[73] 71. Richardis von Ebersberg.
Rader. Bav. S. II., 159. Paulhuber a.a.O. 546.
Es geschah um das Jahr 1012, als der Graf Ulrich von Sempt mit seiner Gemahlin Richardis auf einer Burg unweit Ebersberg wohnte, daß die fromme Gräfin alltäglich des Morgens frühe nach dem Kirchlein zu Ebersberg wandelte, um Gott zu dienen und die heilige Messe zu hören. Sie versäumte keinen Tag in diesem frommen Beginnen und ließ sich auch durch Regen oder Schneegestöber nicht davon abwendig machen. Einmal ging sie früh Morgens ganz allein ihres Weges durch den einsamen Wald dem geliebten Kirchlein zu. Stille war rings umher, kein Rauschen des Laubes vernehmbar, selbst die Vöglein ließen kaum vereinzelte Morgengrüße ertönen. Da schlug auf einmal ein ungewisses Summen wie von fernem Glockenklang an ihr Ohr. Sie blieb stehen und lauschte, es war die wohlbekannte Stimme des Glöckleins von Ebersberg, welches ihr deutlich zurief, daß sie nun heute zu spät kommen werde. Da entfiel ihr vor Betrübniß ein Handschuh, den hatte im Augenblick eine Elster im Schnabel und flog damit durch die Lüfte. Richardis eilte jedoch des Weges weiter, um wenigstens dem Beschlusse des heiligen Opfers mit anzuwohnen. In dem Augenblicke aber, als der Priester zu Ebersberg den Altar betreten wollte, flog die Elster mit dem Handschuh zur Thüre herein und legte ihn ohne Scheu auf dem Altare nieder. Niemand wußte sich das zu deuten, bis man den Handschuh der edlen Gräfin von Sempt erkannte und daraus schloß, daß sie noch unter Weges sei. So hielt denn der Priester mit der heiligen Handlung ein, bis Richardis erschienen war. Das Bild der Elster am heiligen Orte gibt noch zur Stunde der im Volke lebenden Sage Zeugniß.