zu beweisen!
Desto größer ist Eure Narrheit, darüber zu trauren, daß Eures Bruders Seele im Himmel ist. – Schafft das Narrengesicht weg, Leute!
Ja wohl, und wird damit fortfahren, bis er in den letzten Zügen liegt. Die Schwachheit des Alters, die den vernünftigen Mann herunterbringt, macht den Narren immer besser.
Gott beschere Euch frühzeitige Schwachheit, damit Eure Narrheit desto besser zunehme! Junker Tobias wird darauf schwören, daß ich kein Fuchs bin, aber er wird nicht einen Dreier darauf verwetten, daß Ihr kein Narr seid.
Ich wundre mich, wie Euer Gnaden an solch einem ungesalznen Schuft Gefallen finden können. Ich sah ihn neulich [740] von einem gewöhnlichen Narren, der nicht mehr Gehirn hat wie ein Haubenstock, aus dem Sattel gehoben. Seht nur, er ist schon aus seiner Fassung: wenn Ihr nicht lacht, und ihm die Gelegenheit zutragt, so ist ihm der Mund zugenäht. Auf meine Ehre, ich halte die vernünftigen Leute, die über diese bestallten Narren so vor Freuden krähen, für nichts besser als für die Hanswurste der Narren.
Oh, Ihr krankt an der Eigenliebe, Malvolio, und kostet mit einem verdorbnen Geschmack. Wer edelmütig, schuldlos und von freier Gesinnung ist, nimmt diese Dinge für Vögelbolzen, die Ihr als Kanonenkugeln anseht. Ein privilegierter Narr verleumdet nicht, wenn er auch nichts tut als verspotten; so wie ein Mann, der als verständig bekannt ist, nicht verspottet, wenn er auch nichts tut als tadeln.
Geht Ihr, Malvolio: Wenn es ein Gesuch vom Grafen ist, so bin ich krank oder nicht zu Hause, – was Ihr wollt, um es los zu werden.
Du hast für uns geredet, Madonna, als wenn dein ältester Sohn ein Narr werden sollte, dessen Schädel die Götter [741] mit Gehirn vollstopfen mögen; denn hier kommt einer von deiner Sippschaft, der eine sehr schwache pia mater hat.
Meinetwegen der Teufel, wenn er Lust hat: was kümmert's mich? Glaubt mir, sag' ich Euch. – Nun, es kommt alles auf eins heraus. Ab.
Mit einem Ertrunkenen, einem Narren und einem Tollen. Der erste Trunk über den Durst macht ihn zum Narren, der zweite toll, und der dritte ersäuft ihn.
Geh, hol' den Totenbeschauer, und laß ihn meinen Vetter in Augenschein nehmen, denn er ist im dritten Grade der Trunkenheit; er ist ertrunken. Geh, gib acht auf ihn!
Gnädiges Fräulein, der junge Mensch draußen beteuert, daß er mit Euch sprechen will. Ich sagte ihm, Ihr wäret krank: er behauptet, davon habe er schon gehört, und daher komme er, um mit Euch zu sprechen. Ich sagte ihm, Ihr schliefet: er scheint auch das voraus gewußt zu haben, und kommt daher, um mit Euch zu sprechen. Was soll man ihm sagen, gnädiges Fräulein? Er ist gegen jede Ausflucht gewaffnet.
Das habe ich ihm schon gesagt; aber er versichert, er wolle wie ein Schilderhaus Tag und Nacht vor Eurer Tür stehn, bis Ihr ihn vorlaßt.
Noch nicht alt genug für einen Mann, und nicht jung genug für einen Knaben: er ist weder recht Fisch noch Fleisch, so eben auf der Grenze zwischen Mann und Knaben. Er hat ein artiges Gesicht und spricht sehr naseweis; er sieht aus wie ein rechtes Muttersöhnchen.
Allerstrahlendste, auserlesene und unvergleichliche Schönheit! – Ich bitte Euch, sagt mir, wer die Dame vom Hause ist, denn ich sah sie noch nie. Ich möchte nicht gern meine Rede verkehrt anbringen, denn außerdem, daß sie meisterhaft abgefaßt ist, habe ich mir viele Mühe gegeben, sie auswendig zu lernen. Meine Schönen, habt mich nicht zum besten: ich bin erstaunlich empfindlich, selbst gegen die geringste üble Begegnung.
Ich kann wenig mehr sagen, als ich studiert habe, und diese Frage steht nicht in meiner Rolle. Liebes Kind, gebt mir eine ordentliche Versicherung, ob Ihr die Dame vom Hause seid, damit ich in meiner Rede fortfahren kann.
Nein, mein verschwiegnes Herz! Und doch schwöre ich Euch bei allen Schlingen der Arglist, ich bin nicht, was ich spiele. Seid Ihr die Dame vom Hause?
Gewiß, wenn Ihr es seid, so maßt Ihr Euch zu viel über Euch selbst an: denn was Euer ist, es zu gewähren, ist nicht Euer, um es zu verweigern. Doch dies gehört nicht mit zu meinem Auftrage: ich will in meiner Rede zu Euerm Lobe fortfahren, und Euch dann den Kern meiner Botschaft darreichen.
Um so eher mag es erdichtet sein; ich bitte Euch, behaltet es für Euch! Ich hörte, Ihr hättet Euch vor meiner Tür unartig aufgeführt, und erlaubte Euch den Zutritt, mehr um mich über Euch zu verwundern, als um Euch anzuhören. Wenn Ihr nicht unklug seid, so geht; wenn Ihr Vernunft habt, seid kurz; es ist bei mir nicht das Wetter darnach, in einem so grillenhaften Gespräch eine Person abzugeben.
Nein, guter Schiffsjunge; ich will hier noch ein wenig länger herumkreuzen. – Macht doch Euern Riesen da ein wenig zahm, mein schönes Fräulein!
Gewiß, Ihr müßt etwas Entsetzliches anzubringen haben, da Ihr so furchtbare Zeremonien dabei macht. Sagt Euern Auftrag!
Er ist nur für Euer Ohr bestimmt. Ich bringe keine Kriegserklärung, fodre keine Huldigung ein; ich halte den Ölzweig in meiner Hand, und rede nichts als Worte des Friedens.
Den Ungestüm, den ich blicken ließ, lernte ich von meiner Aufnahme. Was ich bin, und was ich will, ist so geheim wie jungfräuliche Reize; für Euer Ohr Offenbarung, für jedes andre Entweihung.
Habt Ihr irgendeinen Auftrag von Eurem Herrn, mit meinem Gesicht zu verhandeln? Jetzt seid Ihr aus dem Text gekommen. Doch will ich den Vorhang wegziehn, und Euch das Gemälde weisen. Sie entschleiert sich. Seht, Herr, so sah ich in diesem Augenblick aus. Ist die Arbeit nicht gut?
