[145] Auf Oestreich und das deutsche Kaiserthum

Der Tod Franciscus des Ersten römischen Kaisers

Warum liegt die Krone hier auf diesem Kissen? Sie, die eine so unruhige Bettgesellin ist? O du goldene Sorge! die so manche durchwachte Nacht die Thüren des Schlummers weit offen hält. O Majestät, du liegst auf dem, der dich trägt, wie eine goldene Rüstung am heißen Mittag. Die Sorgen, die du machst, haben das Leben eines Cäsars aufgezehrt; und also bist du, obgleich das feinste, doch das schlimmste Gold. Anderes Gold, obgleich minder fein, ist kostbarer, da es, in eine trinkbare Arznei aufgelöst, ein Mittel zur Erhaltung des Lebens ist; du hingegen, das feinste, das hochgeschätzteste, das glorreichste Gold, hast den, der dich trug, des Lebens beraubt.

Shakespeare.


I. Strophe.

Weh dir, o mütterliches Land!
Der Donnerer ist wider dich entbrannt.
Gehüllt in tausend Mitternächte
(Ein rachevoller Sitz!)
Thront Er; aus seiner flammenden Rechte
Fährt siebenfacher Blitz,
Und sein Olymp, wie furchtbar steht er da!
O wag es nicht, Germania,
Zu seiner Spitze aufzublicken,
Sonst bauest du dein Grab;
Schon wälzen sich auf seinem braunen Rücken
Geflügelte Donner hinab.
I. Antistrophe.

Es heult! es heult im Bauche der Erde,
Mit todtenbleicher Geberde
Hüpft die erschrockne Sängerin
Auf der erbebenden wellenförmigen Erde,
Wie auf glühendem Boden, dahin.
Wie schwankt sie! Wie beben die Glieder!
Schnell, wie ein Pfeil, mit rauschendem Gefieder,
Durchschneidet sie die Luft, und sieht,
Wo um sie her ein Heer von Sonnen glüht,
Auf dich, Germania! hernieder.
[146] Epodos.

Und sieht von himmelnahen Höhen
Tief unter ihr die Leichenfackeln wehen;
Mit ihrem Dampf steigt vor ihr Ohr
Ein klägliches Geheul empor.
Sie sieht, als wie von erderschütternden Gewittern,
Europens ersten Thron auf seinen Pfeilern zittern,
Und sinkt, wie in ein Grab,
Tyrol! in deine Gebirge hinab.
Sie sieht in kaum noch kenntlichen Zügen
Das Haupt Germaniens, den ersten Todten liegen;
Die Krone neben Ihm in halbverloschnem Glanz.
Wer ist der große Todte? Franz.
II. Strophe.

Er ist's, den uns der Donn'rer nahm;
Der schrecklichste von allen Engeln kam.
Sein Blick ist Glut! Von seinem Flügel
Rauscht Tod und Mitternacht.
Unter dem Fußtritt beben die Hügel,
Wie von dem Lärm der Schlacht.
Er streckt sein Schwert! Mit weggewandtem Blick,
Gleich Stratons weggewandtem Blick,
Als Brutus seinen Stahl durchrannte,
So streckt er's hin auf Ihn!
Und plötzlich fällt das Herz der deutschen Lande
Wie von Gewittern dahin.
II. Antistrophe.

O Insprugg, welch Entsetzen und Grauen
Herrscht auf deinen blumigen Auen!
Dein Garten Gottes wird ein Grab.
Theresia weinet, die Königin der Frauen,
Der Wehmuth sengende Zähre herab;
Und Joseph, der Beste der Söhne,
Schlingt seinen Arm mit einer Heldenthräne
Um seinen Vater bang herum.
Ein treues Volk steht thränenlos und stumm
Vor dieser grauenvollen Scene.
[147] II. Epodos.

