1015. Die Ellafort.
Mündlich.
In einem schönen Thale des Steigerwaldes liegt eine Ruine, welche vormals ein herrliches Schloß gewesen, Besitzthum der berühmten Grafen von Spies. Im Munde des Volkes lebt noch die Sage von dem Untergange dieses Schlosses und seines letzten Bewohners.
Ulrich von Spies war der letzte Sprosse eines edlen Stammes; seinen Sohn hatte er in einem Gefechte verloren, und sein Töchterlein Ella war die einzige Freude seines Alters. Diese hatte ein heimliches Liebesverhältniß mit einem jungen Ritter, Rudolph von Zabelstein. Als Ulrich entdeckt hatte, daß Ella zu seinem Todfeinde, der ihm in einem Turnier die Ehre des Tages raubte, Neigung hege, that er vor dem Bilde des Gekreuzigten einen Schwur, er wolle nie zulassen, daß sich der Zabelsteiner Geschlecht mit dem seinigen verbinde, seine Ella müsse den Schleier nehmen, wo nicht, so solle sie der schrecklichste Fluch des Vaters treffen. Es währte aber nicht lange, so war der alte von Spies eine Leiche, sein Töchterlein beharrte um so mehr im Bunde mit ihrem Zabelsteiner.
Schon war der Tag festgesetzt, da sie einander vor dem Altare die Hände reichen wollten, da soll sich des Vaters Leiche aus dem Grabe gehoben und noch einmal den furchtbaren Fluch über die Tochter gesprochen haben, darauf sei ein gewaltiger Sturmwind gekommen und das [75] ganze Schloß in den Erdboden versunken sein. Noch heute nennen die Leute diesen Ort die »Ellafort.« In Mondnächten erscheint Ella's Gestalt. Sie klagt und jammert und hält ein Kreuzbild umschlungen. Dann erhebt sich auch Rudolphs Geist aus den Trümmern des Zabelsteins und winket der Braut von der Eichenhöhe. Wenn der Mond untergeht und die Sterne vor dem nahen Morgen erblassen, breitet Ella nochmals ihre Arme aus und versinkt dann wieder in ihr Trümmergrab.