903. Das weiße Pferd am Katzensteg.
Mündlich.
Wenn sich ein Bewohner Türkenfelds im benachbarten Geltendorf verspäten sollte, und er zur Nachtszeit nach Hause geht, bekreuzt er sich allemal, sobald er sich dem sogenannten Katzensteg nähert. Es ist auch dort nicht heimlich, und beim Mondenscheine werfen die schwarzen Erlen, die am Bächlein wachsen, welches hier durch sumpfigen Grund fürbaß zieht, einen melancholischen Schatten auf den Steg, der über den kleinen Sumpf gelegt ist. Aengstlich sieht der Wanderer umher, und wenn ein Blättlein rauscht, so betet er ein Vater unser und Avemaria, daß die Gefahr von ihm abgewendet werde. Vor Zeiten hausten hier die Geister gewaltig, und es ging selten Jemand vorüber, ohne von einer Erscheinung geschreckt zu werden. Selbst muthige Bursche, die in Gesellschaft über diese Geister spotteten, haben von Angstschweiß triefend die Flucht ergriffen. Am öftesten ließ sich aber ein weißes Pferd sehen, manchmal ohne Reiter, die Wanderer neckend, manchmal mit einem Reiter den Vorübergehenden drohend. An diesen Spuck glauben die Bewohner der Gegend noch heut zu Tage, und wissen Manches zu erzählen, was Vorübergehenden widerfahren sein soll.