Wie Gemsen, die dem Tod entgangen,
Tyrol, an deinen schroffen Felsen hangen;
So drohend hängt die Muse da,
Und siehet – was sie niemals sah –
Die Nacht wird plötzlich hell! Ein Gott fliegt durch die Lüfte.
Von seinen Flügeln thaun des jungen Frühlings Düfte,
Die Laute in der Hand,
Er ist es, dein Schutzgeist, o Vaterland!
Wie Engel um den Göttlichen glänzen!
Ich seh' es! Ja, sie sind's! Schutzgeister der Provinzen
Ihr hoher Führer singt, in ungestörter Ruh'
Hört die betäubte Muse zu:
Da liegt der Erste deiner Prinzen,
O Welt! durch frühen Tod geraubt!
Und ihr, Schutzgeister der Provinzen,
Seht her! da liegt der Deutschen Haupt.
Elegisch tönen meine Saiten,
Und jeder Schlag zerreißt das Herz.
Ich weine, Deutschland! deine Leiden,
Europa! deinen Schmerz.
Wir weinen mit in deine Saiten
Und jeder Schlag zerreißt das Herz:
Wir weinen, Deutschland! deine Leiden,
Europa! deinen Schmerz.
Einst sanken meine Söhne nieder,
Und baten um der Nachwelt Glück!
Zeus schaute vom Olympus nieder,
Und huldreich lächelte sein Blick.
Es schwamm die mütterliche Erde
Wie in der Morgensonne Glanz;
Zeus sprach sein schöpferisches: Werde;
Er sprach's: Es wurde Franz.
Wir sahen es! die deutsche Erde
Schwamm in der Morgensonne Glanz,
Als Zeus sein schöpferisches: Werde
Laut sprach: Es werde Franz.
[148]
Er wuchs empor, als wie der Wipfel
Der königlichen Ceder schwillt,
Die Libanons geweihten Gipfel
Mit ihrem braunen Schatten füllt.
Gott dachte: Diesem Göttersohne
Ist ja sein Erbe viel zu klein;
Er soll auf einem Kaiserthrone
Mein Nebenbuhler sein.
So dachte Gott: Dem Göttersohne
Ist ja sein Erbe viel zu klein;
Drum soll Er auf dem Kaiserthrone
Mein Nebenbuhler sein.
Schon trotzt der Held auf seine Rechte,
Hört, was der Gott der Götter sprach,
Und ahmt, im eisernen Gefechte
Des Krieges, seinen Donner nach.
Bellone leiht dem Helden Waffen,
Mit Ihm voll edlen Zorns entbrannt;
Jedoch, Er legt, zur Wonn' erschaffen,
Sie wieder aus der Hand.
Ja schrecklich klangen Helm und Waffen –
Wir hörten's! wenn sein Zorn entbrannt';
Jedoch, Er legt, zur Wonn' erschaffen,
Die Blitze aus der Hand.
Irene eilt, Ihn zu beglücken,
Und zeiget Ihm Theresia.
Der Himmel strahlt in ihren Blicken;
Hoch, wie die Juno, steht Sie da.
Dianens Gang! Cytherens Mienen!
Die Tochter Zeus! Bellonens Lust!
Wer diese Göttin will verdienen,
Sei Cäsar! sei August!
Ja, wer die Göttin will verdienen,
Sei Cäsar! sei August!
[149]
Ein Gott, in dem die Tugend thronet,
Nur ein Franciscus ist es werth,
Daß eine Göttin Ihn belohnet,
Und Ihn der sechste Carl verehrt.
Die Tugend schrieb in ihren Tempel,
Auf goldner Tafel hängt es da:
Der Ehen größestes Exempel
Ist: FranzTheresia.
Wir waren in der Tugend Tempel,
Auf goldnen Tafeln steht es da:
Der Ehen größestes Exempel
Ist: Franz – Theresia.
Schaut her! Der Stolz von einem Volke,
Ein Götterchor blickt aus dem Flor:
So blickt aus einer kleinen Wolke
Des Mondes Angesicht hervor.
Ich seh' die Königin der Frauen,
Und hinter ihr den Götterzug!
Das Glück von einer Welt zu bauen,
Ist Eines schon genug.
Wir sehn Sie mit dem Stolz der Frauen,
Und hinter Ihr den Götterzug:
Das Glück von einer Welt zu bauen,
Ist Eines schon genug.
Dort auf der hohen Weisheit Pfade
Steht Franz! Apollos Liebling! Er!
Minerva denkt in Ihm, und Gnade
Hüpft auf den Lippen hin und her.
Oft saß Er in der Musen Haine;
Toscana sah's! Es sah es Wien!
Er starb – wie stutzen sie die Neune!
Wie klagen sie um Ihn!
Er wandelt' in der Musen Haine;
Toscana sah's! Es sah es Wien!
Er starb – wie stutzen sie die Neune!
Wie klagen sie um Ihn!
[150]
Hallt Nationen! Hallt Provinzen!
Das Lied von Franzens Gnade nach.
Der mit dem Bettler, wie dem Prinzen,
Mit eines Vaters Miene sprach.
Gefühlvoll, wie des Mitleids Triebe,
Wohlthätig, wie der Himmel ist!
Zwar majestätisch, und doch Liebe,
Ein Kaiser und ein Christ!
Gefühlvoll, wie des Mitleids Triebe,
Wohlthätig, wie der Himmel ist!
Zwar majestätisch, doch voll Liebe,
Ein Kaiser und ein Christ.
Noch trotzt die Donau auf die Würde,
Als sie den neuen Herrscher trug,
Und, stolz auf eine solche Bürde,
So stark, wie Meereswellen, schlug.
Der Zwillingsbrüder Wange glühte,
Das Chor der Nereiden sprach:
Da schwimmt Neptun und Amphitrite!
Ihr Ufer hallt es nach.
Da schwimmt Neptun und Amphitrite!
So hallten sie es nach.
Jedoch, mit welchen Pinselzügen
Malt man Ihn ganz, so wie Er war:
Ihn, der, o Deutschland! dein Vergnügen,
Dein Vater mehr, als Kaiser war.
Wie segnend lächelten die Blicke
Auf Joseph, seinen Sohn, herab;
Er sah in Ihm der Deutschen Glücke,
Und starb!
Ja segnend strahlten seine Blicke
Auf Joseph, seinen Sohn, herab;
Er sah in Ihm Europens Glücke,
Und starb!
[151]
Dann schwang Er sich in einem Wetter
Zum strahlenden Olymp hinauf.
Er kam, es stunden alle Götter
Von ihren goldnen Stühlen auf.
Zeus lächelt huldreich auf Ihn nieder,
Sein Vogel fliegt von seinem Thron;
Er schlägt sein struppiges Gefieder,
Und grüßt den Göttersohn.
Wie lächelt Zeus auf Ihn hernieder!
Sein Adler fliegt von seinem Thron;
Er schlägt sein struppiges Gefieder,
Und grüßt den Göttersohn.
III. Strophe.

