[40] Am 6ten Januar 1814

Alles, wo ich weil' und gehe,
Muß Verlangen mir erregen,
Ewig ist von süßem Wehe
Mir die volle Brust erfüllt,
Und du kömmst auf allen Wegen
Mir entgegen,
Holdes Bild!
Flieh' ich dich, so muß ich leiden;
Leiden, wenn ich dich erblicke;
Immer zwischen Sehn und Meiden
Schwankt mein Herz im raschen Streit,
Und mir naht, wohin ich blicke,
Leid im Glücke,
Glück im Leid.
Wenn ich still auf Lieder sinne,
Scheinst du hold mit mir zu scherzen,
Und ich ruh' im Wahn der Minne
Selig dann an deiner Brust.
Flieh, o Traum, du bringst dem Herzen
Lange Schmerzen,
Kurze Lust!
[41]
Wogend zwischen Freud' und Kummer
Schweb' ich, wie im Meer der Nachen,
Und ich wünsche nun den Schlummer,
Und zu wachen wünsch' ich nun.
Soll ich weinen, soll ich lachen?
Soll ich wachen
Oder ruhn?
Wollt' ich aus dem Leben scheiden,
Schwiegen wohl die wilden Triebe:
Doch zu missen Lust und Leiden,
Ist dem Herzen kein Gewinn.
Sey du freundlich oder trübe,
Süße Liebe,
Nimm mich hin!

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TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Poetisches Tagebuch. Cäcilie, eine Geisterstimme. Am 6ten Januar 1814. Am 6ten Januar 1814. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-052D-1