O Herr, ich will nicht so hartherzig sein: ich will Verzeichnisse von meiner Schönheit ausgehn lassen; es wird ein Inventarium davon gemacht, und jedes Teilchen und Stückchen meinem Testamente angehängt: als item, zwei leidlich rote Lippen; item, zwei blaue Augen nebst Augenlidern dazu; item, ein Hals, ein Kinn und so weiter. Seid Ihr hieher geschickt, um mich zu taxieren?
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Mit Eurer Erlaubnis, nein. Meine Gestirne schimmern dunkel auf mich herab: die Mißgunst meines Schicksals könnte vielleicht das Eurige anstecken. Ich muß mir daher Eure Einwilligung ausbitten, meine Leiden allein zu tragen. Es wär' ein schlechter Lohn für Eure Liebe, Euch irgend etwas davon aufzubürden.
Nein, Herr, verzeiht mir! Die Reise, die ich vor habe ist nichts als ein toller Einfall. Doch werde ich an Euch einen vortrefflichen Zug von Bescheidenheit gewahr, daß Ihr mir nicht abnötigen wollt, was ich zu verschweigen wünsche; um so eher verbindet mich gute Sitte, mich Euch zu offenbaren. Mein Vater war der Sebastian von Metelin, von dem Ihr, wie ich weiß, gehört habt. Er hinterließ mich und eine Schwester, beide in einer Stunde geboren: hätt' es dem Himmel gefallen, so wollt' ich, wir hätten auch so geendigt! Aber dem kamt Ihr zuvor: denn etwa eine Stunde, ehe Ihr mich aus dem Schiffbruch rettetet, war meine Schwester ertrunken.
Sie war ein Mädchen, das, ob man gleich sagte, sie sehe mir sehr ähnlich, von vielen für schön gehalten ward; aber konnt' ich auch darin nicht mit so übertriebner Bewund'rung [748] einstimmen, so darf ich doch kühnlich behaupten, ihr Gemüt war so geartet, daß der Neid es selbst schön nennen mußte. Sie ertrank in der salzigen Flut, ob ich gleich ihr Andenken von neuem damit zu ertränken scheine.
Wenn Ihr nicht zerstören wollt, was Ihr getan, nämlich den umbringen, den Ihr gerettet habt, so verlangt es nicht! Lebt ein für allemal wohl! Mein Herz ist voller Zärtlichkeit, und ich habe noch so viel von der Art meiner Mutter an mir, – wenn Ihr mir noch den geringsten Anlaß gebt, werden meine Augen davon überfließen. Ich will zum Hofe des Grafen Orsino: lebt wohl! Ab.
Zweite Szene
Sie schickt Euch diesen Ring wieder, Herr; Ihr hättet mir die Mühe sparen können, wenn Ihr ihn selbst mitgenommen hättet. Sie fügt außerdem hinzu, Ihr solltet Euern Herrn aufs bündigste bedeuten, daß sie ihn nicht will. Noch eins: Ihr möchtet Euch niemals erdreisten, in seinen Angelegenheiten wieder zu ihr zu kommen, es wäre denn, um zu berichten, wie Euer Herr dies aufgenommen hat. So nehmt ihn hin!
Hört, Ihr habt ihn ihr ungestüm hingeworfen, und ihr Wille ist, ich soll ihn ebenso zurückgeben. Ist es der Mühe wert, sich darnach zu bücken, so liegt er hier vor Euern Augen; wo nicht, so nehm' ihn der erste, der ihn findet. Ab.
Dritte Szene
Kommt, Junker Christoph! Nach Mitternacht nicht zu Bette sein, heißt früh auf sein und diluculo surgere, weißt du –
Ein falscher Schluß, mir so zuwider wie 'ne leere Kanne. Nach Mitternacht auf sein, und dann zu Bett gehn, ist früh; und also heißt nach Mitternacht zu Bett gehn, früh zu Bett gehn. Besteht unser Leben nicht aus den vier Elementen?
Mein' Seel', der Narr hat eine prächtige Lunge. Ich wollte ein halb Dutzend Dukaten drum geben, wenn ich so 'ne Wade hätte, und so 'nen schönen Ton zum Singen, wie der Narr. Wahrhaftig, du brachtest gestern abends charmante Possen vor, da du von Pigrogromitus erzähltest, von den Vapianern, die die Linie von Queubus passieren. Es war prächtig, meiner Treu. Ich schickte dir einen Batzen für dein Schätzchen. Hast ihn gekriegt?
Ich habe dein Präsent in den Sack gesteckt, denn Malvolios Nase ist kein Peitschenstiel; mein Fräulein hat eine weiße Hand, und die Myrmidonier sind keine Bierhäuser.
Ja, wenn man sie durch die Nase hört, süß bis zum Übelwerden. Aber sollen wir den Himmel voll Geigen hängen? Sollen wir die Nachteule mit einem Kanon aufstören, der einem Leinweber drei Seelen aus dem Leibe haspeln könnte?
Es ist nicht das erste Mal, daß ich jemand nötige, mich Schelm zu nennen. Fang' an, Narr! Es fängt an: »Halt 's Maul!«
Was macht ihr hier für ein Katzenkonzert? Wenn das Fräulein nicht ihren Haushofmeister Malvolio gerufen hat, daß er euch aus dem Hause werfen soll, so will ich nicht ehrlich sein.
Ja, das kann er so ziemlich, wenn er aufgelegt ist, und ich auch. Ihm steht es besser, aber mir steht es natürlicher.
Seid ihr toll, ihr Herren? oder was seid ihr? Habt ihr keine Scham noch Schande, daß ihr so spät in der Nacht wie Zahnbrecher schreit? Wollt ihr des gnädigen Fräuleins Haus zur Schenke machen, daß ihr eure Schuhflickermelodien mit so unbarmherziger Stimme herausquäkt? Könnt ihr weder Maß noch Ziel halten?
Junker Tobias, ich muß rein heraus mit Euch sprechen. Das gnädige Fräulein trug mir auf, Euch zu sagen: ob sie Euch gleich als Verwandten beherbergt, so habe sie doch nichts mit Euren Unordnungen zu schaffen. Wenn Ihr Euch von Eurer üblen Aufführung losmachen könnt, so seid Ihr in ihrem Hause willkommen. Wo nicht, und es beliebt Euch Abschied von ihr zu nehmen, so wird sie Euch sehr gern Lebewohl sagen.
Aus dem Takt, Kerl! Gelogen! – Bist du was mehr als ein Haushofmeister! Vermeinest du, weil du tugendhaft seiest, solle es in der Welt keine Torten und keinen Wein mehr geben?
Jungfer Maria, wenn Ihr Euch das Geringste aus der Gnade des Fräuleins machtet, so würdet Ihr diesem unfeinen Lebenswandel keinen Vorschub geben. Sie soll es wissen, bei meiner Ehre. Ab.
Es wär' ebenso ein gutes Werk, als zu trinken, wenn man hungrig ist, wenn ihn einer herausfoderte, und ihm dann sein Wort nicht hielte und ihn zum Narren hätte.
Tu das, Junker; ich will dir eine Ausfoderung schreiben, oder ich will ihm deine Entrüstung mündlich kund tun.