Doch, ach! mein Deutschland!
So erklang
Gedämpft des Gottes weinender Gesang
In seiner schwachbezognen Laute Töne.
Noch einmal sieht er Ihn
Im Tod und eine geist'ge Thräne
Fällt auf die Leiche hin.
Doch Joseph kömmt! Erquickend wie das Licht,
Mit aufgeheitertem Gesicht
Sieht er den jungen Helden stehen,
Und seine Thräne fließt nicht mehr.
Zeus legt die Blitze weg! Von seines Berges Höhen
Erschrecken die Donner nicht mehr.
III. Antistrophe.

Und mit gewittertönendem Flügel
Verläßt er niedrige Hügel,
Und sinkt aus blauer Höh' herab.
Und sein Gefolge schlägt die rauschenden Flügel,
Und tönet von den Gestirnen herab!
Hört es, und jauchzet, ihr Brüder!
Zwar schlug ein Blitz die höchste Ceder nieder;
Doch, heulende Gebirge, schweigt!
Seht, wie ein andrer Wipfel steigt!
Und kühle Schatten wallen nieder.
[152] Epodos.

Die Muse hört die Göttertöne,
Steigt von den Felsen! Jede Thräne
Versiegt, und was die Gottheit sprach,
Spricht sie mit Silbertönen nach:
Hört es, und jauchzet, ihr Brüder!
Zwar schlug ein Blitz die höchste Ceder nieder;
Doch, heulende Gebirge, schweigt!
Seht, wie ein andrer Wipfel aufwärts steigt,
Und kühle Schatten wallen nieder.

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TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Politisches und Zeitgeschichtliches. Auf Oestreich und das deutsche Kaiserthum. Der Tod Franciscus des Ersten. Der Tod Franciscus des Ersten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-01A3-6