Jupiter und Semele
Von des Olympos Donnerhöhe sah
Einst Jupiter die schöne Semele,
Wie sie im Thale Wiesenblümchen pflückte.
Sie lächelte im Rosenflor der Jugend,
Und Schönheit warf um sie den Silberschleier,
Aus Morgengold und Maienlicht gewebt.
Des Götterkönigs und des Menschenvaters
Von Liebe trunkne Seele fluthet auf,
Den Donnerkeil legt' er aus seiner Rechten,
Er streifte von sich ab die Götterhülle,
Die den Olymp mit Einem Wink erschüttert
Und unsre Erdax' knarren macht.
Als goldgelockter Jüngling kam er nun
[378]Und trat vor Semele im leichten Jägerkleide.
Doch Semele war tugendhaft; sie liebte
Den schönen Jüngling zwar; jedoch den Gürtel
Der Keuschheit ihr zu lösen, verstattet sie ihm nicht.
Doch leicht gewinnt ein Gott des Mädchens Herz.
Zeus bin ich, sprach der Menschgestaltete,
Mit Welten lohn' ich dir der Unschuld Opfer.
Viele süße Stunden flogen nun
In seiner Semele Umarmungen
Dem Gott der Götter goldgeschwingt,
Wie Himmelsfrühlinge, vorüber;
Die grollende Saturnia erfuhr's.
Die sann auf Rache. Weh' dir Semele!
Der Götter Königin ist deine Feindin!
Zu einer alten Base schrümpfte sich
Der hohen Juno Götterbild zusammen;
Durch Schmeicheleien und durch Trug gewann
Sie bald des offnen Mädchens Herz.
Zeus liebt mich! sprach sie. Die verstellte
Saturnia lacht hoch darob – Zeus meinst du?
Zeus liebe dich? sagt boshaft lächelnd sie:
Ha, ein Verführer
Will unter dieser Larve dir das Gold
Der Unschuld rauben. Mädchen, traue nicht.
Versuch' ihn, sag', er möge sich einmal
In seiner furchtbarn Majestät dir zeigen!
An seiner Erdenschwäche wirst du bald
Des eingeschleirten Gottes Trug erkennen.
Saturnia entfernte sich und ließ
Das zitternde Mädchen mit dem Dolche
Des Kummers in der hohen Halle stehen.
Und Zeus erschien in der gewohnten Hülle.
Du bist nicht aufgeräumt, o Semele!
Ich muß es wohl, denn du hast mich betrogen.
[379]Ein Gott? dich? – Ein Gott wärst du? o geh Betrüger,
Du bist ein erdgeschaffner Mensch, und ach,
Das Gold der Unschuld hast du mir geraubt.
Thränen perlten auf der Semele Gesicht.
Und Zeus begann zurückgebogen: Welche
Des Orkus Schoß entstiegne finstre Macht
Vergiftete mit diesem Argwohn dich?
Umzischen bleiche Eumeniden dich
Und sprützen dir Verdacht ins weiche Herz?
Ha, fordere Beweise! Zeus bin ich!
»Wirf diese Hülle ab und zeige dich
In deiner Gottheit furchtbarn Majestät! –«
O Semele! du forderst deinen Tod;
Doch sehen sollst du, daß ein Gott ich bin.
Im Schöpfertone sprach nun Jupiter:
Ein Regenbogen wölbe sich
Ums Haupt der Semele! –
Der Regenbogen schwand! –
»Du bist kein Gott; ein Zaubrer bist du nur!«
Erdbeben schüttere diesen Goldpalast
In allen Tiefen, so gebot der Gott! –
»Du bist kein Gott, ein Zaubrer bist du nur!«
Auf der Erde lagre sich Mitternacht!
Der Sturmwind heule!
Und Geister winseln dazwischen!
Es geschah. –
»Du bist kein Gott, ein Zaubrer bist du nur.«
Du ängstest nur mich armes Mädchen so.
In Silberschleier hüllt sie ihr Gesicht.
So sprich, was soll ich thun? Das Reich der Thiere,
Es gehe huldigend vorbei an Semele.
Gleich kam der trotzige Löwe!
Er schüttelte die goldne Mähn' und leckte
Den Fuß der Semele. Es kam
Der ernste Elephant und küßte ihr die Hand
Mit sammtnem Rüssel. Vor ihr ging
Mit schlauem Blick der Tiger stolz vorüber.
[380]Ihr stampfte der muthige Wieh'rer,
Das dünngeschenkelte Roß;
Ihr brüllte der Stier und schleuderte rücklings
Erdschollen gen Himmel.
Sein zackiges Geweih erhob vor ihr der Hirsch.
Der Affe gaukelte vor ihr, das Eichhorn putzte sich.
Ueber ihr schwebte der Adler
Mit verbreitetem Fittich. Ihr gluckte
Die Nachtigall; ihr girrte die Taube!
Umsonst, denn Semele sprach immer:
Du bist kein Gott, ein Zaubrer bist du nur!
Damit ich's glaube, zeige dich als Gott!
Ich will's, so brüllte Jupiter.
Da stand der Donnerer in seiner Schrecklichkeit!
Die Flammenarme streckt' er nach ihr aus.
Ach Semele zerfloß, wie Wachs zerschmilzt,
Wenn Sommergluth in allen Wesen brennt,
Ach so zerfloß sie in der glühenden Umarmung
Des Donnergotts und tropft' an seinen Seiten
Blutig herunter. –
Der Mensch von Erde konnte die Gottheit nicht
In ihrer Nacktheit tragen. Wie beschämt
Der Heiden Dichtung unsre Weisen?
Sie wollen den Jehovah ohne Hülle,
Nicht in der Menschheit Jesus Christus sehen.