137. Kaiser Rudolph und der Freihart zu Nürnberg.
VonKarl Förster. – Zeit der Sage: 1274.M.M. Mayers kleine Chronik von Nürnberg I., 49.
Der Kaiser zog zum Münsterthor
Und viel des Volks ihm nach;
Da trat ein Freihartsbub' hervor
Und zupft den Herrn und sprach:
»Herr Bruder, nicht so stark fürbaß!
Es ist noch einer hier!«
Der Kaiser schaut ihn an; der Spaß
Bedünkt ihm Frevel schier.
»Was ficht dich an? – Mein Bruder du?
Ich kenne traun dich nicht!«
Der Freihart aber lacht dazu
Und blinzt ihn an und spricht:
»Ich denke so: der Kaiser stammt,
Wie ich, von Adam her,
Und sind wir Brüder allesammt,
Sind wir's auch, ich und Er.«
»Drum wollt Ihr – was die Zeit verbrach –
Ausgleichen baar und blank,
So theilt mit mir, und tilgt die Schmach,
Und nehmt dann meinen Dank.«
Der Kaiser lacht und spricht: »Gesell,
Jetzt muß ich beten geh'n;
Schaff einen Sack derweil zur Stell',
Dann laß uns weiter seh'n!«
[134]Der Bub' eilt flink und flugs nach Haus
Und kehrt in vollem Lauf,
Da tritt der Herr zur Kirch' heraus
Und ruft: »Nun, Bursch', thu auf!«
Der zieht den Sack die Läng' und Quer,
Ihm dünkt er noch zu klein;
Der Kaiser wirft – es klang nicht schwer –
Wirft einen Heller drein.
Und spricht: »Nun weiter Bursch! Durch's Reich;
Der Brüder sind noch mehr!
Gibt jeder dir dem ersten gleich,
Bist du so reich, wie der.«