395. Das Fluchhaus zu Lauingen.

Die vor. Schrift S. 79.


Seit undenklichen Zeiten war in dem Hause eines hiesigen Bürgers nichts als Unglück gewesen. Der Vater hatte viel Geld geerbt und trotz aller Sparsamkeit und der musterhaften Haushaltung seines Weibes, hatte er nach Jahr und Tag keinen Heller mehr von der Summe, sondern noch obendrein große Schulden. Brach irgendwo eine Viehseuche aus, so durfte er versichert sein, daß, wenn alle Ställe in der Stadt verschont blieben, der seinige gewiß bald von allem Vieh geleert würde. Und so gings immer fort. Der gute Mann grämte sich darüber, wurde gemüthskrank und starb endlich in völliger Raserei. Sein einziger Sohn übernahm nun das Erbe und heirathete ein braves und noch obendrein sehr reiches Mädchen. Allein auch deren Vermögen hatte das Unglück bald verschlungen. Und ob sie sich gleich Tag und Nacht plagten, so kamen sie doch immer tiefer in Schulden und hatten endlich kaum mehr das tägliche Brod.

Endlich dachte der Mann, sein Vater habe oft gesagt: der Großvater sei gar gottlos gewesen, der habe das Haus im Fluche gebaut, darum sei kein Segen in ihm. Ich will nichts mehr darin zu thun haben! Dieß kam den Leuten lächerlich vor, aber noch lächerlicher, als er wirklich an einem andern Platze ein Haus baute, dann das alte von Grund aus niederriß und aus dem Holze Kohlen brannte. »Die Knallhütte soll keinen rechtlichen Mann mehr unglücklich machen!« sprach er zu den Leuten, welche meinten, er solle das Haus lieber verkaufen. Er hatte neue Angst, was er mit dem Gelde anfangen sollte, welches er für die Kohlen einnehme, aber der Mann, der ihm das Geld schuldig war, machte Banquerott, und so war er der Sorge los.

»Gut,« sagte er, »daß der Teufel das Seine vollends geholt hat, jetzt wird Gott seinen Segen doch wieder geben!« Und nun wohnte er in seinem neuen Haus und bei Allem was er anfing, war Segen und [409] Gedeihen. In wenig Jahren hatte er seine Schulden bezahlt, und in seinem Alter war er ein wohlhabender glücklicher Mann, der an seinen Kindern viel Freude erlebte.

»Ein jeder kann zu dieser Geschichte denken was er will,« sagt Hofrath Jung, der in seinen zu Lauingen 1790 gedruckten Schriften diese Begebenheit auch erzählt. »So viel aber ist wahr: man hüte sich vor ungerechtem Gute, das bringt über kurz oder lang Fluch und Verderben auf Kinder und Kindeskinder. Da heißts wohl recht, daß Gott die Missethat der Väter heimsucht an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied!«

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 395. Das Fluchhaus zu Lauingen. 395. Das Fluchhaus zu Lauingen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FA45-9