Lieber Junker Tobias, haltet Euch nur diese Nacht still: seit der junge Mann vom Grafen heute bei dem Fräulein war, ist sie sehr unruhig. Mit Musje Malvolio laßt mich nur machen: Wenn ich ihn nicht so foppe, daß er zum Sprichwort und zum allgemeinen Gelächter wird, so glaubt nur, daß ich nicht gescheit genug bin, um grade im Bett zu liegen. Ich bin meiner Sache gewiß.
Den Henker mag er ein Pietist, oder sonst etwas anders auf die Dauer sein, als einer, der den Mantel nach dem Winde hängt. Ein gezierter Esel, der vornehme Redensarten auswendig lernt und sie bei großen Brocken wieder von sich gibt; aufs beste mit sich selbst zufrieden; wie er meint, so ausgefüttert mit Vollkommenheiten, daß es ein Glaubensartikel bei ihm ist, wer ihn ansieht, müsse sich in ihn verlieben. Dies Laster an ihm wird meiner Rache vortrefflich zu statten kommen.
Ich will ihm unverständliche Liebesbriefe in den Weg werfen, worin er sich nach der Farbe seines Bartes, dem Schnitt seiner Waden, der Weise seines Ganges, nach Augen, Stirn und Gesichtsfarbe handgreiflich abgeschildert finden soll. Ich kann genauso wie das Fräulein, Eure Nichte, schreiben: wenn uns ein Zettel über eine vergeßne Sache vorkommt, so können wir unsre Hände kaum unterscheiden.
Er soll denken, die Briefe, die du ihm in den Weg fallen lässest, kämen von meiner Nichte, und sie wäre in ihn verliebt.
Ein königlicher Spaß, verlaßt euch drauf: ich weiß, mein Tränkchen wird bei ihm wirken. Ich will euch beide – der Narr kann den dritten Mann abgeben – auf die Lauer stellen, wo er den Brief finden soll. Gebt acht, wie er ihn auslegt! Für heute nacht zu Bett, und laßt euch von der Kurzweil träumen! Adieu! Ab.
Komm, komm! Ich will gebrannten Wein zurecht machen; es ist jetzt zu spät, zu Bette zu gehn. Komm, Junker! komm, Junker! Ab.
Vierte Szene
Fest, der Spaßmacher, gnädiger Herr; ein Narr, an dem Fräulein Olivias Vater großes Behagen fand. Er wird nicht weit von hier sein.
Nun, der schwermütige Gott beschirme dich, und der Schneider mache dir ein Wams von Schillertaft, denn dein Gemüt ist ein Opal, der in alle Farben spielt! Leute von solcher Beständigkeit sollte man auf die See schicken, damit sie alle Dinge treiben und nach allen Winden steuern müßten; denn wenn man nicht weiß, wo man hin will, so kommt man am weitesten. – Gehabt Euch wohl!Ab.
Fünfte Szene
Freilich werd' ich kommen. Wenn ich einen Gran von diesem Spaß verlorengehn lasse, so will ich in Melancholie zu Tode gebrüht werden.
Würdest du dich nicht freun, den knauserigen hundsföttischen Spitzbuben in Schimpf und Schande gebracht zu sehen?
Ja, Freund, ich würde triumphieren; Ihr wißt, er brachte mich einmal um die Gunst des gnädigen Fräuleins, wegen einer Fuchsprelle.
Ihm zum Ärger soll der Fuchs noch einmal dran; und wir wollen ihn braun und blau prellen. Nicht wahr, Junker Christoph?
Stellt euch alle drei hinter die Hecke: Malvolio kommt diesen Gang herunter. Er ist seit einer halben Stunde dort [760] in der Sonne gewesen und hat seinem eignen Schatten Künste gelehrt. Gebt acht auf ihn, bei allem, was lustig ist! Denn ich weiß, dieser Brief wird einen nachdenklichen Pinsel aus ihm machen. Still, so lieb euch ein Schwank ist! –
Lieg' du hier Sie wirft den Brief hin. denn dort kommt die Forelle, die mit Kitzeln gefangen werden muß. Ab.
's ist nur ein Glück, alles ist Glück. – Maria sagte mir einmal, sie hegte eine Neigung zu mir; und ich habe sie selbst es schon so nahe geben hören: wenn sie sich verlieben sollte, so müßte es jemand von meiner Statur sein. Außerdem begegnet sie mir mit einer ausgezeichneteren Achtung als irgend jemanden in ihrem Dienst. Was soll ich davon denken?
O still! Die Beratschlagung macht einen stattlichen kalekutischen Hahn aus ihm. Wie er sich unter seinen ausgespreizten Federn bläht!
Rufe meine Beamten um mich her, in meinem geblümten [761] Samtrock; komme so eben von einem Ruhebett, wo ich Olivien schlafend gelassen.
Und dann hat man eine vornehme Laune; und nachdem man seine Blicke nachdrücklich umhergehn lassen und ihnen gesagt hat: man kenne seinen Platz, und sie möchten auch den ihrigen kennen, fragt man nach dem Vetter Tobias, –
Sieben von meinen Leuten springen mit untertäniger Eilfertigkeit nach ihm hinaus: ich runzle die Stirn indessen, ziehe vielleicht meine Uhr auf, oder spiele mit einem kostbaren Ringe. Tobias kommt herein, macht mir da seinen Bückling, –
Ich strecke die Hand so nach ihm aus, indem ich mein vertrauliches Lächeln durch einen strengen Blick des Tadels dämpfe.
Und sage: Vetter Tobias, da mich mein Schicksal an Eure Nichte gebracht hat, so habe ich das Recht, Euch folgende Vorstellungen zu machen.
So wahr ich lebe, das ist meines Fräuleins Hand. Dies sind grade ihre C's, ihre U's und ihre T's, und so macht sie ihre großen P's. Es ist ohne alle Frage ihre Hand.
»Dem unbekannten Geliebten dies und meine freundlichen Wünsche.« – Das ist ganz ihr Stil. – Mit deiner Erlaubnis, Siegellack! – Sacht! und das Petschaft ist ihre Lukretia, womit sie zu siegeln pflegt: es ist das Fräulein! An wen mag es sein?
»Den Göttern ist's kund,
Ich liebe: doch wen?
Verschleuß dich, o Mund!
Nie darf ich's gestehn.«
»Nie darf ich's gestehn.« – Was folgt weiter? Das Silbenmaß verändert! »Nie darf ich's gestehn.« Wenn du das wärst, Malvolio?
»Ich kann gebieten, wo ich liebe.« Nun ja, sie kann über mich gebieten; ich diene ihr, sie ist meine Herrschaft. Nun, das leuchtet jedem notdürftig gesunden Menschenverstande ein. – Dies macht gar keine Schwierigkeit; und der Schluß? Was mag wohl diese Anordnung von Buchstaben[763] bedeuten? Wenn ich machen könnte, daß dies auf die eine oder andre Art an mir zuträfe! – Sacht! M.O.A.I.
