765. Von einem frommen Einsiedel auf der Milseburg.
Bechstein S. 84.
Auf der Milseburg lebte vor langen Jahren ein frommer Einsiedel, mit Namen Johannes. Das Volk, das häufig zu ihm auf den Berg kam, um seinen Segen wie seinen guten Rath und heilsame Kräuter von ihm zu empfangen, nannte ihn nur den Milsehans. Er war es, der zuerst auf dem einsamen Gipfel des Berges aus rauhen Steinen und [280] Felstrümmern, eine kleine Kapelle baute. Mühsam trug er die schweren Steine zusammen, und rief dabei oft den Beistand des heiligen Gangolf an. Wenn ein Block ihm zu schwer war, dann rief er munter: »Hopp! Gangolf! Hopp!« und da hoppte und hüpfte der Stein von selbst empor. Nahe am Brunnen des heiligen Gangolfs hatte der Eremit seine Zelle erbaut. Als die kleine Steinkapelle fertig war, beschloß der Einsiedler, auch ein mächtig hohes Kreuz auf der Milseburg zu errichten, ließ das in Fulda zimmern, und den steilen Berg hinauffahren. Vierundzwanzig Stiere zogen den Wagen mit dem schweren Kruzifix. Als dieses auf der Höhe ankam, offenbarte sich ein großes Wunder. Schon am Fuß der Milseburg war, ohne daß es von Jemand bemerkt worden wäre, der Felgnagel verloren gegangen, und erst oben wurde man gewahr, daß er fehlte. Und dennoch hatte der Wagen mit dem schweren Kreuz auf den Berg gefahren werden können. Solches Wunder that der heilige Gangolfus dem frommen Waldbruder zu Liebe und Dank, damit das Kruzifix durch den Fall nicht Schaden leide, und unversehrt von der geweihten Höhe als ein Gnadenzeichen empor rage. Und als die Kapelle fertig und das Kreuz errichtet war, ist der fromme Einsiedel auf dem Berge gestorben. Niemand weiß sein Grab.