Fluch des Vatermörders

Eine Romanze.


Ihr Mädels kommt, ihr Buben kommt,
Daß ich euch was erzähle!
Es steht im heil'gen Bibelbuch:
Den Vatermörder trifft der Fluch,
Ein Fluch an Leib und Seele.
Einst sprach vom Berge Sinai
Der Herr aus schwarzen Wettern:
Verehr den Mann, der dich gezeugt,
Verehr das Weib, das dich gesäugt,
Sonst werd' ich dich zerschmettern!
Ein Edelmann aus Bayerland
Thät sich zum Hochzeitfeste
Gar stattlich rüsten: Ungerwein,
Auch Wildbret, Fisch' und Zucker fein
Kauft er für seine Gäste.
Ein Fräulein war Brautführerin,
Man hieß sie Kunigunde;
Da ging es an ein Leben, ha!
Da schmaust und tanzt man, hopsasa,
Bis um die zwölfte Stunde.
Weil wenig Platz im Schlosse war,
Mußt' Kunigunde liegen
In einem alten schwarzen Thurm,
Drum saust der Wind, drum rast der Sturm,
Die Schuhu um ihn fliegen.
[372]
Das Fräulein Gundel war sehr fromm,
Befahl Gott ihre Seele:
Ach! liebster Jesu! betet sie,
Ans Bett geworfen auf die Knie,
Nur dir ich mich befehle.
Das Fräulein kaum im Bette war,
Da kam mit grasser Miene,
Mit dürrer, hagerer Gestalt
Ein Mann gar blaß, gekrümmt und alt,
Und naht sich dem Kamine.
Er streckt die magre lange Hand
Wohl übers Kohlenfeuer;
Er ächzt mit fürchterlichem Ton:
Verflucht bin ich, verflucht mein Sohn,
Wir Höllenungeheuer!
Das Fräulein hatte Christenmuth,
Sie fuhr im Nachtgewande
Schnell aus dem Bett, und fragt den Mann:
Geist, oder Mensch? sag mir es an,
Was trägst du diese Bande?
Der Greis schleppt eine Kette nach,
Drum fragt' ihn Kunigunde,
Warum er diese Kette trug?
Der Greis sich an den Schädel schlug
Und sprach mit hohlem Munde:
Der Ritter, der heut Hochzeit hat,
Ich bin, ich bin sein Vater;
Er legt' mir diese Ketten an:
Ich alter, ich verfluchter Mann,
Ich zeugte diese Natter.
Schon fünfzehn Jahre hat er mich
In diesem Thurm verschlossen:
Ich schlief auf kalter, fauler Streu,
Nur schimmlicht Brod hab' ich dabei,
Und Wasser nur genossen.
[373]
Schau, Mädel, diese Lumpen sind
Verfault um meine Hüfte.
Sieh Läus' in diesem grauen Bart,
Und rieche, bist du nicht zu zart,
Des eignen Unraths Düfte.
Die Woche dreimal läßt er mich
Mit einer Peitsche geißeln;
Ihn rühret nicht mein Zeterach,
Er sieht die Thränen tausendfach
In meinem Haar sich kräuseln.
Heut schnellt' ich meine Ketten ab;
Es war im Hochzeitlärmen;
Mein Hüter heut besoffen sehr,
Vergaß mich ganz; ich schlich hieher,
Mich einmal zu erwärmen.
Genug! Genug! sprach blaß, wie Wand,
Das edle Fräulein Gundel:
Dein Sohn ist dieses Ungeheu'r?
O Greis, du hast mein Herz mit Feu'r
Entbrannt, wie mürben Zundel.
Will rächen dich! Du rächen mich?
O Fräulein! laß dir sagen:
Siehst du dort Blut noch an der Wand!
Dort hab' ich, ach! mit eigner Hand
Den Vater einst erschlagen?
Kaum sprach er's aus, so fiel ein Bein
Herab vom obern Boden.
Huhu! ein Bein und noch ein Bein,
Und drauf, erhellt vom Kohlenschein,
Geripp von einem Todten.
Ein hohler Schädel oben stand,
Gluth flimmt in weiten Augen:
Ach Gott! 's ist wahr, ach Gott! 's ist wahr!
Der Teufel hier im grauen Haar,
An dem die Schlangen saugen,
[374]
Hat mich mit der verfluchten Faust
Einst in der Nacht getödtet;
Dieß Blut hier an der Wand ist mein,
Dieß Blut hat in den Himmel 'nein
Mit stummem Mund geredet.
Verfluchter Sohn, sprach das Geripp,
Dir, dir ist recht geschehen!
Wer seinen Vater würgt, den trifft,
Weit mehr als Dolch und Schwert und Gift,
Ihn treffen Höllenwehen.
Wuwu! man hörte Hundgebell,
Man hörte Katzen mauen;
Es kräht der Hahn! Ha! ich muß fort,
Sprach das Geripp, an meinen Ort,
Der Tag beginnt zu grauen.
Der Geist verschwand, das Fräulein geht
Und ließ den Alten stehen:
Kommt in die Stadt, sobald das Licht
Am Himmel graut, sagt vor Gericht,
Was sie im Thurm gesehen.
Soldaten eilten, fanden bald
Im Thurm den Alten liegen;
Sein Haar und Bart war ausgerauft,
Die Brust zerrissen; schrecklich schnauft
Er in den letzten Zügen.
Er starb; sein Aug' hing aus dem Kopf;
Gott seiner Seel' genade!
Der Edelmann aus Bayerland
Starb, wie es weit und breit bekannt,
Zu München auf dem Rade.
Am Hochgericht da geht er um,
Schlägt seine Händ' zusammen;
O weh! so brüllt's um Mitternacht,
Hab' meinen Vater umgebracht!
Mich sengen Höllenflammen.
[375]
Das Fräulein Kunigunde ging
Nach der Geschicht' ins Kloster;
Viel tausend Ave betet sie
Für ihre Seelen auf dem Knie,
Viel tausend Paternoster.
Und jedes Kind, das zu ihr kam,
Nahm sie auf ihre Arme,
Und sprach: Kind, ehre bis ins Grab
Die Eltern, die dein Gott dir gab,
Daß er sich dein erbarme!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Erzählungen und Verwandtes. Fluch des Vatermörders. Fluch des Vatermörders. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0326-0