M. – Aber dann ist keine Übereinstimmung in dem folgenden; es erträgt die nähere Beleuchtung nicht: A sollte folgen, aber O folgt.
M.O.A.I. – Diese Anspielung ist nicht so klar wie die vorige. Und doch, wenn man es ein wenig handhaben wollte, so würde sich's nach mir bequemen: denn jeder von diesen Buchstaben ist in meinem Namen. Seht, hier folgt Prosa. – »Wenn dies in deine Hände fällt, erwäge: Mein Gestirn erhebt mich über dich, aber sei nicht bange vor der Hoheit. Einige werden hoch geboren, einige erwerben Hoheit, und einigen wird sie zugeworfen. Dein Schicksal tut dir die Hand auf; ergreife es mit Leib und Seele! Und um dich an das zu gewöhnen, was du Hoffnung hast zu werden, wirf deine demütige Hülle ab und erscheine verwandelt! Sei widerwärtig gegen einen Verwandten, mürrisch mit den Bedienten; laß Staatsgespräche von deinen Lippen schallen; lege dich auf ein Sonderlingsbetragen. Das rät dir die, so für dich seufzt. Erinnre dich, wer deine gelben Strümpfe lobte und dich beständig mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln zu sehen wünschte: ich sage, erinnre dich! Nur zu! Dein Glück ist gemacht, wo du es wünschest. Wo nicht, so bleib' nur immer ein Hausverwalter, der Gefährte von Lakaien und nicht wert, Fortunas Hand zu berühren. Leb wohl! Sie, welche die Dienstbarkeit mit dir tauschen möchte, die Glücklich-Unglückselige.«
[764] Das Sonnenlicht ist nicht klarer! Es ist offenbar. Ich will stolz sein; ich will politische Bücher lesen; ich will Junker Tobias ablaufen lassen; ich will mich von gemeinen Bekanntschaften säubern; ich will aufs Haar der rechte Mann sein. Ich habe mich jetzt nicht selbst zum besten, daß ich mich etwa von der Einbildung übermannen ließe. Sie lobte neulich meine gelben Strümpfe, sie rühmte meine Kniegürtel; und hier gibt sie sich meiner Liebe kund, und nötigt mich mit einer feinen Wendung zu diesen Trachten nach ihrem Geschmack. Ich danke meinen Sternen, ich bin glücklich. Ich will fremd tun, stolz sein, gelbe Strümpfe tragen und die Kniegürtel kreuzweise binden, so schnell sie sich nur anlegen lassen. Die Götter und meine Sterne sei'n gepriesen! – Hier ist noch eine Nachschrift: »Du kannst nicht umhin, mich zu erraten. Wenn du meine Liebe begünstigst, so laß es in deinem Lächeln sichtbar werden. Dein Lächeln steht dir wohl, darum lächle stets in meiner Gegenwart, ich bitte dich!« – Götter, ich danke euch! Ich will lächeln, ich will alles tun, was du verlangst. Ab.
Ich wollte meinen Anteil an diesem Spaße nicht für den reichsten Jahrgehalt vom großen Mogul hingeben.
Du hast ihn in solch einen Traum gewiegt, daß er toll werden muß, wenn ihn die Einbildung wieder verläßt.
Wenn ihr denn die Frucht von unserm Spaß sehn wollt, so gebt acht auf seine erste Erscheinung bei dem gnädigen Fräulein: Er wird in gelben Strümpfen zu ihr kommen, und das ist eine Farbe, die sie haßt; die Kniegürtel kreuzweise gebunden, eine Tracht, die sie nicht ausstehn kann; und er wird sie anlächeln, was mit ihrer Gemütsverfassung so schlecht übereinstimmt, da sie sich der Melancholie ergeben hat, daß es ihn ganz bei ihr heruntersetzen muß. Wenn ihr es sehn wollt, so folgt mir!
Dritter Aufzug
Erste Szene
Das nicht, Herr, ich stehe mich gut bei der Kirche, denn ich stehe mich gut in meinem Hause, und mein Haus steht bei der Kirche.
So könntest du auch sagen, der König stände sich gut bei einer Bettlerin, wenn die Bettlerin bei ihm steht, oder die Kirche stände sich gut bei der Trommel, wenn die Trommel bei der Kirche steht.
Richtig, Herr. – Seht mir doch dies Zeitalter! Eine Redensart ist nur ein lederner Handschuh für einen witzigen Kopf: wie geschwind kann man die verkehrte Seite herauswenden!
Ei, Herr, ihr Name ist ein Wort, und das Tändeln mit dem Wort könnte meine Schwester leicht fertig machen. Aber wahrhaftig, Worte sind rechte Hundsfötter, seit Verschreibungen sie zuschanden gemacht haben.
Meiner Treu, Herr, ich kann Euch keinen ohne Worte [767] angeben, und Worte sind so falsch geworden, daß ich keine Gründe darauf bauen mag.
Nicht doch, Herr, ich bekümmere mich um etwas. Aber auf Ehre, ich kümmere mich nicht um Euch; wenn das heißt, sich um nichts kümmern, so wünschte ich, es möchte Euch unsichtbar machen.
Keinesweges, Herr. Fräulein Olivia hat keine Narrheit; sie wird keinen Narren halten, bis sie verheiratet ist; und Narren verhalten sich zu Ehemännern wie Sardellen zu Heringen: der Ehemann ist der größte von beiden. Ich bin eigentlich nicht ihr Narr, sondern ihr Wortverdreher.
Narrheit, Herr, geht rund um die Welt; sie scheint allenthalben. Es täte mir leid, wenn der Narr nicht so oft bei Euerm Herrn als bei meinem Fräulein wäre. Mich deucht, ich sah Eure Weisheit daselbst.
Wenn du mich zum besten haben willst, so habe ich nichts mehr mit dir zu schaffen. Nimm, da hast du was zu deiner Ergötzlichkeit.
Wahrhaftig, ich sage dir, ich verschmachte fast nach einem, ob ich gleich nicht wollte, daß er auf meinem Kinne wüchse. Ist dein Fräulein zu Hause?
Ich denke, es ist keine große Sache, da ich nur um eine Bettlerin bettle. Cressida war eine Bettlerin. Mein Fräulein ist zu Haus, Herr. Ich will ihr bedeuten, woher Ihr kommt; wer Ihr seid, und was Ihr wollt, das liegt außer meiner [768] Sphäre; ich könnte sagen: »Horizont«, aber das Wort ist zu abgenutzt. Ab.
Wollt Ihr unser Haus begrüßen? Meine Nichte wünscht, Ihr möchtet hineintreten, wenn Ihr ein Geschäft an sie habt.
Meine Beine verstehn mich besser, Herr, als ich verstehe, was Ihr damit meint, daß ich meine Beine kosten soll.
Zweite Szene
Ei, ich sah Eure Nichte mit des Grafen Diener freundlicher tun, als sie jemals gegen mich gewesen ist; drunten im Garten sah ich's.
