938. Die Hand des Todten.
Mündlich.
Einer von Randeck hatte mit seinem Spießgesellen, einem Ritter von Leiningen in Erfahrung gebracht, wie die Herren von Kloster Eusserthal sehr kostbare Kirchengeräthschaften in Mainz bestellt hätten. Sie erkundschafteten nun, wann dieselben abgeholt würden und legten sich, als die Zeit gekommen, in den Hinterhalt. Sorglos zogen die Klosterknechte des Weges, als plötzlich die Schaar der Räuber aus ihrem Verstecke hervorbrach, über die Bestürzten herfiel und sich mit leichter Mühe des ganzen Schatzes bemächtigte. Indessen wurden die Thäter bald bekannt und es gelang sogar dem Bischofe von Speier, den von Randeck in seine Gewalt zu bekommen. Dieser bekräftigte jedoch mit einem Eidschwure, er habe keinen Theil an dem Raube genommen und wurde darauf freigelassen. Nicht lange darnach starb der Ritter und wurde vor dem Altare der Randecker Burgkapelle beigesetzt. Ein Grabstein mit seinem Bild und Wappen, deckte, flach in den Boden eingefügt, seine Gebeine. Als aber der Burgkaplan andern Morgens früh die Kapelle betrat, war die Steinplatte geborsten und die Hand des Verstorbenen ragte mit drei erhobenen Fingern – dem Anzeichen des Meineides – aus der Spalte hervor. Bestürzt eilte jener von dannen, den Burgherrn zu diesem Schauspiele [10] herbeizuholen. Darauf ward die Hand des Todten abermals in den Sarg gelegt und der Grabstein wieder zusammengefügt. Am nächsten Morgen aber fand man die nämliche Erscheinung; am dritten Morgen deßgleichen. Da entschloß sich der Erbe des Todten, dem Kloster Eusserthal die geraubten Kirchenschätze zurückzugeben und für den Verstorbenen fleißig beten zu lassen. Von demselben Augenblicke, da dieses geschehen, fing die Hand über dem Steine sichtbar zu welken und zu sinken an, bis sie am andern Morgen völlig verschwunden und die Spalte des Grabes spurlos geschlossen war.