1196. Der Burggeist auf der Skorzenburg.
Mündlich. – Die Burg heißt urkundlich:Scowenburch (1104), Scoynburg (1120),Scouenburch (1148), Schauenburg (1200).
In geringer Entfernung von Ohlstadt erhebt sich ein waldiger Felsen, von dessen Höhe man weithin die ganze Gegend überschaut, insgemein die [212] Skorzenburg genannt. Man erzählt noch, wie diese Burg vormals eine mächtige und berühmte Veste gewesen, wie zuerst die Skyren, alsdann die Schenken und zuletzt die Chamer da geherrscht hätten, bis die Münchner in einer Fehde mit Gebhard von Chamer herangezogen, die Burg mit einer eisernen Kanone eilf Wochen lang belagert und endlich von Grund aus zerstöret hätten. Dabei sollen die tapfern Hofmärkler den Münchnern in einem Hinterhalt aufgelauert und die eiserne Kanone abgejagt haben.
Von dieser vormaligen Burg geht unter dem Volke noch eine Sage, welche Schreiber dieses bei einem Besuche des Felsens aus dem Munde eines achtzigjährigen Mannes vernommen. Die Erzählung lautete: »Es mögen etwa zwanzig Jahre her sein, da war ich auf der Veste und schaute hinaus in das Weite. Auf einmal hörte ich Fußtritte hinter mir, und als ich umschaute, stand ein Mann in meiner Nähe, der weitum als Wilderer bekannt, und ich darf schon sagen, berühmt war. Er kannte alle Stellen, worüber die Hirsche und Rehe wechselten, und wo immer Lehmhalden waren und die Gemsen äseten, da fand er hin. Aber den Gamsanderl kannten auch alle Jäger, und vor ihnen mußte er flüchten wie die Gemsen vor ihm. Diesmal sah er sehr verdrießlich aus; denn er hatte keinen Schuß gethan, zudem hörte er die Hunde eines Jägers anschlagen und mußte auf seine Sicherheit bedacht sein.
›Rautner!‹ sprach er, und warf den Stutzen auf die Erde, ›ich gebe dieses Gewerb auf, und will fortan ehrlich leben. Du kannst mir dazu behüflich sein, – und kannst selbst glücklich werden. Da unten im Felsen – in der zweiten Kammer, die mit einer eisernen Thür verschlossen, ist ein Schatz, der leicht zu heben wäre, wenn nur die Thür nicht hinderte. Doch mit deiner Axt und Beihülfe hoffe ich sie aus den Angeln zu heben; komm mit mir!‹
Er stieg voraus in die Oeffnung hinab, die man in Mitte des Felsens gewahrt, und ich folgte nicht ohne Schauder und Furcht nach. Als wir einige Schritte durch Schutt und Steingeröll uns durchgearbeitet hatten, betraten wir eine halbverfallene Stiege aus Stein, die uns tief und tiefer hinabführte, bis wir in eine aus dem Felsen gehauene Kammer kamen. ›Das ist die erste Kammer!‹ sagte der Wilderer, schlug Feuer und zündete eine Wachskerze an, die er in seinem Bergsack mit sich trug. Bald sah ich auch die eiserne Thür, der sich Anderl bereits genähert hatte, um die Axt zwischen Thür und Pfoste zu zwängen. Aber innen in der Kammer hörten wir eine Stimme, die dem Anderl wie aus dem Grabe hohl tönte, [213] mir aber hellklingend wie der Ton eines Silberglöckleins vorkam, zweimal rufen: ›Gleich! gleich!‹ Bebend vor Schrecken ergriffen wir beide die Flucht. Wie wir aber über die gebrechliche Stiege durch den Schutt und das Geröll wieder zum Tageslicht kamen, – ich weiß es nicht! Nur das weiß ich, daß der zweimalige Ruf, ›gleich! gleich!‹ oben noch lange in meinen Ohren wiederhallte, und daß unten meine Axt, und Anderls Perspektivlein lag, das er mir im Hinuntersteigen zum Halten übergeben hatte. Oft denke ich an diese Begebenheit, und immer durchrieselt mich ein eiskalter Schauer. Nie habe ich glauben wollen, daß auf der Veste ein Burggeist hauset, dessen hohler Zuruf dem vorübergehenden Holzer Unglück, dessen hellklingender Ruf Glück bei der gefahrvollen Arbeit verkündet: jetzt aber glaube ich beides. Denn der hohle Ruf des Burggeistes war auch für den Gamsanderl von schlimmer, sehr schlimmer Bedeutung. ›Gleich! gleich!‹ rief es tief unten im Felsen, und Anderl sollte gleich – schon des andern Tages – tief unten in einer Felsenschlucht der Berge sein Grab finden. Er sprang verfolgt von einem Jäger über eine Wand, und Niemand hörte weiter von ihm.«