Sie tat mit dem jungen Menschen vor Euern Augen [772] schön, bloß um Euch aufzubringen, um Eure Murmeltierstapferkeit zu erwecken, um Euer Herz mit Feuer und Schwefel zu füllen. Da hättet Ihr Euch herbeimachen sollen; da hättet Ihr den jungen Menschen, mit den vortrefflichsten Späßen, funkelnagelneu von der Münze, stumm ängstigen sollen. Dies wurde von Eurer Seite erwartet, und dies wurde vereitelt. Ihr habt die doppelte Vergoldung dieser Gelegenheit von der Zeit abwaschen lassen, und seid in der Meinung des gnädigen Fräuleins nordwärts gesegelt, wo Ihr nun wie ein Eiszapfen am Bart eines Holländers hängen werdet, wenn Ihr es nicht durch irgendeinen preiswürdigen Streich der Tapferkeit oder Politik wieder gut macht.
Soll's auf irgendeine Art sein, so muß es durch Tapferkeit geschehn; denn Politik hasse ich; ich wäre eben so gern ein Pietist als ein Politikus.
Wohlan denn, baun wir dein Glück auf den Grund der Tapferkeit! Fodre mir den Burschen des Grafen auf den Degen heraus; verwunde ihn an eilf Stellen; meine Nichte wird sich's merken, und sei versichert, daß kein Liebesmäkler in der Welt einen Mann den Frauen kräftiger empfehlen kann, als der Ruf der Tapferkeit.
Geh, schreib' in einer martialischen Hand; sei verwegen und kurz! Gleichviel wie witzig, wenn es nur beredt und voll Erfindung ist. Mach' ihn mit aller Freiheit der Feder herunter; wenn du ihn ein halb dutzendmal duzest, so kann es nicht schaden; und so viel Lügen als auf dem Papier liegen können, schreib' sie auf! Geh, mach' dich dran! Laß Galle genug in deiner Tinte sein, wenn du auch mit einem Gänsekiel schreibst, es tut nichts. Mach' dich dran!
Nein, das könnt Ihr glauben. Aber vor allen Dingen treibt den jungen Menschen an, sich zu stellen! Ich denke, man brächte sie nicht an einander, wenn man auch Ochsen vorspannte. Was den Junker betrifft, wenn der geöffnet würde, und Ihr fändet so viel Blut in seiner Leber, als eine Mücke auf dem Schwanze davon tragen kann, so wollt' ich das übrige Gerippe aufzehren.
Wollt ihr Milzweh haben und euch Seitenstechen lachen, so kommt mit mir! Der Pinsel Malvolio ist ein Heide geworden, ein rechter Renegat. Denn kein Christ, der durch den wahren Glauben selig zu werden hofft, glaubt jemals einen solchen Haufen abgeschmacktes Zeug. Er geht in gelben Strümpfen.
Ganz abscheulich, wie ein Schulmeister. – Ich bin ihm nachgeschlichen wie ein Dieb: er richtet sich nach jedem Punkte des Briefs, den ich fallen ließ, um ihn zu betrügen. Er lächelt mehr Linien in sein Gesicht hinein, als auf der neuen Weltkarte mit beiden Indien stehn. Ihr könnt euch so was nicht vorstellen; ich kann mich kaum halten, daß ich ihm nicht etwas an den Kopf werfe. Ich weiß, das Fräulein wird ihm Ohrfeigen geben; und wenn sie es tut, so wird er lächeln und es für eine große Gunst halten.
Dritte Szene
Vierte Szene
Ernst, Fräulein? Ich könnte wohl ernsthaft sein; es macht einige Stockung im Blute, dies Binden der Kniegürtel. Aber was tut's? Wenn es den Augen einer Einzigen gefällt, so heißt es bei mir wie jenes wahrhafte Sonett: »Gefall' ich einer, so gefall' ich allen!«
Ich bin nicht schwarz von Gemüt, obschon gelb an den Beinen. Es ist ihm zu Handen gekommen, und Befehle sollen vollzogen werden. Ich denke, wir kennen die schöne römische Hand.
Gnädiges Fräulein, der junge Kavalier vom Grafen Orsino ist wieder da; ich konnte ihn kaum bewegen, zurückzukommen. Er erwartet Euer Gnaden Befehle.
Liebe Maria, trag' mir für diesen Menschen Sorge! Wo ist mein Vetter Tobias? Daß ein paar von meinen Leuten recht genau auf ihn achten: Ich wollte um alles nicht, daß ihm ein Unglück zustieße.
Ha, ha! legt Ihr mir's nun näher? Kein Geringerer als Junker Tobias soll Sorge für mich tragen? Dies trifft aufs Haar mit dem Briefe überein. Sie schickt ihn mit Fleiß, damit ich mich widerspenstig gegen ihn betragen kann: denn dazu ermahnt sie mich ja in dem Briefe. »Wirf deine demütige Hülle ab«, sagt sie, »sei widerwärtig gegen einen Verwandten, mürrisch mit den Bedienten; laß Staatsgespräche von deinen Lippen schallen; lege dich auf ein Sonderlingsbetragen«; [778] und hierauf setzt sie die Art und Weise aus einander, als da ist: ein ernsthaftes Gesicht, eine stattliche Haltung, eine langsame Zunge, nach der Manier eines vornehmen Herrn, und so weiter. Ich habe sie im Netz, freilich durch der Götter Gnade, und geben die Götter, daß ich dankbar sei! Und als sie eben wegging: »Tragt mir für diesen Menschen Sorge!« Mensch! Nicht Malvolio, oder nach meinem Titel, sondern Mensch! Ja, alles paßt zu einander, so daß kein Gran von einem Skrupel, kein Skrupel von einem Skrupel, kein Hindernis, kein unwahrscheinlicher oder zweideutiger Umstand – Was kann man einwenden? Es kann nichts geben, was sich zwischen mich und die weite Aussicht meiner Hoffnungen stellen könnte. Wohl, die Götter, nicht ich, haben dies zustande gebracht, und ihnen gebührt der Dank.
Wo ist er hin, im Namen der Gottseligkeit? Hätten sich auch alle Teufel der Hölle zusammengedrängt, und besäße ihn Legion selbst, so will ich ihn doch anreden.
Hört doch, wie hohl der Böse aus ihm spricht! Sagt' ich's Euch nicht? – Junker Tobias, das Fräulein bittet Euch, Sorge für ihn zu tragen.
Still! Still! Wir müssen sanftmütig mit ihm umgehn; laßt mich nur machen! Was macht Ihr, Malvolio? Wie steht's mit Euch? Ei, Freund, leistet dem Teufel Widerstand: bedenkt, er ist der Erbfeind der Menschenkinder.
Seht nur, wenn Ihr vom Teufel übel redet, wie er sich's zu Herzen nimmt. Gebe Gott, daß er nicht behext ist!
So wahr ich lebe, es soll morgen früh geschehn. Das Fräulein möchte ihn um alles in der Welt nicht missen.
Ich bitte dich, sei ruhig! Dies ist nicht die rechte Art: seht Ihr nicht, daß Ihr ihn reizt? Laßt mich allein machen!
