4.

Der Giebenberg, Gaýmberg, etwa 11/2 Stunden von Rötz entfernt, ist seit undenklichen Zeiten Aufenthaltsort der Strazeln. Ganz öde und ohne Ruine, aber durch Geister und Sagen gleich dem Untersberge verrufen, ist er fast ganz ausgehöhlt von den Schrazen, welche hier ihren Sammelplatz hatten; die Gänge, die ihn durchziehen, tragen noch die Spuren von den kleinen Leuten, welche hin und wieder gingen: an den Stellen, wo sie mit den Ellenbogen anstreiften, ist die Wand ganz glatt. Wo diese Gänge zu Tage gehen, sind sie etwa 3 Fuß hoch, 2 Fuß breit, oben halbrund.

Aus diesem Berge führt ein langer, unterirdischer Gang bis in den Keller eines Wirthes in Heinrichskirchen: er soll von den Strazeln gebaut seyn. Da dieser Keller auch zur Aufbewahrung von Eßwaaren diente, bemerkten die Wirthsleute gar oft einen Abgang daran und liessen daher die Dienstboten nicht mehr allein hinunter gehen. Gleichwohl fehlte ungeachtet dieser Vorsicht nach wie vor Manches an den Vorräthen, weßhalb sich der Wirth einmal Nachts hinter einem Fasse versteckte. Da sah er gegen den Morgen hin die Strazeln in grosser Menge aus der Oeffnung, durch welche das zusammengesessene Wasser ablaufen sollte, herauskommen, und weil sie von ihm ungestört blieben, auf die Speisen zugehen und heißhungerig davon verzehren; [294] als sie satt waren, nahm jeder noch mit, so viel er eben tragen konnte. Das war dem guten Wirthe denn doch zu unbescheiden, und er rief ihnen ein ernstes »Halt« zu. Mit jämmerlichem Geschrey drängten sich die Kleinen durch das Loch hinaus, ohne Etwas von dem, was sie einmal eingepackt, fallen zu lassen. Der Wirth ließ es gutwillig geschehen, verwahrte sich aber gegen die ungebetenen Gäste für die Zukunft durch ein Gitter, welches er vor die Oeffnung stellte. – Nicht lange darauf fand man aber das Gitter eingeschlagen.

Man hatte ihnen später Mehl gestreut, um zu sehen, was sie für Füsse hätten: es drückten sich natürliche Kinderfüsse ab, denen je eine Zehe fehlte.


Von demselben Berge geht ein anderer Gang bisRötz hinein in den Keller eines Wirthes, der zugleich Metzger ist. Man hatte einmal eine Gans am Berge in den Gang hineingelassen, und diese war beym Wirthe in Rötz herausgekommen, was einen Weg von über einer Stunde macht. Da waren sie auch seit lange auf dem Hause und wohnten im Keller. Nachts arbeiteten sie die Arbeit, welche übrig geblieben war, und brachten der Wirthin gar oft Brod, kleine Laibchen, welche sie annehmen mußte, wollte sie nicht, daß die Kleinen traurig wurden und weinten. Die gute Frau wollte ihnen auch Etwas zu Gute thun und ließ ihnen mehreremale besondere Speisen zurichten. Auf dieses hin blieben sie aus, sie waren für ihre Arbeit im Hause bezahlt und durften nicht mehr bleiben.

[295] Nach Aussage der Wirthin waren diese Schrazen etwa 2 Fuß hoch, mit schneeweissen Haaren und rothen Augen, weßhalb sie das Tageslicht nicht vertragen konnten, sonst waren sie gestaltet wie Menschenkinder und auch so gekleidet; ihre mantelartigen Röckchen waren aus Binsenmatten von ihnen selbst geflochten. Es zeigten sich ihrer stets mehrere zusammen, Männlein und Weiblein: erstere trugen das Gesicht von Haar und Bart ganz verwildert. Eine Sprache redeten sie, welche Niemand verstand; dagegen konnten sie singen so schön, wie die Meerfräulein, glockenhell.

Ausser der Wirthin sahen sie nur Sonntagskinder, und auch diese nur flüchtig; man hieß sie bloß dieKellergäste.

Seit die Stadt abgebrannt ist, hört man nichts mehr von ihnen.


Da war auch ein Hirt, welcher um den Berg herum hütete: dieser sah gar oft, wie sie unter das Vieh gingen, die Kühe aufsuchten und Milch tranken; sie waren eben groß genug, um, wenn sie sich streckten, die Striche in den Mund zu bekommen. Wollte der Hirt auf sie zugehen, machten sie sich eiligst davon: nie gelang es, einen dieser Zwerge zu erwischen.

An schönen Tagen kamen sie auch aus dem Berg heraus und sangen und sprangen und trieben mancherley Kurzweil.

Es waren aber lauter Männchen.


[296] Oefter waren auch die Leute auf den Wiesen am Berge beschäftiget, Heu zu machen: da kamen die Strazeln herbey und arbeiteten mit, besonders um die Mittagszeit, wann die Menschen von der Arbeit ruhen. Gingen diese wieder an die Arbeit, so machten sich die kleinen Dinger dahin, wo Mittag gehalten worden war und verzehrten die Ueberreste des Mahles. Sowie man aber auf sie zuging, liefen sie in den Berg hinein und nahmen mit, was sie an Speise erhaschen konnten.

So befreundeten sie sich gar sehr mit einem Knechte. Wenn dieser auf dem Felde arbeitete und seinen Goller auf den Rain geworfen hatte, kamen sie schnell herbey und durchsuchten die Taschen, ob sie Nichts zu essen finden möchten: er hatte aber schon dafür gesorgt, daß sie nicht umsonst suchten. Mit der Beute liefen sie schnell davon.

Einmal hatte er sich unter Mittag in den Schatten gelegt und war erst gegen Abend erwacht. Da fand er zu seinem grossen Erstaunen alle Arbeit schon gethan und sah, wie ihrer drey gerade noch beschäftigt waren, den letzten Bifang zu ackern; zwey gingen hinter dem Pfluge, einer vor den Ochsen.

Aus dem Orte Berg bey Thannstein waren eines Tages Einige mit Streurechen beschäftiget. Als sie sich zum Mittagessen niedersetzten, kamen die Strazeln herbey und rechten so lange, als jene beym Essen waren.

Wieder einmal wurde bey der Feldarbeit eine Magd unwohl und mußte sich im Walde niederlegen, bis die Anderen sie Abends auf dem Wagen nach Hause fahren [297] würden. Da kamen die Männlein herbey und brachten ihr Wurzeln, welche sie aß, und bliesen ihr in die Ohren. In etlichen Stunden war die Dirn so hergestellt, daß sie wieder an die Arbeit gehen konnte.

Aus demselben Orte war ein Bauer im Holze: dort fließt ein Wasser, der Goldbach genannt. Da sah er den Zwergenkönig, ein wunderschönes kleines Männchen mit einer goldenen Krone auf dem Kopfe. Der Bauer schlich sich hin, das Ding zu fangen: es war im Wasser beschäftiget, wie wenn es Etwas suchen wollte, verschwand aber plötzlich, als der Mensch nahe kam.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 3. Erdzwerge. 17. Sagen. 4. [Der Giebenberg, Gaýmberg, etwa 11-2 Stunden von Rötz entfernt]. 4. [Der Giebenberg, Gaýmberg, etwa 11-2 Stunden von Rötz entfernt]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E955-E