1.
Sonne und Mond sind Weib und Mann. Als sie Hochzeit hielten, that der Mond, der stets als etwas kalt und langweilig gilt, in der Brautnacht der feurigen begehrenden Braut nicht zur Genüge: er hätte lieber geschlafen. Das verdroß die Sonne und sie schlug dem Manne eine Wette vor, daß, wer von ihnen zuerst erwachen würde, das Recht haben solle, bey Tage zu scheinen: dem Trägen gehöre die Nacht. Würden sie beyde zugleich wach werden, sollten sie fortan nebeneinander [57] am Himmel glänzen. Da lachte der Mond gar einfältig vor sich hin: er ging die Wette ein, weil er nicht glauben wollte, daß er verlieren könne, und lachend schlief er ein. Davon hat er das Lachen behalten. Die Sonne aber ließ der Aerger nicht lange ruhen; schon vor zwey Uhr wach, zündete sie der Welt das Licht auf und weckte den frostigen Mond, und hielt ihm ihren Sieg vor und zugleich die Strafe, daß sie nun nie mehr eine Nacht mitsammen verbringen würden.
Darum habe sie die Wette gesetzt und mit einem Eide bekräftiget, daß sie gebunden sey und nicht schwach werden könne. Seitdem leuchtet der Mond bey Nacht, die Sonne bey Tag.