Da hilft nichts wie Sanftmut. Sanftmütig! sanftmütig! Der böse Feind ist trotzig und läßt sich nicht trotzig begegnen.
Ei sieh doch! komm, tucktuck! – Nun, Mann? Es steht der Ehrbarkeit nicht an, mit dem Teufel Knicker zu spielen. – Fort mit dem garstigen Schornsteinfeger!
Geht alle zum Henker! Ihr seid alle dumme alberne Geschöpfe. Ich gehöre nicht in eure Sphäre: ihr sollt weiter von mir hören. Ab.
Wenn man dies auf dem Theater vorstellte, so tadelte ich es vielleicht als eine unwahrscheinliche Erdichtung.
Kommt, er soll in eine dunkle Kammer gesperrt und gebunden werden. Meine Nichte ist schon in dem Glauben, daß er toll ist; wir können's so forttreiben, uns zum Spaß und ihm zur Buße, bis unser Zeitvertreib selbst so müde gejagt ist, daß er uns bewegt, Erbarmen mit ihm zu haben; und du, Mädchen, sollst bestallter Tollheits visitator werden. Aber seht! seht!
»Wundre dich nicht, und erstaune nicht in deinem Sinn, warum ich dich so nenne, denn ich will dir keinen Grund davon angeben.«
»Du kommst zu Fräulein Olivia, und sie tut vor meinen Augen schön mit dir: aber du lügst's in den Hals hinein, das ist nicht die Ursache, warum ich dich herausfodre.«
»Leb wohl, und Gott erbarme sich einer von unsern Seelen! Er kann sich der meinigen erbarmen, aber ich hoffe ein Besseres, und also sieh dich vor! Dein Freund, je nachdem du ihm begegnest, und dein geschworner Feind,
Christoph von Bleichenwang.«
Wenn dieser Brief ihn nicht aufbringt, so ist er gar nicht auf die Beine zu bringen. Ich will ihn ihm geben.
Ihr könnt leicht Gelegenheit dazu finden: er ist jetzt in einem Gespräch mit dem Fräulein und wird gleich weggehn.
Geh, Junker, laure ihm an der Gartenecke auf wie ein Häscher; sobald du ihn nur erblickst, zieh' und fluche fürchterlich dabei: denn es geschieht oft, daß ein entsetzlicher [781] Fluch, in einem rechten Bramarbastone herausgewettert, einen mehr in den Ruf der Tapferkeit setzt, als eine wirkliche Probe davon jemals getan hätte. Fort!
Ich will mich wohl hüten, seinen Brief zu übergeben. Das Betragen des jungen Mannes zeigt, daß er verständig und wohl erzogen ist; sein Geschäft für seinen Herrn bei meiner Nichte bestätigt das auch: also wird dieser Brief wegen seiner außerordentlichen Abgeschmacktheit dem jungen Mann kein Schrecken erregen; er wird merken, daß er von einem Pinsel herkommt. Ich will statt dessen die Ausfoderung mündlich bestellen, will ein großes Wesen von Bleichenwangs Tapferkeit machen, und jenem, der jung genug ist, um sich leicht etwas aufbinden zu lassen, eine gewaltige Meinung von seiner Wut, Geschicklichkeit und Hitze beibringen. Dies wird sie beide so in Angst setzen, daß sie einander wie Basilisken mit den Augen umbringen werden.
Da kommt er mit Eurer Nichte. Macht ihnen Platz, bis er Abschied nimmt, und dann gleich hinter ihm drein!
Was du für Waffen bei dir hast, nimm sie zur Hand; von welcher Art die Beleidigungen sind, die du ihm zugefügt, weiß ich nicht; aber dein Nachsteller, hoch ergrimmt, blutig wie der Jäger, erwartet dich an der Gartenecke. Heraus mit der Klinge! Rüste dich wacker! Denn dein Gegner ist rasch, geschickt und mörderlich.
Ihr irrt Euch, Herr; ich bin gewiß, daß niemand irgendeinen Zank mit mir hat. Mein Gedächtnis ist völlig rein und frei von Vorstellungen eines Unrechts, das ich jemanden zugefügt haben sollte.
Ihr werdet es anders finden, ich versichre Euch: wenn Ihr also das Geringste aus Eurem Leben macht, so seid auf Eurer Hut: denn Euer Gegner hat alles für sich, was Jugend, Stärke, Geschicklichkeit und Wut einem verschaffen kann.
Er ist ein Ritter, dazu geschlagen mit unversehrtem Schwert, auf gewirktem Boden; aber er ist ein rechter Teufel in Zweikämpfen: der Seelen und Leiber, so er geschieden, sind drei; und sein Grimm in diesem Augenblick ist so unversöhnlich, daß er keine andre Genugtuung kennt, als Todesangst und Begräbnis. Drauf und dran! ist sein Wort; mir nichts, dir nichts!
Ich will wieder in das Haus gehn und mir eine Begleitung von der Dame ausbitten. Ich bin kein Raufer. Ich habe wohl von einer Art Leute gehört, die mit Fleiß Händel mit andern anzetteln, um ihren Mut zu prüfen: vielleicht ist er einer von diesem Schlage.
Nein, Herr; seine Entrüstung rührt von einer sehr wesentlichen Beleidigung her; also vorwärts, und tut ihm seinen Willen! Zurück zum Hause sollt Ihr nicht, wenn Ihr's nicht mit mir aufnehmen wollt, da Ihr Euch doch ebenso wohl ihm selbst stellen könntet. Also vorwärts, oder zieht gleich fasernackt vom Leder; denn schlagen müßt Ihr Euch, das ist ausgemacht, oder für immer verschwören, eine Klinge zu tragen.
Das ist ebenso unhöflich als seltsam. Ich bitte Euch, erzeigt mir die Gefälligkeit, den Ritter zu fragen, worin ich ihn beleidigt habe; es ist gewiß nur aus Unachtsamkeit, nicht aus Vorsatz geschehn.
Ich weiß nur, daß der Ritter auf Tod und Leben gegen Euch erbost ist, aber nichts von den näheren Umständen.
Sein Äußeres verrät nichts so Außerordentliches, als Ihr durch die Proben seiner Herzhaftigkeit an ihm werdet kennen lernen. Er ist in der Tat der behendeste, blutgierigste und verderblichste Gegner, den Ihr in ganz Illyrien hättet finden können. Wollt Ihr ihm entgegen gehn? Ich will Euch mit ihm aussöhnen, wenn ich kann.
Ich würde Euch sehr verbunden sein; ich für mein Teil habe lieber mit dem Lehrstande als dem Wehrstande zu tun; ich frage nicht darnach, ob man mir viel Herz zutraut.
