An Kronos
Im Mai.
Wie die Engel durch die Himmel fliegen,
Fliegst du, Kronos, durch die Frühlingsluft;
Um die Stirne flattert wonniglich Vergnügen;
Deine locken thauen süßen Duft.
Weile, Kronos, einen ganzen Himmel
Wohlgerüche schickt dir die Natur.
Deiner Kinder buntes, schwärmendes Gewimmel
Sonnt und wälzt sich auf der jungen Flur.
Nachtigallen mit der sanften Seele
Flöten dir ein Frühlingsliedchen für!
Schwalben zwitschern mit der kleinen Kehle!
Braune Lerchen hangen über dir!
Milch, wie Nektar, spritzt für dich das volle
Euter ins krystallne Glas hinein:
Weile doch, o Kronos, zarte Lämmerwolle
Weiß gewaschen, soll dein Lager sein.
Deinen Schlummer fördern Schäferlieder,
Und das Murmeln der wohlthät'gen Blau;
Maienblüthen tanzen auf dich nieder,
Und ein Mädchen blühend wie die Au'
Beißt ins Fingerchen, und auf den Zehen
Schleicht sie hin zu dir und bücket sich,
Um den großen Schlummernden zu sehen,
Mit dem Silberbarte! – Ha, sie küsset dich!
[386]
Weile, Kronos, weile doch, du Lieber!
Zeig uns doch dein wonnesam Gesicht!
Doch du eilst in Frühlingsduft vorüber,
Wie in Stürmen, und du weilest nicht!
Ach, so nimm mich mit auf deinen Wagen,
Nimm mein Mädchen mit; denn ohne sie
Fänd' ich dort in ew'gen Sommertagen
Meinen Frühling, meinen Himmel nie!