1175. Die Judenschlacht zu Nördlingen.
Süddeutsche Blätter Nr. 116 (erz. v. K.Behlen).
Unter den vielen engen Gassen Nördlingens ist auch eine »Judengasse.« Den Namen soll sie von ihren früheren Bewohnern, den Juden, haben, die aber alle mit Weibern und Kindern an einem Tage erschlagen worden.
Im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts hatten sich zahlreiche Juden zu Nördlingen niedergelassen, die sich in Kurzem noch bedeutend vermehrten, so daß ihnen in Mitte der Stadt eine ganze Straße eingeräumt wurde, worin sie auch ihre Synagoge hatten. Da sie sich bald in den Besitz einiger der schönsten Häuser der Stadt gesetzt, auch viele Bürger gänzlich ausgekauft hatten, so entstand nach und nach ein großer Haß [197] gegen dieselben, welcher blutige Auftritte besorgen ließ. Indessen standen die Juden nicht nur unter kaiserlichem Schutze, sondern hatten auch viele und gute Freunde unter den benachbarten adeligen Herrn, denen sie oftmals aus Verlegenheiten geholfen hatten, wie sie denn von den Grafen zu Oettingen viele kostbare Pfänder und andere Verschreibungen besaßen. Also konnte es nicht leicht geschehen, daß der gegen die Juden glimmende Haß zu einem gefährlichen Ausbruche kam.
Nun war aber ein gewisser Goßenbrod aus der Stadt Augsburg nach Nördlingen gekommen, der wußte die Bürger mit arglistigen und einnehmenden Worten gegen die Juden zu hetzen. Viele Nördlinger, dazu etliche Weissenburger und Windsheimer Bürger wurden in das Einverständniß gezogen; bald war eine förmliche Verschwörung fertig, die auch am Freitag nach Jakobi 1383 zum Ausbruche kam. Es war ein gräßliches Morden in der Stadt; über zweihundert Juden wurden erschlagen, selbst ihre Weiber und Kinder nicht verschont.
Dieses Alles war aber ohne Wissen und Willen des Rathes geschehen, der sogleich eine Untersuchung anstellen, die Rädelsführer verhaften und elf Bürger zum Tode verurtheilen und hinrichten ließ. Hans Goßenbrod selbst hatte die Bürger verrathen, sich sodann aus dem Staube gemacht und nach Augsburg geflüchtet, woselbst er jedoch bald den Lohn seiner Frevel fand. Denn als er eines Tages zum Thore hinaus reiten wollte, schwoll ihm plötzlich der Hals und die Zunge, womit er die Nördlinger verführt und verrathen hatte, so gewaltsam an, daß er in wenigen Minuten erstickte.
Für Nördlingen sollte diese Judenschlacht die übelsten Folgen haben. Zuerst mußte man den Kaiser mit schwerem Gelde versöhnen, sodann hatte man sich die Adeligen zu Feinden gemacht, welche die Gelegenheit benützten, ihrem Hasse gegen die Stadt in allerhand Fehden und Plackereien Luft zu machen, indem sie vorgaben, viele ihrer kostbaren, an die Juden versetzten, Pfänder nicht zurück erhalten zu haben.