Fünfte Szene
Ja, Freund, er ist ein Teufelskerl: ich habe niemals solch einen Haudegen gesehn. Ich machte einen Gang mit ihm auf Klinge und Scheide, und er tut seine Ausfälle mit so 'ner höllenmäßigen Geschwindigkeit, daß nichts [784] dagegen zu machen ist; und wenn er pariert hat, bringt er Euch den Stoß so gewiß bei, als Euer Fuß den Boden trifft, wenn Ihr auftretet. Es heißt, er ist Fechtmeister beim großen Mogul gewesen.
Hol's der Kuckuck! Hätte ich gewußt, daß er herzhaft und so ein großer Fechter wäre, so hätte ihn der Teufel holen mögen, eh' ich ihn herausgefodert hätte. Macht nur, daß er die Sache beruhn läßt, und ich will ihm meinen Hans, den Apfelschimmel, geben.
Ich will ihm den Vorschlag tun; bleibt hier stehn, und stellt Euch nur herzhaft an! Beiseit. Dies soll ohne Mord und Totschlag abgehn. Mein' Seel', ich will Euer Pferd so gut reiten als Euch selbst.
Ich habe sein Pferd, um den Streit beizulegen. Ich habe ihn überredet, daß der junge Mensch ein Teufelskerl ist.
Der hat eben solch eine fürchterliche Einbildung von dem andern: er zittert und ist bleich, als ob ihm ein Bär auf der Ferse wäre.
Es ist keine Rettung, Herr, er will sich mit Euch schlagen, weil er einmal geschworen hat. Zwar wegen seiner Händel mit Euch hat er sich besser besonnen, er findet sie jetzt kaum der Rede wert; zieht also nur, damit er seinen Schwur nicht brechen darf: Er beteuert, er will Euch kein Leid zufügen.
Gott steh' mir bei! Es hängt nur an einem Haar, so sage ich ihnen, wie viel mir zu einem Manne fehlt.
Kommt, Junker Christoph, es ist keine Rettung: der Kavalier will nur ehrenhalber einen Gang mit Euch machen; er kann nach den Gesetzen des Duells nicht [785] umhin, aber er hat mir auf sein ritterliches Wort versprochen, er will Euch kein Leid zufügen. Nun frisch daran!
Mein' Seel', Herr, das will ich, – und wegen dessen, was ich Euch versprochen habe, halte ich Euch mein Wort. Er geht bequem und ist leicht in der Hand.
Komm her, Junker! komm her, Fabio! Laßt uns unsre Köpfe zusammenstecken und einen weisen Rat pflegen!
Ein recht ehrloser lumpiger Bube, und so feig wie ein Hase. Seine Ehrlosigkeit zeigt sich darin, daß er seinen Freund hier in der Not verläßt und ihn verleugnet, und wegen seiner Feigheit fragt nur den Fabio!
Vierter Aufzug
Erste Szene
Gut durchgeführt, meiner Treu! Nein, ich kenne Euch nicht; das Fräulein hat mich auch nicht nach Euch geschickt, damit Ihr kommen und mit ihr sprechen möchtet; Euer Name ist auch nicht Monsieur Cesario, und dies ist auch nicht meine Nase. Nichts ist so, wie es ist.
Meine Narrheit auskramen! Er hat das Wort von irgendeinem großen Manne gehört, und wendet es nun auf einen Narren an. Meine Narrheit auskramen! Ich fürchte, dieser große Tölpel, die Welt, wird ein Zieräffchen werden. Ich bitte dich nun, entgürte dich deiner Seltsamkeit, und sage mir, was ich meinem gnädigen Fräulein auskramen soll. Soll ich ihr auskramen, daß du kommst?
Auf meine Ehre, du hast eine offne Hand. – Solche weise Leute, die Narren Geld geben, machen sich einen guten Namen, wenn sie sich ein Dutzend Jahre darum beworben haben.
Dies will ich gleich dem gnädigen Fräulein erzählen. Ich wollte nicht für einen Dreier in Eurer Haut stecken. Ab.
Nein, laßt ihn nur! Ich will schon auf eine andre Art mit ihm fertig werden; ich will eine Klage wegen Prügelei gegen ihn anstellen, wenn noch Recht und Gerechtigkeit in Illyrien ist. Hab' ich schon zuerst geschlagen, das macht nichts.
Ei was, ich will Euch nicht los lassen. Nur den Degen eingesteckt, mein junger Kriegsheld! Ihr seid gut beschlagen: nur fort!
Ich will dich los sein. Sag, was willst du nun? Nimmst du's noch weiter mit mir auf, so zieh'! Er zieht.
Zweite Szene
Nun, sei so gut und leg' diesen Mantel und Kragen an; mach' ihm weis, du seist Ehrn Matthias der Pfarrer. Mach' geschwind, ich will unterdessen den Junker rufen. Ab.
Ich will ihn anziehn, und mich darin verstellen, und ich wollte, ich wäre der erste, der sich in solch einem Mantel verstellt hätte. Ich bin nicht groß genug, um mich in der Amtsverrichtung gut auszunehmen, und nicht mager genug, um für einen Studierten zu gelten. Aber ein ehrlicher Mann und guter Haushälter zu heißen, klingt eben so gut als ein bedächtiger Mann und großer Gelahrter. – Da kommen meine Kollegen schon.
Bonos dies, Junker Tobias! Denn wie der alte Klausner von Prag, der weder lesen noch schreiben konnte, sehr sinnreich zu einer Nichte des Königs Gorboduk sagte, das, was ist, ist: so auch ich, maßen ich der Herr Pfarrer bin, bin ich der Herr Pfarrer. Denn was ist das als das, und ist als ist?
Hebe dich weg, du ruhmrediger böser Geist! Wie plagest du diesen Mann? Redest du von nichts denn von Fräulein?
Herr Pfarrer, niemals hat man einem ärger mitgespielt; lieber Herr Pfarrer, glaubt nicht, daß ich unklug bin; sie haben mich in schreckliche Finsternis eingesperrt.
Pfui, du unsaubrer Satan! Ich nenne dich bei dem mildesten Namen, denn ich bin eins von den sanften Gemütern, die dem Teufel selbst mit Höflichkeit begegnen. Sagest du, diese Behausung sei finster?
Ei, sie hat ja Luken, die so durchsichtig wie Fensterladen sind, und die hellen Steine von Südnorden strahlen wie Ebenholz: und dennoch beklagest du dich über Verfinsterung?
Wahnsinniger, du irrest. Ich sage dir aber, es gibt keine andre Finsternis als Unwissenheit, worein du mehr verstrickt bist, als die Ägyptier in ihrem Nebel.
Ich sage, diese Behausung ist finster wie die Unwissenheit, wäre die Unwissenheit auch so finster wie die Hölle; und ich sage, man hat niemals einem so übel mitgespielt. Ich bin ebenso wenig unklug als Ihr; legt mir nur ordentliche Fragen vor, um mich zu prüfen!
Gehab' dich wohl! Verharre du immer in Finsternis! Ehe ich dir deinen gesunden Verstand zugestehe, sollst du die Lehre des Pythagoras bekennen und dich fürchten, eine Schnepfe umzubringen, auf daß du nicht etwa die Seele deiner Großmutter verjagen mögest. Gehab' dich wohl!
