5.

Ein Graf im Fichtelgebirge hatte Weib und Kind, Heerden und Hirten, war aber rauh und hart. Da schwur ihm der Hirt Rache und stahl einst dem Vater das Kind und vertauschte seine Tochter dagegen. Hylde, des Hirten Kind, war aber garstig und böse, schön und gut hingegen Bertha, das edle Kind. Als nun der Hirt alt und schwach wurde und nicht mehr lange zu leben hatte, warf er der jungen Gräfin einen Stein in's Auge, daß es erblindete, und der Graf befahl, ihn dafür zu hängen. Fortan mußten die Hirtin und Bertha die Heerden hüten. Da kam ein schmucker Geselle und sprach bey der Hirtin zu und blieb bey ihr, um statt ihrer den Dienst zu thun. Das war dem Grafen gerade recht: denn nun mußte Bertha als Magd in's Schloß. Weil sie aber schön war und klug und den Neid des häßlichen Burgfräuleins vermeiden wollte, verunstaltete sie ihr Gesicht mit Ruß und ihre Gestalt [321] durch plumpe alte Kleider. Nicht lange, so gefiel dem Grafen der junge Hirte und er nahm ihn als Knappen in's Schloß. Seine schöne Gestalt gewann gar schnelle das Herz der häßlichen Hylda, aber auch das der bescheidenen Bertha. Doch that der Knecht stolz gegen Beyde. Als aber einmal Bertha am Brunnen Wasser holte und mit dem Krug fiel, hob er sie auf und that ihr schön. Das sah die Gräfin vom Fenster und voll Eifersucht und Rache ließ sie der schönen Magd die schönsten Kleider anziehen, und in diesen Allen zum Spotte die niedrige Arbeit verrichten. Darüber härmte sich Bertha und weinte im Stillen; der Stallknecht aber schlich ihr nach und tröstete sie. Einmal wagte er es, sie zu küssen. Das sah aber die alte Hirtin, die hinter der Burgmauer stand, und der Maid nun in harten Vorwürfen drohte. Sie zu begütigen, zog die erschrockene Tochter die goldene Nadel aus dem Haare und steckte sie in den rothen Schuh und warf Beydes ihr zu. Aber auch die Gräfin hatte den Vorgang gesehen und ließ aus Zorn und Wuth die Magd in den Thurm werfen.

Alle Jahre ritt der Graf einmal aus und kehrte erst am nächsten Morgen wieder. Das reizte den Knappen und er ging der Hufspur nach, welche in einer engen Bergschlucht sich verlor. Da trat er zur alten Hirtin und frug sie um den Weg, und diese gab ihm ein Stäbchen und ein Päckchen; jenes werde ihm das Bergthor, dieses den Eingang in die unterirdische Burg eröffnen. Er ging nun wieder vor den Berg und schlug [322] mit dem Stäbchen daran, und der Berg ging auseinander und der Knecht hindurch. Da arbeiteten Zwerge gleich Goldschmiden, und mehrere davon waren eben daran, dem Rosse des Grafen goldene Hufeisen anzuschlagen. Er drang weiter vor und gelangte auf eine schöne Au; hier stand ein grosses weisses Schloß: ein grosser Hund mit eines Mannes Kopfe hütete des Einganges. Der Knecht warf ihm das Päckchen vor und kam unbehindert in das Schloß und in den Saal. Da sassen alte graue Herren am langen Tische, und junge Leute tanzten zur Seite. Der Knappe trat an den Tisch und brachte damit die Ritter in Bewegung. Der Aelteste aber befrug ihn: »Wer bist du?« – und der Knappe rief voll Entsetzen ihm zu: »Mein Ahnherr!« – Da ward Alles finster um ihn, er sank ohnmächtig nieder; am Bergthor erwachte er, eben ritt sein Graf vorüber.

Bald darauf hieß es, ein junger Fürst durchreise das Land, sich eine Braut zu wählen. Mit Ungeduld harrte seines Besuches die Gräfin: aber der junge Fürst zog an dem Schlosse vorüber. Da ließ sie ihre Wuth gegen Alle im Schlosse aus: besonders hatte es die Magd im Thurme zu fühlen, daß sie so schön sey. Eben hatte sie wieder die Unbilden der boshaften Gräfin zu ertragen, da erbebte die Burg, und Zwerge traten herein und brachten den rothen Schuh und die goldene Nadel und sagten, jene sey des Fürsten Braut, welcher Beydes gehöre. Da griff die Gräfin darnach. Zu gleicher Zeit aber traten der Fürst und die Hirtin ein, [323] mit grossem Gefolge; die Hirtin verkündete, daß Bertha des Grafen rechtes Kind sey, Hylda sey ihr eigenes, das sie ausgewechselt habe, um sich zu rächen. Zum Zeichen trage ihre Tochter Schafhaare auf den Armen, wie sie, die Alte, selber.

Da stürzte sich die Gräfin vom Thurme, der Graf enteilte auf seinem Hengste und Bertha wurde des jungen Fürsten, des früheren Knappen, schöne Gemahlin. Neuenhammer.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 3. Erdzwerge. 20. Hankerln. 5. [Ein Graf im Fichtelgebirge hatte Weib und Kind, Heerden und Hirten]. 5. [Ein Graf im Fichtelgebirge hatte Weib und Kind, Heerden und Hirten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E98F-E