715. Der Maiengang.
Mündlich.
Vor achtzig Jahren wurde noch in Würzburg, wie in ganz Franken, der erste Mai als ein Volksfest gefeiert, von dem jetzt freilich unsere Jugend nichts mehr weiß. Die Mädchen sammelten sich in kleine Chöre und zogen von Haus zu Haus die Stadt durch. Eine trug eine Birke, die man den Maienbaum zu nennen pflegte, mit bunten Bändern geziert. Um diesen Baum schlossen sie, Hand in Hand geschlungen, tanzend und singend einen Reihen, empfingen an jedem Hause eine Kleinigkeit an Geld, das dann gesammelt, zur Veranstaltung eines festlichen Abendschmauses verwendet wurde. Der bei diesem Maiengange der fränkischen Mädchen gebräuchliche alte Volksgesang lautete:
Der Maye, der Maye
Ist gar 'ne schöne Zeit,
Da soll man lustig und fröhlich sein,
Lustig und fröhlich
[247]Das Patschen, das Patschen
Gefällt uns gar zu wohl.
Es muß ein reicher Kaufmann sein,
Der uns ernähren soll.
Laßt die Jungfern springen,
Laßt die Vöglein singen.
Der Maye, der Maye
Ist gar 'ne schöne Zeit.
Auch war es Sitte, mehr auf dem Lande als in der Hauptstadt, vor den Häusern des Pfarrers, des Beamten, des Schulzen und anderer Leute, denen man Ehre erzeigen und eine Freude machen wollte, in der Nacht vor dem ersten Mai einen grünen mit Bändern gezierten Baum zu errichten, und dadurch die Bewohner gleich beim Erwachen zum Genusse der Freuden des Wonnemonats einzuladen. Man hieß dieses: »Einem einen Mayen stecken« – und davon kam das fränkische Sprichwort: »Wem man nicht wohl will, steckt man keinen Mayen.« –
Fußnoten
1 Der Verehlichte.