Nun rede ihn mit deiner eignen Stimme an, und melde mir, wie du ihn findest: ich wollte, wir wären diese Schelmerei auf eine gute Art los. Wenn man ihn schicklich freilassen kann, so möchte es nur geschehn; denn ich stehe jetzt so übel mit meiner Nichte, daß ich den Spaß nicht mit Sicherheit bis zum Beschlusse forttreiben kann. Komm dann gleich auf mein Zimmer!
Lieber Narr, wo du dich jemals um mich verdient machen willst, hilf mir zu einem Lichte, zu Feder, Tinte und Papier! So wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich will dir noch einmal dankbar dafür sein.
Sie haben mich hier eingesperrt, halten mich im Finstern, schicken Geistliche zu mir, Eselsköpfe, und tun alles, was sie können, um mich aus meinen Sinnen herauszuhetzen.
Bedenkt, was Ihr sagt: der Geistliche ist hier. – »Malvolio, Malvolio, deinen Verstand stelle der Himmel wieder her! Bringe dich zum Schlafen! und laß ab von deinem eiteln Geplapper!«
»Führe kein Gespräch mit ihm, mein guter Freund!« – Wer? ich, Herr? Nein, gewiß nicht. Gott geleite Euch, Herr Pfarrer! – »Amen, sage ich.« – Gut, das will ich tun.
Lieber Narr, verhilf mir zu einem bißchen Licht und Papier! Ich sage dir, ich bin so gut bei Verstande als irgendeiner in Illyrien.
Auf mein Wort, ich bin's. Lieber Narr, schaff' mir Tinte, Papier und Licht, und überbringe dem Fräulein, was ich aufsetzen will: es soll dir auch den besten Briefträgerlohn einbringen.
Ich will Euch dazu verhelfen, aber sagt mir aufrichtig: seid Ihr wirklich nicht unklug, oder tut Ihr nur so?
Ei, ich will einem unklugen Menschen niemals trauen, bis ich sein Gehirn sehe. Ich will Euch Licht, Papier und Tinte holen.
Dritte Szene
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Ei, Herr, sie loben mich und machen einen Esel aus mir; meine Feinde hingegen sagen mir grade heraus, daß ich ein Esel bin: also nehme ich durch meine Feinde in der Selbsterkenntnis zu, und durch meine Freunde werde ich hintergangen. Also, Schlüsse wie Küsse betrachtet, wenn vier Verneinungen zwei Bejahungen ausmachen: Je mehr Freunde, desto schlimmer, und je mehr Feinde, desto besser.
Zum ersten, zum zweiten, zum dritten, dann wird erst zugeschlagen; wie das alte Sprichwort sagt, sind aller guten Dinge drei; der Dreiachteltakt, Herr, ist ein guter lustiger Takt; die Betglocke kann's Euch zu Gemüte führen, sie sagt immer: eins, zwei, drei.
Ihr könnt auf diesen Wurf nicht mehr Geld aus mir herausnarrieren. Wollt Ihr Euerm Fräulein melden, daß ich sie zu sprechen wünsche, und machen, daß sie hieher kommt, so möchte das vielleicht meine Freigebigkeit wieder aufwecken.
Nun, Herr, eiapopeia Eurer Freigebigkeit, bis ich zurückkomme! Ich gehe, Herr, aber Ihr müßt ja nicht denken, mein Verlangen, zu haben, sei Gewinnsucht. Doch, wie Ihr sagt, laßt Eure Freigebigkeit nur ein wenig einnicken; ich will sie gleich wieder aufwecken. Ab.
Er hat mir ein Loch in den Kopf geschlagen, und Junker Tobias hat auch eine blutige Krone weg. Um Gottes Barmherzigkeit willen, helft! Ich wollte hundert Taler drum geben, daß ich zu Hause wäre.
Des Grafen Kavalier, Cesario heißt er. Wir glaubten, er wäre 'ne Memme, aber er ist der eingefleischte Teufel selbst.
Potz Blitz, da ist er! – Ihr habt mir um nichts und wieder nichts ein Loch in den Kopf geschlagen, und was ich getan habe, dazu hat mich Junker Tobias angestiftet.
Wenn eine blutige Krone was Leides ist, so habt Ihr mir was zu Leide getan. Ich denke, es kommt nichts einer blutigen Krone bei.
Da kommt Junker Tobias angehinkt, Ihr sollt noch mehr zu hören kriegen. Wenn er nicht was im Kopfe gehabt hätte, so sollte er Euch wohl auf 'ne andre Manier haben tanzen lassen.
Es ist all eins: er hat mich verwundet und damit gut. – Schöps, hast du Görgen den Feldscherer gesehn, Schöps?
Oh, der ist betrunken, Junker Tobias, schon über eine Stunde; seine Augen waren früh um acht schon untergegangen.
Wahrhaftig, gnädiges Fräulein, er hält sich den Belzebub so gut vom Leibe, als ein Mensch in seinen Umständen nur irgend kann. Er hat Euch da einen Brief geschrieben, ich hätte ihn schon heute morgen übergeben sollen; aber [805] Briefe von Tollen sind kein Evangelium, also kommt nicht viel darauf an, wann sie bestellt werden.
Nein, Fräulein, ich lese nur Tollheit. Wenn Euer Gnaden beliebt, daß ich es gehörig machen soll, so muß meine Stimme freien Lauf haben.
Das tu' ich, Madonna: aber um seinen gesunden Verstand zu lesen, muß man so lesen. Also erwägt, meine Prinzessin, und merkt auf!
»Bei Gott, Fräulein, Ihr tut mir unrecht, und die Welt soll es wissen. Habt Ihr mich schon in ein dunkles Loch gesperrt und Euerm betrunknen Vetter Aufsicht über mich gegeben, so habe ich doch den Gebrauch meiner Sinne ebenso gut als Euer Gnaden. Ich habe Euern eignen Brief, der mich zu dem angenommenen Betragen bewogen hat, und bin gewiß, daß ich mich damit rechtfertigen und Euch beschämen kann. Denkt von mir, wie Ihr wollt! Ich stelle meine Ehrerbietung auf einen Augenblick beiseite, und rede nach der zugefügten Beleidigung.
Der toll-behandelte Malvolio.«
Ja, »einige werden hochgeboren, einige erwerben Hoheit, und einigen wird sie zugeworfen.« – Ich war auch eine Person in diesem Possenspiele, mein Herr; ein gewisser Ehrn Matthias, mein Herr; aber das kommt auf eins heraus. – »Beim Himmel, Narr, ich bin nicht toll.« – Aber erinnert Ihr Euch noch? »Gnädiges Fräulein, warum lacht Ihr über solch einen ungesalznen Schuft? Wenn Ihr nicht lacht, so ist ihm der Mund zugenäht.« – Und so bringt das Dreherchen der Zeit seine gerechte Vergeltung herbei.
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- TextGrid Repository (2012). Shakespeare, William. Komödien. Was ihr wollt. Was ihr wollt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0B20-F