1.
»Frei bin ich, was ich hab', ist mein,
Von Keinem trag ich Lehn,
Und Keiner soll den freien Mann
Den Nacken beugen seh'n.
Mich ruft der Kaiser nicht zum Krieg
Von diesem freien Grund,
Und wenn ich streite, schlag' ich mich
Für meine Freiheit wund.
Nicht um der Erde ganzes Gold
Laß ich den Schatz von mir.
Frei bleib', o Sohn, dem Vater treu,
Nur du gebiete dir!
Aufwiegt der Erde Gold mir nicht
Dies einz'ge große Gut,
Für meine Freiheit bin ich stark,
Verspritz' ich kühn mein Blut.
[2]Und wenn ich sterbe, lieg' ich einst
Im stillen, freien Grab;
Die freien Eichen streu'n darauf
Ihr grünes Laub herab.«
2.
»O Schmach! der Sohn hat sich entehrt!
Nicht ruhig kann ich's seh'n,
Er tauscht die Freiheit mit dem Joch,
Er wirbt um Kaiserlehn.
Mag Knecht er sein! Ich bleibe frei
Und suche mir das Grab,
Und wer mich liebt, der steigt mit mir
Zum dunkeln Berg hinab.
Da klafft der tiefe Bergesspalt
Vor unserm Fuß! Wohlan!
O zaudert nicht! o schaudert nicht!
Ich schreite kühn voran.« –
So sprach der edle Eticho
Den zwölf Gefährten sein;
Mit Zürnen schritt er in den Berg,
Sie schritten hinterdrein.
Da schlug der Berg mit Krachen zu,
Verschlingend seinen Raub;
Der Boden schüttert; Eichen streu'n
Herab ihr grünes Laub.
3.
Der Kaiser sitzt im hohen Saal,
Das fromme Heldenbild;
Sein edles Angesicht voll Mut,
Sein Auge klar und mild.
Die schönste Judith, Eticho's,
Des Zorn'gen, Töchterlein,
Des frommen Ludwig Ehgemahl,
Führt ihren Bruder ein.
Sie führt ihn vor des Kaisers Thron,
Da neigt er sich und spricht:
»Nimm, Herr, den treusten Diener auf
In deine Lehenspflicht.
So viel mit gold'nem Wagen ich,
Dieweil du schlummerst, kann
Umfahren, gib zu Lehen mir,
Dem treusten Lehensmann.«
Der Kaiser lacht und denkt dabei
Wohl ist er reich, doch nicht
So reich, daß er vollbringen kann,
Wovon er prunkend spricht.
Dann spricht er laut: »Wie du gesucht,
So mag es wohl gescheh'n,
Was du mit gold'nem Wagen umfährst
Gehöre dir zu Lehn.«
4.
Der Kaiser schläft im hohen Saal
Zur heißen Mittagszeit;
Der edle Heinrich fährt indeß
Durch Oberbayern weit.
Beflügelnd seinen Wagen zieh'n
Die Rosse mit feurigem Mut;
Ein kleiner Wagen von eitlem Gold
In seinem Schooße ruht.
[3]Und wenn der Renner Kraft erlahmt,
Sind and're frisch zur Hand;
Sie führen den edlen Heinrich weit
Durch's schöne Oberland.
Sie führen ihn im Flug vom Lech,
Bis wo die Amper fließt,
Bis wo die Ilm den frischen Quell
In's blüh'nde Thal ergießt.
Da stieg zuletzt ein steiler Berg
Kahl, sonnenheiß empor,
Daß Heinrich, ihn beschauend, fast
Den frischen Mut verlor.
Da spannt er rasch ein Mutterpferd
Dem leichten Wagen vor,
Er schwingt die Geißel, treibt das Roß
Vom Thal zum Berg empor.
Vergebens! wie die Mähre sich
Mit allen Kräften müht,
Der Wagen rollt zurück in's Thal;
Die Sonne drückender glüht.
»Nun soll in Ravensburg kein Herr,
Als nur in höchster Noth,
Ein Mutterpferd gebrauchen je,
Sonst treff' ihn jäher Tod!«
Der Edle lenkt im Zorn zurück
Den Wagen zum Palast:
Wo Kaiser Ludwig grad' erwacht
Von sanfter Mittagsrast.
Der ruft dem Schwäher lachend zu:
»O weh! verrathen ist,
Wer solchem Schalke sich vertraut
Und seiner argen List.
Behalte, was du hier gewannst
Mit deinem list'gen Brauch;
Und was ein Mann versprochen hat,
Erfüllt und hält er auch.«