An meinen Sohn am Ludwigstage
Ludwig, du Sohn meines Herzens!
Als dein Tag röthlich heraufstieg,
Und die Stäbe meines Gitters küßte,
Da weint' ich gen Himmel: o Vater,
Ueber alles, was Kinder heißt
Im Himmel und auf Erden!
Auch ich bin Vater,
Hab' einen blühenden Sohn!
Hab' eine blühende Tochter!
Ach, ein armer Vater bin ich!
Denn ferne thatest du mich von meinen Lieben!
Du winktest mit eisernem Arme
Mir ins Gefängnis; ich folgte,
Ohne mit der Zähre des Abschieds
Zu netzen die Wange der Kinder!
Zu netzen die bleichere Wange
Der Mutter meiner Kinder!
Ach, nun sind schon viele, viel Jammermonde
Am rostzerfreßnen Gitter meines Kerkers
Mit schwerem, nächtlichem Fluge vorübergeflogen,
Und noch streck' ich die Vaterarme
Vergeblich aus nach dem Sohn meines Herzens,
Vergeblich nach der Tochter meines Herzens.
Im Kleide des Waisenknaben
Steht mein Sohn vor mir, im Schleier
Des verwaisten Mädchens meine Tochter –
Zwei Bilder aus Duft gewebt,
Die sich bewegen im Hauche meiner Seufzer,
Und zerfließen vor dem ausgebreiteten Arme!
[55]Ach, ich muß sein, wie einer,
Der seiner Kinder beraubt ist.
Ich werde mit Herzleid fahren
Hinunter in die Grube,
Eh' ich seh' Ludwig, meinen Sohn!
Juliana, meine Tochter!
Vergieb mir's, o du aller Väterlichkeit,
Aller Mütterlichkeit Urquell,
Wenn ich in der Nacht meines Kerkergewölbes
Einsam steh' und weine!
Auch du bist Vater,
Und ließest fallen eine Zähre,
Daß die Sonne erlosch,
Als dein Sohn Jesus
Herunterhing am blutigen Kreuze!
Ach, drum vergieb mir, du Bilder
Des Vaterherzens – o du!
Der den Silberquell der Mutterbrust
Strömen hieß! Vergieb mir,
Wenn ich in der Nacht meines Kerkergewölbes
Einsam steh' und weine!
Ach, laß mich dir danken mit Thränen,
Daß du mir einen Sohn gabst,
Daß du ihn beträuftest
Mit des wiedergebärenden Bades
Heiligem Wasser; daß du ihn schütztest,
Als der nahe Tod giftige Blattern
Wie Ruß auf seinen Körper streute;
Ihm halfest, wenn der Wurm
Sein Eingeweid' zerwühlte;
Ihn mit luftigem Flügel kühltest,
Als das Fieber ihn verzehren wollte
In sengender Flamme;
Ihn zogest aus der verschlingenden Donau,
Als er schon zuckte in ihrem schwarzen Rachen;
Ach! daß du ihm gabst einen Vater,
Als deine erbarmende Zucht mich entriß
Dem Strudel der Welt, und mich verbarg
In des Kerkers büßende Kluft.