[86] Am 4ten März 1815
Früheste Kinder des Lichts, holdselige Sterne des Frühlings,
Blümlein, welche zum Strauß selbst mir die Liebste gepflückt,
Freundliche, wahrlich es ward ein freundliches Loos euch beschieden,
Fröhliches Leben und dann früh ein beglückender Tod.
Denn ihr schautet zuerst mit den leis' aufknospenden Aeuglein
Hold in kindlicher Lust staunend das himmlische Licht,
Schmücktet zuerst mit den Perlen des Thaus die erröthenden Wangen,
Fühltet den laulichen Kuß säuselnder Lüfte zuerst.
Und dann nahete sanft wie ein heimwärts winkender Engel
Mit zartschonender Hand meine Geliebte sich euch.
Ach, wohl zagtet ihr nicht, als sie liebkosend euch pflückte;
Hat doch wehe zu thun nimmer die Milde gelernt.
Nein, euch schien's, als schwebe der Lenz vom heiteren Himmel,
Lieblich in Mädchengestalt kleidend den ewigen Reiz,
Freundlich herab, und wolle nun selbst mit den frühesten Blümlein,
Mit den geliebtesten, hold schmücken das heilige Haupt.
[87]Ach, ihr sahet es nicht, wie die andern Schwestern so fröhlich
Blühten, indeß ihr selbst welktet im zögernden Tod.
Nimmer verletzte den zärtlichen Kelch ein feindlicher Sturmwind,
Nicht hat sengende Gluth früh euch die Wangen entfärbt;
Züchtig blühtet ihr auf, jungfräulich seyd ihr gestorben
Auf jungfräulicher Flur, heilig durch heiligen Tod.
Seliges Loos! wer im frühesten Glanz der entfalteten Schönheit
Hinsinkt, Vielen geliebt, Vielen noch lange beweint;
Wer nicht sieht, wie die Blume verwelkt, die ihm lieblich geduftet,
Nicht, wie das Roth sich entfärbt, das ihm den Himmel geschmückt.
Ihm nur ward es gewährt, was wir All' uns wünschen: der Frühling
Schwand ihm nimmer, und nie hat ihn das Schöne getäuscht.
Ruht nun sanft an dem Herzen, ihr Lieblichen, welches wie ihr einst
Blühte, doch nicht wie ihr, eh' es verblühete, brach,
Welkt nun sanft und führt mir, noch heilausspendend im Tode,
Boten des Lenzes, den Lenz heim in die traurende Brust!