Frischlin 1

Wo liegt Frischlin, der Bruder meines Geistes,
Wo scharrten sie des Edeln Asche hin?
Wo ist sein Grab mit stillem Moos bewachsen?
Wo liegt Frischlin?
Er schlummert nur – vielleicht auf einem Anger!
Denn Fürstenhaß lag auf ihm hügelschwer,
Und Pfaffen brüllten über seiner Leiche:
Verdammt ist er!
Und doch, Frischlin, hat dir vom Aug' herunter
Der Aetherstrahl des Genius geflammt;
Und besser warst du, als die Hasser alle,
Die dich verdammt.
Als Knabe schon griffst du mit kühnem Finger
Ins Saitenspiel. Als Jüngling wirbelst du
Der Lyra Strahlen. Deine Töne flogen
Den Wolken zu,
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Die um den Mond mit Silberduft sich ziehen.
Versammelt waren Roma's Dichter drauf.
Sie stutzten: Aus den Wäldern der Barbaren
Steigt Sang herauf?
Dir hat Apoll, wie Plautus! deinem Bruder,
Mit eigner Hand den Sokkus angeschnürt,
Und Jokus hat in seinen Nektarkeller
Dich selbst geführt.
Er reichte dir in einem Faunenhorne
Des Göttertrankes viel. Da stieg dein Herz
Herauf ins Antlitz, und die Lippen troffen
Von hellem Scherz.
Dich hat Homers und Maro's Geist belächelt,
Und selbst der Geist des stürmenden Pindar.
Es segneten der alten Geister alle
Dich unsichtbar.
Dein Auge sah nicht mit dem Scholiasten
Nur Wörterkram und Periodenfluß.
Es sah das Schöne; sah das Wetterleuchten
Des Genius.
Wie silbernes Geträufel aus den Wolken
War deine Red' im vollgedrängten Saal.
Die Wahrheit schien ein Schwert in deinem Munde,
Ein Wetterstrahl.
Als Römer schriebst du; aber deine Seele
Voll Vaterland, liebt deutschen Biederton.
Du sprachst den stolzen purpurnen Tyrannen
Ins Antlitz Hohn.
Da schlug Gewaltthat dich in Eisenfessel;
Sie ging voll Hohn um deine Gruft herum,
Und brüllte: Ha, da fault er nun, mein Hasser,
Auf ewig stumm.
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Du aber schnellst mit wuthbeflammten Händen
Die dichtgeringte Eisenlast entzwei;
Entreißst dich muthig durch des Kerkers Quader
Der Sklaverei.
Doch ach! an eines grauen Felsen Wurzel
Fand er, der Edle, seinen Martertod.
Ein Winzer sah den Dichter blutig liegen
Im Morgenroth.
Wo ruht er nun, der Bruder meines Geistes?
Wo scharrten sie des Edlen Trümmer hin?
O sagt mir's, daß ich ihn mit Thränen salbe:
Wo liegt Frischlin?

Fußnoten

1 »Der Literator würde mich dauern, dem ich's erst erweisen müßte, daß Frischlin ein vortrefflicher Kopf war. Der Dichter, Redner, geschmackvolle Philolog, – noch mehr, der Märtyrer für die Wahrheit, einigte sich in ihm. Noch hat er weder Monument, noch Biographen. Also, einstweilen nur diese Rosmarinstaude auf sein Grab«. –

Anm. Schubarts.

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TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Zu Schubarts Leben. Frischlin. Frischlin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-018D-9