[212] 215. Der Schäfer von Haid.
Mündlich.
Am Ufer des Maines erglänzet ein schönes Kirchlein zu Ehren der Muttergottes. Wie das erbaut worden, erzählet die Sage. Es war ein heißer Sommertag, da ruhte ein Schäfer bei seinen Schafen unter dem Schatten eines Baumes, der hatte einen schönen Traum, denn es war ihm, als sähe er einen lichten Engel zu ihm niederschweben. Der Engel aber sprach: Geh' hinauf auf jenen Berg, dort liegen Steine, davon fülle deine Hirtentasche siebenmal und trage sie zu dieser Stelle, alsdann hast du Steine genug, um eine Kirche zu bauen. Das klang dem Hirten seltsam in die Ohren, dennoch machte er sich auf, bestieg den Berg und trug siebenmal seine Hirtentasche voll Steine an die Stelle, wo ihm der Engel im Traume erschienen war. Als er nun damit fertig war, ging er hin, Maurer und Werkleute zu holen. Wie diese kamen und das winzige Häuflein kleiner Steine erblickten, schlugen sie ein helles Gelächter auf. Aber das währte nicht lange, denn ehe sie sich's versahen, waren die Steinchen große Steine und Quadern geworden, auch wollte der Haufen Steine, als sie zu bauen anfingen, gar nicht abnehmen, so daß eine ganze Kirche mit sammt dem Thurme davon erbaut werden konnte. Und als nun das Kirchlein fertig stand und die Glocken hell erklangen, zogen die frommen Waller von weit und breit zur Mutter des Herrn nach Maria-Haid.