181. Der lange Becher.
Von B. Görwitz.
Am Markte zu Hof war seit etlichen Tagen
Ein wunderbarlicher Brief angeschlagen,
D'rinn stund: »Ihr Wohlehrbaren, Getreuen
Von Hof, hört mich, es soll Euch nicht reuen,
Ich komme zum künftigen Sonntag Mittag
In Euere Stadt, und will gemach
Mich als Gast an Euerer Großmuth ergötzen
Und meine durstige Kehle letzen;
D'rum stellet in jeglichem Fenster droben,
Das sich bis zum ersten Gaden (Stock) erhoben,
Eine Kandel kräftig Gebräu heraus,
Ich geh' dann vorbei, und trink' sie aus!«
Die wackeren Nachbarn befolgten sofort
Die seltsame Vorschrift Wort für Wort. –
Der Tag und die Mittagsstunde war da,
Und richtig – noch ehe man sich's versah',
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Kam ein schlanker Gesell die Straße daher, –
Einen solchen Riesen gab's nicht mehr! –
Er schaute bei'm hellen Sonnenschein
Zum ersten Gaden gerad hinein,
Und brachte die Kandeln bequem sich zum Mund,
Und leert' sie der Reihe nach bis auf den Grund,
Und that das noch einmal und abermals wieder
Die Straße wandelnd auf und nieder;
D'rauf rückt' er sein Hütlein, und mit Behagen
Spaziert er noch über zween Fuhrmannswagen,
Dann ließ er den Höfern in Gruß und Blick
Des »langen Zechers« Verheißung zurück.
Man hat noch die Läng' vom sothanen Riesen
Durch ein Zeichen im Mittelgäßlein erwiesen;
Auch treibt man das Zechen noch jetzund ins Weite,
Geht's nicht in die Länge, so geht's in die Breite! –