1304. Die böse Müllerin.

Sage der Umgegend Bambergs, ohne bestimmte Oertlichkeit, die der Erzähler, ein Bamberger Gärtner, nicht anzugeben wußte.


Es war einmal vor langer Zeit ein ehrlicher und braver Müller, der hatte einen bildsaubern Burschen im Dienste, Niklas mit Namen. Derselbige war treu und fleißig in seiner Handthierung, dabei unschuldig und fromm und von Herzen Gott ergeben. Weil er aber ein so zartes Angesicht, auch so schöne schwarze Locken hatte, entbrannte des Müllers Weib in sündhafter Neigung zu ihm und sann Tag und Nacht, wie sie den unschuldigen Burschen in den Netzen ihrer Verführung umgarnen könnte. So oft sie sich aber dem Jünglinge mit katzenweichen Mienen und zuckersüßen Worten nahte, Niklas blieb kalt wie ein Stein und ging jederzeit als Sieger aus der Versuchung davon. Da nahm die Müllerin ihre Zuflucht zu teuflischen Mitteln. Nun ging es dem armen Niklas schlecht. Tag und Nacht, auf jedem Schritt und Tritt, verfolgte ihn Geisterspuk. Bald grinsten ihm Molche und Schlangen aus allen Ecken entgegen, bald sah er sich im Schifferkahn von giftigem Gewürm umzingelt, am Aergsten jedoch erging es ihm Nachts, wenn er müd von der Arbeit ausruhen wollte. Da kam es bald als Bock, bald als Schwein, gemeinlich aber in Gestalt eines Rosses zur Kammer herein, warf sich ohne viel Umstände auf den armen Burschen und quälte und plagte ihn entsetzlich, oft bis zum andern Morgen. Es war kein Wunder, wenn Niklas in Schwermuth verfiel und in kurzer Zeit so bleich und abgezehrt wie eine Leiche aussah. Da gab ihm Gott einen guten Rath. Nicht fern von der Mühle befand sich ein Klösterlein, dort wohnte ein frommer Mönch, welcher überall dafür bekannt war, daß er mit den Geistern umzugehen wisse. Dahin machte sich Niklas eines Tages auf den Weg, erzählte dem Pater sein Anliegen getreulich und bat ihn flehentlich, sein noch junges Leben zu retten. Der Mönch gab ihm den Rath, sobald sich [293] der Geist wiederum in Gestalt des Rosses bei ihm sehen lasse, sollte er einen Zaum bereit halten, alsogleich dem Rosse überwerfen, alsdann ungesäumt zum Schmiede des nächsten Dorfes reiten und das seltsame Rößlein beschlagen lassen. Das merkte sich der Niklas wohl, legte sich ruhig zu Bett und den Zaum neben sich. Als nun das Roß wie gewöhnlich erschien, that er so, wie ihm der Mönch befohlen hatte. Das Roß ließ sich den Reiter gern gefallen und trug ihn in sausendem Galopp in's nächste Dorf zur Schmiede. Dem Meister Schmied kam es seltsam vor, noch um Mitternacht Arbeit zu bekommen, indessen waren die Hufe bald fertig und auch dem Rößlein trotz Bäumens und Sträubens fest aufgeschlagen. Und nun gings zurück im gleichen Galopp über Stock und Stein, daß die Funken stoben. Zu Hause brachte Niklas das Roß in den Stall, legte ihm zur Fürsorge etliche Ketten an und verriegelte die Thüre auf's beßte. Dann legte er sich nieder und schlief betend ein. Des andern Morgens früh weckte die Bewohner der Mühle das herzzerreißende Klaggeschrei eines Weibes in dem Stalle. Da fand man die Müllerin an Ketten gebunden, in ihrem Blute liegend, das aus Händen und Füßen quoll, schäumend vor Schmerz und Wuth. Das böse Weib hatte ihre Strafe gefunden, der Niklas aber ist von selber Stund wieder frisch und munter geworden.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Dritter Band. 1304. Die böse Müllerin. 1304. Die böse Müllerin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FD2A-2